NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Februar 2011 um 9:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Berliner Wasserverträge: Volksentscheid erfolgreich; obskure Finanzmärkte; Banken: Die Versuchung; Pläne zum Weltwährungssystem; „EU braucht wachsenden deutschen Konsum“; Griechen wollen sich von EU nichts befehlen lassen; die Wirtschafts- und Finanzkrise mit Blick auf Marx und Keynes; Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt; Bahn: Alle gegen Börsengang?; Großrazzia wegen NRW-Bauaffäre; USA: Jugendrichter kassiert bei Privatknast für Insassen; Konstantin Wecker: Demokratiedämmerung; wie die EU-Handels- und Rohstoffpolitik Entwicklung untergräbt; Unsoziales; deutsche und internationale Leistungsträger; Amtsleiter rebellieren gegen Senat; Die Grünen – Politik als Marketing; Ägypten; USA: Ein Land, zwei Ökonomien; The UK’s Progressive Tea Party; die “geraubten Kinder” in Spanien fordern Aufklärung; Medienkritik; Schavan will Bundes-Universitäten einrichten; Menschenkette gegen Atompolitik; Rezensionen: Nachdenken über Deutschland.(KR/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Berliner Wasserverträge: Volksentscheid erfolgreich
  2. Obskure Finanzmärkte
  3. Banken: Die Versuchung
  4. Pläne zum Weltwährungssystem – Französische Revolution
  5. „EU braucht wachsenden deutschen Konsum“
  6. Posse um Steinbrücks EZB-Chef-Kandidatur
  7. Schuldenkrise: Griechen wollen sich von EU nichts befehlen lassen
  8. Die Wirtschafts- und Finanzkrise mit Blick auf Marx und Keynes
  9. Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt
  10. Bahn: Alle gegen Börsengang?
  11. Großrazzia wegen NRW-Bauaffäre
  12. USA: Jugendrichter kassiert bei Privatknast für Insassen
  13. Konstantin Wecker: Demokratiedämmerung
  14. Ran an den Stoff! – Wie die EU-Handels- und Rohstoffpolitik Entwicklung untergräbt
  15. Unsoziales
  16. Deutsche und internationale Leistungsträger
  17. Hamburg: Amtsleiter rebellieren gegen Senat
  18. Die Grünen: Politisches Wunder? Neue Volkspartei? – Politik als Marketing
  19. Ägypten
  20. USA: Ein Land, zwei Ökonomien
  21. The UK’s Progressive Tea Party
  22. Die “geraubten Kinder” in Spanien fordern Aufklärung
  23. Medienkritik
  24. Schavan will Bundes-Universitäten einrichten
  25. Menschenkette gegen Atompolitik: Reihen Sie sich ein!
  26. Rezensionen: Nachdenken über Deutschland: Das kritische Jahrbuch 2010/2011

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Berliner Wasserverträge: Volksentscheid erfolgreich
    Über 665.000 Berliner haben für die Offenlegung der Wasserverträge gestimmt. Fast alle, die zur Abstimmung gingen, waren Befürworter. Damit ist erstmalig ein Volksentscheid in Berlin erfolgreich.
    Quelle: Tagespiegel
  2. Obskure Finanzmärkte
    1. Die Darkrooms der Finanzmärkte
      Aktien werden an der Börse gekauft? Nein! Längst läuft ein Großteil des Geschäfts im Verborgenen ab – über Handelsnetzwerke von Banken und Finanzinvestoren. Die Börsen sehen das ungern und verlangen Nachbesserungen – ihnen wird von einer Konkurrenz das Wasser abgegraben, die wenig gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. “Die Mifid hat die Broker-Dealer-Netzwerke nach Europa geholt”, sagt Andreas Schmidt, Chef der Bayerischen Börse. “Je weniger Umsatz an den regulierten Märkten gemacht wird, desto anfälliger werden dort die Handelspreise für Manipulationen von außen”, warnt er.
      Quelle: SZ
    2. Frisches Geld für marode Banken
      Enorme Freiheiten, ganz legal: Im Euro-Raum dürfen nationale Notenbanken notleidenden Geldhäusern mit frischem Geld aushelfen. Genau dies geschieht nun in Irland und Portugal – die Europäische Zentralbank ist alarmiert.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    3. Banken brauchen eine Entzugskur
      Für die Banken in den Randstaaten des Euro-Raums sind die rettenden Geldspritzen der Europäischen Zentralbank zur Droge geworden. Hinter verschlossenen Türen diskutiert der EZB-Rat, wie er die Süchtigen entwöhnen kann. Außerhalb der Zentralbank wird kräftig gezittert.
      Quelle: Handelsblatt
  3. Banken: Die Versuchung
    Es erinnert verflixt an früher. Im vergangenen Jahr haben die 25 führenden Finanzhäuser der USA ihren Angestellten geschätzte 135 Milliarden Dollar bezahlt. So viel war es noch nie. Mag sein, dass die berühmten Boni gesunken sind. Dafür müssen die Festgehälter gewachsen sein. Während jedenfalls jeder zehnte arbeitsfähige Amerikaner einen Job sucht, machen Banken und Investmenthäuser mithilfe der von der Zentralbank künstlich unten gehaltenen Zinsen herrliche Geschäfte.
    Quelle: ZEIT
  4. Pläne zum Weltwährungssystem – Französische Revolution
    Frankreich strebt einen Umbruch des Weltwährungssystems an: Die Regierung in Paris will die Zeit freier Wechselkurse beenden und plädiert zudem für einen flexibleren Euro-Rettungsschirm.
    Die französische Finanzministerin Christine Lagarde zeigte sich in einem Interview des Nachrichtenmagazins Der Spiegel offen dafür, die Kursschwankungen an den Devisenmärkten staatlich zu begrenzen. “Jede Idee ist willkommen, auch Bandbreiten für Wechselkurse”, sagte sie. Sie sei stets vorsichtig mit allzu ambitionierten Zielen, “wenn wir aber so ein System hinkriegen und es von der Nachwelt Bretton WoodsII genannt wird, soll mir das recht sein”. Das mit dem Abkommen von Bretton Woods 1944 geschaffene internationale Währungssystem fußte auf festen Wechselkursen. Weltweite Leitwährung war der mit Gold unterlegte US-Dollar. Anfang der 1970er Jahre zerbrach das Bretton-Woods-System. Die Idee von Wechselkurszielzonen war zuletzt Ende der 1990er Jahre vom damaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine verfochten worden. Vor allem die USA hatten Lafontaines Überlegungen jedoch seinerzeit strikt von sich gewiesen.
    Quelle: SZ
  5. „EU braucht wachsenden deutschen Konsum“
    John Monks, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, spricht im FR-Interview über die Bedeutung des Euro, die deutsch-französische Dominanz und die politischen Folgen rigider Sparprogramme: „Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wollen direkt in die Arbeitsverhältnisse hineinregieren und ignorieren alle Subsidiaritätsregeln. Man kann die Belgier nicht einfach zwingen, ihre Lohn-Indexierung aufzugeben. Einen solchen Eingriff in die nationale Entscheidungsgewalt kann kein europäisches Land zulassen. Wenn die EU so massiv die nationale Souveränität verletzt, wird sich die öffentliche Meinung gegen sie wenden. Merkel und Sarkozy denken, sie retten Europa. Aber die Art, wie sie es tun, ist es für viele Staaten nicht akzeptabel.“
    Quelle: FR
  6. Posse um Steinbrücks EZB-Chef-Kandidatur
    1. Neuer EZB-Chef – Nehmt doch den Steinbrück!
      Kanzlerin Angela Merkel verliert nicht nur den Bundesbank-Chef, sondern auch einen potentiellen Kandidaten für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank. Doch das Rennen um den Job muss für Deutschland noch nicht beendet sein. Es gibt noch eine Alternative.
      Peer Steinbrück könnte Bundesbank-Chef. Vor allem aber könnte er EZB-Chef. Klar: Man kann ihm viel vorwerfen. Der Genosse wirkt oft besserwisserisch, leicht arrogant, oberlehrerhaft. Aber richtig ist auch: Steinbrück ist ein unabhängiger Kopf, das hat er immer wieder bewiesen, zuletzt im Streit mit seiner eigenen Partei. Was will man mehr für den Chefposten der unabhängigen Zentralbank?
      Steinbrück ist Finanzexperte. Er war lange Landesfinanzminister, er war Bundesfinanzminister. Er hat einen guten Job gemacht. Er kennt die wichtigsten Player auf der europäischen Bühne. Er ist auch in anderen europäischen Ländern anerkannt (nicht in der Schweiz, aber die gehört ja nicht zum Euro). Er kennt die Innereien der Finanzkrise, der Eurokrise. Er kann Dinge durchsetzen. Das hat er immer wieder bewiesen.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers C.P.: Der Artikel strotzt nur so von Halbwahrheiten, Verdrehungen und Unverstandenem. Mal ganz abgesehen von dem pseudo-mutigen Ton, mit dem hier die Politik angeblafft wird. Ja, pseudo, denn Steinbrück hochzuschreiben ist wahrlich kein Heldenstück.
      Los geht‘s mit der Propaganda:
      »Die europäische Zentralbank bestimmt über die Stabilität der Währung.
      Ein Deutscher könnte dort mäßigend auf den besonders in den Südländern ausgeprägten Hang zur lockeren Geldpolitik einwirken. Eine wachsweiche Währung hilft vielleicht den Schuldenmachern in Italien, nicht aber der Exportnation Deutschland.«
      Dass Schuldenmachen in Italien aber der Exportnation Deutschland hilft, davon kein Wort. Wir im Norden machen ja alles richtig, die im Süden sind zu lax. Da sei der Steinbrück vor… Wenn es nicht so grauenhaft wäre, müsste man über so viel Naivität beim Leiter des Politikressorts von SPIEGEL ONLINE eigentlich schmunzeln.
      »Peer Steinbrück könnte Bundesbank-Chef. Vor allem aber könnte er EZB-Chef. Klar: Man kann ihm viel vorwerfen.«
      Bis zu dieser Stelle im Artikel ist noch kein Argument pro Steinbück gefallen. Das wird einfach in den Raum gestellt: »Vor allem aber [??] könnte er EZB-Chef.« Vor allem? Derart irritiert sieht der Leser nun rückhaltlose Aufklärung auf sich zukommen: »Klar: Man kann ihm viel vorwerfen.« Richtig. Ist ja alles schön dokumentiert bei den Nachdenkseiten. Stichworte »Finanzmarktkontrolle mit Augenmaß«, Bankenrettung, Fehleinschätzungen der Krise etc. pp.
      »Der Genosse wirkt oft besserwisserisch, leicht arrogant, oberlehrerhaft.« Das ist das »viele«, das man Steinbrück vorwerfen kann, laut SPIEGEL-Autor Nelles.
      Man könnte es für Naivität halten, aber es ist wahrscheinlich eiskaltes Kalkül.
      Nicht nur wird das viele, das man Steinbrück tatsächlich vorwerfen könnte (und auch sollte), komplett ausgespart.
      Der – höchstwahrscheinlich kalkulierte – Effekt beim Leser wird sein (sofern er die Hintergründe nicht kennt): »Ach so, das… das ist doch nicht viel. Im Gegenteil. Bisschen oberlehrerhaft sollte der EZB-Chef schon sein, sonst könnte er ja gar nicht effektiv die Währung hüten und die laschen Südeuropäer auf Kurs bringen … « etc.
      Wes Geistes Kind heute Spiegel-Ressortchefs sind, kann man am Lebenslauf des Autoren Nelles gut ablesen: Zwischen der Lokalredaktion beim »Hamburger Abendblatt« und der Leitung des Politikressorts bei SPON liegen nicht Welten, sondern gleich dreimal die WELT.
      »Jahrgang 1971, Diplom-Politologe, begann seine Laufbahn in der Journalistenschule des Axel-Springer-Verlags. Weitere Stationen:
      Redakteur im Ressort Lokales beim “Hamburger Abendblatt” und bei der “Welt”. Neben dem Studium freier Mitarbeiter in diversen Ressorts bei der “Welt”. Korrespondent im “Welt”-Hauptstadtbüro. Stellvertretender Leiter des Politik-Ressorts bei der “Woche” in Hamburg. 2002 Wechsel als Korrespondent ins SPIEGEL-Hauptstadtbüro. Seit Oktober 2009 Ressortleiter Politik und Leiter des Berliner Büros bei SPIEGEL ONLINE.«

      Einen Tag nach diesem Spiegel-Artikel:

    2. Steinmeier bringt Steinbrück als EZB-Chef ins Spiel
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung WL: Im Aufmacher schreibt der Spiegel von einem „überraschenden Vorstoß“ Steinmeiers, dabei handelt es sich vermutlich um nicht mehr und nicht weniger als um eine mediale Inszenierung.
      Zur Ehrenrettung Steinbrücks sei jedoch hinzugefügt, dass er diese Vorlage von Spiegel und Steinmeier nicht annimmt: “Ich stehe für diesen Posten nicht zur Verfügung”, sagte er der “Süddeutschen Zeitung”. Zur Begründung erklärte der Sozialdemokrat, er halte es für falsch, wenn ein einst aktiver Finanzminister in eine Kontrollinstanz wie die EZB wechsele. Steinbrücks inhaltliche Begründung, er vertrete in inhaltlichen Fragen ähnliche Positionen wie der bisherige deutsche EZB-Kandidat, Bundesbankpräsident Axel Weber, bestätigt allerdings, dass er – wie der abtretende Bundbankchef – ein Anhänger des Monetarismus ist und im Übrigen das Grundproblem der Europäische Währungsunion nicht erfasst hat. Dazu Heiner Flassbeck: „Kurzfristig sind die Zinsdifferenzen durch eine gemeinsame, von allen EWU-Ländern getragene Euroanleihe zu beseitigen, und es muss verhindert werden, dass die angeschlagenen Defizitländer durch ein kontraproduktives Kaputtsparen der öffentlichen Haushalte in eine weitere Rezession abgleiten. Gleichzeitig muss den Finanzspekulanten das Handwerk gelegt werden.“ Und: „Will man den Euro – und mit ihm das ganze europäische Projekt – retten, gibt es mittel- und langfristig nur einen einzigen Ausweg: Die Wettbewerbsfähigkeit der Länder mit Auslandsschulden muss wiederhergestellt werden und die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte müssen beseitigt werden. Das kann innerhalb der EWU nur durch eine Umkehr der Lohnstückkostenpfade erreicht werden: Deutschland braucht stärker steigende Lohnstückkosten als die EWU-Partner, die Südeuropäer dagegen unterdurchschnittliche.“

  7. Schuldenkrise: Griechen wollen sich von EU nichts befehlen lassen
    Das hochverschuldete Griechenland legt sich mit den Kontrolleuren von EU und IWF an. Es will seine Staatsimmobilien nicht zu Geld machen.
    Griechenland hat Forderungen von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach umfangreichen Privatisierungen und dem Verkauf staatlicher Immobilien enttäuscht zurückgewiesen. Das hochverschuldete, von EU und IWF gestützte Griechenland brauche zwar Hilfe, „wir haben aber auch Würde. Und dies handeln wir mit niemandem aus. Befehle erhalten wir nur vom griechischen Volk“, hieß es in einer Erklärung des griechischen Regierungssprechers Giorgos Petalotis.
    […]
    Am Freitag hatten die Kontrolleure mitgeteilt, die Griechen müssen in den kommenden Jahren mehr staatliche Betriebe privatisieren und auch staatliche Immobilien verkaufen. Die Summen sind enorm für griechische Verhältnisse: Die Regierung soll bis Ende kommenden Jahres 15 Milliarden Euro und bis 2015 weitere 35 Milliarden Euro durch die Privatisierungstaatlicher Unternehmen einnehmen, um das Staatsdefizit zu reduzieren. Bisher hatte es lediglich geheißen, bis zu sieben Milliarden Euro sollten durch den Verkauf staatlichen Vermögens locker gemacht werden.
    Quelle: WELT
  8. Die Wirtschafts- und Finanzkrise mit Blick auf Marx und Keynes
    Anfang November 2010 stellte die Fakultät IV Fachhochschule Hannover „zwei unterschiedliche, nicht der herrschenden Meinung zuzuordnende theoretische Erklärungsansätze zur Erklärung der Wissenschafts- und Finanzkrise vor“:
    – Diplom-Ökonom Stefan Voß „Kann die Hypothese der finanziellen Instabilität von Hyman P. Minsky die aktuelle Finanzkrise erklären?“ und
    – Dr. Alfred Müller: „Kann die Konjunkturtheorie von Karl Marx die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise erklären“?
    Die Lektüre ist sicher auch dann interessant, wenn man nicht allen Thesen zustimmen mag. Hier ein Ausschnitt:

    „Oft wird die grenzenlose Gier der Bankiers als Grund für die Krise genannt. Diese Betrachtung ist jedoch zu kurz gegriffen. Die „Gier“ ist eine systemimmanente Größe im „Spiel der freien Kräfte“, sie ist endogen im System angelegt, wie die Unruh in einer mechanischen Uhr. Ein Abweichen vom Prinzip der Profitmaximierung hat auf lange Sicht ein Ausscheiden des Unternehmens aus den Marktverhältnissen zur Folge.
    Der größte Verdienst von Minsky ist, dass er die Instabilität des Gesamtsystems als endogene Größe erkannt hat und dass Reformen nötig sind, um ein stabileres System zu ermöglichen.
    Im Sinne der Machterhaltung der herrschenden Eliten dürfte dieser Weg aber nicht einfach zu beschreiten sein. Die aktuellen Finanzstrukturen sind von Informationsdefiziten gekennzeichnet. Niemand weiß genau, wie die Verschuldungsstrukturen im Einzelnen gestaltet sind. Die Ironie der Geschichte besteht u. a. darin, dass z. B. die Fed nicht bereit ist, die Zahlen zu veröffentlichen, an wen die gezahlten Hilfsgelder in der Finanzkrise in welcher Höhe geflossen sind. Eine Publikation würde die Märkte nur überflüssigerweise verunsichern, so lautet die offizielle Begründung der Fed.
    Während die Märkte in der Neoklassik als effizient beschrieben werden, da sie alle Informationen der Marktteilnehmer beinhalten, begründet die Fed die Stabilisierung der Märkte mit ihrer Nicht-Information.“

    Quelle: FH Hannover [PDF – 504 KB]

    Dazu passt:

  9. Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt
    Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen:
    Die Bundesregierung ist bei der Beantwortung von Fragen aus dem Parlament verfassungsrechtlich verpflichtet, die Grundrechte der von diesen Fragen betroffenen Grundrechtsträger zu wahren. Dies sind vor allem die von den Artikeln 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Kreditinstitute. „Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat“ (BVerfGE 115, 205/230 zum Schutz aus Artikel 12 GG). Die erfragten Angaben betreffen Aktivitäten bzw. Einschätzungen der Bankenaufsicht mit Bezug zu einzelnen Kreditinstituten und sind somit nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich.
    Ob ein Interesse ein „berechtigtes“ ist, hängt insbesondere davon ab, ob ein Bekanntwerden der betreffenden Information geeignet wäre, die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG NVwZ 2009, 1113 f.; BGHSt 41, 140/142). Dies ist hier der Fall, da Informationen über Aufsichtsmaßnahmen bzw. Einschätzungen der Bankenaufsicht in Bezug auf einzelne Institute grundsätzlich immer geeignet sind, die Wettbewerbsposition des jeweiligen Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
    Quelle: Deutscher Bundestag [PDF – 250 KB]

    Anmerkung WL: Im Ergebnis bleiben also die aufsichtlichen Maßnahmen und die Aktivitäten der Finanzaufsicht geheim und gelangen nicht an die Öffentlichkeit. Dabei geht es dabei vielfach um das Geld der Steuerzahler.

  10. Bahn: Alle gegen Börsengang?
    Am Freitag, dem 21. Januar 2011, gab es im Bundestag eine interessante Bahndebatte. Den Hintergrund bildete das neuerliche Winterchaos bei der Bahn. Es handelte sich um die Wiederholung der Vorgänge vom vorausgegangenen Winter. Zusammen mit den Sauna-ICE-Zügen vom Sommer 2010, der nun bereits mehr als zweijährigen Misere der Berliner S-Bahn, einer 100prozentigen Tochter der Deutschen Bahn AG, und den skandalösen Hintergründen des Zugunglücks von Hordorf am 29.Januar 2011 erleben wir offensichtlich ein neues Stadium im Niedergang des Schienenverkehrs. Interessant ist, dass alle Parteien sich scheinbar einig sind: Die Ursache für die Misere ist der Börsengang und verantwortlich für diesen Kurs der ehemalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn.
    Wenn Vertreter von CDU/CSU und FDP in dieser Weise argumentieren, so ist das offenkundig heuchlerisch. Die CDU/CSU stellt seit 2005 die Bundeskanzlerin; die FDP ist seit Herbst 2009 Teil der Bundesregierung. Beide Parteien sind für die aktuelle, desaströse Politik der Bahn verantwortlich. Doch auch die SPD kritisiert in ihrem neuen Antrag vollmundig den Bahn-Börsengang. Und im Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen, datiert auf den 18. Januar 2011, heißt es, das Desaster sei »das Ergebnis einer verfehlten Bahnpolitik, die den Konzern an die Börse bringen wollte, was Bündnis 90/Die Grünen immer massiv bekämpft haben«. Solche Behauptungen sind nicht nur hinsichtlich der jüngeren Entwicklung, für die SPD und Grüne Mitverantwortung tragen, unwahr. Damit wird vor allem auch kurz gesprungen und die Geschichte der Bahn-Privatisierung auf wenige Jahre, gewissermaßen die Ära Mehdorn (2000–2009) oder gar auf die letzten Jahre dieser Zeit reduziert. Tatsächlich verfolgten SPD und Grüne seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten eine Politik der Bahn-Privatisierung.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung WL: Siehe dazu nochmals Bahnprivatisierung – Von Wortbruch redet niemand.

  11. Großrazzia wegen NRW-Bauaffäre
    Im Zentrum der Korruptionsaffäre steht der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) in Düsseldorf. Die Ermittlungen richten sich gegen dessen ehemaligen Geschäftsführer, Ferdinand Tiggemann, der im vergangenen Jahr seinen Posten räumen musste, sowie gegen weitere an den Projekten beteiligte Verdächtige. Ihre genaue Zahl wollten die Ermittler nicht nennen.
    In Köln wurden auch die Büros der Unternehmensgruppe Bauwens durchsucht, deren geschäftsführende Gesellschafter Paul Bauwens-Adenauer und Patrick Adenauer sind. Die Bauwens-Gruppe hatte im Zusammenhang mit dem geplanten Fachhochschulcampus Grundstücke im Wert von rund 70 Millionen Euro an den BLB verkauft und dabei hohe Gewinne erzielt. Die Rede ist von rund 8,4 Millionen Euro. Paul Bauwens-Adenauer, der auch Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Köln ist, betonte am Mittwoch, dass gegen die Unternehmensgruppe nicht ermittelt wird. „Unsere Büros wurden nur zur Beweissicherung durchsucht.“
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger

    Anmerkung WL: Es versteht sich von selbst, dass der Ehrenpräsident der Kölner IHK, Alfred Neven DuMont, in seinen Zeitungen mit dem amtierenden Präsidenten äußerst pfleglich umgehen lässt. Etwas kritischer ist da schon der Tagesspiegel. Es mag schon sein, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes im Zentrum der Ermittlungen steht und dass es da Deals mit der Landesregierung gegeben hat. Man sollte aber immer auch danach schauen, wer der Gewinner der Deals war. „Bestimmte Investoren kannten offenbar rechtzeitig die internen Entscheidungen der früheren Landesregierung, sie kaufen plötzlich Grundstücke und geben sie anschließend wesentlich teurer an den landeseigenen Baubetrieb weiter“, heißt es im Tagesspiegel. Da ist es doch herrlich, dass man dann beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb einen Sündenbock gefunden hat.
    Im Übrigen: Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb wurde Ende der 90er Jahre aus der Landesregierung ausgelagert. Er sollte Liegenschaften des Landes profitorientiert vermarkten. Weil man das den Beamten nicht zutraute, holte man natürlich Führungspersonal aus der Immobilienwirtschaft. Mit der Auslagerung sollte der Betrieb der politischen und parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen werden. Die jetzt aufgeflogenen Skandale sind ein weiteres Beispiel dafür, welche Machenschaften durch einen solchen Kontrollverlust möglich, ja geradezu angelegt sind.

    Dazu passt:

  12. USA: Jugendrichter kassiert bei Privatknast für Insassen
    Mehr als 2,8 Millionen Dollar Bestechungs- und Erpressungsgelder soll ein Jugendrichter im US-Bundesstaat Pennsylvania kassiert haben. Das Geld kam von dem Bauherrn und von dem Betreiber eines Privatgefängnisses, in das der Richter seit dem Jahr 2002 tausende von Jugendlichen eingewiesen hatte: Er verurteilte sie zu drakonischen Gefängnisstrafen. Auch für so minimale Vergehen wie den Diebstahl von Muskatnuss. Die auf Abschreckung setzende US-Politik der “Zero Tolerance” (Null Toleranz) macht es möglich.
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: New York Times

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Null-Toleranz-Politik ist nur ein Aspekt. Gravierender, weil strukturell, ist die Privatisierung der Knäste in den USA. Es liegt in der Natur der Profitorientierung der Betreiber, dass das justizielle Vorfeld durch besondere Anreize stimuliert wird, um die Rendite zu steigern – eine deutliche Warnung vor Privatisierungstendenzen in Deutschland bzw. in Europa. Ganz abgesehen von solchen eindeutigen Fällen von Bestechung arbeiten die privaten Knäste auch deshalb “effizient”, weil sie die kapitalistische Tugend der Kostenersparnis fast ohne Widerstand realisieren können: Geringere Ausgaben als in staatlichen Gefängnissen durch ein deutlich niedrigeres Niveau der Gefangenenversorgung, bei der Verpflegung, der ärztlichen Betreuung, außerdem niedrige oder gar keine Löhnen für harte Arbeit. Hier leben die billigsten Arbeitskräfte Amerikas ohne jeglichen sozialen Schutz. Im dreizehnten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung heißt es: “Es soll weder Sklavenarbeit noch Zwangsarbeit in der Vereinigten Staaten und allen ihrer Gerichtsbarkeit unterstehenden Gebieten geben, es sei denn als Strafe für kriminelle Vergehen, für die jemand rechtskräftig verurteilt wurde”.

  13. Konstantin Wecker: Demokratiedämmerung
    Im günstigsten Fall übertreibe ich maßlos, und gewisse antidemokratische Tendenzen in Europa gehen vorbei wie die McCarthy-Ära in den USA. Im schlimmsten Fall befindet sich die europäische Diktatur derzeit in ihrer Erprobungsphase. Die „Post-Demokratie“ dämmert herauf, die Herrschaft von Machtcliquen, die allein durch ihre Vasallenfunktion gegenüber der Geld-Elite legitimiert sind. Nochmals: Die Tatsache, dass wir in unserem Alltagsleben kaum einer Veränderung spüren, bedeutet nicht, dass „nichts Schlimmes“ im Anflug wäre. Wir haben weiter das Recht, unbeachtet und folgenlos zu nörgeln, so lange wir das, was uns zugemutet wird, als Faktum hinnehmen. Gäbe es wegen der zunehmenden finanziellen Ausplünderung der Gering- und Normalverdiener einen Aufstand, wäre das Volk nur sehr schlecht darauf vorbereitet, der Staatsapparat dagegen sehr gut.
    Quelle: Hinter den Schlagzeilen
  14. Ran an den Stoff! – Wie die EU-Handels- und Rohstoffpolitik Entwicklung untergräbt
    Der große Wettlauf um die weltweiten Rohstoffe ist eröffnet. Plötzlich scheinen sie nicht mehr billig und unendlich, sondern knapp, teuer und umkämpft. Und wer die Spielregeln bestimmt, ist klar im Vorteil.
    Die EU hat zusammen mit der Wirtschaft die Rohstoffstrategie entwickelt und drängt außenwirtschaftspolitisch auf immer mehr Freihandel mit Rohstoffen. Die neuen Vorschläge beschneiden die politischen Handlungsspielräume der Entwicklungsländer, wodurch sich die Abhängigkeit von Exporten unverarbeiteter Rohstoffe noch stärker verfestigt. Während die EU den Unternehmen mehr Rechte zusichert, werden Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch europäische Unternehmen nicht wirksam angegangen.
    Alles in allem lenkt die Rohstoffstrategie von den eigentlich wichtigen Zielen ab: Den übermäßigen Ressourcenverbrauch in Europa massiv zu reduzieren und ein gerechtes globales Systems zur nachhaltigen Nutzung der weltweiten Ressourcen aufzubauen. Ressourcengerechtigkeit bedeutet auch, allen Menschen weltweit das gleiche Recht zur Nutzung der natürlichen Ressourcen einzuräumen. Der durchschnittliche Ressourcenverbrauch pro Kopf ist in Europa dreimal so hoch wie in Asien und über viermal höher als in Afrika. Statt mit der neuen Strategie den Druck im Wettlauf um die weltweiten Rohstoffe weiter zu erhöhen, benötigen wir einen Transformationsprozess des Wirtschafts- und Energiesystems in der EU, um den Ressourcenbedarf drastisch zu senken.
    Quelle: Weed Online
  15. Unsoziales
    1. ARD-Reportage: Die modernen Tagelöhner
      Die Reportage nimmt Anteil am täglichen Kampf um finanzielle Absicherung und das Ringen um Gleichgewicht innerhalb der Familie. Dabei werden nicht nur die Schwierigkeiten beleuchtet, sondern auch die kleinen Glücksmomente im Alltag.
      Quelle: ARD Exklusiv
    2. Experte sieht Hartz IV erneut vor dem Bundesverfassungsgericht
      Falsche Statistiken und auf Fallzahlen gestützte Daten führten dazu, dass die Ergebnisse zur Hartz-IV-Regelung völlig absurd seien, sagt Sozialrichter Jürgen Borchert. Das Gesetz werde “mit Sicherheit wieder nach Karlsruhe wandern”.
      Quelle: Deutschlandradio
    3. Dreckig und Giftig
      Das Sammeln und Sortieren von Wertstoffen bietet hunderttausenden armen Menschen auf der ganzen Welt ein geringes Einkommen, unter ihnen sind auch viele Kinder.
      Quelle: TAZ
  16. Deutsche und internationale Leistungsträger
    1. Thilo Sarrazin: “Als Bundesbanker war die Arbeit dienstags getan”
      Wie kommt eigentlich ein Bundesbanker dazu, ein Buch zu schreiben? Thilo Sarrazin erklärt seinen Bestseller damit, dass er schlicht zu viel Zeit hatte.
      Quelle: Welt

      Anmerkung MB: Merken Sie sich dass, wenn Ihnen das nächste Mal erzählt wird, dass sich Leistung wieder lohnen muss. Beachten Sie bitte auch in der Mitte des Artikels das Werbefenster für das bestimmte Buch und machen Sie sich Gedanken über den Unterschied zwischen redaktionellem Beitrag und Werbung.

    2. Seltsame Branche: Lucy Kellaway – Banker als Narren
      Investmentbanker halten sich für die Herren des Universums. Umso schockierender, wie leicht sie sich täuschen lassen.
      Quelle: FTD
  17. Hamburg: Amtsleiter rebellieren gegen Senat
    Erstmals in der jüngeren Geschichte der stadtstaatlichen »Einheitsgemeinde« stellen sich alle sieben Hamburger Bezirke gemeinsam gegen den Senat der Freien und Hansestadt. Der amtierenden wie noch zu wählenden Landesregierung kündigen sie in einer zwölfseitigen Erklärung ihren Widerstand im Falle neuer Kürzungen an und fordern mehr Entscheidungsbefugnisse und Mittel für die Bezirke. Jahrelanges »Sparen« – vor allem beim Personal – habe sie ans »Limit« gebracht.
    Bei einer Pressekonferenz beklagten die Amtsleiter am Mittwoch, daß in den Fachbehörden der Stadt – anders als in den bislang gehorsamen Bezirken – weder strukturell noch finanziell etwas optimiert wurde. Zudem würden in den Senatsbehörden Entscheidungen getroffen, die dann in den Bezirken ausgeführt werden sollen, obwohl es diesen oft an entsprechendem Personal und den Mitteln fehle. Aufgaben könnten so nicht mehr oder nur äußerst verzögert erledigt werden.
    Quelle: Junge Welt
  18. Die Grünen: Politisches Wunder? Neue Volkspartei? – Politik als Marketing
    Dem Marktideal entspricht auch die grüne Methode bei der Partnerwahl: Eine Geschäftsverbindung auf Zeit ist für die Grünen zum Zweck des Regierens nach allen Seiten hin möglich. Auch auf Bundesebene ist Schwarz-Grün keineswegs auf Dauer ausgeschlossen, da mag die Union momentan noch so sehr über die ewigen «Protesthansl» lästern.
    Fazit: Ein Wunder ist der Erfolg der Grünen nicht. Diese Partei hat es über die Jahre hin verstanden, sich marktfähig zu machen. Allerdings: Der Markt ist begrenzt, und die Grünen sind keine «Volkspartei». Sie haben auch keine Aussichten, eine solche zu werden. Sie sind eine bürgerliche Partei, sozialstrukturell wie auch in ihrem gesellschaftspolitischen Horizont.
    Quelle: Sozialistische Zeitung
  19. Ägypten
    1. “Der Westen hat Angst”
      Zu lange hat der Westen die radikalen Kräfte im arabischen Raum ignoriert. Die vermeintliche Stabilität war teuer erkauft worden. Der Wissenschaftler Hauke Hartmann fordert, endlich einen Dialog auch mit den Muslimbrüdern zu beginnen.
      Quelle: FR
    2. What You Need to Know About the Muslim Brotherhood
      As the revolutionary upsurge in Egypt builds toward its conclusion, some of the key questions involve the role of the Muslim Brotherhood—the Islamic movement that has been characterized as anything from a benign prodemocracy force to a terrorist-inclined radical group with designs on establishing a global Caliphate.
      What, exactly, is the Brotherhood? How strong is it inside Egypt? If the regime falls, will the Brotherhood take over, or is Egypt too modern, too secular, and too diverse to tolerate an Islamist-dominated government? And finally, if the Brothers did seize power, either in the streets or through elections, what kind of rulers might they be? To answer these questions, we need some grounding in history.
      Quelle: AlterNet
    3. Weltsozialforum sendet starkes Signal für Aufbruch Afrikas
      Das globalisierungskritische Netzwerk Attac bewertet das Weltsozialforum (WSF) in Dakar (Senegal), das am gestrigen Freitag zu Ende gegangen ist, als großen Erfolg für die Vernetzung und Mobilisierung der Zivilgesellschaften weltweit, allen voran der afrikanischen. “Das Forum war geprägt von den Revolten in Nordafrika”, berichtete Alexis Passadakis, der für Attac Deutschland nach Dakar gereist war. “Der Funke ist übergesprungen. Von Dakar geht ein starkes Signal für den demokratischen und sozialen Aufbruch des afrikanischen Kontinents aus.”
      Neben den Bewegungen in Nordafrika standen vor allem die konkreten Probleme und Lebensumstände der Afrikanerinnen und Afrikaner im Mittelpunkt des WSF: der Kampf um die natürlichen Ressourcen, der Raubbau an der Natur, die Zunahme von Hunger und Armut. “Mehr noch als auf früheren Weltsozialforen wurde dabei immer wieder die Frage nach Alternativen gestellt. Die Kapitalismuskritik war schärfer und prononcierter”, berichtete Hugo Braun, ebenfalls für Attac Deutschland in Dakar.
      Quelle: attac
  20. USA: Ein Land, zwei Ökonomien
    Die »Rolle der USA als Führungsmacht und als strahlendes Licht der Welt« werde von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung entschieden. Deshalb seien nun besondere Anstrengungen nötig. Mit derlei Phrasen hatte US-Präsident Barack Obama am 25. Januar an den Patriotismus seiner Landsleute appelliert. In seiner Rede zur Lage der Nation gewährte er auch ungewollt einen tiefen Einblick in sein eigenes, von großer Nähe zur Wall Street geprägtes Verständnis von wirtschaftlichem Aufschwung und Wohlergehen. »Zwei Jahre nach der schlimmsten Rezession, die die meisten von uns jemals erfahren haben, sind die Börsenkurse wieder mächtig gestiegen, ebenso die Gewinne der Konzerne. Die Wirtschaft wächst wieder«, so Obama. Offensichtlich sind wirtschaftlicher Wohlstand und Fortschritt für den Präsidenten synonym mit kräftigen Gewinnsteigerungen für Unternehmer und Börsenspekulanten.
    Was ist aber mit den fast zehn Millionen Menschen, die durch die Krise ihren Job verloren und von denen die meisten immer noch keine neue Arbeit gefunden haben? Deren Sicht der Dinge ist Obama und den Politiker-Multimillionären, die zum Großteil die Administration und den Kongreß bevölkern, fremd. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Ökonom Robert Reich, der unter Präsident William Clinton Arbeitsminister war. In einer vernichtenden Analyse bezeichnete er jüngst die Entwicklung in den USA als die hin zu einem gespaltenen Land, das faktisch zwei Ökonomien hervorgebracht habe.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Diese Verhältnisse lassen sich als Trend locker auf Europa, auf Deutschland übertragen. Da wirkt es befremdlich, wenn uns angesichts der Demokratiebewegungen in Tunesien und Ägypten die Medien die westlichen Demokratien dauernd als Leitbilder präsentieren. Mag es für diese Länder ein Gewinn sein, zu freien und geheimen Wahlen zu kommen, so muss auch bei uns immer wieder um das, was das Wesen der Demokratie ausmacht, gerungen werden. Joseph E. Stiglitz hat unlängst darauf hingewiesen, dass die Demokratie in USA von zunehmender Ungleichheit bei Einkommen und noch mehr bei Vermögen begleitet ist, dass alle Gewinne aus dem wirtschaftlichen Wachstum an die Spitze der Einkommens- und Vermögensverteilung gehen. Er spricht von der Verquickung von Wirtschaft und Politik als amerikanischer Form der Korruption. – Bei all diesen „demokratisch“ abgesicherten Phänomen können wir gut mitreden.
    Besonders zum Nachdenken regt sein Hinweis auf Rechtstaatlichkeit an: “Alle verweisen auf die Rechtsstaatlichkeit, aber es macht eine ganze Menge aus, was für eine Art von Rechtsstaatlichkeit das ist. Denn Gesetze kann man nutzen, um Chancengleichheit und Toleranz zu gewährleisten oder um Ungleichheiten und die Macht der Eliten zu erhalten.” Das gilt nicht nur für Tunesien oder Ägypten, sondern auch für den ach so demokratischen Westen.

  21. The UK’s Progressive Tea Party
    Imagine a parallel universe where the Great Crash of 2008 inspired ordinary people to take on corporate tax evaders. The name of this parallel universe is Britain.
    Quelle: YES!

    Anmerkung KR: Darin berichtet Johann Hari, Kolumnist des Independent in London, über die UK Uncut-Bewegung, über die in deutschen Medien kaum etwas zu lesen ist. Eine der wenigen Ausnahmen ist Telepolis.

  22. Die “geraubten Kinder” in Spanien fordern Aufklärung
    Geschätzte 300.000 Kinder wurden Regimegegnern in der Franco-Diktatur geraubt. Zunächst war der Kinderraub politischer Natur. Die Putschisten raubten Republikanerinnen, Linken, katalanischen und baskischen Nationalistinnen in den Knästen ihre Kinder. “Wegen ihrer schädlichen Ideen” seien sie für die Erziehung ungeeignet, schreibt die franquistischen “Kinderschutzbehörde”. Aus dem Bericht geht hervor, dass fünf Jahre nach deren Sieg im Bürgerkrieg, also 1944, mehr als 12.000 Kinder von Franco-Gegnern “umerzogen” wurden. Eins von ihnen war Vicente Muñiz, gegen dessen Eltern schwere Anschuldigungen konstruiert wurden. Sie wurden schließlich ermordet und liegen noch heute in einem der Massengräber. Die Zahl der geraubten Kinder stieg sogar weiter an. 1954 sollen es nach Dokumenten der faschistischen Behörde schon 54.000 gewesen sein. Meist wurde im klerikalfaschistischen Spanien die Umerziehung Klosterschulen oder Priesterseminaren übertragen.
    Quelle: Telepolis
  23. Medienkritik
    1. Brotlose Statistiken
      Quelle: Fernsehkritik-TV

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Das verlinkte Video zeigt zwischen den Minuten 0:45 und 6:20 aufschlussreiche Stellungnahmen bzw. Nichtstellungnahmen von ARD, ZDF, Sat1 und RTL zu der Frage, warum, diese Sender nicht die ungeschönten Arbeitsmarktdaten berichten. Insbesondere die Antwort von RTL zeigt ein äußerst merkwürdiges Verständnis dessen, was die Aufgabe des Journalismus ist. Wobei die in dem Video vorgebrachte Anmerkung, dass die “ungeschönten” Daten vom Statistischen Bundesamt (und nicht von der Bundesagentur für Arbeit) stammen, nicht zutreffend ist. Auch diese Daten werden von der Bundesagentur für Arbeit geliefert.
      Nichts desto trotz ist insbesondere die Stellungnahme von RTL äußerst aufschlussreich. Diese Art von journalistischem Selbstverständnis bzgl. der monatlichen Berichterstattung zu den Arbeitsmarktdaten ist eigentlich kennzeichnend für den Verlautbarungsjournalismus in undemokratischen Systemen, in denen es keine Pressefreiheit und damit keine Wächterrolle der sog. „Vierten Gewalt“ gibt.

    2. Union attackiert im ZDF-Fernsehrat “Frontal 21”
      Nach SPIEGEL-Informationen waren “Frontal 21”-Redakteure in den vergangenen Monaten mehrmals vor den Chefredaktionsausschuss zitiert und von Christdemokraten scharf attackiert worden. In dem Gremium sitzen mehrheitlich Politiker der Union, unter ihnen die Generalsekretäre Alexander Dobrindt und Hermann Gröhe, sowie Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung. An einem kritischen Bericht über die Atompolitik der Bundesregierung etwa bemängelten die Politiker die angeblich tendenziöse Bildsprache, berichten Teilnehmer der Sitzung.
      Mehrmals beschwerten sich die Unionsleute, das Magazin sei zu einseitig. Chefredakteur Peter Frey habe die Kritik stets zurückgewiesen. Unter ZDF-Journalisten heißt es, dass sich die Union nach der Abwahl von Chefredakteur Nikolaus Brender offenbar auf das Politikmagazin “einschießt”.
      Quelle: SPIEGEL
  24. Schavan will Bundes-Universitäten einrichten
    Die Bildungsministerin (CDU) hält es für möglich, dass leistungsstarke deutsche Hochschulen mittelfristig in die Zuständigkeit des Bundes wechseln.
    “Jedem ist klar, dass die Exzellenzinitiative nach der dritten Runde beendet ist. Trotzdem wird danach sofort die Debatte einsetzen, wer das dauerhaft finanziert, um exzellente Strukturen zu erhalten. Spätestens dann wird sich die Frage nach Standorten von Bundesuniversitäten stellen”, sagte Schavan der “Berliner Morgenpost”.
    Quelle: Die Welt

    Anmerkung WL: Abgesehen davon, dass es Unsinn bleibt, ganze Universitäten zu Elite-Universitäten zu erklären, statt zu erkennen, dass „exzellent“ immer nur einzelne Fächer oder Forschungseinheiten an sehr unterschiedlichen Hochschulen sind, ist es ein Irrweg, nun einzelne Hochschulen in die Zuständigkeit des Bundes zu übernehmen. Das bedürfte einer Verfassungsänderung. Dabei wäre es viel naheliegender den Irrweg der Föderalismusreform mit dem „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern aufzugeben. Statt der unheilvollen Ideologie des Wettbewerbsföderalismus sollte man lieber zum kooperativen Föderalismus zurückkehren. D.h. Bund und Länder sollten beim Hochschulwesen zusammenarbeiten, davon hätten dann vielleicht wieder alle Hochschulen einen Vorteil. Der Vorschlag einer Bundeszuständigkeit für einzelne Hochschulen ist letztlich das hilflose Eingeständnis des Scheiterns der Föderalismusreform durch die Bundesbildungsministerin. Dieses Scheitern haben wir schon vor fünf Jahren vorhergesagt. Und die „elitäre“ Zeit strebt nach dem deutschen „Oxford“. Zur „Elite-Universität“ siehe auch Torsten Bultman: »Hochschule und Demokratie – eine kritische Bestandsaufnahme«.

  25. Menschenkette gegen Atompolitik: Reihen Sie sich ein!
    Mit zigtausenden Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet werden wir am 12. März eine große Menschenkette gegen die Atompolitik der Regierung bilden – vom Risikoreaktor Neckarwestheim nach Stuttgart. Zum richtigen Zeitpunkt: Zwei Wochen später wird im „Ländle“ gewählt. Eine neue Landesregierung muss den Atomausstieg selbst in die Hand nehmen – und die baden-württembergischen Meiler in Neckarwestheim und Philippsburg abschalten. Unterstützen Sie die Aktion!
    Quelle: Anti-Atom-Kette

    Dazu passt:

    Atommüll, Agenten und die Mafia – Ein Polit-Krimi aus Kalabrien
    Seit der Erstausstrahlung dieser Sendung im März 2010 haben weitere Mafia-Aussteiger bestätigt, dass radioaktiver und giftiger Müll im Mittelmeer versenkt wurde. Ermittlungen brachten ein Netzwerk von Giftmüllhändlern ans Licht, die im Auftrag mehrerer europäischer, auch deutscher Firmen arbeiten. Doch das italienische Umweltministerium will von den Enthüllungen nichts wissen. Für sie bleibt der Fall abgeschlossen.
    Quelle 1: SWR Wissen Manuskript [PDF – 122 KB]
    Quelle 2: Audio

  26. Rezensionen: Nachdenken über Deutschland: Das kritische Jahrbuch 2010/2011
    Kundenrezensionen bei Amazon
    Quelle: Amazon


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=8295