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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 13. Januar 2009 um 8:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/AM)

Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Angst vor der Great Depression II
  • Investitionsprogramm II und I
  • In Irland macht sich Panik breit
  • Oettinger fordert deutsche Bad Bank

  • Private-Equity: Schaden durch Gier
  • Landtagswahl in Hessen 2008: Ging es um die Linkspartei oder um Hermann Scheer und die Energiewende?
  • Staatsanwalt will Bewährungsstrafe für Zumwinkel fordern
  • Madoff muss nicht in U-Haft
  • 
Arbeitsmarkt gut gerüstet für Krisenzeiten?
  • 
»Maßnahmen gegen Kinderarmut laufen ins Leere«
  • Bürger entscheiden gegen Verkauf der Stadtwerke Quedlinburg

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Angst vor der Great Depression II

    Die Regierungen müssen schnell handeln, um eine Wirtschaftskatastrophe zu verhindern. Das fordern US-Ökonomen auf ihrer Jahrestagung in San Francisco. Allgemeine Steuersenkungen lehnten sie jedoch ab und plädierten für eine massive Erhöhung der direkten Staatsausgaben.
Sogar Martin Feldstein. Sogar dieser 69-jährige Harvard-Professor, eine Ikone der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, der seit den 70er-Jahren „Mehr Markt, weniger Staat“ predigt. Sogar dieser so betont konservative Ökonom hat jetzt John Maynard Keynes wiederentdeckt – und plädiert für ein massives staatliches Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. „Die Staatsausgaben müssen steigen – und zwar schnell und deutlich“, sagte Feldstein Anfang Januar auf der Jahrestagung der American Economic Association (AEA) in San Francisco. Leicht falle ihm dieser Rat nicht, schließlich sei er in Budgetfragen eigentlich ausgesprochen konservativ, räumte er ein. Aber er sehe im Moment keine Alternative.
    
Quelle: Handelsblatt


    Kommentar AM: So sehr die Lernfähigkeit der bisher herrschenden Ökonomen zu begrüßen ist, ein teures Verfahren ist dieser Art von Willensbildung und Entscheidungsfindung schon. Damit soll gesagt sein, dass mit dieser Art von Wissenschaft noch kräftig aufgeräumt werden muss. Nochmals sollten wir uns die teuren und unmenschlichen, weil für viele Menschen existenzbedrohenden Lernprozesse dieser Pseudowissenschaftler nicht leisten.

  2. Koalition einigt sich auf 50 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket
    Spitzenpolitiker von Union und SPD haben das größte Konjunkturpaket der deutschen Nachkriegsgeschichte geschnürt. Rund 50 Milliarden Euro werden bereitgestellt: Wenigverdiener zahlen ab Juli weniger Steuern, Kassenbeiträge sinken und Familien bekommen pro Kind 100 Euro.
    Quelle: SpiegelOnline

    Anmerkung AM: Nur zu Ihrer Information. – Eines Kommentars enthalten wir uns zu dieser Stunde. Es soll endlich etwas geschehen.

    Wie seltsame Vorstellungen über die Wirkungsgeschwindigkeit eines Konjunkturprogramms in wichtigen Medien vorherrschen, können Sie an der folgenden Bilanz der Tagesthemen zum Konjunkturpaket I sehen. Da gibt es wirklich den Glauben, eine solche Entscheidung wirke innerhalb von eineinhalb Monaten. Angesichts dieser obskuren Vorstellungen muss man sogar dem wissenschaftlichen Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, der in einem Interview der Tagesthemen auftritt, Recht geben:
    ARD Tagesthemen: Bilanz Konjunkturpaket I
    Quelle: Tagesthemen

  3. In Irland macht sich Panik breit
    Einen schlimmeren Jahresanfang hätten sich die Pessimisten kaum ausmalen können: Irlands Bankensystem in der Krise, die Traditionsfirma Waterford Wedgwood pleite, Dell verlagert seine Fabrik nach Polen, ein Rekordanstieg der Arbeitslosigkeit – und ein ausuferndes Haushaltsdefizit. Der „keltische Tiger“, einst Vorbild für Europa, ist am Ende.
    Quelle: Handelsblatt
  4. Anmerkung KR: Irland galt bis vor kurzem noch als leuchtendes Vorbild dafür, mit niedrigen Steuern Wachstum zu schaffen. 2004 schrieb Albrecht Müller dazu in „Die Reformlüge“:

    Um uns so richtig Angst zu machen vor der weiteren Zukunft, wird auf die besondere ökonomische Entwicklung der »kleinen Tiger« in der Europäischen Union hingewiesen: auf Österreich, auf die Niederlande und besonders auf Irland. Sie hätten sich 1999 beim Bruttosozialprodukt je Einwohner vor die Bundesrepublik geschoben. Bewundert wird auch, dass Irland in den neunziger Jahren eine durchschnittliche reale Wachstumsrate von 6,5 Prozent erreicht habe, es liege mit seinem Pro-Kopf-Einkommen weit über dem europäischen Durchschnitt und habe Deutschland hinter sich gelassen.

    Wer Irland kennt und weiß, was dort für die Menschen bleibt, der wundert sich. Zwar ist der Lebensstandard im Vergleich zu früher unverkennbar gestiegen, aber irgendetwas kann nicht stimmen an der Behauptung vom Überholvorgang (…)

    17,6 Milliarden Euro des irischen Bruttoinlandsprodukts von insgesamt 114,5 Milliarden sind 2001 als Einkommen ins Ausland überwiesen worden. Den Iren blieben noch 96,8 Milliarden. Die arbeitenden Iren haben folglich vom statistischen Aufschwung des Pro-Kopf-Einkommens in ihrem Land sehr viel weniger gehabt als die Investoren von außerhalb. Die hohe Wachstumsrate ist das Ergebnis einer trickreichen Steuerpolitik, und sie sagt nicht sehr viel über den Wohlstand des irischen Volkes aus.

  5. Oettinger fordert deutsche Bad Bank

    Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) will Banken von faulen Wertpapieren entlasten, findet in der Bundesregierung aber wenig Mitstreiter für seinen Vorstoß

    Quelle: FR
    
Anmerkung Orlando Pascheit: Da bewirbt sich einer offensichtlich für einen Aufsichtsratsposten nach Ausscheiden aus der aktiven Politik.
  6. Landtagswahl in Hessen 2008: Ging es um die Linkspartei oder um Hermann Scheer und die Energiewende?
    Hessen ist Schlusslicht beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Es war eine historische Chance, dass mit der SPD, den Grünen und den Linken drei Parteien im hessischen Landtagswahlkampf für 100% erneuerbare Energie warben und diese Parteien schließlich über eine knappe Mehrheit im Landtag verfügten. Ging es bei der heftigen Auseinandersetzung um eine Regierungsbildung in Hessen nur um die Linkspartei oder in Wirklichkeit um die Energiepolitik?

    Es gibt mehrere Umstände, die zeigen, dass die angestrebte Energiewende der wesentliche Grund für den erbitterten Widerstand gegen dieses ambitionierte Politikprojekt war.
    Quelle: Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)

  7. Private-Equity: Schaden durch Gier
    Interview mit dem ehemaligen dänischen Ministerpräsidenten und Mitglied des EU-Parlaments Poul Nyrup Rasmussen über die Konsequenzen aus den Geschäften von Private-Equity-Firmen, die Folgen für die von den Investoren aufgekauften Firmen und die Notwendigkeit von Regulierungen: “Wir wissen jetzt …, dass 70 Prozent der Unternehmen, die in der jetzigen Krise Probleme haben, diese Probleme nur deshalb haben, weil sie Private-Equity-Gesellschaften gehören oder vor kurzem von Private-Equity-Gesellschaften verkauft wurden …70 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen sind auf eine Überschuldung aufgrund von Private-Equity-Investitionen zurückzuführen … Über die Hälfte aller Unternehmensanleihen werden mittlerweile mit B- bewertet, sind also so genannte Junk Bonds, und das kommt daher, dass sich diese Unternehmen im Besitz von Private-Equity-Fonds befinden (…)

    Und schließlich sollten wir uns wirklich fragen, ob es künftig sinnvoll ist, dass Pensionsfonds in Private-Equity-Fonds investieren. 40 Prozent des Kapitals der Private-Equity-Gesellschaften stammt von Pensionsfonds, von Unternehmen mit betrieblicher Altersversorgung oder Rentenversicherungen. In Deutschland kann man teilweise davon sprechen, dass man mit dem Geld, das man in Pensionsfonds anlegt, seine eigene Kündigung finanziert.”
    Quelle: Frontal 21 [PDF – 50 KB]

    Kommentar AM: Dieser wichtige Beitrag zeigt an einem Beispiel, am Wirken der Private-Equity-Gesellschaften, wie die hohen Renditen einiger so genannter Investoren zustandekamen und -kommen – durch Überschulden und Plündern intakter Unternehmen. Und dies alles haben unsere Bundesregierungen von Schröder bis Merkel bewundert und gefördert. Es war besonders das Programm der Herren Schröder, Clement und Eichel, die so genannte „Auflösung der Deutschland AG“ zu betreiben. Die Union blieb häufig im Hintergrund. Ihre Freunde gehören aber zu den eigentlichen Profiteuren.

    Dieser Beitrag ist auch wichtig im Kontext meines Hinweises auf die seltsame Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank im Beitrag zur Finanzkrise Teil II, Ziffer 2.

  8. Staatsanwalt will Bewährungsstrafe für Zumwinkel fordern
    Der in der Liechtenstein-Affäre wegen Steuerbetrugs angeklagte Ex-Post-Chef Zumwinkel muss einem Bericht des “Handelsblatt” zufolge voraussichtlich nicht ins Gefängnis – die Staatsanwaltschaft sei unter Umständen bereit, nur eine Bewährungsstrafe zu fordern.
    Quelle: Spiegel-Online


    Anmerkung R.S.: Welch eine Überraschung! Erst unterzeichnet das Gericht “zufällig” einen Tag zu spät den Durchsuchungsbeschluss, dann wird die Staatsanwältin weggemobbt, dann zeichnet sich eine milde Strafe ab. Natürlich haben wir alle volles Vertrauen in den Rechtsstaat.

    Siehe dazu auch:

    Madoff muss nicht in U-Haft

    Der mutmaßliche Milliarden-Betrüger Bernard L. Madoff muss weiterhin nicht Untersuchungshaft, obwohl er offenbar versucht hat, Uhren und Schmuck im Wert von einer Million Dollar beiseitezuschaffen. Ein New Yorker Richter habe am Montag die Forderung der Staatsanwaltschaft abgelehnt, Madoff ins Gefängnis zu bringen, wie die “New York Times” berichtete.
    
Quelle: FR

    
Anmerkung Orlando Pascheit: Eine seltsame Welt ….

  9. Arbeitsmarkt gut gerüstet für Krisenzeiten

    Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, sieht den Arbeitsmarkt gut für die Krise gewappnet: “Wir gehen auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau von Arbeitslosigkeit in diese schwierige Zeit”, so Weise. Auch die Bundesregierung tue mit ihrer Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik alles, um gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Daher rechne er schlimmstenfalls mit knapp vier Millionen Arbeitslosen.

    Quelle: dradio.de

    Anmerkung Orlando Pascheit: Also ein “ausgesprochen niedriges Niveau von Arbeitslosigkeit”! Es scheint Frank-Jürgen Weise wie einigen Bankern zu gehen, die im Umgang mit hohen Zahlen den Kontakt zur Realität verloren haben. Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen 1 Million Arbeitslose mit Recht als Skandal empfunden wurde – erst recht heute mit 3 Millionen, wobei dies nur die registrierten Arbeitslosen sind. Und hinter der ausgewiesenen Zahl an Beschäftigten verbirgt sich eine wachsende Zahl von Menschen, die für das Existenzminimum schuften. Dafür hat die Politik Rahmenbedingungen geschaffen.
Überhaupt ist da viel Trickserei bei einem “Chef einer großen Behörde”, der nicht “politisch argumentieren” möchte. Da seien seit 2000 zwei Millionen verloren gegangene sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze fast wieder aufgebaut worden. Der älteste statistische Trick der Welt: Man wähle vor allem ein passendes Bezugsjahr. In Wirklichkeit liegt der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse an der Gesamtbeschäftigung deutlich unter dem Niveau der 90er Jahre. Und so häufen sich die Ungereimtheiten. 
Wes Geistes Kind Frank-Jürgen Weise ist, wird dann bei einer etwas seltsamen Beschwörung der globalen Wirtschaft mit ihrem Verlagerungszwang deutlich. Die Unternehmen verlagern, “weil wir als Kunden nicht bereit sind, viel Geld” für bestimmte Produkte auszugeben. Lassen wir einmal das Markterschließungsmotiv außen vor, so ist das klassische Motiv für Verlagerungen (offshoring) die Senkung der Kosten – um nicht zuletzt die Renditeerwartungen von Aktionären z.B. von Nokia zu erfüllen. Oder waren wir nicht mehr bereit, die in Deutschland gefertigten Handys von Nokia zu bezahlen? Natürlich beunruhigt Herrn Weise sehr, wenn einer “nicht mal genügend Geld über seine Arbeit bekommt, sondern staatliche Leistungen braucht, um seine Existenz zu sichern”. Aber genau mit der Rhetorik von der “globalen Wirtschaft”- “nicht ein diabolischer Wille”- wurde und wird in Deutschland Lohnmäßigung bis hin zum nicht mehr existenzsichernden Niedriglohn durchgesetzt. Das Verrückte an Weises Argumentation ist noch dazu, dass wir, die Normalverbraucher, mit unserem “Geiz ist geil” diese Globalisierung vorangetrieben haben. Dabei steht “Geiz ist geil” am Ende einer verantwortungslosen Wirtschafts- und mutlosen Lohnpolitik.

  10. »Maßnahmen gegen Kinderarmut laufen ins Leere«
    Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut laufen bei denjenigen Kindern ins Leere, die per Unterhaltsvorschuss finanziert werden – ihnen wird „aus fiskalischen Gründen“ Geld abgezogen. Für 500000 Kinder gibt es 2009 weniger Unterhaltsvorschuss.
    Quelle: junge Welt
  11. Bürger entscheiden gegen Verkauf der Stadtwerke Quedlinburg
    Die Stadtwerke in Quedlinburg werden nicht verkauft. Am Sonntag entschied die Mehrheit der Einwohner in einem Bürgerentscheid gegen den Verkauf der Stadtwerke, wie die Stadtverwaltung am Montag in Quedlinburg mitteilte. Bei einer Wahlbeteiligung von 36,9 Prozent sprachen sich 33,2 Prozent der Abstimmungsberechtigten für den Verbleib von 97 Prozent der GmbH-Anteile im Besitz der Stadt aus. 3,6 Prozent stimmten dagegen. Der Bürgerentscheid war damit erfolgreich.
    Quelle: Bürgerforum Quedlinburg e.V.

    Zur Ermunterung und Nachahmung: Wieder ein kleiner Erfolg beim Kampf gegen die Privatisierung.


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