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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. April 2008 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Lohnrückforderungen nach Insolvenz
    Immer mehr Insolvenzverwalter verklagen ehemalige Mitarbeiter auf Rückzahlung des gezahlten Lohnes. Inzwischen ist klar: es handelt sich um ein flächendeckendes Problem.
    Quelle: MDR

    Siehe dazu auch:

    Lohnrückforderungen – Die blanke Wut
    Bevor die Insolvenzordnung von unseren heiß geliebten „Volksparteien“ geändert worden war, waren Löhne grundsätzlich unantastbar und ausstehende Löhne sogar bevorzugt gegenüber Gläubigerforderungen. Aber genau das hat man aus der neuen Fassung gestrichen. Wer hat diese Änderung der Insolvenzordnung durchgeboxt? Schröder mit seiner SPD – und noch unterstützt von den Grünen, die natürlich auch nichts von dieser Geschichte wissen wollen.
    Quelle: Berliner Umschau

  2. Einzelhandelsumsatz im Februar 2008 real um 0,3% gesunken
    Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes setzte der Einzelhandel in Deutschland im Februar 2008 nominal 2,4% mehr und real 0,3% weniger um als im Februar 2007. Der Februar 2008 hatte mit 25 Verkaufstagen einen Verkaufstag mehr als der Februar 2007. Dieses Ergebnis wurde aus Daten von sieben Bundesländern berechnet, in denen circa 76% des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel getätigt werden.
    Im Vergleich zum Januar 2008 sank der Umsatz im Einzelhandel unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,7% und real um 1,6%.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung: Nach den Prognosen unserer Konjunkturforschungsinstitute soll doch die Konjunktur in diesem Jahr durch den Binnenkonsum stabilisiert werden.

  3. „Die Bahn-Privatisierung ist keine Antwort“
    DGB-Vorstandsmitglied Matecki über die Haltung der Gewerkschaften und der SPD: „Alle Alternativen der Geldbeschaffung sind billiger, als die Renditeerwartungen von Privatinvestoren zu befriedigen. Für uns DGB-Gewerkschaften steht fest, dass das Mobilitätsangebot der Bahn ein unverzichtbarer Bestandteil ist, um die staatliche Verpflichtung zur öffentlichen Daseinsvorsorge zu erfüllen. Die Bahn-Privatisierung ist doch keine Antwort auf all die Fragen, die sich damit stellen. Im Gegenteil: Keines der bisherigen Privatisierungsmodelle verspricht mehr Verkehr auf der Schiene. Statt Privatisierung brauchen wir neue Rahmenbedingungen.“
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung: An dem Interview lässt sich auch ablesen, welche Schwierigkeiten der DGB mit seiner Einzelgewerkschaft transnet hat.

  4. DGB sieht den Beginn einer Gerechtigkeitswende
    Die kräftigen Tariferhöhungen in der Stahlindustrie und zuletzt im öffentlichen Dienst sind für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) nur der Beginn einer grundlegenden Wende in der Einkommenspolitik. Das geht aus einem noch nicht veröffentlichten Bericht der Gewerkschaft hervor, der dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
    Allerdings sehen die Gewerkschaften noch eine weite Wegstrecke vor sich. Dies zeige etwa ein weiterer Rückgang der Lohnquote: Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen ist danach 2007 erneut um einen Prozentpunkt auf 64,6 Prozent gesunken, während der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen umgekehrt stieg. Zugleich sei trotz Aufschwung auch die sogenannte Lohndrift weiter negativ. Sie vergleicht den Anstieg der Tariflöhne mit dem der tatsächlich gezahlten Bruttolöhne. Er blieb auch 2007 hinter dem Durchschnitt der Tariferhöhungen zurück.
    Quelle: Handelsblatt
  5. Tarifabschlüsse zwischen 2,5 und 5,2 Prozent
    Die ersten Abschlüsse der Tarifrunde 2008 liegen vor. Die Spannweite der vereinbarten Tarifsteigerungen reicht von 2,5 bis 5,2 Prozent. Im WSI-Tarifarchiv werden die Abschlüsse sortiert nach der Höhe dargestellt.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung [PDF – 100 KB]
  6. Hört die Signale
    Der Staat hat Angst vor einem Streik gezeigt, die Sympathien der Bevölkerung für Arbeitskämpfe und die Streikbereitschaft sind gewachsen. Damit ist nicht nur der Staat konfrontiert. Streik ist zur Zeit keine leere Drohung. Der Arbeitskampf der Lokführer hat allen gezeigt, dass man mit Entschiedenheit etwas erreichen kann.
    Quelle: Freitag
  7. Datenschützer kritisiert unangemeldete Hausbesuche
    Hartz-IV-Empfänger müssten oft zu viele persönliche Daten offenbaren
    Quelle: Tagesspiegel
  8. Privatknast ist teurer
    Ein Haftplatz in teilprivatisiertem hessischem Gefängnis kostet mehr als der in einer staatlich geführten Einrichtung.
    “Durch die Partnerschaft mit Serco erzielt die hessische Landesregierung für die JVA Hünfeld eine deutliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen Haftanstalten.” Das jedenfalls behauptete das international tätige Sicherheitsunternehmen Serco. Das hessische Justizministerium hat herausgefunden, dass ein Haftplatz in der von Serco betriebenen JVA Hünfeld im vergangenen Jahr 83,18 Euro täglich kostete, in der ähnlich strukturierten, rein staatlich betriebenen JVA Darmstadt aber nur 79,28 Euro. Auf das Jahr gerechnet würden deshalb in der JVA Hünfeld mit ihren etwa 500 Gefangenen Mehrkosten von rund 700.000 Euro anfallen, heißt es.
    Quelle: taz

    Dazu auch:

    Die wollen die Menschen für dumm verkaufen
    Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hält die erste Teilprivatisierung eines Knasts für eine Mogelpackung. Ein Gespräch mit Anton Bachl, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), der mit 25 000 Mitgliedern größten Beschäftigtenorganisation im Justizvollzug:
    „2009 soll auch in Offenburg in Baden-Württemberg eine teilprivatisierte Anstalt nach dem Vorbild Hünfeld entstehen, ähnliche Projekte sind in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen geplant. Glauben Sie, der Fall Hünfeld läßt die Verantwortlichen umdenken?
    In Nordrhein-Westfalen wurde ein derartiges Projekt nach genauer Prüfung wieder begraben. In anderen Ländern geht man die Pläne vorsichtiger an. Vielleicht braucht es ja noch ein, zwei Reinfälle nach Hünfelder Muster, bis die Politik zur Vernunft kommt. Ich bin überzeugt: Der Tag der Umkehr kommt bestimmt.“
    Quelle: Junge Welt

  9. Fernsehtip und LobbyControl-Aktion – Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik an Lobbyisten in Ministerien
    Es kommt Schwung in die Auseinandersetzung über die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien: Das ARD-Magazin Monitor berichtet morgen (Do. den 3.4. um 21.45) über einen vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofes zum Einsatz der so genannten “externen Mitarbeiter” in den Bundesministerien. Der Bericht übt scharfe Kritik und belegt, dass wir in den letzten Monaten nicht etwa den Teufel an die Wand gemalt haben, sondern unsere Mahnungen mehr als berechtigt waren: Die Lobbyisten waren zahlreicher als bisher bekannt und konnten bis an die Herzstücke der Ministerialbürokratie vordringen. Rund 300 von der Privatwirtschaft weiterbezahlte Vertreter von Unternehmen und Verbänden haben allein in den Jahren 2004 bis 2006 in Bundesministerien gearbeitet. Bislang hatte die Bundesregierung auf Nachfragen lediglich den Einsatz von ca. 100 externen Mitarbeitern zugegeben. Die “Leihbeamten” haben in großem Umfang Leitungs- und Repräsentationsaufgaben übernommen: weit über die Hälfte hat Leitungsvorlagen erstellt, 60 % die Bundesregierung nach außen vertreten, 20 % haben direkt an Vorlagen für Gesetze oder Bestimmungen mitgeschrieben, ein gutes Viertel war an Vergabeverfahren beteiligt.
    Quelle 1: Lobbycontrol
    Quelle 2: ARD-Monitor
    Quelle 3: FR
  10. Brüssel will Lobbyisten registrieren
    Der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments beschließt: Künftig sollen die rund 15.000 Lobbyisten, die Brüsseler Beamten bearbeiten, in einem Register geführt werden. Grüne fordern dafür strengere Kriterien und verbindlichen Zeitplan.
    Quelle: TAZ
  11. CCC publiziert die Fingerabdrücke von Wolfgang Schäuble
    Mit einer spektakulären Aktion protestiert der Chaos Computer Club (CCC) gegen die fortschreitende Verwertung biometrischer Daten. In der aktuellen Ausgabe der Clubzeitschrift Die Datenschleuder veröffentlichen die Hacker den Fingerabdruck von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble.
    Die Hacker wollen sich damit gegen die zunehmende Erfassung biometrischer Daten zur Wehr setzen. Besonders die Speicherung der Fingerabdrücke im E-Pass stößt dem CCC übel auf. “Wir wollen mit der Veröffentlichung ein warnendes Zeichen setzen”, erklärt CCC-Sprecher Dirk Engling gegenüber heise online. Fingerabdrücke seien nicht so sicher, wie die Politik behauptet, erklärt Engling: “Sie gehören in keine sicherheitskritische Anwendung – und erst recht nicht in den E-Pass.”
    Die Hacker haben es nicht beim Abdruck von Schäubles Fingerabdruck belassen – dem Heft liegt auch eine fertige Fingerabdruck-Attrappe bei. Die dünne Folie kann auf die Fingerkuppe geklebt werden, um zum Beispiel Fingerabdruckscanner zu täuschen. “Wir empfehlen, die Abdrücke bei erkennungsdienstlichen Behandlungen, bei der Einreise in die USA, bei der Zwischenlandung in Heathrow[4], aber auch im örtlichen Supermarkt und – prophylaktisch – beim Berühren möglichst vieler Glasflächen zu benutzen” sagt Engling.
    Der CCC versichert, dass der veröffentlichte Fingerabdruck echt sei. Ein Sympathisant des Clubs habe den Hackern ein Glas übergeben, aus dem der Innenminister während einer Podiumsdiskussion getrunken habe. Die Hacker sicherten den Fingerabdruck und produzierten in nächtelanger Kleinarbeit die Attrappen für das Heft. Insgesamt 4000 Exemplare des Heftes wurden gedruckt – mehr als 2000 davon sind derzeit auf dem Weg zu den Mitgliedern des CCC.
    Schäuble ist nicht der einzige Politiker, auf dessen Fingerabdruck es die Hacker abgesehen haben. In einem “biometrischen Sammelalbum” publizierten sie eine Wunschliste von Politikern, deren Abdrücke sie noch veröffentlichen wollen. Neben Schäuble stehen unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein auf der Liste. Offensichtlicht meint es der CCC ernst: Neben dem biometrischen Sammelalbum haben die Hacker eine Anleitung publiziert, wie man die Fingerabdrücke idealerweise sichern und dem Club per Post zuschicken kann.
    Quelle 1: Heise Newsticker
    Quelle 2: Chaos Computer Club

    Anmerkung Martin Betzwieser: Ins Sammelalbum gehört aber unbedingt Otto Schily. Besonders dem Chefbiometriker Schily haben wir die Entwicklung zu verdanken und jetzt verdient er sein Geld als Aufsichtsrat in der Branche.

    Quelle 3: Lobbycontrol

  12. Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer: Geheimnisvoller Besuch bei Beckstein
    Der ehemalige Siemens-Chef Pierer hat im Schmiergeldskandal frühzeitig beim damaligen Innenminister Beckstein vorgesprochen. In der Folgezeit nahm das Verfahren gegen Siemens offenbar eine entscheidende Wende.
    Quelle: SZ
  13. Von wegen erledigt
    Die Deutsche Bank ist von der Bankenkrise in den USA stärker betroffen als bisher angenommen und muss weitere 2,5 Milliarden Euro abschreiben. Bedrohlich ist die Lage auch bei der WestLB.
    Quelle: taz
  14. Tausende Volksbankkunden verlieren Altersvorsorge
    Viele Kunden bei Volks- und Raiffeisenbanken investierten in “hauseigene” Immobilienanlagen der DG-Bank-Gruppe. Anstelle der vermeintlich sicheren Anlageform zur privaten Altersvorsorge bekamen sie ein riskantes Produkt.
    In den betreffenden Fonds- Prospekten der DG-Bank wurde mit Sicherheit geworben. Da heißt es: “Die obersten Prinzipien bei Konzeption und Realisation der Geschlossenen Immobilienfonds der DG-Anlage sind Sicherheit und Rentabilität für die Anleger.” Den Anlegern wurden zudem – neben Ausschüttungen – hohe steuerliche Vorteile versprochen.
    Wie wenig sicher und wertbeständig diese Kapitalanlage ist, belegt allein die Tatsache, dass mindestens neun von rund 50 Fonds insolvenzgefährdet, also so gut wie pleite, sind und das hier angelegte Geld der Anleger offenbar weg ist. Die Gründe hierfür sind unter anderem fallende Mieten und Pachterträge und hohe Leerstände. Beim DG-Fonds Nummer 37 droht sogar eine Nachschusspflicht. Diese Anleger büßen nicht nur ihre Einlage plus Rendite ein, sondern sollen nochmals mit einer erheblichen Summe zur Kasse gebeten werden. Sie haften also mit ihrem privaten Vermögen. Die DZ-Bank hat den Anlegern dieser Fonds jetzt ein fragwürdiges Angebot gemacht: Die Bank nimmt die Anlage zurück – für 0 Euro! Dafür werden die Kunden aus der Haftung entlassen, ihr Geld ist allerdings weg.
    Insgesamt sind mehr als 20.000 Kunden betroffen. Die Schadenssumme liegt bei weit über 500 Millionen Euro.
    Quelle: hr Online
  15. “Verluste zu übernehmen, ist nicht Aufgabe des Staates”
    Ein gemeinsamer Fonds von Finanzwirtschaft und Staat zur Rettung der Banken muss her! Ein Gastbeitrag von Herbert Schui.
    Quelle: FR
  16. Kassenpatienten werden viel später behandelt
    In Facharztpraxen müssen gesetzlich Versicherte drei Mal so lange auf einen Termin warten wie Privatversicherte. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Universität Köln hervor. Die Ursache der Ungleichbehandlung ist für die Forscher offensichtlich: Mit Privatpatienten lässt sich mehr Geld verdienen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, bezeichnete die längeren Wartezeiten für Kassenpatienten dagegen als Folge der staatlich vorgegebenen Unterfinanzierung im Gesundheitswesen.
    Die Kölner Wissenschaftler baten für ihre Studie bei insgesamt 189 Facharzt-Praxen im Raum Köln, Bonn und Leverkusen telefonisch um Termine für verschiedene Untersuchungen – wie einen Allergietest, eine Magenspiegelung oder eine Magnetresonanztomographie des Knies. Dabei gaben sie sich mal als Kassen- und mal als Privatpatient aus. Das Ergebnis: Privatpatienten wurden eindeutig bevorzugt – egal um welche Untersuchung es sich handelte.
    Zwei Beispiele: Auf einen Termin für einen Allergietest mussten die Privatversicherten nur 8,4 Arbeitstage warten, Kassenpatienten durchschnittlich 26 Tage. Eine Magenspiegelung wurde bei Privatversicherten nach 11,9 Arbeitstagen vorgenommen. Gesetzlich Krankenversicherte mussten sich 36,7 Tage gedulden.
    Mit der Untersuchung sei erstmals der empirische Beweis gelungen, dass Kassenpatienten bei der Terminvergabe in Arztpraxen benachteiligt würden, sagte der kommissarische Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie, Markus Luengen. Die Ursache für die Vorzugsbehandlung der Privatversicherten ist für die Kölner Forscher eindeutig. Bei der Behandlung eines Privatpatienten verdienen die Ärzte deutlich mehr als bei der Behandlung gesetzlich Versicherter.
    Quelle: Netzeitung
  17. Koalition legt Rentenstreit bei
    Die Große Koalition hat ihren Streit über die künftige Entwicklung des Rentenbeiträge ausgeräumt. Am Rande der Kabinettsitzung einigten sich Kanzlerin Merkel, Wirtschaftsminister Glos und Arbeitsminister Scholz auf einen Kompromiss. Die Rentenbeiträge sollen doch schon früher sinken als zuletzt vom Arbeitsminister vorgesehen – fallen aber nicht so schnell wie nach derzeitiger Rechtslage: Das ist die Einigung. 2011 wird der Rentenbeitrag demnach von derzeit 19,9 Prozent des Bruttoeinkommens auf 19,5 Prozent sinken. Im Folgejahr wird er bei 19,3 Prozent liegen, 2013 schließlich bei 19,1 Prozent.
    Quelle: Spiegel-online

    Anmerkung WL: Das ist eine Einigung zu Lasten der Rentner. Als ob die Senkung der Rentenbeiträge das wichtigste Problem der gesetzlichen Rente wäre.
    Nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft liegt das derzeitige Durchschnittsbruttoeinkommen eines Arbeitnehmers bei 2.250 Euro. Eine Senkung von 19,9 auf 19,5 Prozent, also eine Senkung des Arbeitnehmeranteils um 0,2 Prozentpunkte, bringt dem Arbeitnehmer 4,50 Euro im Monat, 2013 – also bei 19,1 Prozent – wären das 18 Euro im Monat. Dafür soll aber der Arbeitnehmer allein (ohne Arbeitgeberanteil) 4 Prozent seines Bruttoeinkommens in die Riester-Rente bezahlen, um eine auskömmliche Altersversorgung zu haben, dass sind 90 Euro monatlich.
    Ein wunderschöner Kompromiss!

  18. Zweitklassig
    Warum müssen die Kassen so sparsam sein und warum können die Privatversicherungen so großzügig honorieren? Antwort: Weil das Zwei-Klassen-System im deutschen Gesundheitswesen schon bei der Finanzierung beginnt, auch wenn die Folgen erst in der Arztpraxis und im Krankenhaus besonders augenfällig werden. Die Solidarität im deutschen Gesundheitswesen endet ab einem bestimmten Einkommensniveau.
    Wer Geld hat, darf sich aus der gesetzlichen Krankenversicherung verabschieden. Bei den Privaten zahlt er weniger, beim Arzt und im Krankenhaus bekommt er dann eine Vorzugsbehandlung. Menschen mit geringerem Einkommen müssen in ihrer Kasse bleiben und die Leistungen von sehr viel mehr kranken Menschen finanzieren.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Hierauf sei besonders hingewiesen: „Die angesprochene Quersubventionierung in der Arztpraxis mag es ja geben. Aber zuvor ist dem System der gesetzlichen Krankenversicherung sehr viel mehr Geld entzogen worden – durch den Marsch der jungen, gesunden Gutverdiener zur privaten Krankenversicherung.“

  19. Norwegen: Gesetz zur Frauenquote stellt Firmen vor Probleme
    Seit dem 1. Januar gilt in Norwegen ein Gesetz, dem zufolge 40 % aller Sitze in Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt sein müssen. Dieses Gesetz stellt mehrere kleinere Firmen vor Probleme und könnte eventuell sogar zu deren Schließung führen.
    Betriebe, die die Frauenquote bisher nicht erfüllt haben, erhielten nun von dem norwegischen Handelsministerium eine Frist von einem Monat, um das Gesetz umzusetzen. Sollten die Unternehmen die Frist verstreichen lassen, droht ihnen unter Umständen gar die Zwangsauflösung.
    Quelle: ShortNews

    Dazu die taz vom 24.2.2008:

    Dass sich unter den 12 Nachzüglerinnen “harte” Verweigerung verstecken sollte, scheint auch unwahrscheinlich. Die durchweg kleinen ASAs auf dieser Liste haben nämlich teilweise bereits für Anfang März zu ihren Generalversammlungen eingeladen, bei denen als Tagesordnungspunkt ausdrücklich “Erfüllung des Quotengesetzes” auftaucht. Andere scheinen nur noch auf dem Papier zu existieren.

    Die Zeit vom 25.3.2008:

    Sie haben in den Kursen neben ihrem Job norwegisches Aktienrecht gepaukt, Bilanzen lesen gelernt und auch so genannte soft skills trainiert.

    Die taz vom 20.10.2007:

    Das Argument: ‘Wir haben keine guten Frauen’ ist ab heute gestorben

    tp vom 7.3.2008:

    Eingeführt wurde der Vorschlag einer Mindestquote 2002 ausgerechnet von einem konservativen Wirtschaftsminister, dem es aber nicht in erster Linie um Gleichberechtigung ging, sondern der der Überzeugung war, dass Frauen an der Spitze von Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher agieren.

    Und sogar die FAZ schreibt darüber positiver als unsere immer tendenzösere Tagesschau

    Männer haben Männernetzwerke, Frauen haben Frauennetzwerke.

    Deutschlandfunk vom 5.2.2008:

    Von den so genannten “Kuschelfaktoren”, wie zum Beispiel Teamfähigkeit, Intuition und Einfühlsamkeit, mit denen Frauen angeblich das Klima in den Führungsetagen verbessern, ist in Norwegen übrigens noch nie die Rede gewesen. Dort spricht man von Vielfalt und Kompetenz. Norwegische Unternehmen müssen und wollen wettbewerbsfähig bleiben. Da sind kompetente Frauen in Führungspositionen schon allein aus ökonomischen Gründen langfristig unverzichtbar: schlicht und einfach, weil es nicht mehr ausreichend männliche Führungstalente gibt und die Alten bald in Rente gehen – wie in Deutschland übrigens auch.

    Anmerkung: Ein Thema, über das man bei uns nur am Rande etwas hört.

  20. Zu hohe Schadstoffwerte verschwiegen?
    Die Behörden sprachen von “leicht erhöhten” Werten. Doch bei dem Großbrand in dem Chemiewerk Ineos im Kölner Stadtteil Worringen sind offenbar deutlich höhere Konzentrationen des krebserregenden Stoffes Acrylnitril gemessen worden.
    Quelle: wdr Panorama

    Anmerkung: Es ist immer wieder das gleiche Spiel: Erst vertuschen und nur, wenn es nicht mehr anders geht, mit der Wahrheit herausrücken.

  21. Umfrage: Steinmeier sticht Beck aus – Ruf des SPD-Chefs völlig ramponiert
    Kompetent, weltmännisch, glaubwürdig, reif fürs Kanzleramt: Eine neue Umfrage enthüllt, auf wie vielen Feldern sich Außenminister Steinmeier in der Wählereinschätzung inzwischen von Kurt Beck abgesetzt hat. Als Spitzenkandidat wäre der SPD-Chef sogar nur dritte Wahl.
    Hamburg – Kurt Becks politische Profilkurve ist desaströs. Das Umfrageinstitut Forsa hat für den “Stern” rund tausend Deutsche gefragt, was sie mit dem SPD-Chef verbinden – und was mit seinem potentiellen Rivalen um die Kanzlerkandidatur 2009, Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Das Ergebnis: Nur beim Machtbewusstsein liegt Beck noch klar vorne. Auf den meisten anderen Feldern führt sein Stellvertreter.
    Quelle: Spiegel Online

    Kommentar AM: Ein Musterbeispiel dafür, wie sehr versucht wird, wichtige Entscheidungen der SPD von außen zu bestimmen, wahrscheinlich unter Mitwirkung von Schröder – wie wir aus Erfahrung wissen, meist mit Erfolg. Im konkreten Fall wird mit Gefälligkeitsumfragen Stimmung bis weit hinein in die SPD gemacht. Auch mit dem Ziel, einen blassen Kanzlerkandidaten hochzuloben („Kompetent, weltmännisch, glaubwürdig, reif fürs Kanzleramt“), der gegen Frau Merkel mit Sicherheit verliert. Siehe „Betrifft den Kampf um Hessen – Zeichen für die Auszehrung demokratischer Verhältnisse“ und „Kurt Beck wird zum Sündenbock für den Niedergang der SPD gemacht“.

    In dieser Kampagne darf natürlich der Stern nicht fehlen. Dort darf der Ypsilantie-Heckenschütze Clement ran:

    Das Dilemma ist offenkundig geworden, seit sich die SPD in der Verantwortung von Kurt Beck von der Reformagenda des bis dato letzten sozialdemokratischen Kanzlers Gerhard Schröder absetzte und sich fast zeitgleich anschickte, der von Oskar Lafontaine zur “Linken” aufgemotzten ehemaligen PDS Tür und Tor zu öffnen.

    Diese Analyse ist so weit neben der Wirklichkeit, dass sie schon wieder interessant ist: Sie spiegelt nämlich nur noch die Ängste von Clement wieder, dass sich die Einsicht durchsetzen könnte, dass er einer der Hauptverantwortlichen für den Niedergang der SPD und für ihren heutigen Zustand ist.

  22. Der Lehrstellenbetrug geht weiter
    Seit gestern jubeln sie wieder. Die Trendwende bei der Berufsbildung sei geschafft. Endlich sei die Zahl der Ausbildungsplätze und die der Bewerber wieder gleich. Man kennt solche Arien, seitdem es das duale Ausbildungssystem gibt. Bundeskanzler Kohl belog das Land einst mit einer Lehrstellengarantie. Aber auch heute geht der Lehrstellenbetrug weiter. Wer behauptet, die Lehrstellenkrise sei überwunden, der fällt auf die Konjunktur und auf die eigene Propaganda herein. Politik und Wirtschaft müssen endlich zugeben, dass es eine Strukturkrise der Berufsbildung zu beheben gilt.
    Die Zahl der Bewerber übersteigt auch nach zwei Aufschwungjahren die Zahl der offenen Lehrstellen. Und selbst der guten Konjunktur ist es nicht gelungen, alle sogenannten Altbewerber unterzubringen. 385.000 von ihnen gibt es, die auch im zweiten Jahr nach ihrem Abschluss ohne Lehrberuf bleiben. Am schlimmsten aber ist, dass die Quote der vermittelten echten Ausbildungsplätze (gemessen am Schülerjahrgang) seit Jahren fällt – während der Anteil derer, die in Warteschleifen und Ersatzmaßnahmen landen, beharrlich steigt. Das bedeutet: Eine Trendwende gibt es nicht.
    Quelle: taz
  23. Food crisis being felt around world
    Sharply rising prices have triggered food riots in recent weeks in Mexico, Morocco, Senegal, Uzbekistan, Guinea, Mauritania and Yemen, and aid agencies around the world worry they may be unable to feed the poorest of the poor.
    In the Philippines, officials are raiding warehouses in Manila looking for unscrupulous traders hoarding rice, while in South Korea, panicked housewives recently stripped grocery-store shelves of food when the cost of ramen, an instant noodle made from wheat, suddenly rose.
    The shadow of “a new hunger” that has made food too expensive for millions is the result of a sudden and dramatic surge in food prices around the world.
    Quelle: National Post
  24. Zu guter letzt:
    Schlag’ nach bei Adam Smith
    Eine Glosse von Peter Thal zu unserem Hinweis auf Hans-Werner Sinns Beitrag zum Mindestlohn in den Hinweisen vom 2.4.08.

    In aktuellen Debatten über die neoliberale Wirtschaftsideologie versäumt es kaum einer ihrer Befürworter, die “unsichtbare Hand” von Adam Smith (1723 – 1790) zu zitieren, die als der beste Regulator makroökonomischer Prozesse anzusehen sei. Ob dabei alle Publizisten, ja selbst die professionellen Experten den konzeptionellen Zusammenhang bei Smith im Original 1) überhaupt gelesen, geschweige denn studiert und verstanden haben, sei dahingestellt; zu bezweifeln ist es jedenfalls.

    Wie dem auch sei. Smith wird offenbar vom mainstream als Autorität der ökonomi-schen Theorie geschätzt. Dies legt eigentlich nahe, auch zu anderen Themen bei ihm Rat zu suchen, z. B. zum Mindestlohn.

    Das birgt allerdings die Schwierigkeit in sich, Adam Smith nicht nur auf eine Floskel zu reduzieren; dafür muss man sich ernsthaft mit dem komplexen Inhalt seiner Lehren beschäftigen! Der “Grundleger der politischen Ökonomie” als Wissenschaft, wie ihn Marx gewürdigt hat, versuchte nämlich hinter den Schleier der äußeren Form wirtschaftlicher Erscheinungen vorzudringen.

    Lohn ist für Smith nicht einfach der Geldbetrag, den der Arbeiter vom Kapitaleigentümer (“employer” von Arbeit [Beschäftiger Arbeitgeber]) erhält und der durch Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt “frei” ausgehandelt wird; vielmehr unterliegt der Arbeitslohn einer ökonomisch-gesetzmäßigen Bestimmung.

    Ausgangspunkt hierfür ist das (materielle) Produkt der Arbeit, das in einem “ursprünglichen Zustand” der Gesellschaft gänzlich dem Arbeiter zufiel. Doch als Boden und die übrigen Produktionsmittel Privateigentum geworden waren, war der Arbeiter gezwungen, mit dem Bodeneigentümer und dem kapitalistischen Unternehmer (Pächter) zu teilen. Grundrente und Profit sind nach Adam Smith “Abzüge vom Produkt des Arbeiters”. 2)

    Um die Aufteilung des Produkts in Lohn und Profit/Rente gibt es immer von unvereinbaren Interessen geleitete Auseinandersetzungen. Als deren realistischer Beobachter weiß Smith, dass die Arbeiter dabei in der Regel benachteiligt sind. Aber auf längere Sicht, meint er, “gibt es doch eine bestimmte Rate, unter die ein Herabdrücken der üblichen Löhne, sogar für die niedrigsten Arbeitsarten” nicht möglich zu sein scheint. 3)

    Und wie hoch ist diese Rate? “Ein Mensch muss immer von seiner Arbeit leben, und sein Lohn muss mindestens zu seiner Erhaltung ausreichen,” was nach Smith die Deckung der Kosten für die Familie in sich einschließt, da sonst “das Geschlecht der Arbeiter … nicht länger als eine Generation existieren könnte.” 4)

    Das ist im Kern auch die Bestimmung des “Werts der Ware Arbeitskraft” nach Marx. Bei Einhaltung des Wertgesetzes, das die Preise normalerweise auf dem Markt reguliert.
    – wenn dem keine monopolartigen Machtstrukturen entgegenstehen -, müssen die Reproduktionskosten der Arbeitskraft mit dem Lohn ersetzt werden. Ansonsten zieht das Kapital “vom Produkt des Arbeiters” mehr ab, als ihm nach den Gesetzen der (Markt-)Wirtschaft gebührt. Das ist dann Umverteilung von unten nach oben oder Erhöhung des “absoluten Mehrwerts” (Marx).

    Dieser historisch-theoretische Hintergrund erhellt die ganze Tiefgründigkeit des Denkens von Herrn Prof. H.-W. Sinn (Ifo-Institut f. Wirtschaftsforschung, München), der “die Forderung, dass jeder von seiner Hände Arbeit leben können müsse, für den >> dümmsten Spruch des Jahres <<" hält 5), und jetzt wieder darüber schwadroniert, dass Mindestlöhne den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören. 6) Im Übrigen wäre auch darüber nachzudenken, ob die uferlosen Debatten um Kinderarmut, Bevölkerungsschwund, staatliche Familienunterstützung usw. zumindest teilweise gegenstandslos würden, wenn es in Deutschland Löhne gäbe, die dem Niveau entsprächen, welches Adam Smith für unabdingbar hielt. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle näher auf die Profittheorie einzugehen, mit der Adam Smith die objektiven Ursachen für die Bestimmung der Profithöhe aufzudecken suchte. Doch all jenen, die aus Mindestlöhnen den unausweichlichen Niedergang der Wirtschaft ableiten, sei das folgende Smith-Zitat ins Stammbuch geschrieben: "Unsere Kaufleute und Fabrikherren beschweren sich viel über die schlechten Auswirkungen hoher Löhne, dass sie die Preise steigern und deshalb den in- und ausländischen Absatz ihrer Waren schmälern. Über die schlechten Auswirkungen hoher Profite äußern sie sich nicht. Im Hinblick auf die verwerflichen Folgen ihrer eigenen Gewinne schweigen sie. Sie klagen nur über die anderer Leute." 7) Neiddebatte einmal gegen den Strich gebürstet. ________ 1) Vgl. Adam Smith, Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen, 2. Band, Akademie-Verlag Berlin 1975, S. 213 2) Vgl. ebenda, 1. Bd., Berlin 1963, S. 85 3) Ebenda, S. 89 4) Ebenda. 5) Vgl. Hans-Werner Sinn, 'Außenansicht' zum Mindestlohn, Süddeutsche Zeitung v. 28. 12. 2007 6) Vgl. www.sueddeutsche.de v. 01. 04. 2008. 7) Adam Smith, a. a. O., 1. Bd., S. 128 Biographische Angaben zu Ihrer Information: Autor (Jahrgang 1933) war bis zu seiner Abwicklung (1991/92) Professor für "Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen" an Martin-Luther- Universität Halle- Wittenberg


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