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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. Juni 2017 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Sahra Wagenknecht über Unsicherheit durch Überwachungsmaßnahmen
  2. »Vermögenssteuer ist überfällig«
  3. Jobcenter verhängten Hartz-IV-Sanktionen in Höhe von zwei Milliarden Euro
  4. Mindestlohn: Mehr als Geld
  5. Debatte Reform der Jugendhilfe: Kinder stärken statt den Staat
  6. Europäischer Gerichtshof: Rückenwind für die Mitbestimmung
  7. Wohnungsnot wächst auch außerhalb der Großstädte
  8. Ausländischer Name erschwert die Wohnungssuche
  9. 600 Hochhäuser haben Fassade wie Grenfell Tower
  10. EU-Gipfel: Lage der Flüchtlinge in Libyen: “Die Menschen schlafen in Schichten”
  11. Todsicheres Herkunftsland
  12. Keine Punkte gegen Trump: Amerikas Demokraten in der Krise
  13. Wie aus Millionenspenden an Parteien olle Kamelle für Bürger werden
  14. Umstrittene TV-Doku – Diskussion über Antisemitismus
  15. Warum schweigt ihr bei Schäuble, liebe Rollifahrer?
  16. Rezension: Falsche Versprechen. Wachstum im digitalen Kapitalismus
  17. Union ohne Programm: Mehltau mit Merkel

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sahra Wagenknecht über Unsicherheit durch Überwachungsmaßnahmen
    Immerhin Ehrgeiz haben Frau Merkel und ihre Kabinetts-Kollegen. Kurz vor der Sommerpause des Bundestages wollen sie sich offenbar noch ein weiteres ‚Prädikat‘ verdienen. Ihr Ziel: nicht nur als Große Koalition des Staatsversagens, der Aufrüstung und der sozialen Spaltung in die Geschichtsbücher eingehen, sondern auch noch als Große Koalition des Grundrechte-Abbaus, die die wohl weitreichendsten Überwachungsmaßnahmen seit dem ‚großen Lauschangriff‘ beschließt. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass der Staat künftig im Bereich der Strafverfolgung Mobilgeräte hacken, dort Wanzen installieren und Betroffene auf diese Weise ausspähen kann. Es ist ein Trugschluss, dass solche Staatstrojaner unsere Sicherheit erhöhen. Richtig ist vielmehr: Um hacken zu können, muss man gezielt IT-Sicherheitslücken kennen. Dafür gibt es einen Schwarzmarkt, den bislang Kriminelle nutzen – und künftig auf Wunsch von Innenminister de Mazière dann eben auch Polizisten. Im Ergebnis führt das zu einer Kultur der IT-Unsicherheit für uns alle – und das kann schnell zu ganz realer Unsicherheit und Gefahr werden. Mein Fazit: Solch eine Politik ist fahrlässig und gehört gestoppt. Noch ein Grund mehr, den dafür verantwortlichen Politiker bei der Wahl im Herbst eine deutliche Klatsche zu verpassen!
    Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook

    dazu: Der Staatstrojaner ist ein Einbruch ins Grundrecht
    Heimlich, still und leise beschließt der Bundestag ein Gesetz, das Computer und Handys zu staatlichen Spionageanlagen macht. Das ist ein Skandal.
    Man soll nicht bei jeder Gelegenheit von einem Skandal reden. Aber das, was heute am späten Nachmittag im Bundestag geschehen soll, ist eine derartige Dreistigkeit, dass einem die Spucke wegbleibt. Ein Gesetz mit gewaltigen Konsequenzen, ein Gesetz, das den umfassenden staatlichen Zugriff auf private Computer und Handys erlaubt, wird auf fast betrügerische Weise an der Öffentlichkeit vorbeigeschleust und abgestimmt.
    Heimlich, still und leise wurden Regeln über das staatliche Hacking, über die Einführung von Staatstrojanern und die Einführung der Online-Durchsuchung an ein schon laufendes, harmlos klingendes Gesetzgebungsverfahren angehängt; in diesem Gesetz ging es ursprünglich vor allem darum, dass künftig die Fahrerlaubnis auch bei Delikten weggenommen werden kann, die mit dem Straßenverkehr nichts zu tun haben.
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen

    Anmerkung unserer Leserin H.K.: Die Methode, einzelne kritische Gesetze, quasi durch die Hintertür in ein Gesetzespaket hineinzuschmuggeln, hat sich schon bei der GG-Änderung zur Autobahnprivatisierung „bewährt“. Bundestag und Bundesrat haben sich „erpressen“ lassen. Wer oder was hat sie dazu genötigt? Demokratie, Rechtstaat und bürgerliche Freiheitsrechte werden etappenweise demontiert. Die Attacken nehmen kein Ende. Wird das Gesetz beschlossen, ist es evident grundrechtswidrig. Das muss allen Abgeordneten bewusst sein. Es wäre ein weiterer Fall von (versuchtem) Machtmissbrauch durch Legislative und Exekutive. Wird das Gesetz verabschiedet, wartet auf das BVerfG noch mehr Arbeit. So wächst noch mehr Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den gewählten „Repräsentanten“. Sie bringen sich selbst in Verruf.

  2. »Vermögenssteuer ist überfällig«
    Linkspartei fordert sanktionsfreie Grundsicherung, höheren Mindestlohn und will Reiche zur Kasse bitten. Gespräch mit Sabine Zimmermann
    Unter dem Motto »Umsteuern: Armut stoppen, Zukunft schaffen« findet am 27. und 28. Juni in Berlin der zweite Armutskongress statt, der von verschiedenen Sozialverbänden und Gewerkschaftsgliederungen veranstaltet wird. Bleiben wir beim Motto der Konferenz: Wie lässt sich Ihrer Meinung nach Armut stoppen und Zukunft schaffen?
    Da braucht es natürlich ein ganzes Maßnahmenbündel. Arbeit muss wieder existenzsichernd werden. Vor allem muss auch der Altersarmut endlich der Kampf angesagt werden. Die gesetzliche Rente muss gestärkt und armutsfest gemacht werden, unter anderem durch Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 53 Prozent, Abschaffung der Kürzungsfaktoren und der Rente ab 67 sowie die Einführung einer solidarischen Mindestrente in Höhe von 1.050 Euro. Es ist eine Frage des grundlegenden Anstands in unserer Gesellschaft, dass Menschen, die lange Jahre und Jahrzehnte schwer gearbeitet haben, Anerkennung erfahren für ihre Lebensleistung. Aber auch die soziale Absicherung muss auf eine neue Grundlage gestellt werden. Statt Hartz IV braucht es eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die wirklich vor Armut schützt und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Nicht zuletzt ist auch ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, mit existenzsichernden Arbeitsplätzen, längst überfällig.
    Quelle: junge Welt

    dazu: SPD-Linker über neues Steuerkonzept: „So, wie jetzt, ist es nicht fair“
    Matthias Miersch hält eine Vermögensteuer für notwendig. Bei Normalverdienern dürfe nicht der Eindruck entstehen, der SPD sei Ungleichheit egal.
    Quelle: taz

    Anmerkung André Tautenhahn: Eigentlich liegt das Problem darin, dass Miersch mal wieder den Eindruck erweckt, er stehe in Opposition zur offiziellen Parteilinie. Das hat ja schon beim Thema CETA nicht gestimmt. Damals hatte sich Miersch auch lange klar gegen das Handelsabkommen positioniert, um dann doch einen faulen Kompromiss auszuhandeln und als Erfolg zu verkünden.

  3. Jobcenter verhängten Hartz-IV-Sanktionen in Höhe von zwei Milliarden Euro
    Wer Arbeitslosengeld II bezieht, das sogenannte Hartz IV, darf keine zumutbaren Jobangebote oder Ausbildungen verweigern, Termine unentschuldigt versäumen oder zusätzliche Einkommen verschweigen – sonst können die Jobcenter die Auszahlungen kürzen. Von diesen Sanktionen machen sie offenbar ausgiebig Gebrauch. Die Summe der Gelder, die Hartz-IV-Beziehern nicht ausgezahlt wurden, beträgt von 2007 bis 2016 insgesamt 1,9 Milliarden Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann hervorgeht, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.
    Zuletzt stieg die Jahressumme der Sanktionen um mehr als vier Millionen auf knapp 175 Millionen Euro 2016. Die Zahl schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 204 und 170 Millionen Euro.
    Im Jahr 2016 gab es im Jahresdurchschnitt rund 134.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit mindestens einer Sanktion. 2007 waren es erst 123.000 gewesen. Einen Höchstwert gab es 2012 mit 150.000. Gut 939.000 Sanktionen wurden 2016 neu verhängt, diese Zahl schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 783 000 und 1,02 Millionen. Die durchschnittliche Sanktionshöhe betrug im vergangenen Jahr 108 Euro. (…)
    Zimmermann sagte: “Grundrechte kürzt man nicht.” Die Sanktionen verstießen insbesondere gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, sagte sie der dpa. Anstatt die erwerbslosen Menschen mit Sanktionsinstrumenten permanent unter Druck zu setzen, sollte die Bundesregierung daran arbeiten, wie mehr und fair entlohnte Arbeitsplätze entstehen können. Die Sanktionen müssten abgeschafft werden, forderte die Vizefraktionschefin der Linken.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Vermutlich wird das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum Leute wie Herrn Schäuble nicht davon abhalten, am status quo der Sanktionen festzuhalten. Der Bundesfinanzminister wird sich angesichts dieser Meldung vielleicht sogar die Hände reiben – schließlich kann er so “sparen”. Und wurden mit diesen fast 2 Milliarden z.B. mehr Steuerfahnder eingestellt? Leider nicht, das würde ja seine Wählerklientel erschrecken, oder?

  4. Mindestlohn: Mehr als Geld
    Der Mindestlohn bringt Beschäftigten nicht nur eine bessere Bezahlung. Auch die Wertschätzung durch Vorgesetzte oder das Betriebsklima beeinflusst er positiv.
    Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit von Niedriglohnbeschäftigten haben sich mit dem Mindestlohn verbessert. Das zeigen WSI-Forscher Toralf Pusch und Miriam Rehm von der Arbeiterkammer Wien in einer empirischen Studie. Die Wissenschaftler haben Angaben von mehr als 340 Beschäftigten ausgewertet, die 2014 weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienten und nach dem 1. Januar 2015 im gleichen Job weiterarbeiteten. Die Daten stammen aus dem Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS), für das die Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr repräsentativ ausgewählte Niedriglohnbeschäftigte befragt. Um zu kontrollieren, welche Effekte wirklich auf dem Mindestlohn beruhen, verglichen Pusch und Rehm die Antworten der zum Mindestlohn Beschäftigten mit denen von rund 440 vergleichbaren Arbeitnehmern, die 2014 zwischen 8,50 und 13 Euro in der Stunde erhielten. Die zentralen Ergebnisse lauten:
    Der Stundenlohn der befragten Niedrigverdiener stieg von durchschnittlich 6,70 Euro brutto pro Stunde auf im Mittel 8,20 Euro im Jahr 2015. Der Mittelwert von weniger als 8,50 Euro zeigt zwar, dass der Mindestlohn im Jahr seiner Einführung noch nicht überall gezahlt wurde. Die Verbesserung um gut 22 Prozent übertraf trotzdem das durchschnittliche Lohnwachstum in der Vergleichsgruppe (3,7 Prozent) um ein Vielfaches.
    Quelle: Böckler Impuls
  5. Debatte Reform der Jugendhilfe: Kinder stärken statt den Staat
    Die geplante Reform der Kinder- und Jugendhilfe ist eine beispiellose Verschlimmbesserung. Die Warnungen der Fachwelt werden ignoriert.
    Die Fachwelt kämpft seit August 2016 in großer Einigkeit gegen eine familienfeindliche Sparreform der Kinder- und Jugendhilfe, die die Rechte der Betroffenen schwächen und die Eingriffsrechte des Staates stärken will. Diese Reform wird das Gegenteil dessen bewirken, was sie verspricht. Unter dem Namen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sollen Rechtsansprüche auf Hilfen zur Erziehung eingeschränkt, Leistungen für junge Erwachsene abgebaut und Eingriffe in das Sorgerecht und die dauerhafte Unterbringung in Heimen erleichtert werden. Damit würde die schon bestehende Schieflage, dass es immer weniger präventive Hilfen und immer mehr Eingriffe in Familien gibt, noch erheblich verschärft.
    Schon jetzt ist die Situation desolat: So sind allein von 2006 bis 2015 über 3.200 Jugendhäuser, Abenteuerspielplätze und Spielmobile, die gerade für Familien in Deutschlands Armutsregionen eine wichtige Alltagsentlastung darstellen, eingespart worden. Gleichzeitig steigt die Zahl der Sorgerechtsentzüge und Inobhutnahmen von Jahr zu Jahr. Dabei hat das System gerade hier eine Schwäche: Fast jede zweite Unterbringung in Heimen und Pflegefamilien muss ungeplant beendet werden. Die Verweildauer in Heimen hat sich von durchschnittlich 27 auf 20 Monate, die in Pflegefamilien von 50 auf 40 Monate verkürzt. […]
    Die Entstehungsgeschichte des KJSG ist ein Lehrstück organisierter Unverantwortlichkeit von Bund, Ländern und Kommunen. Die hehren Reformziele passen nicht zu den Machtfantasien von staatlicher Steuerung. Dazu kommt noch die gegenseitige Schuldzuweisung, wenn es um die Finanzierungsfolgen geht. Das Chaos wird auch deutlich an den über 50 Änderungsanträgen des Bundesrates und den Stellungnahmen von Kommunen und Ländern sowie der Reaktion der Bundesregierung.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Die hohe Kinderarmut spielt in dieser Reform keine Rolle und wird auch nicht benannt, obwohl sie einer der Hauptgründe für Hilfebedarfe ist.” – Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird der Elefant im Raum nicht benannt. Besser wäre Hilfe für die überforderten, armen Familien – noch viel besser wäre zu verhindern, dass Familien überhaupt arm werden, vor allem durch höhere Löhne, bessere Sozialleistungen und Abschaffung des grauenhaften Hartz-IV-Zwangssystems. Aber das wäre ja Ursachenbekämpfung statt Herumdoktern an den Symptomen.

  6. Europäischer Gerichtshof: Rückenwind für die Mitbestimmung
    Lässt sich die Mitbestimmung im Aufsichtsrat durch EU-Recht aushebeln? Ein TUI-Kleinaktionär hat das versucht, seine Klage wird zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt. Dass er sich durchsetzt, ist allerdings unwahrscheinlicher geworden: EuGH-Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe hat in seinen Schlussanträgen am 4. Mai klar gegen das Ansinnen des Klägers Position bezogen. Der Generalanwalt unterstützt den EuGH bei seiner Entscheidungsfindung. Seine Empfehlungen sind zwar nicht bindend, häufig folgt der Gerichtshof aber seiner Linie. Die Rechtswissenschaftler Rüdiger Krause von der Universität Göttingen und Bernard Johann Mulder von der Universität Oslo haben das Votum des Generalanwalts für die Hans-Böckler-Stiftung kommentiert.
    Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Unternehmensmitbestimmung ausländische Beschäftigte von deutschen Konzernen diskriminiere und gleichzeitig die einheimischen Beschäftigten in ihrer Freizügigkeit einschränke. Die Begründung: Arbeitnehmer im Ausland dürften nicht mitwählen, Arbeitnehmer in Deutschland würden an einem Wechsel ins Ausland gehindert, wenn sie dadurch ihr Wahlrecht verlieren. Beide Argumente teilt der Generalanwalt nicht.
    Quelle: Böckler Impuls
  7. Wohnungsnot wächst auch außerhalb der Großstädte
    In den Ballungsräumen sind Wohnungen knapp. Doch auch fernab der großen Städte spitzt sich die Lage zu, zeigt eine neue Studie.
    Wohnungen werden auch außerhalb von Ballungsräumen einer Studie zufolge knapper und teurer. In einem Drittel der regionalen Wohnungsmärkte fehlt Wohnraum, wie das Gutachterinstitut Prognos ermittelt hat. Demnach ist die Situation in 138 Städten und Kreisen problematisch. Selbst für Haushalte mit mittleren Einkommen werde es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden, heißt es in der Analyse, die Prognos am Donnerstag beim Wohnungsbautag in Berlin vorstellen sollte und der Deutschen Presse-Agentur vorlag. „Das Phänomen des Wohnungsmangels geht dabei deutlich über die Metropolen und Ballungsräume hinaus.“
    In Auftrag gegeben hat die Studie das Verbändebündnis Wohnungsbau, zu dem sieben Verbände und Organisationen der Bau- und Immobilienbranche gehören. In den sieben Städten mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – kann sich laut Studie eine Familie mit einem mittleren Einkommen von 2168 Euro netto weniger als 70 Quadratmeter leisten.
    Quelle: FAZ

    dazu: Wohnraumbedarf in Deutschland: “Letzten drei Bundesregierungen haben ein Stück weit versagt”
    Es würden ganz konkret eine Million Wohnungen in Deutschland fehlen, sagte Robert Feiger, Chef der Gewerkschaft IG Bauen, Agrar und Umwelt, im Dlf. Er fordert eine Erhöhung der Abschreibung auf Immobilien, um Investments attraktiver zu machen.
    Quelle: Deutschlandfunk

  8. Ausländischer Name erschwert die Wohnungssuche
    Menschen mit einem ausländischen Namen haben es laut einer großen Studie in Deutschland deutlich schwerer, eine Wohnung zu finden. „Besonders hart trifft es Wohnungssuchende mit türkischer oder arabischer Herkunft. In jedem vierten Fall, in dem ein Deutscher eine Einladung zu einer Besichtigung erhält, werden sie übergangen“, berichteten Datenjournalisten des Bayerischen Rundfunks (BR) und des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ am Donnerstag.
    Die Autoren hatten 20 000 Anfragen mit erfundenen deutschen und nicht-deutschen Profilen an private und gewerbliche Anbieter in zehn großen Städten – darunter auch Frankfurt – geschickt. Rund 8000 Antworten erhielten sie.
    „Zusätzlich zur Nationalität spielt auch das Geschlecht eine wichtige Rolle“, erläuterten die Verfasser der Studie. „Türkische Männer werden stärker diskriminiert als türkische Frauen. Auch bei unseren arabischen Testpersonen stellen wir eine Tendenz zu einer stärkeren Benachteiligung von Männern fest.“ Unterschiede traten auch zwischen privaten und gewerblichen Anbietern auf. „Wir haben festgestellt, dass Privatpersonen ausländische Bewerber stärker diskriminieren als Makler, Hausverwaltungen oder Wohnungsunternehmen.“
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Christian Reimann: Und noch schwieriger dürfte die Suche – eigentlich das Finden einer Wohnung – für Personen mit ausländischen Namen werden, wenn z.B. Arbeitslosigkeit vorliegt.

  9. 600 Hochhäuser haben Fassade wie Grenfell Tower
    Die britischen Behörden gehen davon aus, dass rund 600 Hochhäuser allein in England eine ähnliche Fassadenverkleidung wie der ausgebrannte Grenfell Tower in London haben.
    Die Regierung habe Tests bei 100 Hochhäusern pro Tag veranlasst, sagte die britische Premierministerin Theresa May am Donnerstag im Londoner Parlament, die Ergebnisse würden binnen Stunden vorliegen. Bei Mängeln würden Eigentümer und Bewohner umgehend informiert.
    Quelle: Welt Online
  10. EU-Gipfel: Lage der Flüchtlinge in Libyen: “Die Menschen schlafen in Schichten”
    Auf dem Weg nach Europa kommen 90 Prozent der Flüchtlinge über Libyen. Die Menschenrechtslage dort sei furchtbar, so der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler. Auch deshalb sei es wichtig, auf dem EU-Gipfel zu einem strategischen Übereinkommen mit der Regierung zu kommen. […]
    Aber dann natürlich das Allerwichtigste: Zu fragen, warum gehen die Leute denn nach Libyen, auf diesen gefährlichen Weg nach Europa? Die Grundursachen in den Ursprungsländern bekämpfen. Eritrea, Somalia, Niger, Nigeria – warum kommen sie denn? Und hier ansetzen, aber wirklich, nicht kleckern, sondern klotzen, mit den Ländern, aus denen diese Flüchtlinge kommen, und hier gute Bedingungen schaffen, ein Leben aufbauen.
    Wenn ich mit den Flüchtlingen rede, warum seid ihr denn gekommen, dann sagen sie, weil wir nichts zu essen haben, oder weil wir politische Probleme haben oder weil wir Terrorismusprobleme haben. Und da muss die Europäische Union ran, da muss die internationale Gemeinschaft ran, in partnerschaftlichen Weisen mit den Anrainerstaaten, mit den Ursprungsländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, hier zusammenzuarbeiten, um ihre Probleme dort zu lösen.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  11. Todsicheres Herkunftsland
    Steigende Zahl von Attentaten in Afghanistan. UNO warnt vor gefährlicher Lage. Bundesregierung will weiter Menschen an den Hindukusch abschieben
    Krieg und Terror peinigen die Afghanen in ihrer Heimat. Die Sicherheitslage ist schlechter denn je. Erst am gestrigen Donnerstag kamen bei einem Autobombenanschlag in der Provinz Helmand mindestens 36 Menschen ums Leben. Über 59 Personen wurden verletzt. Unter den Opfern befanden sich neben Soldaten und Polizeibeamten auch Zivilisten. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch dieser Terrorakt auf das Konto der Taliban geht. Sie kontrollieren etwa 80 Prozent der besagten Provinz.
    Der deutschen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ist die gefährliche Lage in Afghanistan jedoch egal. Wie Spiegel Online und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) gestern übereinstimmend berichteten, sollen am kommenden Mittwoch erneut Flüchtlinge aus Deutschland ins Kriegsgebiet abgeschoben werden. So sei ein Abschiebeflug nach Kabul geplant.
    Quelle: junge Welt
  12. Keine Punkte gegen Trump: Amerikas Demokraten in der Krise
    Amerikas Demokraten wundern sich: Warum profitieren sie nicht von Donald Trumps Skandalen? Dabei hat Hillary Clintons einstiger Gegenkandidat Bernie Sanders vorgeführt, was die Partei jetzt braucht. […]
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Ganz einfache Frage, weshalb sollten Menschen, die mit Arbeitslosigkeit, prekären Jobs, Schulden, schlechter bzw. keiner Gesundheitsvorsorge zu kämpfen haben, deren Kinder nur davon träumen können, jemals in Harvard oder Yale zu studieren, Vertreter einer linksliberalen Elite, die sie im Grunde verachtet, als ihre Interessenvertreter ansehen?

  13. Wie aus Millionenspenden an Parteien olle Kamelle für Bürger werden
    Erst am 15. Juni 2017 veröffentlichte die Bundestagsverwaltung die Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien für das Jahr 2015. Das ist ein neuer Verspätungsrekord. Und auch jetzt kommen die Zahlenwerke wieder nur sehr unzureichend den Forderungen des Grundgesetzes (Art. 21 Abs. 1) und des Bundesverfassungsgerichts nach, dass die Wähler/innen sich über finanzielle Einflussnahmen auf die Parteien informieren können sollen. (…)
    Nur Großspenden, die in Einzelbeträgen von mehr als 50.000 Euro fließen, werden zeitnah veröffentlicht. Die Folge: Über 90 Prozent aller Großspenden über 10.000 Euro wurden jetzt erst bekannt – zwei Jahre, nachdem das Geld geflossen ist. 70 Prozent der Spenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden bleiben auch weiterhin anonym, da sie unterhalb der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro pro Spender und Partei blieben. Komplett im Dunkeln bleibt, wieviel die Parteien im Einzelnen an Sponsorengeldern eingenommen haben. Stichproben zeigen, dass Sponsoring inzwischen die Größenordnung von Großspenden erreicht hat und teils um ein Vielfaches übersteigt. Dennoch erscheinen die Sponsor-Millionen nur in verschiedenen anonymen Sammelposten der Rechenschaftsberichte („Einnahmen aus Veranstaltungen und Publikationen“, „Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit“, „Einnahmen aus Beteiligungen“). Anders gesagt: Niemand erfährt, welcher Sponsor wieviel und wofür gezahlt hat. Im vergangenen Jahr hatte der Sponsor-Skandal „Rent-a-Sozi“ um käuflichen Zugang zu SPD-Spitzenpolitikern erneut gezeigt, dass das intransparente Sponsoring auch als Deckmantel für Einflussgeschäfte dient, die mit demokratischem Fair Play nicht vereinbar sind.
    Wir fordern: Spenden und Sponsorzahlungen sollen ab 10.000 Euro sofort und namentlich veröffentlicht werden, ab 2.000 Euro in den Rechenschaftsberichten. Diese Transparenzpflicht muss auch für Sponsoreinnahmen gelten, die über parteieigene Firmen und assoziierte Vereine fließen. Der Verkauf des Kontakts zum eigenen politischen Personal unter dem Deckmantel des Sponsoring muss ausdrücklich untersagt werden.

    Quelle: LobbyControl
  14. Umstrittene TV-Doku – Diskussion über Antisemitismus
    Es gibt eine große Debatte um die umstrittene Arte/WDR-Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“. Der Film hat Fragen auf vielen Ebenen aufgeworfen – inhaltlich, aber vor allem in Bezug auf die journalistische Sorgfaltspflicht. Macht sich tatsächlich ein neuer Antisemitismus in Deutschland und Europa breit? Kann der Film seine Thesen belegen oder gibt es handwerkliche Mängel? Das Grimme-Institut greift die Kontroverse über den Film auf und wird mit einer Runde Journalisten und Beteiligten nicht nur über den Film, sondern auch über den Umgang mit diesem diskutieren. Es geht in der Debatte um das Verhalten der Senderverantwortlichen, die kritische Bewertung des Inhalts der Dokumentation sowie ihre Vorab-Veröffentlichung auf der Internetseite der Bild-Zeitung. In der Volkshochschule Bonn soll es um zentrale Fragen der Verantwortung der Medien gehen, die im Spannungsfeld zwischen Programmauftrag, redaktioneller Freiheit und gesellschaftlicher Verpflichtung agieren. Dazu diskutieren unter anderem Grimme-Direktorin Frauke Gerlach, WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, die Journalisten Fitz Wolf, René Martens und Mirna Funk.
    Quelle: WDR
  15. Warum schweigt ihr bei Schäuble, liebe Rollifahrer?
    Man muss sich nicht für Dinge rechtfertigen, die andere getan haben
    Die Muslime und ihre Verbände haben sich also letzte Woche mal wieder nicht ausreichend vom Islamismus distanziert. Der Innenminister zeigte sich enttäuscht. Der Justizminister forderte indes eine klare Haltung. Die Leitmedien skandalisierten eifrig hinterher: Ja warum distanzieren sie sich denn nicht? Deutsche Christen haben sich nach der NSU-Geschichte doch auch distanziert. Gut, sie marschierten nicht auf Demos mit und hielten als Parole »Je ne suis pas Nazi!« in die Luft. Niemand ist schließlich ein Nazi, bis das Gegenteil bewiesen ist. Man muss sich außerdem nicht für Dinge rechtfertigen, die andere getan haben. Verursacherprinzip und so. Nein, sie zeigten schlicht Betroffenheit – so nennt man die Distanzierung in Fällen wie jenen. Viele blieben damals daheim, aber kein Minister verurteilte diese Stubenhocker. […]
    Die kollektive Aufforderung zur Distanzierung trägt im Kern folgendes Motto: Mach das, was sollen sonst die anderen von dir denken. Das ist so provinziell. Das ist so Fünfziger.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  16. Rezension: Falsche Versprechen. Wachstum im digitalen Kapitalismus
    Die falschen Versprechen des digitalen Kapitalismus: Philipp Staab blickt in seinem Buch “Falsche Versprechen” hinter die Fassade der digitalen Glitzerwelt – dahinter lauern altbekannte Probleme in neuem Gewand.
    In seinem Essay „Falsche Versprechen. Wachstum im digitalen Kapitalismus“ geht der Soziologe Philipp Staab der Frage nach, ob die Digitalisierung das Versprechen eines neuen Wachstumsschubes halten kann. Die Digitalisierung identifiziert Staab zunächst als „neuen Messias des Wachstums“ (S. 15f). Sie strukturiere jedoch nicht nur die Ökonomie, sondern auch große Teile staatlicher Verwaltungsprozesse. So stelle beispielsweise Amazon über seinen Cloud-Computing-Dienst Amazon Web Services in den USA einen bedeutenden Teil der digitalen Infrastruktur des amerikanischen Verwaltungs- und Regierungsapparates. Ausgehend von dieser Feststellung entwickelt Staab auch seine Theorie des „digitalen Kapitalismus“ weiter, deren Grundsteine er bereits in anderen Texten gelegt hat (zum Beispiel Nachtwey/Staab 2016). Dieses Konzept definiert er provisorisch als die „Durchsetzung und Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien und der mit ihnen verbundenen ökonomischen und ideologischen Dynamiken“ (S. 11). Als treibende Kräfte der Entwicklung hin zu einem digitalen Kapitalismus beschreibt er die großen Internetunternehmen Amazon, Google und Apple, da diese Basistechnologien anbieten, die in den verschiedensten Kontexten genutzt werden und durch ihre enormen finanziellen Kapazitäten die Macht haben, weitgehende Umstrukturierungsprozesse in Gang zu setzen. Als wesentliche politisch-ökonomische Triebkraft hinter dem digitalen Kapitalismus identifiziert Staab das Konsumptionsproblem. Damit bezeichnet er den Widerspruch, dass sich einerseits die Produktivkräfte rasch entwickeln, sich andererseits aber die Nachfrage nicht entsprechend steigert. Aufgrund dieses Dilemmas geht mit der Entwicklung der Produktivkräfte nicht automatisch eine Steigerung des ökonomischen Wachstums einher. Die zentrale These von Staabs Essay ist nun, dass der digitale Kapitalismus verspreche, dieses Problem durch die Rationalisierung des Konsums zu beheben.
    Quelle: annotazioni
  17. Union ohne Programm: Mehltau mit Merkel
    Ihre Partei gähnt vor Langeweile, sie selbst glänzt derzeit durch Nichtstun – und trotzdem sind CDU und Angela Merkel wieder obenauf. Doch die Kanzlerin hat keine weitere Amtszeit verdient. […]
    Angela Merkel ist jetzt seit zwölf Jahren Kanzlerin, sie ist beliebt, und auf den ersten Blick steht Deutschland fabelhaft da. Doch dass die internationale Presse sie feiert und sie als Führerin der freien Welt geachtet ist, verstellt den Blick darauf, dass sie zu Hause nicht viel mehr liefert, als regelmäßig schöne Bilder. […]
    Was ist Merkels Antwort auf die Frage, wie junge Familien in Metropolen noch Mieten bezahlen sollen? Was ist Merkels Antwort auf die Frage, warum viele Akademiker nach langer Ausbildung nur einen befristeten Job nach dem anderen bekommen? Warum nimmt sie es als vollkommen normal hin, dass jeder fünfte Arbeitnehmer in Vollzeit mit seinem Einkommen den Lebensunterhalt nicht allein bestreiten kann? Ohne Mindestlohn, der gegen den erklärten Willen der Union durchgesetzt wurde, wäre diese Zahl noch höher.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich kann die Einschätzung des Autors nicht nachvollziehen, “auf den ersten Blick steht Deutschland fabelhaft da”. Auf den ersten Blick gibt es in Deutschland Massenarbeitslosigkeit, Altersarmut und Kinderarmut ohne Ende, einen exorbitanten Leistungsbilanzüberschuss und eine zerfallende Infrastruktur: auf den ersten Blick geht es Deutschland und seinen Bewohnern deutlich schlechter als noch vor 20 Jahren. Im Übrigen führt der Autor dann gleich die vielen, vielen Probleme auf, die dringend angegangen werden müssten, Lohnarmut und Niedriglohnsektor, Missbrauch von Werkverträgen, die hohen Mieten, sachgrundlose Befristung, die mangelhafte Internetversorgung, das bewusste Versagen beim Klimaschutz usw. Warum meint der Autor eigentlich, die vorherigen Amtszeiten von Merkel, die zu den beschriebenen großen Problemen geführt haben, wären besser gewesen???


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