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Titel: Handelsblatt: „Manager erobern Kontrolle an den Unis“

Datum: 16. Januar 2008 um 9:29 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft
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So titelt am Freitag, den 12. Oktober 2007 das Wirtschaftsblatt: „Die deutsche Wirtschaft gewinnt an Hochschulen mehr und mehr Einfluss: In den neu entstehenden Hochschulräten stellen Manager bereits ein Drittel aller Mitglieder. Von den Vorsitzenden dieser Kontrollgremien kommt sogar fast jeder zweite aus der Wirtschaft. Für die Hochschulen ein Engagement mit Zukunft.“
Am (nicht am selben Tag, sondern) 16. Januar 2008 berichtet die Frankfurter Rundschau: „Mitarbeiter fühlen sich verschaukelt, weil ihr Kandidat nicht in den Hochschulrat darf.“ Ein Gewerkschafter, den die zahlenmäßig größte Gruppe an der Frankfurter Stiftungsuni, die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter, als hochschulinternes Mitglied des Hochschulrates vorgeschlagen hatten, erhielt von der Professorenschaft keine Stimme und fiel durch. Offenbar hätten die Professoren Bedenken gehabt, dass ein Gewerkschafter „nicht genügend Renommee“ für ein Gremium wie den Hochschulrat mitbringt, meint die GEW-Hochschulgruppe.
An der „unternehmerischen“, von Unternehmern gesteuerten Hochschule haben Gewerkschafter nichts verloren. Wolfgang Lieb

Mehrfach habe ich auf den NachDenkSeiten herausgearbeitet, dass mit den neuen Hochschulgesetzen, die einen Hochschulrat als künftiges wichtigstes und oberstes Entscheidungsorgan einer Hochschule vorsehen, man ehrlicherweise statt von einer „unternehmerischen“ eher von einer von Unternehmensführern gesteuerten Hochschule sprechen müsste. Dass man jedenfalls Vertreter anderer gesellschaftlich relevanten Gruppen, etwa der Kirchen, der Sozialverbände, der Kulturschaffenden oder gar der Gewerkschaften vergeblich suchen könne.

Diese Voraussage habe ich schon vor genau zwei Jahren gemacht. Auf vielen Podiumsdiskussionen wurde mir von Ministern, Vertretern der Hochschulleitungen, der Professorenschaft oder auch des Bertelsmann Centrums für Hochschulforschung entgegengehalten, dass in den künftigen „Aufsichtsräten“ der Hochschulen „Impulse aus Wirtschaft und Gesellschaft“ (NRW-Innovationsminister Pinkwart) aufgenommen und als „Transmissionsriemen“ an die Hochschule übertragen werden sollen.

Meine Prognose wurde als zu kritisch, ja sogar als verschwörungstheoretische Behauptung abgetan.

Ich bin dem wirtschaftsfreundlichen Handelsblatt insofern dankbar, dass es meine düstere Prognose nach zwei Jahren Erfahrung mit den neuen Hochschulräten vollständig bestätigt und brauche nur noch zu zitieren:

„Die Liste Prominenter ist lang: An der LMU München – neben TU München und Uni Karlsruhe eine der ersten drei Elite-Unis – wirken der Berater Roland Berger und der Chef der Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard. Den Vorsitz hatte bis vor kurzem der Verleger Hubert Burda inne, ein Nachfolger wird noch gesucht. An der TU München machen BMW-Chef Norbert Reithofer und Susanne Klatten aus der Quandt-Dynastie ihren Einfluss geltend. An der Uni Karlsruhe sitzt Daimler-Chef Dieter Zetsche im Kontrollgremium, ebenso wie Stefan Quandt, Vize-Aufsichtsrat bei BMW. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.“

Weiter:
„Es ist außerordentlich erfreulich, dass die Wirtschaft nun an den Hochschulen Verantwortung übernimmt“, sagt Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger, der den Arbeitskreis Hochschule bei der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber (BDA) leitet. „Hier kooperieren Beschäftigungs- und Bildungssystem ganz eng und ganz praktisch.“ Generell könnten Manager „den Hochschulen helfen, ein Qualitätsmanagement aufzubauen, inklusive einer Erfolgskontrolle, damit am Ende auch gute Studiengänge und Absolventen stehen“, sagt Sattelberger. Daneben könnten die Manager Hochschulen dabei beraten, „wie sie ihre Autonomie ausbauen und dann auch nutzen“ und sich zudem „ein Profil schaffen und damit eine Marke aufbauen“. Ein weiteres Feld sei der Aufbau einer „leistungsorientierten Bezahlung bis hin zu Rat und Tat in der Tarifpolitik“, sagt der Personalvorstand Sattelberger.

Weiter:
„In zwölf Ländern gibt es bereits Hochschulräte, in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Thüringen läuft der Aufbau. Nur Bremen sieht kein solches Gremium vor. Der Betriebswirtschaftler Werner Nienhueser von der Uni Duisburg-Essen hat die Zusammensetzung von 57 Räten mit 463 Mitgliedern untersucht. Er zeigt, dass die Uni-Angehörigen – Professoren, Mitarbeiter und Studenten – mit 41 Prozent die weitaus größte Gruppe stellen. Bereits auf dem zweiten Platz folgen Vertreter aus Unternehmen mit 33 Prozent. Generell gilt dabei: Je mehr Forschung die Uni im Auftrag Wirtschaft treibt, desto mehr Manager sitzen auch im Hochschulrat. Diese kommen fast alle aus Unternehmen – kaum aus Verbänden. An dritter Stelle folgen Politiker, Vertreter der Öffentlichen Verwaltung und Richter.
Unter ferner liefen rangieren dagegen die Gewerkschaften: Sie stellen nur jeden hundertsten Hochschulrat.“

Dass etwa Gewerkschaften als gesellschaftliche Gruppe nicht zur „unternehmerischen“ Hochschule passen, beweist das jüngste Scheitern eines Gewerkschafters als hochschulinterner Vertreter im Hochschulrat der „Stiftungsuniversität“ Frankfurt. Das belegt, dass die Aufsichtsräte an den Hochschulen sozusagen noch nicht einmal dem Stand einer neuzeitlichen Unternehmensverfassung genügen, sondern sozusagen in die frühkapitalistische Zeit des unternehmerischen „Herr im Haus“-Standpunktes zurückfallen.

Die Gefahr, dass die „unternehmerische“ Hochschule, eine von Unternehmensvertretern gesteuerte Hochschule werden könnte sieht, „die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, nicht.“

Diese der eingetretenen Wirklichkeit widersprechende Aussage, der Präsidentin der HRK verwundert allerdings nicht. Ist diese selbsternannte Repräsentanz der Hochschulleitungen doch Kooperationspartner des Bertelsmannschen Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und firmiert als Anhängsel unter deren Kopfbogen.

Das CHE war wiederum zusammen mit dem wissenschaftspolitischen Arm der Unternehmerverbände, dem „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“ der spiritus rector für die „Governance Struktur“ bzw. des „New Public Management“- Modells, das z.B. mit dem Hochschulratsmodell, in nahezu alle neuen Hochschul-„Reform“-Gesetze Eingang gefunden hat.

Wie das geschehen konnte, habe ich gleichfalls mehrfach beschrieben.


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