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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. April 2014 um 9:03 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Ukraine / Russland
  2. Den USA droht bereits der nächste Blowback
  3. EWU steigert Leistungsbilanzüberschuss innerhalb eines Jahres um 64 Prozent
  4. Finanzmärkte: Die trügerische Euphorie in der Euro-Krise
  5. Michael Dauderstädt/Cem Keltek: Crisis, Austerity and Cohesion
  6. Zur (Weiter-)Entwicklung des deutschen Alterssicherungsmodells – Eine, zwei oder drei Säulen?
  7. Thorsten Schulte: Mindestlöhne und Sozialstandards in Europa – Konturen einer Europäische Mindestlohnpolitik
  8. Aufstocker profitieren nur eingeschränkt vom Mindestlohn
  9. Arbeitnehmerüberlassung in Hessen – Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, Vermeidung von Arbeitslosigkeit oder gefangen in der Leiharbeitsfalle?
  10. Junge Menschen im Alter von unter 25 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften – 2013
  11. Nach Zalando-Recherche Ermittlungen gegen RTL-Reporterin
  12. Selbstbewusster Sigmar Gabriel: Ein bisschen Kanzler
  13. Fast zu Tode verwaltet
  14. Zahl der Selbstanzeigen hat sich verdreifacht
  15. Mathias Döpfner: Warum wir Google fürchten
  16. “Der Flughafen müsste uns auf Knien danken”
  17. Stabilisierung in der Krise: Ökonomische Entwicklung und Wirtschaftspolitik unter den Linksregierungen Lateinamerikas
  18. Viktor Orbáns Alleinherrschaft ist bestätigt
  19. Aufrufe zum Ostermarsch

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ukraine / Russland
    1. Krise in der Ostukraine: Ukrainische Soldaten wechseln mit Panzern die Seiten
      Dutzende ukrainische Soldaten haben offenbar mit mehreren Panzern die Seiten gewechselt. Mit russischer Flagge und der Fahne der Region Donezk fahren die Bewaffneten durch die Straßen von Kramatorsk und Slawjansk.
      Die ukrainischen Soldaten sollen in der Ostukraine eigentlich für Ruhe sorgen – doch ihre Unterstützung für die neue Regierung in Kiew schwindet. In Kramatorsk haben am Mittwochmorgen sechs Panzer der ukrainischen Armee die Seiten gewechselt.
      Mit russischer Flagge und der Fahne der Region Donezk fuhren sie unter den erstaunten Blicken der Bevölkerung durch die Stadt. Ein paar Menschen jubelten ihnen zu.
      “Wir haben seit Wochen nichts Vernünftiges zu essen bekommen, Kiew hat uns vergessen. Jetzt reicht es uns”, rief einer der Soldaten. “Wir sind das Volk”, rief ein anderer. Auf jedem der alten Panzer saßen rund ein Dutzend ukrainische Soldaten. An ihrer Uniform trugen manche die orange-schwarze Schleife, das Sankt-Georgs-Band. Die Soldaten signalisieren damit, dass sie die autonomen Republik Donezk befürworten und die neue Regierung in Kiew ablehnen.
      Diese hatte am Dienstag eine “Anti-Terror-Aktion” gegen die Separatisten in der Ostukraine begonnen, die in mehreren Städten öffentliche Gebäude, darunter auch Polizeiwachen, besetzt haben.
      Die ukrainische Regierung meldete am Dienstag, der Flughafen von Kramatorsk sei zurückerobert worden. Doch die aus Kiew geschickten Soldaten wurden von einer wütenden Menschenmenge belagert.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung WL: „Keine gute Entwicklung“ meinte Thomas Roth in seinem Tendenzbericht in den gestrigen Tagesthemen. Sollten den die ukrainischen Soldaten einfach mit ihren Panzern auf die Demonstranten schießen? Man mag auch die russische Seite kritisieren, aber kann denn das Militär eine Lösung sein? Unfassbar unkritisch auch der Bericht über das Militärspektakel der NATO in den Tagesthemen.

    2. Kritik an ARD und ZDF – Ein wenig Köpenick in der Ukraine
      Der grün gekleidete Mann ist am Montag Abend in zahlreiche deutsche Wohnzimmer geflimmert. Sowohl die ARD als auch das ZDF strahlten in ihren Nachrichtensendungen einen Beitrag aus, in dem ein russischer Oberstleutnant einer Gruppe von ukrainischen Polizisten erklärt, wer künftig Herr im Hause sei. „Wenn es noch Zweifel gab, ob russische Militärs hier aktiv sind, dann sind die jetzt ausgeräumt“ hieß es dazu von ZDF-Korrespondent Armin Coerper. Bei der Tagesschau kommentierte Golineh Atai zurückhaltender: „Dass ein Offizier sich so filmen lässt ist eher ungewöhnlich“.
      Wie wahr. „Wir haben uns zu korrigieren und zu entschuldigen“ erklärte Tags darauf Claus Kleber im „heute journal“. Die Szene habe zwar genau so stattgefunden, der Mann sei aber kein Offizier gewesen, sondern „ein russischer Hauptmann von Köpenick“. Allerdings ein so überzeugender, dass es gelungen sei Polizisten wie Berichterstatter gleichermaßen zu narren.
      Quelle: Stuttgarter Zeitung

      Anmerkung WL: Die Bösen sind eben immer die Russen.

    3. Allensbach-Umfrage: Ein gefährliches Land
      Bis vor kurzem hatte eine Mehrheit der Deutschen eine gute Meinung über Russland und Wladimir Putin. Das ändert sich gerade dramatisch. Unterschiede gibt es zwischen Ost- und Westdeutschen.
      Die deutsch-russischen Beziehungen sind nach dem Eindruck der Bürger auf einem Tiefpunkt angekommen. Nur noch 15 Prozent sehen die Beziehungen als intakt an, 76 Prozent halten das Verhältnis zwischen beiden Ländern für gestört. Dies bedeutet eine erdrutschartige Veränderung. Ende des vorigen Jahrzehnts zogen noch 55 Prozent eine positive Bilanz der deutsch-russischen Beziehungen, nur 33 Prozent empfanden das Verhältnis beider Länder als gestört. Unter dem Eindruck der Ereignisse verstärkt sich auch die Neigung, zu Russland auf Distanz zu gehen. Immer weniger Bürger halten es für sinnvoll und wichtig, mit Russland eng zusammenzuarbeiten. Vor fünf Jahren zählten noch 55 Prozent der Bürger Russland zu den Ländern, mit denen eine möglichst enge Kooperation angestrebt werden sollte. In den Jahren danach ging die Unterstützung kontinuierlich zurück. Zurzeit halten es nur noch 32 Prozent für opportun, möglichst enge Beziehungen zu Russland anzustreben…
      Quelle: FAZ.NET

      Anmerkung unseres Lesers J.E.: Der mediale Dauerbeschuss wirkt. Auszüge: Gestern Abend auf Arte eine Diskussion zu Europa in der vertreten wird, der Konflikt mit Russland sei – da rein wertebasiert – identitätsstiftend für Europa. Der Demokratiehort Europa gegen das Reich der Finsternis. Der grüne Herr Schulz aus dem Europaparlament hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk klare Beweise, dass Russland hinter den Unruhen in der Ost-Ukraine steckt. An was nochmal erinnert uns diese klare Beweislage? Der Deutschlandfunk berichtet von einer Spamattacke auf Facebook mit dem Vorwurf einseitiger Berichterstattung gegen Russland und für die USA, die die Krise anheizten. Der Deutschlandfunk weiß, dass diese Aktion ein Angriff rechtsradikaler Kreise war und die Kritik an der Berichterstattung Ausdruck von Antiamerikanismus. Mit der (möglicherweise zutreffenden) Identifikation des Urhebers ist die Sache erledigt. Wer die Russlandberichterstattung und den bedingungslosen Schulterschluss mit den USA kritisiert, ist Antiamerikaner und damit ist die Berichterstattung einwandfrei. Wenn nicht alles täuscht, wird hier unter deutscher Dominanz in Europa das alte Spiel der Erzeugung und Mobilisierung außenpolitischer Ressentiments als sozialer Kitt nach innen gegeben. Und dennoch wundert man sich über die Folgerichtigkeit: Erst den Sozialstaat schleifen und dann den inneren Konflikt nach außen ablenken: Nation Building der sog. besseren Kreise in Europa. Und das Problem der „freien Presse“ und aller Kanäle: Sie emotionalisieren prozyklisch statt antizyklisch zur Raison zu rufen. Eine ganze Gesellschaft wird vorsätzlich in Schwingung versetzt. Und unsereins muss k….

  2. Den USA droht bereits der nächste Blowback
    Ob Wladimir Putins dreister Zugriff auf die Krim oder der Bürgerkrieg in Syrien: Barack Obama tue zu wenig, ja leichtfertig verspiele der laue Präsident die amerikanische Rolle als globale Ordnungsmacht, behaupten Kritiker im republikanischen und insbesondere im neokonservativen Lager. Dabei ist höchste Vorsicht geboten: Immerhin zeigt ein Blick auf Washingtons Aussenpolitik seit 1980, dass militärische Interventionen oder klandestine Aktionen von CIA und US-Sonderkräften nicht selten zu massiven Rohrkrepierern gediehen. Sie erzeugten «Blowback», so ein Begriff aus dem internen CIA-Sprachgebrauch. «Blowback», das sind die unbeabsichtigten Folgen einer Politik, die auf den Handelnden zurückschlägt. Erstmals verwendet wurde das Wort 1954 in einem geheimen Bericht der CIA über den von Washington und London gesteuerten Coup gegen das nationalistische Mossadegh-Regime im Iran. Der daraus resultierende Blowback war historisch besonders bedeutsam: Die CIA-Aktion in Teheran gipfelte in der Rückkehr des verhassten Schah und inspirierte die islamische Revolution von 1979. Blowback signalisiere «ein Versagen, die sekundären und tertiären Konsequenzen von Aktionen durchzudenken», sagt Paul Pillar, ehemals stellvertretender Leiter der Terrorabwehrabteilung bei der CIA.
    Quelle: Tagesanzeiger

    Anmerkung Orlando Pascheit: Kurz aber prägnant wird auf unbeabsichtigten Nebenfolgen der Intervention im Iran, in Afghanistan, im Irak, in Syrien und in Libyen eingegangen. – Die Frage stellt sich, ob wir (Deutschland), die anderen EU-Staaten oder auch Russland in der gedanklichen Durchdringung sekundärer und tertiärer Konsequenzen einer Aktion viel weitsichtiger sind.

  3. EWU steigert Leistungsbilanzüberschuss innerhalb eines Jahres um 64 Prozent
    Die Europäische Zentralbank (EZB) hat … die Zahlungsbilanzdaten für den Monat Februar veröffentlicht. Daraus lässt sich errechnen, dass die Europäische Währungsunion (EWU) gegenüber Vorjahresmonat ihren Leistungsbilanzüberschuss mit dem Rest der Welt um 95 Mrd. Euro (63,6%) gesteigert hat. Der Anteil des Leistungsbilanzüberschusses am Bruttoinlandsprodukt stieg im selben Zeitraum von 1,6 auf 2,6 Prozent (+63%).
    Wie die Graphik der EZB unten zeigt, geht der Leistungsbilanzüberschuss (hier monatlich) der EWU seit geraumer Zeit steil nach oben…
    Dieses Rezept, das Deutschland seit der Agenda 2010 konsequent verfolgt, konnte seine Wirkung nur entfalten, weil gerade andere Länder der EWU dem deutschen Beispiel nicht folgten und entsprechende Leistungsbilanzdefizite in Kauf nahmen. Gegenüber dem Rest der Welt aber steht der Wechselkurs…
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  4. Finanzmärkte: Die trügerische Euphorie in der Euro-Krise
    Ist die Euro-Krise abgehakt? Aus Sicht der Investoren und der Politik ist sie es. Dabei sind die Probleme in Griechenland, Spanien oder Italien größer denn je. Wie in den dreißiger Jahren ist auch jetzt die Demokratie in Gefahr.
    Quelle: Spiegel-Online
  5. Michael Dauderstädt/Cem Keltek: Crisis, Austerity and Cohesion
    Europe’s high inequality, systematically underestimated by the EU, has been falling for many years thanks to catch-up growth in the poorer countries and despite often increasing inequality within member states. Crisis and austerity have curbed this development, however.
    After inequality rose again during the great recession of 2009 and the subsequent brief recovery things are now going sideways in the context of generally weak growth.
    Inequality in Europe has two dimensions:

    • differences between the now 28 member states of the European Union (EU) measured in terms of per capita income;
    • differences within countries, measured by the ratio between the incomes of the richest and the poorest quintiles of the population (quintile ratio S80/S20)…

    Both forms of inequality provide only a partial perspective on the development of inequality in the EU asa whole, however…
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung Perspective April 2014 [PDF – 1.5 MB]

  6. Zur (Weiter-)Entwicklung des deutschen Alterssicherungsmodells – Eine, zwei oder drei Säulen?
    Das so genannte Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung ist in der Gesellschaft nie im Sinne der Erfinder angenommen worden und scheint zudem derzeit politisch an Bedeutung zu verlieren. Die Pläne der Großen Koalition zielen derzeit auf eine Reform der GRV – allerdings bei Weitem nicht so grundlegend wie von vielen Kritikern der Reformen 2001ff. gefordert – und eine Stärkung der bAV. Ein konsistentes Gesamtssystem der Alterssicherung existiert derzeit nicht und ein stimmiges System aus zwei Säulen lässt sich zwar abstrakt formulieren, scheint aber derzeit im politischen Raum nicht diskutiert zu werden.
    Konsistente und sozialpolitisch sinnvolle Modelle des Alterssicherungssystems lassen sich offensichtlich derzeit nur unter Annahme eines Bruchs in der Politik vorstellen: Als Bruch mit der bisherigen Politik der Schwächung der GRV oder als Bruch mit den geschwächten, aber noch vorhandenen Grundprinzipien der GRV, als Experiment mit ungewissem Ausgang. Sozialpolitisch wünschenswert ist eine GRV mit starken Elementen des sozialen Ausgleichs, durch die auch Phasen der Nicht-Erwerbsarbeit innerhalb der Logik der GRV honoriert werden. Als »Plan B« wäre eine Alterssicherung zu diskutieren, die auf dem Prinzip des Einwohnerrechts basiert und das Ziel des Statuserhalts an die Tarifparteien auslagert.
    Quelle: Sozialismus.de
  7. Thorsten Schulte: Mindestlöhne und Sozialstandards in Europa – Konturen einer Europäische Mindestlohnpolitik
    Powerpoint-Folien eines Vortrags auf dem Bundeskongress der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen am 5. April 2014 in Leipzig
    Quelle: WSI [PDF – 1.7 MB]
  8. Aufstocker profitieren nur eingeschränkt vom Mindestlohn
    Durch den geplanten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro werden etwa 60.000 Aufstocker nicht mehr auf Hartz IV angewiesen sein. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Von den insgesamt 1,3 Millionen Aufstockern wird demnach nur ein vergleichsweise kleiner Teil den Hartz-IV-Bezug aufgrund des Mindestlohns beenden können.
    Da die Aufstocker mehrheitlich weniger als 22 Stunden in der Woche arbeiten, werden die meisten von ihnen auch nach der Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro weiter Hartz IV benötigen. Der durchschnittliche Stundenlohn der Aufstocker liegt mit rund 6,20 Euro zwar deutlich unter dem geplanten Mindestlohn, der Einkommenszuwachs reicht aber bei den meisten Aufstockern nicht aus, um von Hartz IV unabhängig zu werden. Hinzu kommt: Der überwiegende Teil des Lohnzuwachses wird auf die Hartz-IV-Bezüge angerechnet, das verfügbare Nettoeinkommen der Aufstocker steigt im Durchschnitt lediglich um zehn bis zwölf Euro.
    Der Staat wird durch den Mindestlohn dagegen deutliche Minderausgaben an Hartz IV und Mehreinnahmen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erzielen, soweit keine größeren Arbeitsplatzverluste durch den Mindestlohn eintreten. Geht man davon aus, dass die Beschäftigung unverändert bleibt, senkt der Mindestlohn die Ausgaben für Hartz IV um jährlich 700 bis 900 Millionen Euro. Mehr Ausgaben bei Wohngeld und Kinderzuschlag reduzieren die Einsparungen, sodass die Transferausgaben insgesamt um 500 bis 650 Millionen Euro zurückgehen. Hinzu kommen Mehreinnahmen bei den Sozialversicherungsbeiträgen und der Einkommenssteuer in Höhe von vier bis sechs Milliarden Euro, denen allerdings Mindereinnahmen bei den Unternehmenssteuern entgegenstehen.  Unterm Strich ergibt sich eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zwischen knapp 2,2 und gut drei Milliarden Euro.
    Quelle: IAB [PDF – 350 KB]

    Anmerkung unseres Lesers H.Q.: In dem Zusammenhang mit den vielen Ausnahmen beim Mindestlohn ist eine ganz besonders interessant, weil bei ihr nämlich doppelt verdient wird:
    – Kein voller Mindestlohn bei voriger  längerer Arbeitslosigkeit
    Der Hintergrund dürfte das seit vielen Jahren bekannte Argument der sogenannten Arbeitgeberverbände sein, dass der neue Mitarbeit nach längerer Arbeitslosigkeit erst einmal wieder an die Arbeitswelt herangeführt werden müsse, also seinen Biorhythmus anpassen müsse, sich daran gewöhnen müsse, täglich früh aufzustehen und mindestens 8 Stunden am Tag volle Leistung zu erbringen.
    Weiterhin habe Wissen eine Halbwertszeit, je länger die Arbeitslosigkeit, desto mehr würde von dem einst Erlernten vergessen.
    Das bedeutet: Im Vergleich zu anderen Mitarbeitern ist der „Neue „ weniger produktiv und dann kann man ihm natürlich auch keinen großzügigen Mindestlohn von Anfang an zahlen. Dass dies von Berufsbild zu Berufsbild natürlich sehr unterschiedlich ist, liegt wohl auf der Hand.
    Was die Unternehmen aber zusätzlich zur Verweigerung des Mindestlohnes tun, wird in der Öffentlichkeit nicht diskutiert:
    Das SGB III bietet den sog. Arbeitgebern die Möglichkeit, §88 -90 SBG III, bei aufgrund der Arbeitslosigkeit geminderter, tatsächlicher wie behaupteter (!) Minderleistung einen sogenannten Eingliederungszuschuss(EGZ) zu erhalten.
    Die sog. Arbeitgeber  verweigern Herrn oder Frau M den Mindestlohn mit der Begründung des erhöhten Einarbeitungsbedarfs sowie der aktuell mangelnden Produktivität UND beantragen gleichzeitig  bei der Arbeitsagentur (BA) für Herrn M einen Eingliederungszuschuss, gerne wird vor dem  beginnenden  Arbeitsverhältnis auch noch ein Praktikum zum unentgeltlichen gegenseitigen Kennenlernen vereinbart.
    Das geht dann so: Der für Herrn M zuständige Arbeitsvermittler, selber für 2 Jahre befristet beschäftigt und unter hohem Vermittlungsdruck stehend, wird Herrn M eine Trainingsmaßnahme mit integriertem Praktikum anbieten. Die Trainingsmaßnahme soll ihn körperlich wie kognitiv auf den Arbeitsalltag vorbereiten, ganz wichtig ist das Praktikum. Das kann nach dem SGB III nur maximal 4 Wochen lang sein. Innerhalb einer Trainingsmaßnahme kann es aber durchaus auch 2 Monate betragen.
    Vor Ende des Praktikums fragt dann der sog Arbeitgeber schon mal beim Amt an, wie es denn mit einem EGZ (Eingliederungszuschuss) stehe, man könne sich auch eine über die Zeit des Praktikums hinausgehende Zusammenarbeit vorstellen.
    Der Arbeitsvermittler ist hoch erfreut, Herr M ist seit 11 Monaten  arbeitslos, er muss ganz dringend aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden, das tut er übrigens bereits mit Beginn der Trainingsmaßnahme, da er dann nach den Kriterien des SGB III nur noch arbeitsuchend ist und somit bereits in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr auftaucht (!).
    Nur, wenn er jetzt aus der Maßnahme zurückkommt, ist er direkt wieder Teil der Arbeitslosenstatistik. Ob der Arbeitsvermittler nach 2 Jahren eine weitere Befristung mit Sachgrund erhält, hängt sehr stark von seiner Vermittlungsquote ab. Und die wird seitens seines Teamleiters mithilfe eines sehr engmaschigen Controlingsystems täglich sehr genau beobachtet.
    Also ist er hocherfreut über den Anruf der Firma bei welcher Herr M gerade sein Praktikum absolviert. Er sendet der Firma ein Formular zu in welchem diese begründen muss, warum Herr M noch nicht ohne Förderung eingestellt werden kann, weiterhin prüft der Arbeitsvermittler, ob Herr M innerhalb der letzten 4 Jahre bereits sozialversicherungspflichtig bei der neuen Firma beschäftigt war oder mit dem Inhaber verwandt.
    Nun kann und wird die neue Firma in dem Fragebogen zu den Gründen der Minderleistung angeben, es muss etwas plausibel klingen, was sie will.
    Der Arbeitsvermittler wird dies nicht nachprüfen können (schon rein zeitlich nicht). Da formal Alles soweit stimmt ist er im Rahmen der aktuellen Direktive der BA großzügig (was die zeitliche Förderung betrifft), vielleicht kann man mit dieser Firma ja noch ein weiteres „Geschäft“ machen und gewährt der Firma für 6 Monate Lohnkostenzuschüsse in Höhe von 30 % des Arbeitgeber(!)-Bruttos, sollte diese ihn vor Ende der damit verknüpften Weiterbeschäftigungsfrist von 6 Monaten nach Ablauf des EGZ Förderzeitraumes ohne wichtigen Grund wieder kündigen, muss sie den EGZ zurückzahlen.
    Ich habe während meiner Tätigkeit als Arbeitsvermittler nie erlebt, dass ein EGZ zurückgezahlt werden musste, nicht einmal davon gehört. Die Unternehmen geben als Grund der Kündigung: Betriebsbedingt an, wer soll das nachprüfen, ob der Umsatz entgegen der Erwartung die letzten 2 Monate gesunken ist.
    Die BA hat durch den seit Mitte letzten Jahres erfolgten Personalabbau von 16.000 Mitarbeitern auch gar kein ausreichendes Personal um solch komplexe Sachverhalte tatsächlich zu prüfen.
    Das nicht tarifgebundene Unternehmen selber zahlt Herrn M 8,30 € Brutto, Herr M müsse das verstehen, er habe ja während des Praktikums selber gesehen, wie viel er im Vergleich zu dort bereits seit 8 Jahren beschäftigten noch aufholen müsse. Auch sitzt Herr M in der Falle. Er ist seit 11 Monaten arbeitslos, nach §140 SGB III ist er nun gezwungen auch zur Höhe seines aktuellen Arbeitslosengeldes I jede ihm zumutbare Tätigkeit anzunehmen. Beträgt das Arbeitslosengeld z.B. 990 € im Monat, bei 8,30 € kommt er auf 1328 € Brutto, Netto bei Lohnsteuerklasse 1 auf 994 Euro.
    Lehnt er das „Angebot“ ab, werden ihm Leistungen gestrichen, bei 990 € ALG I ist das bereits sehr schmerzhaft, wenn 30 % fehlen! Denn damit liegt er dann bereits unter dem ihm zustehenden Hartz-IV- (ALG2)Satz, welcher das offizielle Existenzminimum darstellt !!!

    Am allerliebsten wird der EGZ von Zeitarbeitsunternehmen genutzt. In der Stadt in welcher ich lebe, existieren mittlerweile mindestens 380 Zeitarbeitsfirmen. Von 13 Stellenangeboten für Gas-Wasser-Installateure auf den Jobbörsen-Seiten der BA sind 12 von Zeitarbeitsunternehmen! Welchem Globalisierungsdruck untersteht ein örtlich gebundenes Gas- und  Wasser-Handwerksunternehmen?

    Gerade die Zeitarbeitsunternehmen werden großzügigst mit EGZ eingedeckt, über sie kann der Arbeitsvermittler auch ohne Praktikum schnell Punkte machen und er nutzt es ausgiebig. Die Zeitarbeitsunternehmen verdienen mit geringem Aufwand so richtig herrlich. Zahlen sie Herrn M nach EGZ Tarif, falls sie überhaupt tariflich organisiert sind, die Mehrzahl ist es nicht, also z.B. 8,30 € für den Helfer mit Erfahrung (Zumutbarkeit macht`s möglich), stellen sie dem sie beauftragenden Unternehmen ca. 21 € + pro Arbeitsstunde in Rechnung und erhalten von der BA zusätzlich noch 30 % zum Arbeitgeber(!)-Brutto dazu, das liegt ca. 20% über dem Arbeitnehmer-Brutto.
    Was für ein Reibach mit wenig Aufwand ! Eine Zeitarbeitsfirma hat die Büromiete, das Gehalt der Bürokauffrau, maximal 1.500 € Brutto, den auf Provision sowie Minifestgehalt laufenden Disponenten, der holt die Aufträge rein, als Kosten. Das war`s.
    Mit den betriebsbedingten Kündigungen sind die Zeitarbeitsunternehmen immer aus dem Schneider.
    Wie gut, dass es zusätzlich zu CDU und FDP, von denen man heutzutage nichts Anderes mehr erwartet, auch noch die Partei der Genossen der Bosse gibt, damit dieses lukrative Spiel weitergeht.

  9. Arbeitnehmerüberlassung in Hessen – Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, Vermeidung von Arbeitslosigkeit oder gefangen in der Leiharbeitsfalle?
    In diesem IAB-Regional untersuchen wir, ob und inwieweit die Aufnahmeeines Leiharbeitsverhältnisses in Hessen den anschließenden Wechsel in ein Beschäftigungsverhältnis außerhalb dieser Branche (reguläre Beschäftigung) ermöglicht. Zu diesem Zweck werden die Erwerbsverläufe von Personen, die sich im Zeitraum von 2000 bis
    2004 in Hessen arbeitslosgemeldet haben, für einen maximalen Zeitraum von fünf Jahren untersucht. Mit Hilfe statistischer Verfahren vergleichen wir die Wahrscheinlichkeit von Personen, die ein Leiharbeitsverhältnis begonnen haben, zu einem späteren Zeitpunkt in einem regulären Beschäftigungsverhältnis beschäftigt zu sein, mit anderweitig vergleichbaren Personen, die zunächst arbeitslos geblieben sind.
    Zentrale Ergebnisse sind, dass die Wahrscheinlichkeit, eine reguläre Beschäftigung zu haben, für Leiharbeitnehmer im Anschluss nicht signifikant höher ist; ein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung ist Leiharbeit demzufolge nicht. Die Wahrscheinlichkeit, eine reguläre Beschäftigung zu finden, ist aber genauso wenig signifikant geringer. Also finden sich auch keine Hinweise, dass Leiharbeiter in ihrer Branche gefangen sind. Dennoch sind Personen, die aus Arbeitslosigkeit ein Leiharbeitsverhältnis begonnen haben, in ihrem weiteren Erwerbsverlauf häufiger in einem Leiharbeitsverhältnis beschäftigt, so dass sie auch insgesamt häufiger beschäftigt sind. Damit geht das Ergebnis einher, dass Leiharbeit die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Arbeitslosigkeit deutlich reduziert.
    Quelle: IAB [PDF – 510 KB]

    Anmerkung WL: Typisch für die Haltung des IAB: Egal welches prekäre Arbeitsverhältnis auch immer, Hauptsache nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik des Arbeitgebers des IAB, der Bundesagentur für Arbeit.

  10. Junge Menschen im Alter von unter 25 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften – 2013
    Im Jahresdurchschnitt lebten 2013 insgesamt 2,404 Millionen junge Menschen im Alter von unter 25 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV). Gemessen an den insgesamt 19,426 Millionen jungen Menschen im entsprechenden Alter (Ende 2012) betrug die SGB II-Quote in dieser Altersgruppe (u25) 12,4 Prozent im Bundesdurchschnitt.
    In den Ländern reichte diese SGB II-Quote (u25) von 27,9 Prozent in Berlin und 23,8 Prozent in Bremen (Land) bis 6,4 Prozent in Baden-Württemberg und 5,3 Prozent in Bayern.
    1,627 Millionen dieser jungen Menschen im Alter von unter 25 Jahren in SGB II- Bedarfsgemeinschaften waren unter 15 Jahre alt. Gemessen an den insgesamt 10,649 Millionen Kindern in diesem Alter (Ende 2012) betrug die SGB II-Quote in dieser Altersgruppe (u15) 15,3 Prozent im Bundesdurchschnitt.
    In den Ländern reichte diese SGB II-Quote (u15) von 33,7 Prozent in Berlin und 30,9 Prozent in Bremen (Land) bis 8,2 Prozent in Baden-Württemberg und 7,0 Prozent in Bayern.
    Zur Altersgruppe 15 bis unter 25 Jahre zählten 777.000 der jungen Menschen in SGB II-Bedarfsgemeinschaften. Gemessen an den insgesamt 8,777 Millionen jungen Menschen in dieser Altersgruppe (Ende 2012) betrug die SGB II-Quote in dieser Altersgruppe (15-24) 8,9 Prozent im Bundesdurchschnitt.
    In den Ländern reichte diese SGB II-Quote (15-24) von 20,5 Prozent in Berlin und 16,3 Prozent in Bremen (Land) bis 4,2 Prozent in Baden-Württemberg und 3,4 Prozent in Bayern.
    Von den 777.000 jungen Menschen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren in SGB II- Bedarfsgemeinschaften galten etwa 750.000 als erwerbsfähig im Sinne des SGB II (Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende). 26.789 wurden in der amtlichen Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende als nicht erwerbsfähig
    gezählt.
    Von den insgesamt durchschnittlich 777.000 Jugendlichen (15 bis unter 25 Jahre) in SGB II-Bedarfsgemeinschaften (2013) waren 265.000 15 bis unter 18 Jahre alt und 512.000 18 bis unter 25 Jahre.
    Die SGB II-Quoten in diesen Altersgruppen betrugen 2013 im Bundesdurchschnitt 11,0 Prozent (15-17) bzw. 8,0 Prozent (18-24).
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 35 KB]
  11. Nach Zalando-Recherche Ermittlungen gegen RTL-Reporterin
    Nach verdeckten Recherchen beim Online-Modehändler Zalando hat die Erfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen eine RTL-Reporterin aufgenommen. Die Journalistin hatte drei Monate im Erfurter Zalando-Logistikzentrum gearbeitet…
    Die Reporterin warf Zalando in der Sendung „Extra“ vor, Angestellte massiv unter Druck gesetzt und gegen das Arbeitsrecht verstoßen zu haben. Mitarbeiter sollen überwacht und bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit gebracht worden sein. Eine Zalando-Sprecherin wies die Vorwürfe zurück…
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Selbstbewusster Sigmar Gabriel: Ein bisschen Kanzler
    Angela Merkel ist im Urlaub, Sigmar Gabriel kostet seine Rolle als Vizekanzler aus. Der SPD-Chef präsentiert sich als selbstbewusster Allrounder – und wird seiner Chefin immer ähnlicher. (…)
    Gabriel gibt sich staatstragend. “Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem soliden Aufschwung”, meint er. Oder: “Klar ist, dass Deutschland keine Angst davor hat, einer weiteren Eskalation deutlich entgegenzutreten.” Da klingt der Vizekanzler beinahe wie seine Chefin. Mit der er, wie Gabriel betont, trotz Urlaubs in engem Kontakt steht.
    Quelle: Spiegel Online

    Passend dazu:

    Gute Aussichten für Deutschlands Wirtschaft
    Die deutsche Wirtschaft kann mit einem kräftigen Aufschwung rechnen. Das geht aus der Frühjahrsprognose des Bundeswirtschaftsministeriums hervor „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem soliden Aufschwung”, bestätigte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag.

    „Vor Deutschland liegen zwei wirtschaftlich erfolgreiche Jahre.  Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um 1,8 Prozent und 2015 um 2,0 Prozent zulegen“, so Sigmar Gabriel bei der Vorlage der Frühjahrs-Konjunkturprognose in der Bundespressekonferenz. Damit hält der Bundeswirtschaftsminister an der Prognose von Mitte Februar fest, als der Jahreswirtschaftsbericht vorgelegt wurde. 
(…)
    Die Arbeitnehmer seien es auch, die vom dauerhaften Aufschwung profitieren würden, ergänzte Gabriel: „Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte bekommen einen Aufwärtsschub! 2014 sollen die Haushalte um 2,9 Prozent und 2015 um 3,3 Prozent erneut kräftig anziehen. Die guten Tarifabschlüsse, der Mindestlohn und die besseren Rentenleistungen würden bei einer moderaten Teuerungsrate dazu führen, dass die Kaufkraft steigt und die Bürger mehr Geld in der Tasche haben, erläuterte Gabriel die guten Zahlen.
    Quelle: SPD

    Anmerkung HR: Kaum hat die SPD-Spitze den Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien ausgehandelt und ist gerade einmal kaum mehr als 100 Tage an der Regierung, sieht sie die Welt offenbar durch eine rosarote Brille.

    1. Die Ökonomischen Aussichten klangen vor wenigen Monaten -im Bundestagswahlkampf- noch ganz anders. Da war beispielsweise noch die Rede von: “Wir wollen ein Land, in dem Hungerlöhne und Armut im Alter zur Vergangenheit gehören.” und “Die SPD tritt an, Deutschland besser und gerechter zu regieren. Besser, weil die jetzige Bundesregierung zu viele Chancen verspielt, die wir in unser aller Interesse nutzen müssen. Und gerechter, weil der Graben zwischen Arm und Reich bei uns immer breiter und tiefer geworden ist – eine Schieflage, die unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Demokratie bedroht.”; nachzulesen hier: Das WIR entscheidet.
      Die SPD hatte ein “Zukunftspaket” über 80 Milliarden Euro beschlossen, um z.B. a) mehr Geld in Bildung und Wissenschaft zu investieren und b) 125.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Von “höhere Steuern für Spitzenverdiener” war auch die Rede; nachlesbar u.a. hier: SPD legt Zukunftspaket über 80 Milliarden Euro auf.
    2. Herr Gabriel sollte vorsichtig mit Prognosen sein – noch ist die Zukunft nicht vorhersehbar. Wieso ausgerechnet die Arbeitnehmerschaft vom angeblich “dauerhaften Aufschwung” profitieren würde, bleibt schleierhaft: Reallöhne 2013 um 0,2 % gesunken. Korrekturen in der Tabelle in den Jahren 2009, 2011 und 2012.
      Mit dieser Regierung bleibt Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten: Es wird lediglich verwaltet, aber nicht gestaltet.
      Diese Erkenntnis nach etwas mehr als 100 Regierungstagen ist bitter. Wieder einmal dürfte insbesondere die SPD die Wählerschaft enttäuschen. Eventuelle Fortschritte sind wohl erst nach einer erneuten Wahl möglich – mit dieser SPD-Spitze ist das allerdings sehr fraglich.
  13. Fast zu Tode verwaltet
    Nach Drama um schwer geschädigtes Flüchtlingskind in Bayern: Gericht verurteilt drei Heimangestellte wegen unterlassener Hilfeleistung.
    Quelle: junge Welt
  14. Zahl der Selbstanzeigen hat sich verdreifacht
    Angst vor Strafverfolgung und steigender Druck auf Geldinstitute haben im ersten Quartal zu einem deutlichen Anstieg der Selbstanzeigen geführt: Die Zahl hat sich im Schnitt verdreifacht. In NRW stellten sich besonders viele reuige Steuersünder.
    Dies geht aus einer Umfrage der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) bei den Landes-Finanzministerien hervor. Demnach gingen in den ersten drei Monaten des Jahres rund 13.000 Selbstanzeigen bei den Finanzämtern ein. Im gleichen Zeitraum 2013 war es nur ein Drittel.
    Besonders stark war der Anstieg im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Hier gab es mit 2656 Selbstanzeigen gleich fünf Mal so viele wie im Vorjahresquartal.
    Quelle: WirtschaftsWoche
  15. Mathias Döpfner: Warum wir Google fürchten
    Zum ersten Mal bekennt hier ein deutscher Manager die totale Abhängigkeit seines Unternehmens von Google. Was heute die Verlage erleben, ist ein Vorbote: Bald gehören wir alle Google. Ein Offener Brief an Eric Schmidt.
    Google ist nicht nur die größte Suchmaschine der Welt, sondern mit Youtube auch die größte Video-Plattform (die gleichzeitig die zweitgrößte Suchmaschine ist), mit Chrome der größte Browser, mit Gmail der meistgenutzte E-Mail-Dienst und mit Android das größte Betriebssystem für mobile Geräte. Ihr Artikel weist zu Recht darauf hin, welche fabelhaften Impulse Google für das Wachstum der Digitalökonomie gegeben hat. Im Jahr 2013 hat Google vierzehn Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Ich ziehe vor dieser herausragenden unternehmerischen Leistung den Hut.
    In Ihrem Text weisen Sie auf die Vermarktungskooperation zwischen Google und Axel Springer hin. Auch wir haben uns darüber gefreut. Der eine oder andere Leser hat das nun aber so interpretiert, dass Axel Springer offenbar schizophren sei: Einerseits ist Axel Springer Teil einer europäischen Kartellklage gegen Google und streitet mit dem Konzern über die Durchsetzung des deutschen Leistungsschutzrechts, das den Inhalte-Diebstahl verbietet, andererseits profitiert Axel Springer nicht nur von dem durch Google entstehenden Traffic, sondern auch bei der Vermarktung von Restplätzen seiner Online-Werbung von Googles Algorithmus. Das stimmt. Man kann das schizophren nennen. Oder liberal. Oder, und das ist die Wahrheit, um es mit einem Lieblingswort unserer Bundeskanzlerin zu sagen: alternativlos…
    Wir kennen keine Alternative, die auch nur ansatzweise vergleichbare technologische Voraussetzungen zur automatisierten Werbevermarktung bietet. Und wir dürfen auf diese Einnahmequelle nicht verzichten, weil wir das Geld dringend für technologische Zukunftsinvestitionen brauchen…
    Google ist das Paradebeispiel eines marktbeherrschenden Unternehmens. Google definiert mit siebzig Prozent Weltmarktanteil die Infrastruktur im Internet. Die nächstgrößte Suchmaschine ist mit 16,4 Prozent Baidu in China – und das deshalb, weil China eine Diktatur ist und den freien Zugang zu Google verbietet. Danach kommen Suchmaschinen mit Marktanteilen von maximal sechs Prozent. Es sind Scheinwettbewerber…
    Quelle: FAZ.NET
  16. “Der Flughafen müsste uns auf Knien danken”
    Vor Kurzem noch forderte er eine zweite Start- und Landebahn, Kostenpunkt mindestens 600 Millionen Euro, weil angeblich immer mehr Menschen in die Luft gehen. Doch jetzt fehlen dem Stuttgarter Airport Flieger und Fluggäste: Flughafenchef Georg Fundel ist unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet – der Traum vom grenzenlosen Wachstum ausgeträumt. Wie kaum ein anderer verkörpert Fundel den Größenwahn, mit dem prestigebehaftete Infrastrukturprojekte hierzulande meist in den Sand gesetzt werden.
    Wenn’s schiefläuft, dann sind immer die anderen schuld…
    Aktuell erwartet selbst Fundel 2014 einen weiteren Rückgang der Passagiere und Flugbewegungen in Stuttgart. “Jetzt wird immer deutlicher, dass der Flughafen in seinem Wachstumswahn mit seinen Prognosen dramatisch danebenlag und dass die Schutzgemeinschaft, wie auch viele kluge Gutachter, diese Stagnation voraussahen”, kritisiert Steffen Siegel, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Filder, die Selbstgefälligkeit des Airportmanagements. Ohne den Widerstand der Schutzgemeinschaft, vieler Bürger und Kommunen auf den Fildern hätte man heute gigantische Baustellen und eine zweite Betonpiste quer über fruchtbarste Filderfelder, erwähnt er. “Der Flughafen müsste uns auf Knien danken, dass wir ihn vor diesem teuren, zerstörerischen und völlig sinnlosen Projekt bewahrt haben”, sagt Siegel. Doch an seine Luftnummern erinnert sich der Flughafenchef anscheinend nicht mehr. “Nirgends ist auch nur ein zartes Wort der Entschuldigung von den Verantwortlichen gegenüber der Filderbevölkerung zu hören, die durch ihren jahrelangen, zeit- und nervenraubenden Widerstand den Flughafen vor einem nie wieder gut zu machenden Fehltritt bewahrt hat und die Filder vor weiterer Zerstörung”, so Siegel.
    Quelle: Kontext:Wochenzeitung

    Hinweis: In der neuen Ausgabe der Kontext:Wochenzeitung wieder spannende Themen, u.a.:

    • S-VM 2021: Interview mit dem viel kritisierten grünen Verkehrsminister Winfried Hermann über das Leben als vielgeprügelter Problembär, den üblen Ton im Landtag und was es mit seinem neuen Nummernschild S-VM 2021 auf sich hat.
    • Der S-21-Sprecher schießt wieder: Der Streit zwischen der Stuttgarter Zeitung und dem S 21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich vor dem Stuttgarter OLG schien beigelegt. Bis einer wieder quer schoss.
    • Zwei Zeitungen im Brustring: Selbst die Kanzlerin musste ran, als Stuttgarter Medien vergangenen Freitag die Aktion “Jetzt Weiß-Rot!” starteten. Die Idee: Rückenwind für den VfB im Kampf ums Überleben in der Bundesliga. Doch schon der Auftakt floppte.
    • Geht’s nicht eine Nummer kleiner?: Die Grünen wollten vom Justizministerium nur Auskunft, ob bei den Ermittlungen rund um den “Schwarzen Donnerstag” alles mit rechten Dingen zugeht. Für CDU und FDP Grund genug, den Fragestellern “massive Einflussnahme auf die Strafjustiz” vorzuwerfen.
    • SS-Fans ohne Kranzabwurfstelle: Erfolg auf der ganzen Linie! Die SS-Gedenksteine an der Götzenburg in Jagsthausen, dem Wohnsitz von Altbundespräsident Roman Herzog (Kontext berichtete), gibt es nicht mehr.
    • Kind des Genozids: Drei Jahre war Betty Ndayisaba alt, als 1994 der Genozid in Ruanda ausbrach. Heute ist Ndayisaba Anfang zwanzig. Was macht eine solche Geschichte mit einer jungen Frau?
    • Kein-Plan-Wirtschaft: Große Unterrichtsreformen finden nur alle zehn, zwölf Jahre statt. Es ist eine große Chance für eine Landesregierung. Fortüne gehöre dazu, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und jede Menge Dilettantismus.
    • Ostern. Western.: Jesus lebt, aber Lenin ist tot. Und heute ist nur noch die Wurst rot. Meint unser Wetterer  Peter Grohmann.
    • Ostermarsch? Ostern marsch, marsch!: Die Ostermärsche, im Jahr 1960 erstmals in der Bundesrepublik gegen atomare Bewaffnung in Ost und West veranstaltet, verlieren seit Jahren an Zulauf. Stattdessen gehen die Menschen während der Osterfeiertage lieber “zum Vergnügen” ins Grüne. Eine Fotoreportage.

    Am Samstag als Beilage zur taz.

  17. Stabilisierung in der Krise: Ökonomische Entwicklung und Wirtschaftspolitik unter den Linksregierungen Lateinamerikas
    Lässt man die letzten 15 Jahre der wirtschaftlichen Entwicklung Lateinamerikas – als relativer Einheit – Revue passieren, so fallen deutlich vier voneinander differierende Subperioden auf: a) die krisenhafte Phase, die in den beiden letzten Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts begann und erst 2002/2003 überwunden wurde, b) die dann beginnende, bis zum Jahr 2008 anhaltende Phase eines hohen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von durchschnittlich fünf bis sechs Prozent, c) die zu konstatierenden Rückschläge infolge des Einwirkens der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise (2008/2009) sowie d) die zunächst rasche und deutliche Erholung mit Wachstumsraten wie in der Vorkrisenzeit (2010/2011), welche dann von 2012 an infolge der verallgemeinerten weltwirtschaftlichen Schwäche in ein moderates Wachstum überging. Jede dieser Subperioden hatte besondere Charakteristika sowohl im internen wie im externen Sektor (binnen- wie außenwirtschaftlich, jW) wie auch hinsichtlich der die ökonomische Entwicklung begleitenden oder sie konterkarierenden Wirtschaftspolitik, insbesondere seitens der Linksregierungen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Sicherlich ist es sinnvoll, dass die “junge Welt” Begrifflichkeiten, die Dieter Boris, der seit langem die wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas beobachtet, wohl vertraut sind (externe Schocks, Portfolioinvestitionen, heterodox), auch dem normalen Leser (in Klammern) erläutert, aber leider hat sich gerade in diesen Erläuterungen ein nicht unwesentlicher Fehler eingeschlichen. Dieter Boris schreibt: “Allerdings haben sich die einseitigen Abhängigkeitsverhältnisse insofern etwas relativiert, als die meisten lateinamerikanischen Länder ihre regionale Exportstruktur in den letzten Jahren erheblich diversifiziert haben”. Gemeint ist, dass die Exportdestinationen sich verändert haben. Boris schreibt dann ja auch, dass der Handel mit den USA rückläufig war, mit der EU stagnierte, während der Handel mit Asien, wie auch der Süd-Süd-Handel anstieg. Die junge Welt erläutert, dass mit dieser Diversifizierung die Umstellung auf neue Produktions- und Produktbereiche gemeint seien. Das wäre natürlich zu schön, aber leider dominieren immer noch Rohstoffe im weitesten Sinne den Export. Wenn man die Exportstruktur Brasiliens anschaut, das mit anderen aufstrebenden Volkswirtschaften zu den BRICS-Staaten gehört, so haben von 2007 -2011 vor allem die SITC-Warengruppen 2+4 (Rohstoffe – ausgenommen Nahrungsmittel und mineralische Brennstoffe; Tierische und pflanzliche Öle, Fette und Wachse) und die Warengruppen SITC 0+1 (Nahrungsmittel und lebende Tiere; Getränke und Tabak) zugelegt, während der Export des modernen Sektors SITC 7 (Maschinen und Fahrzeuge) sehr viel weniger zunahm. 2013 sind Rohstoffe (im weitesten Sinne) sogar auf einen Anteil von 60 Prozent am Gesamtexport angestiegen. Boris legt zwar großen Wert darauf, dass in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Uruguay, Ecuador, Venezuela der Anstieg der Reallöhne, die drastische Erhöhung der Minimallöhne, die Zunahme formeller Arbeitsverhältnisse und die Verbesserung der gewerkschaftlichen Verhandlungsposition für die starke Binnenkonjunktur verantwortlich sei, aber die Frage ist, inwiefern die Entwicklung der Rohstoffpreise nicht eine wesentliche Voraussetzung dieser Entwicklung war.

  18. Viktor Orbáns Alleinherrschaft ist bestätigt
    Ungarns Premier Viktor Orbán wird wieder mit einer Zweidrittelmehrheit regieren können. Das wurde nach Auszählung der Briefwahlstimmen bestätigt. Die Koalition Fidesz/KDNP hat demnach 133 der 199 Sitze gewonnen. Aus 44,36 Prozent der gültigen Stimmen wurden dank neuem Wahlgesetz 66,83 Prozent der Mandate. Die sozialistische MSZP und ihre Verbündeten kommen auf 38 Mandate, die rechtsextreme Jobbik eroberte 23 Sitze, die grüne LMP 5. – Viktor Orbán wird also in den kommenden Jahren Opposition vor allem von der faschistischen Jobbik zu spüren bekommen, die als einzige Partei deutliche Zugewinne erzielen konnte. So ist es wohl kein Zufall, wenn die Budapester Gerüchteküche im künftigen Kabinett des Ministerpräsidenten einen Rechtsruck ausmacht.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Damit kann Viktor Orbán weiterhin im Alleingang die Verfassung ändern. Allerdings dürften die wichtigsten Veränderungen bereits realisiert sein. Allerdings wird Orbán sich in den nächsten Jahren nicht allein mit einer Antiglobalisierungsrhetorik oder der Rede von der Fremdbestimmung durch die EU begnügen können. Für stagnierende Löhne, steigende Kosten für Wasser und Energie oder die Verschuldung Hunderttausender in Fremdwährungen bei schwächelndem Forint müssen reale Lösungen gefunden werden. Leider zeichnet sich keine Neuerfindung der Linken in Ungarn ab.

  19. Aufrufe zum Ostermarsch

    Quelle: Netzwerk Friedenskooperative, Veranstaltungen und Aktionen


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