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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 11. Februar 2011 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Lokführer: Auf keinen Fall Ruhe geben; Geplatzte Hartz-IV-Verhandlungen: Die Pflichtvergessenheit der Regierung; Dani Rodrik: “Globalisierung der Finanzmärkte zurückdrehen”; Keine Warnung vor Finanzkrise: Interner Bericht watscht Währungsfonds ab; Auskunftei erwartet erneuten Anstieg bei Verbraucherinsolvenzen; Bildungsstudie: Warum Privatschulen schlechter sind als ihr Ruf; Italien: Ausgrenzung mit System; Ägypten. (KR)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Lokführer: Auf keinen Fall Ruhe geben
  2. Geplatzte Hartz-IV-Verhandlungen: Die Pflichtvergessenheit der Regierung
  3. Dani Rodrik: “Globalisierung der Finanzmärkte zurückdrehen”
  4. Keine Warnung vor Finanzkrise: Interner Bericht watscht Währungsfonds ab
  5. Auskunftei erwartet erneuten Anstieg bei Verbraucherinsolvenzen
  6. Bildungsstudie: Warum Privatschulen schlechter sind als ihr Ruf
  7. Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?
  8. Buchempfehlung: Pitt von Bebenburg / Matthias Thieme: Ausgekocht – Hinter den Kulissen hessischer Machtpolitik
  9. Anmerkung/Nachtrag zu “Hinweise des Tages” 10.02.11, Punkt 12 “BGH: Richter kippen Vertrag mit der Bahn”
  10. EU-Liberale haben den Wanderzirkus satt
  11. Italien: Ausgrenzung mit System
  12. Ägypten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Lokführer: Auf keinen Fall Ruhe geben
    Natürlich, das Interesse von Bahnreisenden ist, möglichst unbehelligt von A nach B zu kommen. Doch diesen Wunsch werden sie erstmal aufschieben müssen. Und zwar zu Recht: Die Lokführer wollen erstmals einen bundesweiten Branchentarifvertrag für ihre Berufsgruppe durchsetzen. Da es bei dem Konflikt um Grundsätzliches geht, wird er nicht ohne Arbeitskampfmaßnahmen – erst Warnstreik, dann möglicherweise Streik – über die Bühne gehen. Die Ziele der Lokführer sind berechtigt – das haben auch diejenigen anzuerkennen, die dem Konzept Spartengewerkschaft, wie es die Lokführergewerkschaft GDL verfolgt, kritisch gegenüberstehen. Nachdem die GDL der Deutschen Bahn vor drei Jahren einen Lokführertarifvertrag abgetrotzt hat, ist sie aus der Tariflandschaft nicht mehr wegzudenken. Nun fordert sie einen Flächentarifvertrag, der für alle Bahnunternehmen gilt – wie ihn die Konkurrenz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die im DGB ist, gerade erzielt hat. Branchentarife sind im Bahnsektor, der zunehmend von Konkurrenz geprägt ist, sinnvoll – nur sie verhindern Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen, die letztlich auch nicht im Sicherheitsinteresse der Fahrgäste liegen.
    Quelle: taz
  2. Geplatzte Hartz-IV-Verhandlungen: Die Pflichtvergessenheit der Regierung
    Es gibt ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Daraus ergibt sich die Grundpflicht der Politik, für dieses Existenzminimum zu sorgen. Aber sie war pflichtvergessen, nun ein geschlagenes Jahr lang. Sie hat die Anstrengung, die sie den Banken gewidmet hat, sie hat das Verantwortungsbewusstsein, das sie bei den Bankenrettung gezeigt hat, den Armen in Deutschland verweigert. Dieser Vorwurf trifft weniger die Opposition, er trifft vor allem die Regierung. Sie hat sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 erst einmal in einer absurden Diskussion verstrickt. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat der Diskussion über die Pflichten des Sozialstaats “sozialistische Züge” attestiert und von der Dekadenz des Sozialstaats schwadroniert. Es dauerte bis zum Herbst, es dauerte fast ein Dreivierteljahr, bis auch nur ansatzweise Substantielles auf den Tisch kam. Sie hat darauf vertraut, dass sie die Mehrheit im Bundesrat behält.
    Schwarz-Gelb hat taktiert: Die Regierung hat das Gespräch mit der Opposition erst dann gesucht, als es nicht mehr anders ging. Das Reden über einen Mindestlohn und über die zuträgliche Entlohnung von Leiharbeit – es sind die Themen, die SPD und Grüne in die Verhandlungen eingebracht haben – ist natürlich wichtig, weil der Mindestlohn mit Hartz IV ganz eng zusammenhängt: Die Einführung eines Mindestlohns ist der einzige Weg, um aus der Armutsfalle herauszukommen. Das haben ja mittlerweile auch die Union und die Kanzlerin eingesehen, aber sie haben nicht danach gehandelt. Menschenwürdige Entlohnung der Leiharbeit und ein Mindestlohn, von dem man leben kann: Diese Punkte sind noch wichtiger als ein paar Euro Anhebung des Regelsatzes nach Hartz IV.
    Quelle: SZ
  3. Dani Rodrik: “Globalisierung der Finanzmärkte zurückdrehen”
    US-Starökonom Dani Rodrik hat vor zu viel Freihandel gewarnt. “Globalisierung über ein bestimmtes Maß hinaus fährt zwangsläufig gegen die Wand”, sagte der Harvard-Ökonom im Interview mit der FTD. Das gelte insbesondere für den Finanzbereich.
    In seinem neuen Buch “Das Globalisierungs-Paradox” fordert der Harvard-Professor vielmehr eine neue Ära der Globalisierung – mit maßvoller wirtschaftlicher Integration anstelle von Hyperglobalisierung um jeden Preis, wie sie in den letzten Jahrzehnten gepredigt wurde. Damit zweifelt er einen Konsens der ökonomischen Zunft an: das Mantra, dass Freihandel immer nützlich ist.
    Quelle: FTD
  4. Keine Warnung vor Finanzkrise: Interner Bericht watscht Währungsfonds ab
    Dieses Ergebnis ist alles andere als förderlich fürs Renommee. Ein interner Untersuchungsbericht wirft dem Internationalem Währungsfonds massives Versagen bei der Einschätzung der weltweiten Finanzkrise vor – und liefert den Grund gleich mit: die Unfähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen. Abweichende, kritische Meinungen zu den Vorgängen, die zur schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg führten, seien innerhalb der UN-Sonderorganisation unbeachtet geblieben. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn gab in einer ersten Reaktion zu, dass die Unfähigkeit, vor der Krise zu warnen, ein “demütigender Fakt” sei. Das Institut habe aber bereits zahlreiche Schritte eingeleitet, um künftig besser handeln zu können. Auch die Koordination innerhalb des IWF werde verbessert. Es gebe aber noch mehr zu tun, gestand er ein.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Der Bericht kann in englischer Sprache als Kurz- und Volltext von folgender Seite heruntergeladen werden:
    Quelle: The Independent Evaluation Office (IEO) oft the IMF

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht nur dass der IWF, natürlich wie viele andere auch, krisenhafte Entwicklungen nicht wahrgenommen hat, die Finanzmärkte inklusive Wall Street wurden als “gesund und widerstandskräftig” eingestuft. Erfreulich in dem Bericht ist, dass endlich einmal das ausgeprägte Gruppendenken innerhalb des IWF angesprochen wurde, das auf heterodoxe Wissenschaftler abschreckend wirkt – ein Phänomen, das die NDS immer wieder im wissenschaftlichen Mainstream der Bundesrepublik beklagt haben. Aber es bleibt auch im Nachhinein erschütternd, dass weder die Immobilienblase in den USA oder Spanien noch die Risiken der innovativen Finanzprodukte auch nur im Ansatz erkannt wurden. Dabei hätte man eigentlich nur das Verhalten und  die Kommentare von wichtigen Playern wie Warren Buffett oder George Soros beobachten müssen. Dass die Finanzinstitute bereits Gegenwetten zu ihren eigenen Produkten laufen hatten, hätten zumindest die Finanzaufsichten bzw. Notenbanken mitbekommen müssen.
    Natürlich ist es positiv zu werten, dass der IWF überhaupt sein eigenes Versagen untersucht – bis auf die USA wurde in der EU weder in der EZB noch in den Mitgliedstaaten ähnliches versucht – allerdings hat der Bericht des “Independent Evaluation Office” aus dem Jahr 2004, der die Einheitssauce der Strukturanpassungsprogramme kritisierte, bislang wenig Auswirkungen auf die praktische Politik des IWF gehabt- siehe z.B. Lettland.

  5. Auskunftei erwartet erneuten Anstieg bei Verbraucherinsolvenzen
    Bedenkt man, dass die deutsche Wirtschaft momentan immer wieder auf die zusätzlichen Arbeitsplätze hinweist, die durch den Aufschwung entstehen, scheint diese Creditreform-Einschätzung für Außenstehende vielleicht nur schwerlich nachvollziehbar. Doch die Experten der Wirtschaftsauskunftei wissen, auf welche Entwicklungen die Gefahren zurückzuführen sind. Insbesondere die steigende Zahl der Jobs im so genannten Niedriglohnsegment bringt schon seit einigen Jahren immer mehr Verbraucher in arge finanzielle Bedrängnis.
    Die Erwartungen machen durchaus Angst. Gut ein Zehntel aller Deutschen im Erwachsenenalter könnte von der Zahlungsunfähigkeit bedroht werden im Jahr 2011. In der Zeit von Januar bis Ende November 2010 fielen über 100.000 Bürger in die Insolvenz. Minijobs und zu geringe Stundenlöhne sorgen dafür, dass viele Arbeitnehmer selbst bei einer Anstellung in Vollzeit zu wenig Geld im Portemonnaie haben, um davon alle laufenden Verbindlichkeiten bedienen zu können. Dementsprechend ist es in vielen Fällen nur eine Frage der Zeit, bis den Haushalten die Schulden sprichwörtlich über den Kopf wachsen und die endgültige Finanzmisere droht. Aus Sicht von Arbeitnehmervertretern ist dies ohne Frage die Bestätigung für die Einschätzung, dass flächendeckende höhere Mindestlöhne in ausnahmslos allen Bereichen des deutschen Arbeitsmarktes erforderlich sind. Aus dem Umfeld von Gewerkschaften heißt es einmal mehr, dass eine Vollzeitbeschäftigung den Bürgern auch genug Geld einbringen müsse, um sorgenfrei und ohne staatliche Hilfe über die Runden kommen zu können. Auch für die Unternehmen würde dies eine wichtige Rolle spielen, so die Kritiker der derzeitigen Gehaltspolitik in vielen Branchen. Denn unzufriedene Mitarbeiter mit enormen finanziellen Sorgen werden früher oder später auch weniger Leistung bringen.
    Quelle 1: Arbeitsgemeinschaft Finanzen
    Quelle 2: Creditreform

    Anmerkung Orlando Pascheit: In Deutschland nahm die Zahl der Privatinsolvenzen 2010 um 7,6 Prozent zu, auf 139.800 Fälle. Damit verzeichnete die Bundesrepublik im Jahr 2010 nach Großbritannien (162.460 Fälle) die zweithöchste Zahl an Privatinsolvenzen in Europa.
    Im Grunde wird damit das Gerede vom Beschäftigungsaufschwung seitens der  Regierung, der Wirtschaft und der Presse widerlegt. In der Untersuchung wird betont, dass die Arbeitslosigkeit in den meisten europäischen Staaten krisenbedingt stark anstieg und Auslöser Nummer eins für Überschuldungsprozesse und Zahlungsunfähigkeit sei. Wenn unser Arbeitsmarkt aber trotz Krise frei nach Brüderle zur Vollbeschäftigung tendiert, warum die hohe Zahl an Privatinsolvenzen? Da wäre einmal die Mogelpackung Arbeitsmarktstatistik und zum anderen Arbeitsverhältnisse, die man als eine moderne Form der Sklaverei bezeichnen kann. Man kann es auch neutraler formulieren, wie es Creditrefom-Vorstand Helmut Rödl bei der Vorstellung der Zahlen tat: “Für die zunehmende Zahl an Privatinsolvenzen sind vor allem Niedriglöhne verantwortlich”.

  6. Bildungsstudie: Warum Privatschulen schlechter sind als ihr Ruf
    Effektiver, innovativer, einfach besser – Privatschulen haben bei Eltern ein Top-Image. Eine aktuelle Studie zeichnet ein anderes Bild: Die nichtstaatlichen Institute werden massiv überbewertet, schreibt Bildungsforscher Manfred Weiß. Er kommt zu dem Schluss, dass es “insgesamt wenig bedeutsame Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen” gebe: “Bei den Realschulen schneiden die Privaten etwas besser ab, bei den Gymnasien die öffentlichen Schulen.” Keine wissenschaftlichen Beweise gebe es jedoch für die immer wieder geäußerte Ansicht, die Privatschulen würden “für einen innovations- und leistungsfördernden Wettbewerbsdruck im öffentlichen Schulwesen” sorgen.
    Und auch bei den Schülerleistungen fällt seine Bilanz mager aus: “Forschungsbefunde deuten eher auf Vorteile beim Schulklima und bei der Förderkultur hin”, formuliert Weiß äußerst zurückhaltend – bei den Leistungen gebe es dagegen “kaum empirische Evidenz” für den guten Ruf der Privatschulen. So schmal die Erfolge aus Sicht des Bildungsforschers sind, so lang ist seine Mängelliste. “Negative Systemwirkungen” bescheinigt er den privat getragenen Schulen, “selektionsbedingte Chancenungleichheiten sowie soziale und ethnische” Teilung von Schülern und obendrein “keine besondere Reformorientierung”. Vor allem Eltern mit Abstiegsängsten würden die private Alternative wählen, um sich nach unten hin abzugrenzen – von Hartz-IV-Familien und anderen als Bedrohung empfundenen Gesellschaftsschichten.
    Quelle 1: Spiegel Online
    Quelle 2: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 446 KB]
  7. Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?
    Der Zentralräte der Juden und der Moslems in Deutschland haben am Mitwoch auf einer Pressekonferenz zum Thema “Arbeit gegen Antisemitismus, Islamismus und Rechtsextremismus” in Berlin die Rücknahme der Extremismusklausel gefordert. Sie verpflichtet zivilgesellschaftliche Organisationen, die finanzielle Unterstützung bekommen, nicht nur selber auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen, sondern auch ihre Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen.
    Die Klausel behindere Initiativen gegen Rechtsextremismus, statt sie zu unterstützen und säe kollektives Misstrauen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, und schloss eine gerichtliche Klage nicht aus. Sein Kollege vom Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek ergänzte: “Ausgangspunkt dieses Bekenntniszwangs ist Misstrauen”.
    Quelle: Telepolis
  8. Buchempfehlung: Pitt von Bebenburg / Matthias Thieme: Ausgekocht – Hinter den Kulissen hessischer Machtpolitik
    “Die Autoren haben sich gründlich umgeschaut im Lande Hessen, sie sind tief in die Anfangsgründe des Systems Koch eingetaucht und haben dabei ein faszinierend dichtes Netz von Verbindungen und Verbindlichkeiten entdeckt. Aus lange zurückliegenden, aber immer noch gültigen Treueschwüren alter, christdemokratischer Parteifreunde ist offensichtlich ein schwer durchschaubares Konglomerat entstanden, das sich selbst hervorragend schützt und diesen Mechanismus obendrein als Inbegriff der Demokratie versteht.”
    Quelle: Eichborn-Verlag

    Anmerkung Martin Betzwieser: Dieses Buch wurde scheinbar überall absichtlich oder unabsichtlich übersehen. Auch von uns – unabsichtlich. Dieses Buch las ich noch nicht, aber ich war vorhin auf einer Buchbesprechung mit dem einen Autor Pitt von Bebenburg (Frankfurter Rundschau) und hörte Buchauszüge und Berichte von seinen Recherchen und bin sicher, ein hochinteressantes Buch gekauft zu haben.

  9. Anmerkung/Nachtrag zu “Hinweise des Tages” 10.02.11, Punkt 12 “BGH: Richter kippen Vertrag mit der Bahn”
    Leser T.J. schreibt uns: „Die Vorgänge um den Nahverkehrsvertrag in NRW haben noch eine brisante Komponente, die in dem zitierten FR-Artikel nicht angesprochen wird“:

    Der WAZ liegen nun Dokumente vor, die belegen, wie die Bahn versuchte, Gerichte zu manipulieren. In einem internen Bericht der Bahn-Rechtsanwälte an die Rechtsabteilung des Konzerns heißt es: Das Gelsenkirchener Gericht habe Literaturzitate „zu weiten Teilen“ übernommen. „Im Bereich des Preisrechts gilt dies insbesondere für den von der DB initiierten Aufsatz von Scholz/Otting“. Dies zeige, wie „richtig“ es war, die Rechtsauffassung der Bahn auch „durch externe Literaturstimmen, die nicht unmittelbar der Bahn zuzurechnen sind, zu untersetzen.“ Mit anderen Worten: Die Bahn hat einen Gutachter angeregt, einen nach außen hin unabhängigen Aufsatz zum Prozessthema zu schreiben, und diesen Aufsatz dann als angeblich unabhängige Literatur in das Verfahren eingebracht. Selten wurde über Lobbyschreiber offener berichtet.
    Quelle: WAZ

  10. EU-Liberale haben den Wanderzirkus satt
    Die Liberalen im EU-Parlament drängen darauf, den Sitz des Europaparlaments in Straßburg aufzugeben und nur mehr in Brüssel zu arbeiten. Damit würden innerhalb einer Legislaturperiode von fünf Jahren Einsparungen von knapp einer Milliarde Euro erzielt werden. Der liberale EU-Abgeordnete Edward McMillan-Scott aus Großbritannien und sein deutscher Fraktionskollege Alexander Alvaro präsentierten am Donnerstag in Brüssel eine Studie, wonach 91 Prozent der Mandatare im Europaparlament Brüssel als einzigen Sitz präferierten. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise, der Situation im Umweltbereich und des Klimaschutzes könnten zwei Parlamentssitze nicht mehr gerechtfertigt werden. Der Lissabon-Vertrag sehe auch vor, dass alle Bereiche der EU effizienter arbeiteten. “Die Zwei-Sitz-Vereinbarung” sei ein “Anachronismus”. McMillan-Scott erklärte, es gehe darum, das “Schweigegelübde” zu diesem Thema zu brechen.
    Quelle: Wiener Zeitung

    Anmerkung Orlando Pascheit: Warum nicht ganz nach Straßburg? Eine räumliche Trennung von Kommission und Rat in Brüssel würde die Volksvertretung zumindest sichtbarer machen und vielleicht würde eine gewisse Distanz sogar demokratiefördernd wirken. Weg von den mannigfaltigen Futtertrögen Brüssels.

  11. Italien: Ausgrenzung mit System
    Bei der italienischen Bevölkerung verachtet, ja oft auch verhasst, von den Behörden drangsaliert und schikaniert: So lässt sich die Situation der Roma und Sinti in Italien zusammenfassen. So gut wie jedes “Zigeuner”-feindliche Stereotyp hat in Italien überlebt und bestimmt immer wieder auch die Interventionen staatlicher Stellen. Politiker profilieren sich mit Anti-Roma-Kampagnen
    Quelle: taz
  12. Ägypten:
    1. Auch die Armee foltert
      Das ägyptische Militär soll am Verschwinden Hunderter von Regierungsgegnern aktiv beteiligt sein. Von einer “neutralen” ägyptischen Armee dürfte nach dem heutigen Guardian-Bericht, der längst auf al-Jazeera weiter verbreitet wurde, nicht länger die Rede sein.
      Quelle: Telepolis
    2. Ägypten: Entfesselte Strassen, gelähmte Medien
      Jahrzehntelang waren die Medien im arabischen Raum Sprachrohre der Regierung. Nun sollen sie plötzlich die Ansichten der Bürger spiegeln. Saudiarabien finanziert nahezu alle führenden nichtstaatlichen arabischen Medien, so auch den Satellitensender al-Arabiya. Seine ist Position klar, und im Falle der Revolte in Ägypten lautete die Botschaft vorerst: Hosni Mubarak soll bleiben. Der Tenor änderte sich, als die Masse auf Kairos Tahrir-Platz auf zwei Millionen Köpfe anschwoll: Am 1. Februar schaltete al-Arabiya oppositionelle Stimmen hinzu. «Die saudische Obrigkeit hat wohl eingesehen, dass sie sich von ihrem Wunsch, Mubarak zu halten, verabschieden muss», schrieb «Al-Watan», eine staatliche syrische Zeitung. Die (Schaden-)Freude über den möglichen Sturz Mubaraks, eines Erzrivalen des syrischen Präsidenten, war hier zwar nicht zu überhören, doch – mit dem eigenen Diktator vor der Tür – blieb auch in Syrien der Demokratiediskurs stumm. Man konzentrierte sich auf die Wiedergabe der Ereignisse.Wesentlich lauter schwiegen die palästinensischen Blätter, wie die «Ma’an News»-Agentur, das grösste unabhängige Nachrichtennetzwerk in Gaza und Cisjordanien, feststellt. Den Grund sieht «Ma’an» in der Sorge der PLO und der Hamas, sich angesichts eines ungewissen Ausganges mit den falschen Worten die Finger zu verbrennen.
      Al-Jazira konzentrierte sich von Anfang an auf die Stimmen der Opposition. Seine Berichte lebten von Strassenszenen und hochemotionalen Augenzeugen, die auf dem von westlichen Beobachtern oft gesehenen al-Jazira English auffallend häufig junge Frauen waren. Zur «Stimme Ägyptens» machte sich al-Jazira dadurch: Als Ägyptens Informationsminister dem Kairoer Büro die Sendelizenz entzog, rief al-Jazira freiberufliche Journalisten und Politiker auf, News zu schicken. Er machte «80 Millionen Ägypter zu seinen Korrespondenten», so schrieb Libanons Zeitung «Assafir», und multiplizierte Kommentare oder Videos via Twitter und Facebook. In der öffentlichen arabischen Meinung dürfte al-Jazira damit gepunktet haben. Indes: Der Sender unterliegt gleichfalls einer Agenda – der der katarischen Herrscherfamilie. Diese stützt zwei Kurse: den propalästinensischen und, bis zu einem relativ fortgeschrittenen Grad, den antidiktatorischen. Womit nicht gesagt sei, dass al-Jazira den Emir von Katar kritisieren dürfte.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Die Medien im Ägypten sind weiterhin einer strengen Kontrolle unterworfen. Vizepräsident Suleiman, Spitzname der “Folterer”, nutzte ein Treffem mit mit Chefredakteuren mehrerer Zeitungen, um eine eindeutige Botschaft an das Vok zu richten: Die Krise müsse sobald wie möglich ein Ende finden. Eine Rücktritt von Präsident Husni Mubarak und ein Ende des Regimes käme nicht in Frage. Die Regierung wolle die Forderungen der Demonstranten  über einen Dialog lösen und nicht die Polizei gegen die ägyptische Gesellschaft einsetzen. Und: Die Alternative zu diesem Dialog sei ein Putsch, der viel Unvernunft mit sich brächte. Ob das eine Mahnung an das Militär oder eine Drohung an die Demonstranten war, darüber darf gerätselt werden.

    3. Christen in Ägypten: Wir wollen endlich Religionsfreiheit
      Die Kopten lehnen die Scharia als Quelle des ägyptischen Rechts ab – und sie fürchten die Muslimbrüder. Ein Interview mit dem koptischen Rechtsanwalt Naguib Gobraiel.
      Quelle: Zeit Online


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