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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. Juli 2010 um 7:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Die Luft entweicht aus dem „Sparpaket“; herbeigeredeter Aufschwung; HRE-Aufsichtsratsvorsitzender trägt keine Verantwortung für die Pleite; Goldman büßt ein; blamable Banken; auf privaten Autobahnen lauert der Tod; Leiharbeit statt Stammbelegschaft; EU geht an die Kohlesubventionen; EU verschafft privater Altersvorsorge Umsatz; Münte verteidigt seine Rente mit 67; über 70 Grad Hitze im ICE; Patente auf Pflanzen; Ungarn will nicht länger nach der IWF-Pfeife tanzen; mehr als eine Milliarde für Afghanistan; Hamburger Volksentscheid; Hinhaltetaktik bei der Studiengebühr; Deutschland, Deine Helden. (WL)

Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Minister boykottieren Schäuble
  2. Aufschwung auf Pump
  3. Ermittlungen gegen früheren HRE-Aufsichtsratschef beendet
  4. Goldman-Sachs-Gewinn bricht um 82 Prozent ein
  5. Banken im Test: Die Blamage geht weiter
  6. PPP: Deutschlands gefährlichste Straße
  7. Leiharbeit statt Stammbelegschaft
  8. EU will Kohle-Subventionen bis 2014 streichen
  9. EU knackt Altersvorsorge der Kommunen
  10. Müntefering: Die Rente mit 67 ist richtig
  11. Streit um Patente auf Pflanzen
  12. Ungarn will nicht weiter nach der Pfeife des IWF sparen
  13. Mehr als eine Milliarde für Afghanistan
  14. Hamburger Volksentscheid: Zielgruppe verfehlt
  15. Brigitta Huhnke: „Springerpresse im Hamburger Schulkampf“
  16. Hinhaltetaktik erzeugt Unmut der Studierenden
  17. Deutschland, Deine Helden
  18. Heribert Prantl: Wozu noch Journalismus?
  19. Norbert Blüm wird 75
  20. Zu guter Letzt: Georg Kreisler – Schützen wir die Polizei!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Minister boykottieren Schäuble
    Hauptquertreiber ist den Angaben zufolge Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), dessen Unterhändler sich vor allem gegen den Abbau von Vergünstigungen bei der Ökosteuer wehren. Sie argumentieren, dass bei einer Umsetzung der Beschlüsse Firmen mit hohem Stromverbrauch bis zu zehn Mal mehr Ökosteuer zahlen müssten als bisher. Das Finanzministerium bestreitet das nicht, verweist aber darauf, dass die betroffenen Betriebe derzeit oft nur Kleinstbeträge an den Fiskus überweisen müssten.
    Genauso viel bringen soll die neue Luftverkehrsteuer, gegen die Brüderle ebenso zu Felde zieht. In einem internen Papier seines Hauses heißt es, die Abgabe könne für den Bund zum Minusgeschäft werden, weil bis zu sechs Millionen Passagiere auf ausländische Flughäfen ausweichen und damit viele Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen könnten. Das Verkehrsressort moniert, dass die Steuer nicht zeitlich befristet werden soll, das Sozial- und das Umweltministerium würden die Steuersätze gerne nach Passagierklassen oder nach dem CO2- Ausstoß der Flugzeuge staffeln.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Wir hatten es ja vorhergesagt, die „Belastungen für die Wirtschaft“ sind Luftbuchungen. Die Kürzungen bei den Ärmsten der Armen werden umgesetzt.

  2. Aufschwung auf Pump
    Viel spricht dafür, dass bei dieser Erholung das Beste schon vorbei ist. Wieder einmal borgt sich Deutschland einen Aufschwung vom Ausland. Doch dessen Kräfte erlahmen bereits. In den USA entlassen die Unternehmen schon wieder. China drückt nach einem enormen Anstoß durch das gigantische Konjunkturprogramm auf die Bremse. Und in Europa würgt der kollektive Sparkurs die Konjunktur ab. Bankenkrise, Überschuldung, globale Ungleichgewichte – die zentralen Probleme der Weltwirtschaft sind ungelöst. Vor allem kann niemand die Kernfrage beantworten: Wer soll die Nachfrage ersetzen, wenn nach den US-Verbrauchern auch die Staaten ihre Defizite herunterfahren müssen? Von einem selbsttragenden Aufschwung ist die private Wirtschaft weit entfernt, auch und gerade in Deutschland.
    Quelle: FR

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Nach dem als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise im OECD-Vergleich überdurchschnittlich hohen Wachstumseinbruch in Deutschland stimmen nahezu alle Medien wieder das Lied vom “deutschen Wirtschaftsboom” an. Einmal mehr wird der “brummende Exportmotor” bejubelt. Die Medienberichterstattung zu den BIP-Daten des Statistischen Bundesamtes für das 2. Quartal 2010 wird dies in Kürze erneut bestätigen. Wie trügerisch dieser Enthusiasmus jedoch sein kann, wurde in den “Hinweisen des Tages (2) vom 16. Juli 2010”, Ziffer 1 aufgezeigt.
    Auch das von zahlreichen Medien ausgerufene deutsche “Jobwunder” nimmt sich bei Licht betrachet deutlich nüchterner aus. Siehe den NachDenkSeiten-Beitrag “Das angebliche Jobwunder”.

  3. Ermittlungen gegen früheren HRE-Aufsichtsratschef beendet
    Die Staatsanwaltschaft München hat ihre Ermittlungen gegen den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der mittlerweile verstaatlichten Krisenbank Hypo Real Estate (HRE), Kurt Viermetz, eingestellt.
    Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 geriet der Immobilien- und Staatsfinanzierer HRE in massive Schwierigkeiten und konnte nur mit staatlichen Hilfen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.
    Quelle: ad hoc news

    Anmerkung WL: Vermutlich konnte die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen, dass der Aufsichtsratschef auch nur ahnen konnte, welche Geschäfte mit faulen Papieren die HRE betrieben hat.

  4. Goldman-Sachs-Gewinn bricht um 82 Prozent ein
    Turbulenzen an den Kapitalmärkten und Sonderbelastungen haben dem Wall-Street-Haus Goldman Sachs stark zugesetzt und im zweiten Quartal einen heftigen Gewinnrückgang eingebrockt. Die Bank meldete einen Reingewinn von 613 Mio. Dollar. Im Vergleich zum Vorquartal entsprach das einem Rückgang von 82 Prozent. In dem Ergebnis sind allerdings Einmaleffekte enthalten. Die Bank zahlte in einem Vergleich 550 Mio. Dollar an die US-Börsenaufsicht SEC und für eine einmalige britische Steuer auf Boni 600 Mio. Dollar. Das wichtigste Segment, Trading and Principal Investments, in dem unter anderem das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren, Währungen und Rohstoffen (FICC) sowie Beteiligungen gebündelt sind, erwirtschaftete im zweiten Quartal Erträge von 6,6 Mrd. Dollar. Das sind 36 Prozent weniger als im Vorquartal. FICC, der größte Gewinnbringer, verzeichnete einen Ertragsrückgang um 40 Prozent auf 4,4 Mrd. Dollar. Im Aktiengeschäft gingen die Einnahmen auf 1,2 Mrd. Dollar zurück – deutlich weniger als in den ersten drei Monaten des Jahres und im Vorjahreszeitraum. Im Investmentbanking, das etwa das Beratungsgeschäft umfasst, schrumpften die Erträge um fast ein Viertel auf 917 Mio. Dollar.
    Der viel beachtete Posten Vergütungen, der auch die umstrittenen Boni einschließt, verringerte sich im Vergleich zum ersten Vierteljahr sowie zum Vojahreszeitraum. Er lag bei 3,8 Mrd. Dollar. In der ersten Jahreshälfte hat Goldman damit 43 Prozent der Nettoerträge für diese Zahlungen zurückgelegt und damit so wenig wie noch nie in einem ersten Halbjahr seit dem Börsengang 1999. In den ersten sechs Monaten 2009 waren es 49 Prozent gewesen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: 3,8 Mrd. Dollar, d.h. 43 Prozent der Nettoerträge, gingen an Boni. Die Zahlung an die US-Börsenaufsicht SEC dürften sich Ende des Jahres als Peanuts erweisen – wenn nicht ein Crash dazwischen kommt.

  5. Banken im Test: Die Blamage geht weiter
    Schon im Sommer 2009 waren die Tester von Finanztest in Deutschlands Geldhäusern unterwegs. Das Testergebnis damals war eine große Blamage: Obwohl der Test eine einfache Aufgabe zum Inhalt hatte, schnitt keine einzige Bank gut ab, zwei waren mangelhaft. Die Tester erwarteten jetzt, dass die Banken aus ihren Fehlern gelernt und Konsequenzen gezogen hätten. Das war zu optimistisch. Das Ergebnis ist diesmal sogar noch verheerender: Keine einzige Bank ist gut. Sechs Institute erhielten die Note mangelhaft, darunter Postbank, Hypovereinsbank und Targobank.
    Das größte Problem der Banken ist: Sie missachten Gesetze. Sie müssen, und zwar noch bevor sie eine Anlage empfehlen, die Kunden nach ihren finanziellen und persönlichen Verhältnissen fragen. Sie sind verpflichtet zu ermitteln, welches Ziel die Kunden mit ihrer Geldanlage erreichen wollen und welche Kenntnisse und Erfahrungen sie haben. Das hat nicht geklappt – und das, obwohl die Banken selbst hoch und heilig Besserung gelobt hatten.
    Seit 2010 sind die Institute zudem verpflichtet, über jedes Anlagegespräch, in dem sie Wertpapiere ansprechen, ein Beratungsprotokoll anzufertigen und auszuhändigen. Auch das klappte nicht. In 126 von 146 Beratungsgesprächen war die Rede von Wertpapieren und ein Beratungsprotokoll wäre Pflicht gewesen. Aber nur 61-mal gab es eines. 65-mal haben die Berater ihre Pflicht nicht erfüllt.
    Quelle 1: Stiftung Warentest
    Quelle 2: Testergebnisse
  6. PPP: Deutschlands gefährlichste Straße
    Endlose Baustellen, viele Tote auf der A 1: Seit die Regierung Autobahnen wie die zwischen Hamburg und Bremen an private Firmen verpachtet, sind sie zu Horrorpisten geworden. Heimlich haben Politiker die Geschäfte eingefädelt.
    Ein Ausbund an Geheimniskrämerei ist die Autobahn A1. Fast die ganze Strecke zwischen Hamburg und Bremen, ein 75 Kilometer langer Abschnitt, wurde im Jahr 2008 für 30 Jahre einem privaten Firmenverbund übertragen, bestehend aus den Bauunternehmen Bilfinger Berger und Johann Bunte und dem britischen Investor John Laing. In nur vier Jahren, bis Ende 2012, soll dieser viel befahrene Abschnitt völlig neu gebaut und außerdem von vier auf sechs Spuren verbreitert und bis zum Jahr 2038 von den Firmen betrieben werden. Das heißt zum Beispiel: Salz streuen im Winter, Gras mähen im Sommer, Leitplanken reparieren.
    Während der 30 Jahre erhalten die Firmen die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Je mehr Lastwagen über die Piste donnern, desto mehr Geld fließt in die Kassen. Doch wie sich die Maut berechnet und wie hoch das Aufkommen derzeit ist, geben die Regierung und die Baufirmen nicht preis. Wie das bisher größte öffentlich-private Gemeinschaftsprojekt kalkuliert ist, welchen Vorteil der Staat hat und welchen Profit die Unternehmen haben – das ist zur Verschlusssache erklärt worden.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung unseres Lesers P.W.: Die Kritik reicht von “Mehr tödliche Unfälle, wenn Autobahnen privat betrieben werden” über “Berater und Rechtsanwälte verdienen mit” bis “Der Staat handelt geheim, Kosten und Nutzen sind nicht transparent”.
    Umfangreich, auf fünf Seite.
    Unklar bleibt, wieso in unserem Land, wo jeder Cafe-Stuhl auf dem Gehweg eine “Sondernutzung” ist und jedes Baugerüst an der Straße beim Ordnungsamt angemeldet werden muss, für Autobahnbaustellen keine festen Regeln gelten. Z.B.:

    • Großräumige Umleitungen müssen ausgeschildert werden
    • Mindestfahrspurbreiten dürfen nicht unterschritten werden
    • Geschwindigkeitsbegrenzung abhängig von den Fahrspurbreiten…

    Zu jedem innerörtlichen Tempo-30-Schild wird die Polizei um Stellungnahme gebeten, aber die Verkehrsregelung einer Autobahnbaustelle überlegt sich der Polier allein?

  7. Leiharbeit statt Stammbelegschaft
    Gut 50 Prozent der offenen Stellen der Agentur für Arbeit in Memmingen stammen von Leiharbeitsfirmen. Damit werde die „eigentlich sinnvolle“ gesetzliche Regelung der Leiharbeit untergraben. Denn mit der Abfederung hoher Nachfragespitzen habe dies nichts mehr zu tun. Gloning, der DGB-Regionsvorsitzende, ist überzeugt, dass so die langsam aufkeimende Konjunktur zu einer Schwächung der Stammbelegschaften führe. Mehr Leiharbeiter zum Niedriglohn, dafür weniger Stammbelegschaft.
    Werner Gloning sieht den Schwarzen Peter nicht nur bei den Firmen, die billigere Leiharbeiter einstellen. Denn die würden dem Kostendruck ihrer Konkurrenten folgen. Gefragt sei die Politik. So verlangt Jena eine gesetzliche Regelung, die nach einem bestimmten Zeitraum „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ festschreibt. Jena kann von Gabelstaplerfahrern erzählen, die seit neun Jahren bei ein und derselben Firma Leiharbeiter sind.
    Quelle: Augsburger Allgemeine
  8. EU will Kohle-Subventionen bis 2014 streichen
    Den letzten Steinkohlezechen in Deutschland droht möglicherweise schon 2014 das Aus. Bis dahin will die EU die Förderung unrentabler Bergwerke einstellen. Eigentlich sollten die Beihilfen für die rund 27.000 deutschen Kumpel noch vier Jahre länger fließen.
    Die geltende Verordnung zu Steinkohle-Subventionen in der EU läuft Ende dieses Jahres aus. Die Kommission will die unrentablen Steinkohleproduzenten nicht weiter fördern, weil ihr Anteil an der Energieversorgung ohnehin gering sei und die EU-Staaten erneuerbare saubere Energien bevorzugten.
    Unternehmen müssten ohne staatliche Hilfe überleben können, sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. “Das ist nicht nur eine Frage der Fairness gegenüber den Wettbewerbern, die keine staatliche Unterstützung bekommen, sondern auch im Interesse des Steuerzahlers und der stark strapazierten Staatskassen.” Die Kommission werde Beihilfen nur noch zustimmen, wenn ein Stilllegungsplan existiere. Die finanzielle Hilfe müsse dazu verwendet werden, die sozialen und ökologischen Folgen der Betriebsschließung aufzufangen.
    Deutschland unterstützt die Steinkohle mit rund zwei Milliarden Euro im Jahr. Der Betrag nimmt aber jährlich ab. Ohne diese Beihilfen könnten die Zechen nicht überleben.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Man mag ja über die Kohlesubventionen geteilter Meinung sein, aber dass die EU-Kommission sich im Namen des Wettbewerbs einfach so mal über ein jahrelang zwischen Bund, Ländern und Bergbaubetreibern ausgehandeltes Steinkohlefinanzierungsgesetz aus dem Jahr 2007 hinwegsetzen können soll, ist schon bemerkenswert.

  9. EU knackt Altersvorsorge der Kommunen
    Private Versicherer blieben bisher beim Geschäft mit der kommunalen betrieblichen Altersvorsorge außen vor. Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten den Markt abgeschottet. Jetzt hat der EuGH entschieden, dass die Aufträge ausgeschrieben werden müssen. Viele Fragen sind aber noch offen.
    Privaten Versicherern winkt ein lukratives neues Geschäftsfeld. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass kommunale Arbeitgeber ihre betriebliche Altersvorsorge für private Anbieter öffnen müssen.
    Die Entscheidung ist ein schwerer Schlag für die öffentlichen Versicherer der Sparkassen. Betroffen von dem Urteil sind rund 2,3 Millionen öffentliche Angestellte. Sie haben genauso wie Beschäftigte in der Privatwirtschaft Anspruch darauf, Teile ihres Gehalts in einen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge zu stecken. Dabei geht es um Beiträge von bis zu 2,5 Mrd. Euro jährlich.
    Private Anbieter wie HUK-Coburg oder Debeka blieben bei diesem Geschäft bisher außen vor. Denn ein 2003 zwischen den kommunalen Arbeitgebern und der Gewerkschaft Verdi geschlossener Tarifvertrag sieht vor, dass Kommunen und ihre Unternehmen nur mit ausgewählten Anbietern Rahmenverträge abschließen dürfen: mit öffentlichen Versorgungseinrichtungen, den Versicherern der Sparkassen – etwa der Provinzial – und Kommunalversicherern.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Jetzt dürfen also öffentliche Arbeitgeber nicht einmal selbst entscheiden, wie sie ihre Zusatzversorgung für die Rente organisieren wollen und wo sie diese Beiträge anlegen dürfen. Wie die FTD richtig schreibt, winkt damit den privaten Versicherern einmal mehr ein „lukratives neues Geschäftsfeld“. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Rechtsgrundlagen der EU auf denen der EuGH ja entscheidet, die Privatisierungsideologie und marktradikalen Prinzipien zum Durchbruch verhelfen.

  10. Müntefering: Die Rente mit 67 ist richtig
    Die SPD versucht mit einem groß angelegten Konzept, die Rente mit 67 zu verteidigen. Für den ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering, vor einigen Jahren selbst an diesem Beschluss beteiligt, besteht weiterhin kein Zweifel: „Es ist richtig.“
    “Rente mit 67 bedeutet, dass ab 2030 rund zwei Mio. Menschen mehr im erwerbsfähigen Alter sein werden”, verteidigte der ehemalige Parteivorsitzende und Leiter der Arbeitsgruppe “Demografie” der SPD-Bundestagsfraktion, Franz Müntefering, die Reform. Dies sei aufgrund der demografischen Entwicklung zwingend, sagte er dem Handelsblatt. “Wir müssen das generelle Renteneintrittsalter anheben. Es ist richtig.”
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Das Handelblatt zieht hier ein schon etliche Wochen zurückliegendes Papier von Müntefering [PDF – 130 KB] nochmals hoch. Dazu hatten wir damals angemerkt: Wie schon in seinen Zeiten als Sozialminister stützt sich Müntefering auf Vorausberechnungen für die Jahre bis 2050. Er unterstellt eine Schrumpfung der Bevölkerung auf 65 Millionen oder – ohne positiven Wanderungssaldo – gar auf 61 Millionen und er rechnet vor, dass auf 100 Personen im Alter von 20 bis 64 im Jahr 2050 65 Personen kommen, die älter als 65 Jahre sein werden. Wieder einmal werden langfristige Rechnungen mit Modellcharakter als Prognosen und sozusagen aus unausweichliche Entwicklungen unterstellt, als seien sie ein unausweichliches demografisches Naturgesetz. Der Statistiker Gerd Bosbach hat dargestellt, dass 50 Jahres-Prognosen “moderne Kaffeesatzleiserei” [PDF – 183 KB] seien. Sie seien in der Vergangenheit unmöglich gewesen und das seien sie auch in der Zukunft. Was die Unsicherheit von Bevölkerungsprognosen anbetrifft, so habe etwa das Statistische Bundesamt seine Verausberechnungen kurzfristig um mehrere Millionen korrigiert. Selbst wenn die Vorausberechnungen einträfen, vernachlässigt Müntefering einmal mehr die Tatsache, dass bei der von den Erwerbstätigen zu “versorgenden” Bevölkerung nicht nur der Altenquotient, sondern auch der Jugendquotient eine Rolle spielt. Wenn man den Gesamtquotienten nähme habe sich die Dramatik schon halbiert.
    Niemand könne auch vorhersagen, wie 2050 das tatsächliche Renteneintrittsalter aussehe. Und weiter wird der Produktivitätsfortschritt – der es ermögliche, dass mehr zwischen Erwerbstätigen und zu Versorgenden verteilt werden könnte – vernachlässigt.
    Müntefering verweist darauf, dass heute in Deutschland 44 Millionen im Erwerbsalter sind, während es 2050 nur noch 26 Millionen sind. “Das klingt nicht mehr harmlos”, fügt er hinzu. Er versäumt aber darauf hinzuweisen, dass derzeit “nur” etwas über 27 Millionen Menschen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sind.
    Auch in 2050 wird entscheidend sein, wie viele Menschen im Erwerbsalter in Beschäftigung sein werden, inklusive Frauen und womöglich inklusive Ältere.
    Unbestreitbar ist die demografische Entwicklung ein Faktor für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft, aber es ist ein gestaltbarer und auch politisch beeinflussbarer Faktor und es gäbe eine Menge Stellschrauben mit denen man die Dramatik der Alterung der Gesellschaft entdramatisieren könnte. Da wäre zunächst die Frage der Beschäftigung, da wäre die Steigerung des technischen Fortschritts, da wäre eine Wirtschaftspolitik die Produktivität und Arbeitskraft ausschöpft, da wären kinder- und familienfreundliche Lebensbedingen etc.
    An vielen Stellen das Arbeitspapiers wird erkennbar, dass Franz Müntefering damit seine vorausgegangene Politik der Agenda 2010, der Rente mit 67 oder der Einführung der privaten Riester-Rente zu verteidigen versucht. So wenn er davon redet, dass mit der Agenda die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt worden sein (?) oder dass mehr Ältere erwerbstätig seien, “durch konkrete Programme der Unternehmen und der Politik”. Er behauptet, dass das Regel-Rentenalter 67 im Jahre 2030 ein Plus von rd. 2 Millionen Erwerbstätigen bedeute. Woher kennt er eigentlich den Arbeitsmarkt in zwanzig Jahren? Müntefering fordert: “Zusätzliche Altersversorgung muss rechtzeitig, ergänzend zur prioritären Gesetzlichen Rentenversicherung, selbstverständlich werden. Ich meine: Obligatorisch.” Er ist also nach wie vor der irrigen Auffassung, dass eine kapitalgedeckte Altersvorsorge der Ausweg aus der demografischen Entwicklung sei.
    Auch wenn man viele der Prämissen, die Müntefering zugrunde legt, mit Fug und Recht bezweifeln kann und er nach wie vor die demografische Entwicklung eindimensional als Gegebenheit unterstellt, soll nicht bestritten werden, dass manche seiner Vorschläge richtig und Vernünftig sind. Insbesondere was die Integration und die Bildung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund, die Einwanderungspolitik oder die Förderung einer kinder- und familienfreundlicheren Lebens- und Arbeitswelt anbetrifft.
    Übrigens: Im Mai 2010 waren insgesamt 28,7 Prozent (931 000) aller Arbeitslosen 50 Jahre oder älter [PDF – 92.1 KB].

  11. Geheime Störfallanalyse: Über 70 Grad im Hitze-ICE
    So kam es allein am 10. Juli 2010, also an dem Tag, an dem mehrere ICE- Klimaanlagen ausfielen, insgesamt zu 293 Störfällen bei Zügen.
    Dazu zählen Bremsstörungen, Triebzugschäden, Störungen an Funkeinrichtungen und Zwangsbremsungen mit unbekannter Ursache. 485 Züge waren insgesamt über 100 Stunden verspätet. Als Ursache sieht Frank Schmidt, Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer in Nordrhein-Westfalen, dass aus Zeitmangel die Züge nicht mehr richtig gewartet werden: “Wir bemängeln immer wieder, dass die Fahrzeuge nicht richtig repariert und auf die Schiene geschickt werden, der Fehler dann schnellstmöglich bei denselben Fahrzeugen immer wieder auftritt”, sagte Schmidt gegenüber Frontal21.
    Quelle: Frontal21
  12. Streit um Patente auf Pflanzen
    1. Der Kampf um unser Essen
      Dürfen sich Unternehmen Gemüsesorten per Patent einverleiben? Was die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in letzter Instanz verhandelt, könne Dämme brechen.
      Beim Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere gilt die Bundesrepublik in Europa als eine mittlerweile treibende Kraft. Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung von 2009 schließt ein Passus grundsätzlich die Patentierbarkeit von landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen aus.
      Derzeit ist es gängige Praxis beim Patentamt, dass nicht nur ein Verfahren patentiert wird, das zu einer Züchtung führt, sondern auch das Saatgut und die Pflanze oder bei Tieren sogar deren Nachkommen. Patentiert wird querbeet von Sonnenblumen über Brokkoli bis zu Milchkühen und Schweinen.
      Patentierung von Nutztieren und Nutzpflanzen können vor allem kleine Betriebe in der Landwirtschaft und Züchter unter einen erheblichen ökonomischen Druck setzen, warnt der wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundeslandwirtschaftsministerium.
      Quelle: FR
    2. Weltherrschaftspläne
      Beim US-Saatgut- und Agrarchemiemulti Monsanto ist die Kontrolle über die Nahrungsmittelproduktion weltweit offiziell erklärtes Unternehmensziel. Konkurrierende Konzerne wie Syngenta, BASF und Pioneer führen Ähnliches im Schilde. Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace beherrschen schon heute zwölf Firmen zwei Drittel des globalen Saatgutmarktes.
      Daß sie sich etliche ihrer Züchtungsmethoden und deren Ergebnisse– nicht zuletzt diejenigen, die Genmanipulationen enthalten – haben patentieren lassen, ist ein wesentlicher Grund für ihre steigenden Profitraten. Denn in der Folge kassieren sie auf unabsehbare Zeit Gebühren von Züchtern, Landwirten und sogar von den Verbrauchern. Die damit verbundene Beschneidung des althergebrachten Bauernrechts, Saatgut aus eigenem Anbau zu gewinnen, wird seit langem von den Betroffenen, von Ökoverbänden und Globalisierungskritikern mit Sorge beobachtet. Am Dienstag gingen in München Vertreter von rund 300 Organisationen gegen die Patentierung von Saatgut und gegen die »Enteignung von Bauern und Züchtern« auf die Straße. Denn seit gestern wird im Europäischen Patentamt (EPA) mit Sitz in der bayrischen Landeshauptstadt über Beschwerden gegen zwei Patente auf Züchtungsmethoden und die daraus entstandenen Pflanzen verhandelt.
      Quelle: junge Welt
  13. Ungarn will nicht weiter nach der Pfeife des IWF sparen
    Der IWF unterbricht die Gespräche, weil Ungarn eine Bankenabgabe einführen will statt noch stärker zu sparen
    Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Ungarn die Auszahlung von dringend notwendigen Kredittranchen verwehrt, um das Land zu disziplinieren. Sie sind Teil eines vor zwei Jahren geschnürten Hilfspakets über gut 25 Milliarden Dollar, an dem auch schon die EU mit 6,5 Milliarden beteiligt war. Die Verhandlungen über die ausstehenden Kredite sollten eigentlich Anfang dieser Woche abgeschlossen werden.
    Am Wochenende konnte sich Ungarn nicht mit dem IWF und der EU darüber einigen, wie der Haushalt weiter konsolidiert werden soll. Denn obwohl die sozialistische Regierung unter der Aufsicht des IWF tiefe Einschnitte in das Sozialsystem vorgenommen hatte, konnte der Haushalt bisher nicht ausreichend konsolidiert werden. Allerdings ist das Defizit, das 2010 zwischen 3,8 und 4,1% liegen soll, im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien oder Spanien dann doch eher bescheiden. Trotzdem fordern der IWF und die EU aber, dass auch die konservativen Nachfolger weiter kräftig die Schere ansetzen, um es schon 2011 unter die Euro-Stabilitätsgrenze von 3% zu drücken. Sowohl die Ausgabe- als auch die Einnahmeseite müsse verbessert werden, meinte dazu der IWF.
    Doch ist der Premier Viktor Orbán offenbar derzeit nicht bereit, die einfache Bevölkerung noch stärker für die Krise bluten zu lassen. Sein Wirtschaftsminister Gyorgy Matolscy sagte gestern im Fernsehen, dass zusätzliche Anstrengungen nicht in Frage kämen. Die Einnahmeseite will die Regierung Orbán aber verbessern. Dafür will Budapest eine satte Bankenabgabe einführen, statt wie Rumänien die Mehrwertsteuer um 5 Prozentpunkte auf 24 % hochzuschrauben.
    Die Abgabe soll dem Land noch im laufenden Jahr 700 Millionen Euro einbringen. Und eine Bankenabgabe, die im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Landes deutlich mehr Geld von den Banken fordert, als das in Deutschland geplant ist, passt dem IWF in Washington natürlich gar nicht.
    Quelle: Telepolis
  14. Mehr als eine Milliarde für Afghanistan
    Trotz leerer Staatskassen wird die Bundesregierung beim Afghanistan-Einsatz nicht sparen. In den vergangenen achteinhalb Jahren sind die Ausgaben für den Bundeswehreinsatz, den Wiederaufbau des Landes, die Entwicklungshilfe und den Polizeiaufbau kontinuierlich gestiegen. In diesem Jahr summieren sich die Kosten voraussichtlich auf 1,25 Milliarden Euro.
    Allein für den Bundeswehreinsatz mit bis zu 5350 Soldaten sind in dem aktuellen Bundestagsmandat 784,7 Millionen Euro für 2010 veranschlagt. Die Polizeiausbildung kostet 36 Millionen Euro. Derzeit sind 250 deutsche Polizisten in Afghanistan im Einsatz. Die schwarz- gelbe Regierung hat zudem in diesem Jahr die Ausgaben für Entwicklungs- und Wiederaufbauhilfe auf 430 Millionen Euro fast verdoppelt.
    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) legte im Mai eine Studie vor, die auf deutlich höhere Ausgaben kommt. Neben dem Verteidigungshaushalt und den Investitionen anderer Ministerien berücksichtigten die Berliner Forscher weitere Kosten, beispielsweise für die Versorgung verwundeter Soldaten. Eine Fortsetzung des Einsatzes wird danach bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr kosten.
    Quelle: Mitteldeutsche Zeitung
  15. Hamburger Volksentscheid: Zielgruppe verfehlt
    Dem Hamburger Volksentscheid sind viele derjenigen ferngeblieben, denen die Reform zugute kommen sollte. Gerade in den ärmeren Stadtteilen war die Beteiligung am Volksentscheid gering. Karin Haas, Landessprecherin der Linken in Hamburg, fasst zu Motivation und Mobilisierung zusammen: „Die guten Ergebnisse in Stadtteilen mit sozial besser gestellter Bevölkerung zeigen, dass diese Schichten ihre Interessen wahrnehmen und damit Erfolg haben.“ Auch Robert Heinemann, Verfassungsexperte der CDU, konstatiert, dass die direkte Demokratie nicht in allen Schichten angenommen werde.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Jenseits des Ergebnisses des „Volksentscheids“ sind die nachträglichen Kommentare der Politiker ein einziges Ärgernis. Wie naiv können diese Damen und Herren sein bzw. tun. Insbesondere bei Kommunal- und auch Landtagswahlen ist seit Mitte der 80er Jahre in den Städten festzustellen, dass die zunehmende Wahlenthaltung eine klare Sozialstruktur hat. Wahlenthaltung findet nicht gleichverteilt in allen sozialen Schichten statt, sondern ist vor allem dem Rückgang der Wahlbeteiligung in den ärmeren Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und anderen existenziellen Nöten geschuldet. Stadtteile mit sozial besser gestellter Bevölkerung weisen immer noch eine Wahlbeteiligung 60 bis 70 Prozent auf, während das gemeine Volk auf einen Wahlanteil von 20 bis 30 Prozent kommt. Kurzum, wir nähern uns amerikanischen Verhältnissen, d.h. die Interessen der Bürger mit höherem Einkommen und sozialem Rang sowie höherer beruflicher Qualifikation sind überrepräsentiert. – Wenn Parteien eine Politik durchsetzen wollen, die diese Interessen beschneidet, müssen sie diese Tendenzen zur Kenntnis nehmen und Gegenstrategien entwickeln.

  16. Brigitta Huhnke: „Springerpresse im Hamburger Schulkampf“
    Zunächst tut sich jedoch ein Problem mit der Logik auf: Der Satz „Wir wollen lernen“ macht nur Sinn, wenn die Aussage „Ihr wollt nicht lernen“ oder „sie wollen nicht lernen“, ebenfalls benannt und verifizierbar wäre, zumal in einem pädagogischen Kontext.

    • Was will wir lernen? Keinerlei konkrete Aussagen zu finden.
    • Wer will nicht lernen? Keine Aussage
    • Wo will wir lernen? In Hamburg im Gymnasium
    • Wozu? Um schneller lernen zu können
    • Wie? Im alten Schulsystem.

    Trotz vieler Erkenntnisse über das seit Jahrzehnten andauernde unkontrollierte Agieren der rechts-konservativen Presse in Hamburg erschrecken nach Durchsicht der lokalen Printberichterstattung (von Januar bis Anfang Mai 2010) dennoch das Ausmaß journalistischer Inkompetenz sowie der Kampagnencharakter. In seit 1945 nahezu beispielloser Art und Weise treiben die Springer-Blätter über Monate hinweg einen Bürgermeister und eine Fach-Senatorin vor sich her.
    Quelle: Die Linke LV Hamburg

  17. Hinhaltetaktik erzeugt Unmut der Studierenden
    Schnellstmögliche Abschaffung der Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen gefordert. Politiker sollen Druck bekommen. Ein Gespräch mit Hilmar Schulz,  Mitglied im AStA der Hochschule Niederrhein und ehemaliger Koordinator der Landes-ASten-Treffen NRW
    “Viele haben SPD und Grüne mit der Hoffnung gewählt, daß durch sie das Bezahlstudium abgeschafft wird. Die nun an den Tag gelegte Hinhaltetaktik von »rot-grün« erzeugt neuen Unmut und trägt mit Sicherheit zur Parteienverdrossenheit auch unter Studierenden bei. Die vorgeschobenen Argumente der Minderheitsregierung, die Studiengebühren nicht sofort abzuschaffen, zeigen daher das wahre Gesicht dieser Parteien. Die Ankündigung der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, nach der Wahl ihr Programm einem Realitätscheck zu unterwerfen, trifft die Studierenden wie eine Ohrfeige. Daß »rot-grün« nun angekündigt hat, die Gebühren möglichst zum Wintersemester 2011/12 abzuschaffen, ist unehrlich. Daß sie sich nicht konkreter ausdrücken, ist ein Skandal und muß auch so transportiert werden.”
    Quelle: junge Welt
  18. Deutschland, Deine Helden
    Heute sind nach Stauffenberg unzählige Strassen, Plätze und Schulen benannt. Gibt es eigentlich eine Georg-Elser-Schule? Wenn Deutschland sich schon einen Helden suchen muss, so wäre Elser ein passender Kandidat. Der einfache Schreiner erkannte bereits 1938, dass Deutschland nur durch einen Tyrannenmord zu retten sei und platzierte in mühevoller Kleinarbeit eine Zeitbombe im Bürgerbräukeller. Das schlechte Wetter verhinderte seinen Erfolg – da Hitler nicht fliegen konnte, sondern mit der Bahn fahren musste, verließen er und seine Entourage den Bürgerbräukeller 13 Minuten zu früh. Georg Elser starb 1945 im KZ Dachau. Als Motiv gab er gegenüber der Gestapo an: “Ich wollte durch meine Tat noch größeres Blutvergießen verhindern”. Es dauerte 40 Jahre, bis die Stadt Burgdorf bei Hannover als erste Stadt in Deutschland eine Straße nach Elser benannte. Georg Elser war nun einmal kein Claus Schenk Graf von Stauffenberg, er war Schreiner und kein adliger Offizier – solche Helden will weder das alte noch das neue Deutschland.
    Quelle: Spiegelfechter
  19. Heribert Prantl: Wozu noch Journalismus?
    Noch nie war das Bedürfnis nach einem orientierenden, aufklärenden, verlässlich einordnenden, klugen Journalismus so groß wie heute. Die Texte, die dieser Journalismus produziert, werden Nachrichten im Ursinne sein: Texte zum Sich-danach-Richten. Internet ist die globale horizontale Verbreiterung des Wissens. Guter Journalismus geht in die Tiefe.
    Es gibt die Pressefreiheit, weil die Presse auf die Demokratie achten soll. Diese Achtung beginnt mit Selbstachtung. Es wird daher, und in den Zeiten des Internets mehr denn je, gelten: Autorität kommt von Autor und Qualität kommt von Qual. Dieser Qualitäts-Satz steht zwar in der Hamburger Journalistenschule, aber er gilt nicht nur für Journalistenschüler. Er meint nicht, dass man Leser und User mit dümmlichem, oberflächlichem Journalismus quälen soll. Qualität kommt von Qual: Dieser Satz verlangt von Journalisten in allen Medien, auch im Internet, dass sie sich quälen, das Beste zu leisten – und er verlangt von den Verlegern und Medienmanagern, dass sie die Journalisten in die Lage versetzen, das Beste leisten zu können. Dann hat der Journalismus eine glänzende Zukunft.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Man fragt sich, ob Heribert Prantl einen Appell oder einen Nachruf auf den Journalismus geschrieben hat. „Orientierender“ Journalismus, heißt doch heute vielfach Orientierung auf das was die Eliten für richtig halten. Wo blieb etwa die Aufklärung und Verlässlichkeit vor und nach der Finanzkrise.

  20. Norbert Blüm wird 75
    Sein Eintreten für das System der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch finanzierten Sozialversicherungen und seine verbalen Feldzüge gegen den entfesselten Kapitalismus sind stets von einer Verve, hinter der man Selbstrechtfertigung vermuten muss. Blüm verteidigt sein Leben. Andererseits ist er erwiesenermaßen schlauer gewesen als die Anfang des Jahrtausends auf neo-liberale Abwege geratene Kanzlerin – ohne dass irgendjemand im Konrad-Adenauer-Haus seither einen Entschuldigungsbrief an ihn aufgesetzt hätte.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Die NachDenkSeiten gratulieren Norbert Blüm zu seinem Geburtstag und wünschen ihm Gesundheit und Kraft, damit seine Stimme im Kampf für den Erhalt des Sozialstaates noch lange durchdringen möge.

  21. Zu guter Letzt: Georg Kreisler – Schützen wir die Polizei!
    Quelle: YouTube


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