NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. August 2008 um 9:11 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem mit folgenden Themen:

  • Wissenschaft mit Motorschaden?
  • Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Solow: „Jetzt muss der Staat Schulden machen
  • Vielerlei Hürden für eine umfassende Finanzaufsicht
  • IKB-Untersuchung nicht gewollt
  • Dänemark verstaatlicht Krisenbank
  • Subventionen: Amerikas Autoindustrie ruft den Staat zu Hilfe
  • Renten brechen ein?
  • Superreiche profitieren von Steuerentlastungen
  • Korruption in der Wasserwirtschaft?
  • Warum Niebel übel ist
  • Vattenfall für Worst EU Lobbying Awards 2008 nominiert
  • Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

    Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

    1. Wissenschaft mit Motorschaden?
      Die Finanzkrise trifft nicht nur Banken und Konjunktur, sondern auch die bisherige ökonomische Theorie. Das zumindest prophezeit eine ganze Reihe von Ökonomie-Nobelpreisträger, die sich jetzt in Lindau trafen. Der VWL-Gipfel machte deutlich: Der Glauben an das reibungslose Funktionieren freier Märkte ist tief erschüttert.
      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung: Darin findet sich ein netter Vergleich: „Ähnlich sieht es auch der Berkeley-Professor George Akerlof, der 2001 gemeinsam mit Stiglitz den Nobelpreis erhielt: “Die Mainstream-Ökonomie hat eindeutig zu viel Vertrauen in das Funktionieren von freien, unregulierten Märkten gesetzt”, sagte er. Wer Märkte erfolgreich deregulieren wolle, der müsse das “Laufstall-Theorem” ernst nehmen: “Solange Sie ein Kleinkind im Laufstall lassen, müssen Sie es nicht weiter im Auge behalten. Da kann nicht viel passieren”, erläuterte Akerlof. “Wenn Sie das Kind aber aus dem Laufstall rauslassen, sollten Sie es besser im Auge behalten, damit nicht irgendwann ein Unglück passiert.” Bei der Deregulierung von Finanzmärkten gebe es Analogien.“

    2. Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Solow: „Jetzt muss der Staat Schulden machen“
      Wirtschafts-Nobelpreisträger Solow hat seinen Ruhm bekommen, indem er gegen Keynesianismus anschrieb. In der Finanzkrise springt er jedoch für die nachfrageorientierte Politik in die Bresche: „Man kann montags, mittwochs und freitags an das Angebot denken und dienstags, donnerstags und samstags an die Nachfrage.“
      „Herr Solow, die Wirtschaft steckt in der Krise. Was ist jetzt zu tun?“

      Der Staat muss helfen und Geld ausgeben. Das sehen in Deutschland viele Ökonomen nicht so. Aber ich finde ihre Meinung schwer zu verstehen. Schließlich haben wir aus der Geschichte des modernen Kapitalismus gelernt, dass er zwar meistens ziemlich gut funktioniert – aber dass er auch von Zeit zu Zeit Schwierigkeiten macht. Dann muss der Staat eingreifen.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung KR: Faszinierend zu lesen, auch wenn man Solow nicht in allen Punkten zustimmen mag. Beispielhaft stehen sich amerikanischer Pragmatismus und typisch deutscher, faktenresistenter Dogmatismus gegenüber. Beide Seiten fassen sich ratlos an den Kopf, eine Verständigung ist nicht möglich.

    3. Bankenkrise

      Vielerlei Hürden für eine umfassende Finanzaufsicht
      In seiner Rede am Wirtschafts-Symposium in Jackson Hole hat Fed-Chef Ben Bernanke keinen Zweifel daran gelassen, dass eine stärkere Fokussierung von Regulatoren und Aufsichtsbehörden auf systemweite Risiken im Finanzsektor wünschbar und auch unvermeidbar sei. Gleichzeitig hat er aber auch davor gewarnt, sich davon zu viel zu erhoffen. Die Schwierigkeiten bei der Überwachung eines Finanzsystems, das so riesig, vielfältig und globalisiert sei wie jenes der USA, dürften nicht unterschätzt werden. Die dazu nötigen Techniken seien anforderungsreich, und ihre Anwendung würde sowohl bei den Aufsichtsbehörden als auch bei den Beaufsichtigten wohl sehr hohe Kosten verursachen. Bernanke warnte davor, in Bezug auf eine «macroprudential»-Aufsicht zu viel zu versprechen, zumal man noch ziemlich weit davon entfernt sei, über die nötigen Kapazitäten zu verfügen, um eine solche auch gründlich implementieren zu können.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Während die meisten Tageszeitungen vom wichtigsten finanzpolitischen Jahrestreffen der Welt in Jackson Hole, Wyoming, berichten, dass das FED unter Ben Bernanke auch angesichts weiter gestiegener Inflationsraten wegen der Konjunkturrisiken und der unsicheren Finanzmärkte ihren Leitzins weiterhin „relativ niedrig“ halten würde, zählt für die Schweiz die Nachricht, dass die Implementierung einer umfassenden Finanzaufsicht noch auf sich warten ließe bzw. gar nicht soviel brächte. Einmal mehr wird deutlich, dass der Finanzplatz Schweiz vor allem an einem unregulierten Finanzmarkt gelegen ist. Bedauerlicherweise hören wir von der EU sehr wenig über eine Regulierung der Finanzmärkte unter Einbeziehung der Schweiz , Liechtenstein und anderer Paradiese für Steuerflüchtige.

      Neben der sehr drastischen Formulierung Bernankes: “Der Sturm auf den Finanzmärkten erreichte in den vergangenen Wochen Orkanstärke. Seitdem ist er nicht abgeflaut”, war auf dieser Tagung eine Äußerung Jean-Claude Trichet zur Funktion der EZB bemerkenswert. Diese habe „nur eine Nadel im Kompass“, die auf die Wahrung der Preisstabilität gerichtet sei, während das FED zusätzlich noch für einen möglichst hohen Beschäftigungsstand zu sorgen habe. Mit anderen Worten, die EZB tut letzteres nicht, müsste aber, wenn sie den Kompass der FED habe. Wenn das nicht eine Einladung an die Verantwortlichen in den Mitgliedsländern der Eurozone ist, die Satzung der EZB zu ändern!

      Siehe auch:

      Bernanke will Leitzins stabil halten
      Quelle: FAZ

      Reducing Systemic Risk
      Chairman Ben S. Bernanke at the Federal Reserve Bank of Kansas City’s Annual Economic Symposium, Jackson Hole, Wyoming
      Quelle: FED

      IKB-Untersuchung nicht gewollt
      Einem Bericht des Spiegel zufolge erwarten Experten aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium noch für mindestens zehn Jahre Belastungen durch die IKB für die staatliche KfW-Bankengruppe und den Bund. So lange werde es dauern, bis der Risikofonds der KfW in Höhe von fünf Milliarden Euro aufgefüllt ist. Die Mittel wurden bei der Rettungsaktion für die angeschlagene Bank fast aufgebraucht. SPD und CDU/CSU lehnen jedoch die Oppositionsforderung nach einem Bundestagsausschuß zum Bankenverkauf ab.
      Quelle: Junge Welt

      Dänemark verstaatlicht Krisenbank
      Nach dem Ausbleiben privater Angebote will die dänische Zentralbank die in Schwierigkeiten geratene Bank Roskilde selbst übernehmen. Ein neues Institut wird die Geschäfte fortführen. Damit soll drohender Schaden für den Finanzsektor abgewendet werden.
      Quelle: Manager Magazin

    4. Subventionen: Amerikas Autoindustrie ruft den Staat zu Hilfe
      Die angeschlagene amerikanische Autoindustrie will mit einer staatlichen Hilfsaktion aus der Krise kommen. Die drei Autohersteller General Motors, Ford und Chrysler haben eine Kampagne gestartet, um mehr staatlich garantierte Kredite zu bekommen. Das geforderte Kreditvolumen soll Medienberichten zufolge bis zu 50 Milliarden Dollar betragen und wäre damit doppelt so hoch wie ein schon in Aussicht gestelltes Hilfspaket. Die Kredite sollen es den Herstellern erlauben, ihre Produktpalette auf kraftstoffsparende Autos auszurichten. Barack Obama und John McCain, die beiden designierten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November, haben ihre Unterstützung signalisiert. John McCain, der Kandidat der Republikaner, war zunächst gegen das Hilfspaket, hat aber nun seine Meinung geändert. Er verwies darauf, dass die Regierung im Zuge der Finanzkrise Banken zu Hilfe gekommen sei, daher müsse nun das Gleiche für die Autoindustrie getan werden.
      Quelle: FAZ
    5. Löhne stürzen ab
      Schwindende Tarifbindung, Privatisierung und Arbeitsmarktreformen haben das Lohngefüge dramatisch verändert. Der Vormarsch des zügellosen Kapitalismus hat auf dem Arbeitsmarkt tiefe Spuren hinterlassen: Die Lohnkluft wächst, ein Teil der Beschäftigten ist finanziell abgestürzt. Die Realeinkommen von Geringverdienern sind in den vergangenen Jahren um fast 14 Prozent gesunken – betroffen ist ein Viertel der Arbeitnehmer in Deutschland. Dagegen konnten Besserverdienende ein reales Plus verbuchen. Das berichten Forscher der Uni Duisburg-Essen in einer Analyse, die der Frankfurter Rundschau vorliegt und die morgen in den WSI-Mitteilungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stifung veröffentlicht wird.
      Quelle: FR
    6. Renten brechen ein?
      Von Banken bezahlte Wissenschaftler schlagen Alarm: Wer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, wird bald keine Rendite mehr bekommen. Buhmann ist die Politik.
      Quelle: FOCUS

      Anmerkung KR: Zunächst einmal ist zu loben, dass der FOCUS den Leser darüber aufklärt, wer hinter dem Institut steht: Die Banken. Ob die Renten wirklich einbrechen, hängt von beeinflussbaren, politischen Entscheidungen ab. Die Frechheit, mit der die Auftraggeber des DIA den Staat für ihre Geschäfte einspannen wollen, kann einem dann allerdings den Atem verschlagen. In der Pressemitteilung des DIA [PDF – 40 KB] heißt es zunächst: „Als größte Renditerisiken der gesetzlichen Rentenversicherung identifiziert die DIA-Studie die zahlreichen Kürzungen der Politik und die ungünstige Demographie. So wurden die Beitragssätze kontinuierlich erhöht, das Rentenniveau gesenkt, das Renteneintrittsalter erhöht, die Anrechnung beitragsfreier Ausbildungszeiten gekürzt bzw. ganz gestrichen. Insgesamt haben sich deshalb seit 1970 für Standardrentner aller Jahrgänge, ganz besonders für die jüngeren, die Renditeerwartungen deutlich (um fünf bis sechs Prozentpunkte) verschlechtert.“

      Das könnte man beinahe als Kritik missverstehen, wüsste man nicht, dass Banken und DIA genau diese Politik seit Jahren fordern. Doch dann: „„Da der Umfang der gesetzlichen Rentenversicherung vom Gesetzgeber festgelegt wurde, ist jedoch der Spielraum für eine ergänzende Altersvorsorge begrenzt, sodass zusätzlich mögliche Sicherheitsgewinne nicht ausgeschöpft werden“, bedauert Bernd Katzenstein.“

      Wieder einmal versucht man die Öffentlichkeit zu täuschen, indem ein Partialinteresse als Allgemeininteresse (an sicheren Renten) kaschiert wird. Hinter dem Gerede vom angeblichen „Sicherheitsgewinn“ verbirgt sich in Wahrheit die blanke Gier nach praktisch leistungsfreiem Einkommen aus Gebühren und Provisionen. Wir erinnern an das Mackenroth-Theorem.

    7. Superreiche profitieren von Steuerentlastungen
      Wenige zahlen für die Masse mit: Die Besserverdiener stellen ein Viertel der Bevölkerung, entrichten aber das Gros der Einkommensteuer. Der Solidarausgleich von oben nach unten klappt trotzdem nur teilweise – denn die Reichsten der Reichen werden weniger belastet als vor ein paar Jahren. Die Zahl der Gutverdiener in Deutschland hat abgenommen: 2004 betrug der Anteil der Steuerpflichtigen mit einem Einkommen über 37.500 Euro noch 26,8 Prozent – das waren gut drei Prozentpunkte weniger als noch 2001. Die Steuerlast dieser Gruppe ist aber praktisch gleich geblieben. Laut Daten, die das Statistische Bundesamt an diesem Montag bekanntgab, zahlte diese Gruppe 79,6 Prozent der festgesetzten Lohn- und Einkommensteuer, nur knapp weniger als 2001.
      Quelle: SPIEGEL

      Anmerkung KR: Lohn- und Einkommensteuer machen nur etwa ein Drittel der deutschen Steuereinnahmen aus (siehe Statistisches Bundesamt).

    8. Korruption in der Wasserwirtschaft?
      Im Strafverfahren gegen einen ehemaligen Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium geraten nun auch das Wirtschaftsministerium von Christa Thoben (CDU) und das Wissenschaftsministerium von Andreas Pinkwart (FDP) wegen des Verdachts auf Korruption in das Fadenkreuz der Ermittler. Nach Informationen der “Welt am Sonntag” haben Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) die Ministerien als “Durchsuchungsobjekte” bereits im Juni “aufgesucht” und Dutzende Akten sichergestellt. Offiziell wollte sich kein Beteiligter zu den Recherchen äußern. Die “Welt am Sonntag” hatte jedoch Einblick in die Ermittlungsunterlagen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal und die Kommission “Stuhl” beim LKA vermuten, dass es rund um die Einrichtung der Wasserwirtschaftsinitiative NRW (WWI) zu Vergabeverstößen gekommen ist. Die Initiative wird gemeinsam vom Umweltministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie dem Wissenschaftsministerium vorangetrieben. Insgesamt überprüfen die Ermittler die Verwendung von rund 1,8 Millionen Euro, die seit dem Jahre 2005 zumindest teilweise zweckwidrig verwendet worden sein sollen. Das Strafverfahren wurde durch drei Anzeigen des Umweltministeriums unter Eckhard Uhlenberg (CDU) gegen einen Ex-Abteilungsleiter initiiert. Insgesamt werden 13 Beschuldigte verdächtig, gemeinsam über vier Millionen Euro unterschlagen zu haben. Die ersten Ideen für die WWI entstanden bereits im Jahr 1999 nach dem üblichen Strickmuster der Wirtschaftsförderung unter dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD): mit Hilfe von Landesgeld sollten mittelständische Unternehmen zusammengefasst und weltweit vermarktet werden. Die ersten Konzepte zeichnete der damalige Wirtschaftsminister Peer Steinbrück persönlich ab. Ein an den Verhandlungen Beteiligter erinnert sich: “Die WWI war von allen beteiligten Ministern auf Kabinettsebene gewollt.” 2002 bekam die Firma Matrix aus Düsseldorf den Zuschlag, das Projekt zu führen.

      Wie die Ermittler herausfanden, bekam auch die Matrix GmbH nach einer Vergabebeschwerde ein Trostpflaster. Für rund 100.000 Euro im Jahr sollte sie unter anderem Projekte in Rumänien betreuen. Interessant ist, dass die heutige SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft damals als Wissenschaftsministerin in das Verfahren involviert war. Dabei hatte sie eine über Eck eine Verbindung zur Matrix GmbH. Die Firma kooperierte in Sachen WWI mit dem alten Arbeitgeber von Kraft, der Mülheimer Zenit GmbH. Nach Aussagen von mehren Beteiligten lag die Federführung und die Initiative für das WWI im Wirtschaftsministerium. Den Vertrag mit dem FIW schloss das Ministerium sogar erst nach dem Regierungswechsel im August 2005 unter Christa Thoben (CDU).
      Quelle: Welt

    9. Zu weiche Regeln für Lobbyisten
      Die neuen Regeln zum Einsatz von Lobbyisten in Bundesministerien stoßen bei Abgeordneten und Fachleuten auf heftige Kritik. Eine kürzlich beschlossene Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung sieht entgegen dem Votum des Haushaltsausschusses keine verpflichtende Veröffentlichung im Internet vor, wenn die Regierung externe Mitarbeiter einsetzt. Zudem sind befristete Arbeitsverträge von der Vorschrift nicht erfasst.

      Mit der Neuregelung für den Einsatz von Mitarbeitern aus Unternehmen und Verbänden in Ministerien reagierte die Bundesregierung im Juli auf die scharfe Kritik des Bundesrechnungshofes. Dieser hatte zu Jahresanfang einen Bericht veröffentlicht, demzufolge allein zwischen 2004 und 2006 etwa 300 Vertreter von Unternehmen und Verbänden in Ministerien tätig waren und teilweise Gesetzestexte mit verfassten.
      Quelle: Berliner Zeitung

    10. Krankenkasse verärgert über von der Leyen
      Die Bundesfamilienministerin Ursula hat dazu aufgerufen, teure Krankenkasse zu wechseln. Das hat ihr den Zorn einer großen Krankenkasse eingebracht. Der Barmer-Vorstandsvorsitzende warf der Ministerin vor, das neue Gesundheitssystem nicht verstanden zu haben. Vöcking warf von der Leyen vor, Sinn und Zweck des geplanten Gesundheitsfonds nicht verstanden zu haben. “Das bisherige System krankt doch daran, dass die Kassen nur noch darum konkurrieren, wer die meisten jungen, gesunden Patienten hat. Wer jetzt zum Kassenwechsel aus rein finanziellen Motiven aufruft, fördert diesen ungesunden Wettbewerb noch”, sagte Vöcking. Nötig sei ein “gesunder Wettbewerb” um die beste Versorgung der Patienten. Sollten sich nach Einführung des Gesundheitsfonds gesunde Gutverdiener massenhaft für den Wechsel zu einer günstigen Kasse entscheiden, wäre dies nach seiner Ansicht ein Rückschritt für die Chancengleichheit unter den Krankenkassen.
      Quelle: tagesspiegel

      Anmerkung (frei nach unserem Leser K.F.): Den Gesundheitsfond scheint wirklich niemand zu verstehen, auch die Bundesfamilienministerin nicht.

    11. Die beste Anlageberatung: Selber denken
      Die wenigsten Dinge bekommt man geschenkt. Der gesunde Menschenverstand erwartet milde Gaben am wenigsten von nicht gemeinnützigen Einrichtungen wie Firmen. Vor diesem Hintergrund relativiert sich vielleicht die Empörung über das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema Anlageberatung. Das für informierte Investoren wenig überraschende Ergebnis: Geldberater in Banken und Sparkassen machen überwiegend einen schlechten Job. Die meisten der 90 anonymen Tester, die vorgaben, bei Geldhäusern in Süddeutschland 50 000 Euro aus einer Erbschaft anlegen zu wollen, wurden unzureichend oder sogar falsch beraten, wie Bamberger Ökonomen ermittelten. Die Erfahrungen der Tester klingen haarsträubend: Nur jeder Zweite wurde zu seinem Einkommen und seinen Renditewünschen befragt. Nach Kenntnissen über Anlagerisiken erkundigte sich fast kein Berater. Schlimmer noch: Nur in wenigen Fällen wurde das Geld sinnvoll aufgeteilt. Oft empfahlen Berater den Kunden, die 50 000 Euro komplett in einen Fonds zu stecken. Die Studie ist mit 90 Testern im süddeutschen Raum zwar nicht repräsentativ, dennoch ist sie kein Ruhmesblatt für Banken.
      Quelle: Handelsblatt
    12. Warum Niebel übel ist
      In der FDP macht sich endgültig Sehnsucht nach der früheren FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper breit. Ihr Nachfolger Dirk Niebel sei der politisch armseligste Liberale, der je dieses Amt bekleidet habe, reimen seufzend viele in der Partei (“Niebel ist von Übel”) und denken sehnsuchtsvoll an Männer wie Karl Hermann Flach oder an Günther Verheugen. Selbst der FDP-Ehrenvorsitzende Hans Dietrich Genscher hat Niebel schon “ungehöriges Verhalten” vorwerfen müssen, weil er Kanzlerin Angela Merkel und ihre Bundesregierung quasi in die Erbfolge der DDR-Größen Honecker und Ulbricht gestellt hatte. Normalerweise macht der liberale Kleingeist und Westerwelle-Fan durch Bundestags-Anfragen von sich reden. Da will er dann wissen, ob Angela Merkel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft “Spielanweisungen gegeben hat.” Oder er predigt auf Parteitagen, jetzt müsse die FDP Wahlkampf nach der Parole “Freiheit statt Sozialismus” machen. Manchmal lästert er über die CDU, mit der die FDP nach der Bundestagswahl 2009 unbedingt koalieren will. Da “gibt es zu viele Leute, die Zugang zum Mikrophon haben.” Das sagt ausgerechnet ein FDP-Politiker, der selbst schon einmal CDU-Mitglied war, was er aber nur ungern zugibt. Jetzt hat sich der einstige Bundeswehr-Berufssoldat erneut voll daneben benommen: Er forderte von SPD-Chef Kurt Beck, die SPD müsse wegen der Versuche, in Hessen von der Linkspartei toleriert zu werden, ihre Parteizentrale, das Willy-Brandt-Haus in Berlin, nach der einstigen DDR-Größe Walter Ulbricht in Walter-Ulbricht-Haus umbenennen. Beck hat FDP-Chef Westerwelle in einem Brief geschrieben, das sei “geschichtsvergessen und empörend.”
      Beck war in diesem Brief sehr höflich. Er hätte Westerwelle auch daran erinnern können, dass die FDP nach der Wiedervereinigung sich hemmungslos – im Gegensatz zur SPD – mit der begüterten Blockpartei LDPD gleichgeschaltet hat, die am Unrechtsregime der DDR wesentlichen Anteil hatte. Die Frage ist allerdings, ob Niebel dann begreifen würde, was für einen Unsinn er mal wieder geredet hat. Denn er pflegt seinen Kritikern gegenüber stets freimütig einzuräumen: “Ich kann mit ihnen nicht reden, denn ich bin ihrem intellektuellen Niveau nicht gewachsen.” Was wiederum beweist: Manchmal hat auch ein Niebel Recht.
      Quelle: Stern

      Anmerkung KR: Vor allem wegen der Beiträge eines Herrn Jörges mag man den STERN in letzter Zeit zwar nur noch mit spitzen Fingern anfassen (wenn überhaupt). Doch dieser Kommentar ist einen Hinweis wert.

    13. Vattenfall für Worst EU Lobbying Awards 2008 nominiert
      Die schwedischen Grünen haben den Energiekonzern Vattenfall für die Worst EU Lobbying Awards 2008 nominiert. Vattenfall versucht der Öffentlichkeit und der Politik Kohlekraftwerke als ökologische Zukunftstechnologie zu verkaufen, indem der Kohle- und Atomkonzern für die CCS-Technologie wirbt. Diese Technologie soll dafür sorgen, dass bei der Verbrennung entstehendes Kohlendioxid abgefangen und unterirdisch gelagert wird. Sie wird allerdings frühestens in 15 bis 20 Jahren einsetzbar sein, und Machbarkeit und Risiken sind heftig umstritten.
      Quelle 1: LobbyControl

      Anmerkung Martin Betzwieser: Die Nominierung ist durchaus berechtigt. Die Vattenfaller sind außerdem seit einigen Monaten mit einem Klimamobil in bundesdeutschen Schulen unterwegs und betreiben dort grüne Gehirnwäsche mit eigenen Animateuren. Davon wissen die schwedischen Grünen wahrscheinlich nichts, aber das macht nichts.

      Quelle 2: ZDF Frontal21vom 12.02.2008 (Video)

    14. Auf in den Retro-Wahlkampf: CSU macht PR für die Linke
      CSU-Chef Huber kündigt einen “Kreuzzug gegen die Linken” an. Der linke Spitzenkandidat Schmalzbauer findet: “Das ist das Beste, was uns passieren konnte.” So rabiat wie am Montag hat man die CSU schon lange nicht mehr erlebt. In der Süddeutschen Zeitung verkündete Parteichef Erwin Huber, in den verbleibenden fünf Wahlkampfwochen massiv gegen die in Bayern bisher weitgehend unbedeutende Linkspartei zu kämpfen. Er sagte: “Wenn es nötig sein muss, dann führen wir einen politischen Kreuzzug gegen die Partei von Oskar Lafontaine.” So mittelalterlich die Rhetorik auch klingt, Huber ist es ernst damit.

      “Wir werden den Vormarsch der Linken stoppen und verhindern, dass sie in Bayern in den Landtag einzieht”, so Huber. Und der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, sagte am Montag in München: “Die wahre Fratze der Linken ist noch nicht hinreichend dargestellt.” Dieser “Dämon der Politik” müsse aus der bayerischen Parteienlandschaft vertrieben und bundespolitisch auf ein Mindestmaß reduziert werden
      Quelle: TAZ


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3418