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Titel: Hinweise des Tages (2)

Datum: 28. August 2009 um 15:21 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(WL)
Unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Agenda 2020: Was wir nach der Wahl an Krisenlasten zu erwarten haben
  2. Debatte Gustav Horn/ Elmar Altvater: Vollbeschäftigung bis 2020. Wie soll das gehen?
  3. Attac: Finanztransaktionssteuer notwendig, aber kein Allheilmittel – Politische Debatte hinkt um Jahre hinterher
  4. Hans-Jürgen Urban (IG Metall): „Der Finanzmarktkapitalismus ist stabiler, als wir dachten“
  5. 90.000 Jobs in Autobranche bedroht
  6. V wie Verdruss
  7. Blüht doch alles ganz wunderbar
  8. Auch in Deutschland wird Lockerung des Kündigungsschutzes gefordert
  9. IG-Metall-Chef Huber: “Diese Spekulationen sind ein Wahnsinn”
  10. Atomenergie: die Lüge vom sicheren Endlager
  11. Verhandlungspoker um Opel: “Kette von Fehlleistungen”
  12. Untreueverdacht – Ermittlungen gegen Sarrazin
  13. Für eine kritische Elite
  14. Die Genkartoffel-Affäre der SPD
  15. Das bessere Amerika bleibt Schall und Rauch
  16. Tschechiens Last der liberalen Jahre
  17. Süden sieht keine Sonne
  18. Die Chefin des Allensbach-Institutes ist im Aufsichtsrat der Allianz
  19. Das Letzte: Professor beleidigt Maurer – Rote Karte für Raffelhüschen

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Agenda 2020: Was wir nach der Wahl an Krisenlasten zu erwarten haben
    Zunächst dürfte an allen Sozialleistungen der Rotstift angesetzt werden:

    • Kürzung der der Arbeitsmarktprogramme der Bundesagentur für Arbeit, um die Defizite der BA niedrig zu halten.
    • Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung: Die Rentenversicherung hat noch Rücklagen in Höhe von knapp 15 Milliarden Euro. Diese werden wegen steigender Arbeitslosenzahlen in den nächsten Jahren erheblich abschmelzen – allein für 2010 wird ein Defizit von vier Milliarden Euro erwartet. Die gesetzlich festgelegte „Rentengarantie“, wonach bei sinkenden Löhnen die Renten nicht gekürzt werden dürfen, dürfte nochmals auf den Prüfstand kommen. Steinbrücks Gerede von den „Gekniffenen“ im Alter zwischen 25 und 35 und den jetzigen Rentnern, denen es so gut gehe wie niemals einer Rentnergeneration davor, soll künftigen Belastungen der Rentner den Boden bereiten. Der Arbeitgeberverband BDA fordert kategorisch: „Der Fehler der Rentengarantie muss korrigiert werden“. Eine Variante könnte auch sein, dass die Rentner den vollen Krankenkassenbeitrag zu zahlen haben. Zu beachten ist, dass die Realrente, also die Kaufkraft der Rente in den Aufschwungjahren 2004 bis 2008 um 9,9 Prozent sank. Mehr als eine Monatsrente ging damit verloren (vgl. iswwirtschaftsinfo 42 „Bilanz der Großen Koalition, S. 60).
    • Gesetzliche Krankenversicherung: Auch die Krankenkassen sind auf Geldsuche. Wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr ein Fehlbetrag von 2,9 Milliarden Euro erwartet, 2010 wird das Loch mindestens 4,2 Milliarden Euro betragen. Der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds müsste eigentlich steigen. Die neue Bundesregierung aber wird hier vor allem kürzen wollen. Der vorgesehene Zusatzbeitrag von maximal ein Prozent des Bruttoverdienstes, den nur die Arbeitnehmer bezahlen, dürfte 2010 bereits voll zu Wirkung kommen. Zudem dürften die Leistungen der Kassen weiter reduziert werden. All diese Kürzungen und Korrekturen werden nicht ausreichen, um die Sozialsysteme weiter zu finanzieren.

    Eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, bei der die Arbeitgeber zumindest paritätisch an der Finanzierung beteiligt würden, wird die neue Regierung aus eben diesem Grund ablehnen. Sie will den Unternehmen ihren Kostenvorteil im internationalen Konkurrenzkampf erhalten. Begründen wird sie es konjunkturpolitisch: Beitragserhöhungen wirken krisenverschärfend bzw. gefährden den Aufschwung.
    Quelle: isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. [PDF – 260 KB]

    Anmerkung WL: Niemand soll sagen, er hätte es vorher nicht wissen können, was nach der Wahl passieren könnte.

  2. Debatte: Vollbeschäftigung bis 2020. Wie soll das gehen?
    1. Gustav Horn: Notwendige Provokation
      Statt durch den Druck auf Arbeitslose vergeblich Wachstum erzeugen zu wollen, bedarf es einer gesamtwirtschaftlichen Politik, die an der Schlüsselgröße Investitionen ansetzt. Nur mit Investitionen lassen sich die Arbeitsplätze von Morgen schaffen. Es geht sowohl um öffentliche als auch um private Investitionen. Bei der Entwicklung war in den vergangenen Jahren alles andere als zufriedenstellend. Daher sollte die öffentliche Hand jene Felder definieren, in denen die gesellschaftliche Notwendigkeit für Investitionen besteht. In einer Zeit drohenden Klimawechsels, labiler Energieversorgung und einem dringend der Überholung bedürftigen Bildungssystem fällt dies leicht.
      Der zentrale Einwand gegen all dies liegt scheinbar auf der Hand: nicht finanzierbar. Dies ist ein Irrtum entweder aus Mangel an Fantasie oder, wahrscheinlicher, wegen des fehlenden politischen Willens. Zunächst einmal finanzieren die Investitionen sich durch ihre Wachstumswirkung, die ja auch das Steueraufkommen erhöht, teilweise selbst. Bei internationaler Koordination kann dies zumindest nach einigen Jahren bis zur kompletten Selbstfinanzierung gehen. Dies bedeutet, die Bundesregierung müsste eigentlich ein überragendes Interesse an zumindest einem gemeinsamen europäischen Vorgehen haben. Davon war bisher nicht viel zu sehen.
      Aber selbst, wenn sich wegen der unterlassenen internationalen Koordination keine komplette Selbstfinanzierung realisieren lässt, lassen sich durch das Streichen von anderen Steuervergünstigungen, Einführung einer Vermögensteuer sowie der Erhöhung von Erbschafts- und Grundsteuern Mittel zur Finanzierung mobilisieren, ohne gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung nennenswert zu belasten. Es sollte zudem nicht vergessen werden, dass die Ursache für die derzeitige Krise vor allem im Fehlverhalten im Finanzsektor zu suchen ist.
      Quelle: Neues Deutschland
    2. Elmar Altvater: Strohfeuer bis zur Wahl
      Doch das Team, das Steinmeiers Agenda 2020 mit dem Titel »Die Arbeit von morgen« formuliert hat, stammt aus der Unternehmensberatung McKinsey, und der Teamchef gibt in der »Financial Times Deutschland« treuherzig zu: Die Agenda 2020 »ist ja nicht Steinmeiers Vermessung der Welt. Wir haben die Wirtschaft gefragt, wo sie die Jobs der Zukunft sieht.« Die Wirtschaft, das sind in dieser Weltsicht das Management und die Kapitaleigner, nicht die Gewerkschaften, Umweltgruppen oder sozialdemokratische Betriebsräte.
      Wachstum muss gefördert werden, um die Versprechen der Politik für das nächste Jahrzehnt realisieren zu können, deutet die Agenda 2020 an. Wenn die Masseneinkommen zurückgehen und daher die Binnennachfrage stagniert, muss Deutschland wie seit Jahrzehnten auf die Exportnachfrage setzen und sich »zum Ausrüster der Welt mit neuen Produkten, die die Umwelt und Ressourcen schonen«, mausern. Das werden andere Exportnationen aufmerksam zur Kenntnis nehmen, gerade wenn das Wachstum der Weltwirtschaft in Zukunft gering sein wird. Konkurrenten in Nord- und Südamerika, vor allem aber in Asien werden ebenfalls alles daran setzen, »zum Ausrüster der Welt« zu werden und dabei Deutschland Märkte abjagen. Das Steinmeiersche Wachstumsprogramm ist sehr kurzsichtig, es nimmt wachsende globale Ungleichgewichte und die nächste Krise in Kauf.
      Quelle: Neues Deutschland
  3. Attac: Finanztransaktionssteuer notwendig, aber kein Allheilmittel – Politische Debatte hinkt um Jahre hinterher
    Die Finanzkrise erfordere eine viel umfassendere Neugestaltung des Finanzsektors. Die bisherigen Debatten auf internationaler Ebene zeigen nach Ansicht von Attac, dass die richtigen Lehren aus der Finanzkrise nicht gezogen werden. “Für die G20 ist die Beschränkung des Kapitalverkehrs tabu. Die Europäische Union will nicht Hedge-Fonds, sondern nur die Manager regulieren. So stehen wir bald vor der nächsten Finanzkrise”, sagte Silke Ötsch von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte.
    Zentrale Forderungen von Attac:

    1. Regulierungsfreie Räume schließen – Finanzmärkte schrumpfen
      • Zulassungspflicht für Finanzprodukte. Hedge-Fonds und rein spekulative Finanzprodukte wie Derivate verbieten.
      • Regulierungs- und Steueroasen schließen
      • EU-weite Finanzmarktaufsicht statt 27 nationalen Behörden
    2. Bevorzugung von mobilem Kapital und Akteuren beenden
      • Mobile Akteure (Superreiche, Großanleger und multinationale Unternehmen) nicht weiter steuerlich bevorzugen. Kapital- und Unternehmensgewinne ebenso besteuern wie Arbeitseinkommen.
      • Kapitalverkehrskontrollen
    3. Umverteilung – global und innerhalb der nationalen Gesellschaften
      • Sonderabgabe auf große Vermögen (Krisenabgabe für Reiche)
      • Vermögenssteuer mindestens auf OECD-Niveau
      • Globale Besteuerung von Superreichen (“High Net Worth Individuals”)

    Quelle: attac

  4. Hans-Jürgen Urban (IG Metall): „Der Finanzmarktkapitalismus ist stabiler, als wir dachten“
    Gewerkschaften werden gewaltige Probleme haben, dem drastischen Beschäftigungsabbau wirksam entgegen zu treten, wenn sie nicht einen Schritt nach vorne gehen und um eine Neuausrichtung der Unternehmensführung und -strategien kämpfen. Ziel muss es sein, die Unternehmen aus der Diktatur der Kapitalmärkte zu befreien.
    Ich gehe erstens davon aus, dass sich die Verhaltensweisen von Finanzinvestoren gegenüber den Unternehmen radikalisieren werden. Um ihre Verluste und Abschreibungen auszugleichen, werden sie verstärkt Druck in Richtung höherer Renditenund Ausschüttungen machen, um noch mehr aus der realen Wertschöpfung abzuschöpfen.
    Zweitens werden die Versuche aggressiver werden, die Bereiche der Sozialen Sicherung zu Feldern der privaten Kapitalverwertung zu machen. Ich rechne mit einer Offensive aus den Finanzmärkten, z.B. noch stärker in die Alterssicherung einzusteigen, auch wenn sich das Prinzip der Kapitaldeckung infolge der Finanzmarktkrise eigentlich blamiert und diskreditiert hat. Das wäre dann ein besonders aparter Treppenwitz der Krisengeschichte.
    Und drittens wird es einen Suchprozess nach neuen Spekulationsfeldern geben, beispielsweise auf den Rohstoffmärkten oder im Emissionshandel. Da steht uns noch einiges bevor.
    Ich befürchte, dass der Finanzmarktkapitalismus viel stabiler ist, als wir das noch vor ein paar Monaten dachten. Wir erleben gegenwärtig, wie besonders irrationale Übertreibungen korrigiert werden, aber mit dem Effekt, dass sich die Mechanismen des Finanzmarktkapitalismus erneut entfalten können. Es ist weder ein Ende der Shareholder-Value-Orientierung in Sicht, noch des Investmentbanking oder der fiktiven Wertschöpfung über strukturierte Finanzprodukte. Und damit bleiben auch die Risiken für Gesellschaft und Realökonomie.
    Quelle: Sozialismus 9/2009 [PDF – 168 KB]
  5. 90.000 Jobs in Autobranche bedroht
    Das Ende der staatlichen Subvention ist nahe. Und damit wohl auch der kurzzeitige Boom. Es droht ein dramatischer Einbruch der Nachfrage – und ein Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen in der Schlüsselindustrie.
    Die Experten erwarten, dass die Nachfrage in Deutschland nach dem künstlichen Boom im kommenden Jahr um bis zu 25 Prozent einbricht. Die Nachlässe für Neuwagen von bis zu 30 Prozent ließen die ohnehin schon marginalen Renditen im Handel unter die Nulllinie sinken.
    Die Lage der Autohändler sei besonders prekär, obwohl diese im laufenden Jahr dank der Abwrackprämie sogar mehr Autos verkaufen werden als im Jahr zuvor.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: So ist das eben, wenn kurzfristige Subventionen vergeben, statt nachhaltige Konjunkturprogramme mit einem wirtschaftlichen Multiplikatoreneffekt.

  6. V wie Verdruss
    Was sind dieser Tage 29 Mrd. $ unter Freunden? Nun, wenn man in den USA als abhängiger Beschäftigter bei einer Privatfirma arbeitet, ziemlich viel. Denn um diesen Betrag wurde in der zweiten BIP-Schätzung für das Frühjahrsquartal 2009 die aufs Jahr hochgerechnete privatwirtschaftliche Lohnsumme nach unten revidiert. Das Einkommen aus geregelter Privatbeschäftigung macht damit gerade noch 42 Prozent aller Vorsteuereinkünfte aus Arbeit, Vermögen und Sozialleistungen aus. Real ist die privatwirtschaftliche US-Lohnsumme damit auf das Niveau von Anfang 2001 zurückgefallen – wobei die US-Statistiker zu allem Überfluss für ihre Kreativität in Sachen Inflationsvertuschung berüchtigt sind. Auch das Einkommen aus Unternehmenstätigkeit, das für 8,6 Prozent aller Einkünfte steht, ist im freien Fall und damit in realer Rechnung sogar unter den Stand von Anfang 2001 gesunken.
    Was sind schon 26 Mrd. Euro unter Freunden, wird sich derweil auch die EZB mit Blick auf den transaktionsbedingten Rückgang des Bankkredits an die nichtfinanziellen Euroland-Firmen im Juli fragen, der einem Minus von 33 Mrd. Euro im Juni folgt. Nun, diese Frage wird sich die Zentralbank wohl noch öfters stellen müssen, nachdem die Schulden der nichtfinanziellen Firmen seit Ende 1999 von 139 auf 198 Prozent der Bruttowertschöpfung zugenommen haben. Ende 2007 war der Bankkredit an die Firmen übrigens noch um 58 Mrd. Euro gestiegen. Zwischen der damaligen Expansion und der jetzigen Kontraktion liegen 84 Mrd. Euro – monatlich. Da kann man den derzeit jubelnden Ökonomen nur noch eins zurufen: V wie Verdruss.
    Quelle: FTD
  7. Blüht doch alles ganz wunderbar
    Die wöchentliche Ost-Postille des Hubert Burda Media Konzerns hat ihren Lesern – und das sind immerhin an die drei Millionen – dieser Tage 48 Seiten Frohsinn aufgetischt. Der Anlass: 20 Jahre Mauerfall. Wer das bunte Heftchen liest, denkt: Donnerwetter, die Ossis! Sind “weltweit Spitze” in der Bildung. Haben “in der Einheit ihr Glück gefunden”. Und kommen neuerdings “sonnengebräunt vom Urlaub in der Türkei” zurück, gerne auch mal ins herrliche Hoyerswerda.
    Zur Ehrlichkeit freilich gehört auch zu erwähnen, dass die Illustrierte ihre Ost-Hymne nicht ganz aus eigener Kraft gewuppt hat. Da stand dann doch die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” wohlwollend zur Seite.
    Quelle: FR
  8. Auch in Deutschland wird Lockerung des Kündigungsschutzes gefordert
    Es bestand kein Zweifel, dass die Steilvorlage von spanischen Unternehmern, den Kündigungsschutz praktisch aufheben zu wollen, auch in Deutschland auf ein großes Echo stoßen würde. Auf das wirtschaftspolitische Krisenmanagement müssten nun Schritte folgen, “damit bei einer konjunkturellen Trendwende möglichst rasch ein beschäftigungswirksamer Aufschwung entstehen kann“, sagte Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Handelsblatt. Gemeint ist: “Dazu gehört eine Flexibilisierung des starren Kündigungsschutzes, denn dieser ist ein wesentliches Hemmnis für die Unternehmen, Mitarbeiter zügig wieder einzustellen.“
    Tatsächlich hat die Lockerung des Kündigungsschutzes in Spanien nur zu einer ausufernden befristeten Beschäftigung geführt und die Möglichkeit eröffnet, die Arbeitslosigkeit schnell ansteigen lassen. Doch damit wurde die Krise noch deutlich verschärft. Die Hinweise, dass der angebliche iberische Tiger mit den Überschüssen aus dem Boom genug Spielraum habe, um magere Jahre zu überstehen, sind genauso geplatzt wie die Immobilienblase.
    Quelle: Telepolis
  9. IG-Metall-Chef Huber: “Diese Spekulationen sind ein Wahnsinn”
    Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber hat die früheren Porsche-Manager Wendelin Wiedeking und Holger Härter scharf attackiert und Verständnis für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sie gezeigt. “Die Staatsanwaltschaft hat ihre Pflicht zu tun, wenn solche Vermutungen da sind”, sagte er im Interview der “Stuttgarter Zeitung”. “Das halte ich für selbstverständlich.”
    “Ich bin noch immer empört, wie man gesunde Unternehmen wie Porsche und Volkswagen aus spekulativen Gründen in eine solche Situation bringen kann mit all den Konsequenzen”, sagte Huber zu den unvermittelten Milliardenlöchern. Die Akteure der Kapitalseite hätten ihm gesagt, dass die Übernahme ohne die Finanzkrise gelungen wäre. “Das ist dummes Zeug”, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende. “Diese Spekulationen sind ein Wahnsinn.” Am meisten empöre ihn, dass hinterher nie jemand dabei gewesen sein wolle.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung
  10. Atomenergie: die Lüge vom sicheren Endlager
    Wahlkampf in Deutschland. Nach kuscheligen Koalitionszeiten sind den Politikern von CDU und SPD scheinbar die kontroversen Themen ausgegangen.
    Was bleibt ist der Streit um die Atomenergie.
    Im Lagerwahlkampf um den Ausstieg aus dem Ausstieg bleibt die Union ihrer kernpolitischen Tradition treu: Ja zur Atomkraft, Augen zu und durch. Auch wenn noch immer nicht entschieden ist, wo der radioaktive Müll am Ende gelagert wird. Nach dem Willen von Union und Atomindustrie soll in Gorleben nach wie vor ein Endlager entstehen. Alle Einwände renommierter Wissenschaftler, die den Salzstock für ungeeignet halten, werden missachtet.
    Die Endlager Asse und Morsleben gelten schon heute als nukleare Zeitbomben. Diese Geschichte droht sich in Gorleben zu wiederholen.
    Quelle 1: NDR
    Quelle 2: NDR – Video
  11. Verhandlungspoker um Opel: “Kette von Fehlleistungen”
    Die Führung von General Motors führt die Bundesregierung im Verhandlungspoker um Opel vor. Die Kritik am angeblich dilettantischen Verhalten der Berliner wird immer lauter.
    “Die Bundesregierung wird jetzt vorgeführt”, sagt Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). “Ohne Not” habe sich die Bundesregierung in ein Dilemma gebracht, sagte der Ökonom stern.de und meint damit den geringen Einfluss der Berliner auf den Verlauf der Verhandlungen. Berlin zahlt, kann aber kaum noch mitreden.
    Auch Gewerkschafter, die Seit’ an Seit’ mit der Regierung für den österreichischen Zulieferer gekämpft haben, distanzieren sich nun. “Die Regierung war der Finanzier des Deals – und hat es versäumt, sich den Einfluss auf den Prozess und das Ergebnis zu sichern”, sagt der Frankfurter IG-Metall Bezirksleiter Armin Schild, der auch im Opel-Aufsichtsrat sitzt, zu stern.de.
    Wie es auch kommen mag: Die Bundesregierung ist aus einer Position der Stärke in die Ecke manövriert worden. IG-Metall-Funktionär Armin Schild zieht ein bitteres Fazit: “Ob beabsichtigt oder nicht: Der Prozess war eine Kette von Fehlleistungen.”
    Quelle: stern.de
  12. Untreueverdacht – Ermittlungen gegen Sarrazin
    Die Staatsanwaltschaft prüft den Schaden für Berlin durch den Pachtvertrag mit dem Golfclub Wannsee. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen den ehemaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Unter ihm verzichtete die Finanzbehörde den sonst üblichen Pachtzins zu verlangen.
    Die Staatsanwaltschaft geht der Frage nach, ob mit dem 2008 abgeschlossenen Pachtvertrag über 99 Jahre für das 56,8 Hektar große Areal am grünen Stadtrand dem Land Berlin ein Vermögensschaden zugefügt wurde. Der Golfclub zahlte dafür einmalig 3,045 Millionen Euro. CDU und Grüne, aber auch die Regierungsfraktionen SPD und Linke kritisieren diesen Betrag als viel zu niedrig. Wie berichtet, verzichtete die Finanzbehörde unter Sarrazin bei den Vertragsverhandlungen vor einem Jahr darauf, den sonst üblichen Pachtzins von 6,5 Prozent vom Verkehrswert zu verlangen, sondern begnügte sich mit drei Prozent. Außerdem wurden die vereinbarten Konditionen nicht an die Gemeinnützigkeit des Golfvereins geknüpft, die vermutlich 2010 aufgegeben wird.
    Quelle: Tagesspiegel
  13. Für eine kritische Elite
    Die Krise ist ein Produkt der Eliten: Ohne Fehler, Selbsttäuschung und Gutgläubigkeit der Entscheider in Wirtschaft und Politik wäre es kaum zu der größten Bedrohung des Weltfinanzsystems seit 1929 gekommen. Doch woran scheiterten die Eliten? Waren sie zu schlecht informiert? Fehlte ihnen der Überblick? Oder waren sie gar nicht in der Lage, die Risiken des Kasino-Systems zu erkennen, an dem sie mitwirkten?
    Der Politikwissenschaftler Günther Rüther sieht komplexe Gründe für das Versagen der Manager. Ihre Fehler wurzeln nicht in mangelnder wirtschaftlicher Kompetenz, sondern in der Unfähigkeit, außerökonomische Faktoren mit ins Kalkül zu ziehen. Wer nur an Effizienz und Profit, Funktionalität und Optimierung denkt, verliert das Ganze aus den Augen. Wirtschaft wird von Menschen gemacht, und Menschen brauchen Werte. Entscheider, die nur als Funktionäre ausgebildet werden, laufen Gefahr, diese Werte zu ignorieren.
    Es ist sicherlich kein Zufall, dass es in dieser Phase der von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten bestimmten Denkmuster zu einer Renaissance des Elitenbegriffs kam. Bis dahin hatten sich nicht nur in Deutschland Elitenmacht und Elitenbildung in aller Stille jenseits des öffentlichen Politikbetriebes und -interesses entfaltet – in Staat und Wirtschaft, aber auch im Bildungswesen, an den Universitäten und in der Begabtenförderung. Nun rückten die Gestaltungs- und Funktionsmacht der Eliten, ihre Bildung und Ausbildung in das öffentliche Bewusstsein und Handeln. Business-Schools, Finanz- und Wirtschaftshochschulen schossen weltweit wie Pilze aus dem Boden. Die dort Studierenden trugen schwarze Schuhe, blaue oder graue Anzüge und verhielten sich, als würden sie schon am Rad der Wirtschafts- und Finanzkreisläufe drehen.
    Quelle: Rheinischer Merkur
  14. Die Genkartoffel-Affäre der SPD
    Nachdem SPD-Schattenlandwirtschaftsminister Udo Folgart in der taz den Anbau der Genkartoffel befürwortet hat, brodelt es in der Parteispitze. Nicht jeder ist dafür.
    Die SPD geht auf Distanz zu Udo Folgart, ihrem Schattenlandwirtschaftsminister. Folgart hatte sich in der Donnerstag-Ausgabe der taz für den Anbau der umstrittenen Genkartoffel Amflora des BASF-Konzerns ausgesprochen und zudem industrielle Tierproduktionsanlagen wie im brandenburgischen Haßleben befürwortet. Dort ist eine Mastanlage mit knapp 70.000 Schweinen geplant.
    Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber meinte zur taz: “Die SPD will die Genkartoffel nicht.” Die Gentechnik berge mehr Probleme als Zukunftshoffnungen. Das sei “ganz klare Linie der Partei”.
    Quelle: taz
  15. Das bessere Amerika bleibt Schall und Rauch
    Präsident Obama kämpft mit seinen Reformplänen gleichzeitig an zwei Fronten. Dabei hat er die Konservativen und die Lobby der ­Versicherungen gegen sich.
    Quelle: der Freitag

    Dazu passt:

    Angst essen Hoffnung auf
    Mit Barack Obama schien in den USA endlich der Mut über die Furcht gesiegt zu haben. Dieser Eindruck verblasst, je mehr die Rechtskonservativen Front gegen Obamas Reformen machen.
    Quelle: der Freitag

  16. Tschechiens Last der liberalen Jahre
    Nach dem Umbruch von 1989 wurde Osteuropa zum Experimentierfeld für Volkswirte. In Tschechien brachte die Privatisierung viele Kapitalisten hervor – und gerissene Betrüger.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bemerkenswert, dass in einem Wirtschaftsblatt Begriffe wie Reform, Liberalisierung und Privatisierung in direktem Bezug zum Wort Betrug  gesetzt werden.

  17. Süden sieht keine Sonne
    Erneut bekommen die Volkswirtschaften des südlichen Amerika ihre Abhängigkeit vom Weltmarkt als Rohstofflieferanten zu spüren. Als das »schlimmste Ergebnis für die Region seit 72 Jahren« bescheinigte diese Woche die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) dem Subkontinent einen historischen Einbruch im Außenhandel. Laut des jüngsten Berichts des UN-Wirtschaftsbüros, der am Dienstag in Santiago de Chile vorgestellt wurde, verzeichnen die Preise auf Ausfuhrgüter wie Agrarerzeugnisse, Mineralien und Öl einen dramatischen Rückgang um 29 Prozent. Dem 500-Millionen-Einwohner-Kontinent seien dadurch bereits erhebliche Verluste entstanden. Demnach würden bis Ende 2009 die Exporteinnahmen um insgesamt 25 Prozent eingebrochen sein, rechnet die Studie vor. Die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise auf die zuletzt beachtlich gewachsenen Volkswirtschaften der Region liegen angesichts dieser Zahlen schon heute weit über den Schäden der Krise in Asien (1998) und der lateinamerikanischen Schuldenkrise (1982). Man müsse bis »in das Jahr 1937« zurückgehen, um einen derartigen »Handelsschock« finden zu können, kommentiert Osvaldo Rosales, CEPAL-Direktor für Internationalen Handel, die aktuelle wirtschaftliche Ausnahmesituation.-  Die Folgen für die Bewohner Süd- und Mittelamerikas sind absehbar. Die Arbeitslosigkeit wächst. Inzwischen wird sie offiziell mit neun Prozent angegeben. Zu den gemeldeten 15 Millionen Menschen ohne Beschäftigung kommen weitere vier Millionen aufgrund fehlender sozialer Sicherungen wie Arbeitslosengeld. »In einer Region mit über 180 Millionen in Armut lebenden Menschen und 70 Millionen Bedürftigen« kündige sich angesichts derartiger Zahlen eine soziale Krise an, so CEPAL-Analystin Alicia Bárcena. Sie warnt vor »dauerhaften Schäden« für Lateinamerika.
    Quelle 1: junge Welt
    Quelle 2: Economic Commission for Latin America

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist bedrückend zu sehen, wie sich Lateinamerika wieder einmal nicht von den Katastrophen der hoch entwickelten Industrienationen abkoppeln kann. Die zunehmende Teilnahme Lateinamerikas  am Welthandel erweist sich nicht als stetige Entwicklungsstrategie, die dauerhaft zu einem Einkommenszuwachs geführt hat. Lateinamerika als Ganzes ist es im Vergleich zu etlichen asiatischen Schwellenländer nicht gelungen, sich vom Export von Rohstoffen bzw. von der Exportproduktion einfach verarbeiteter vorhandener Rohstoffe zu lösen und sich der Produktion von Gütern mit höherer Industrieller Wertschöpfung zuzuwenden. Die asiatischen Schwellenländer agierten zwar auch export- bzw. weltmarktorientiert, berücksichtigten aber auch den Binnenmarkt, wobei dem Staat ein viel stärkeres Regulativ beim Aufbau industrieller Kompetenzen zufiel. Stetiges Einkommenswachstum und die nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen werden in Lateinamerika nicht zuletzt immer noch durch die himmelschreiend ungerechte Besitz- und Einkommensverteilung behindert. In Brasilien entsprach selbst im so erfolgreichen Jahr 2007 das Einkommen von 1% der Reichsten dem Einkommen der unteren 50% der Bevölkerung. So kommen in ganz Lateinamerika die jüngsten Exporterfolge kommen viel zu wenig bei der Gesamtbevölkerung an, was auch uns Deutschen bekannt vorkommt.
    Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass wir uns bei steigender ungleicher Einkommens- und Vermögensverteilung in der Vernachlässigung der materiellen und immateriellen Infrastruktur unserer Volkswirtschaft tendenziell der Gesellschaftsstruktur dieser Länder annähern. Nicht amerikanische Verhältnisse, sondern lateinamerikanische Verhältnisse erwarten uns. – Dies schließt keineswegs aus, dass in einem kleinen, aber hocheffizienten Sektor, wie in Brasilien zu beobachten, mit einem umfassenden Einsatz von hochwertiger Technologie und Know-how für den globalen Markt produziert wird.

  18. Die Chefin des Allensbach-Institutes ist im Aufsichtsrat der Allianz
    Quelle: Allianz

    Anmerkung unseres Lesers T.K.: Da wundert man sich nicht mehr, wenn uns vom Institut für Demoskopie ständig etwas über die Vergreisung und die fatale Wirkung der Alterspyramide entgegenschallt.

  19. Das Letzte: Professor beleidigt Maurer – Rote Karte für Raffelhüschen
    IG BAU-Mitglied Karl Peter S. liest viel, seit er 2002 mit 56 Jahren arbeitslos wurde und keine Stelle mehr gefunden hat. Er informiert sich, hakt nach und bildet sich dann eine Meinung. Die vertritt er dann entschieden. Egal bei wem – er bleibt sich treu. Er hat Herrn Professor Raffelhüschen per E-Mail gefragt, wie das denn so sei, mit der Rente, der Generationengerechtigkeit. Daran erinnert, wie das ist, wenn man 14 Jahren anfängt, 45 bis 50 Jahre arbeitet. Und wollte wissen, ob auch der Professor nach einem 48jährigen Arbeitsleben mit 1000 Euro Rente im Monat auskommen muß.
    Der Professor hat ihm höchst persönlich geantwortet: „Hallo Herr S., mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch (hoch drei). Ihr Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen.“ Harte akademische Worte – und dann noch schwarz auf weiß. Das böse A-Wort: nicht am Stammtisch, nicht am Telefon, sondern per E-Mail.
    Quelle: IG Bau Online


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