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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 1. September 2011 um 9:27 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute u. a. zu folgenden Themen: Steuer-Debatte, nur wenige besitzen fast alles, Mindestlohn, bessere Arbeit ist möglich, Arbeitsmarkt, am Rande der Realität, wie der Aufstand der Jugend erklärt wird, Alterssicherung, Bürgerversicherung, Krankenhausversorgung, Griff in die Mottenkiste, Riesendesaster für Telekom, ein Pfarrer gegen Rechts von der Staatsmacht verfolgt, Stuttgart 21, FDP und Westerwelle, Rankings, Fukushima, Menschen als Versuchskaninchen der USA, LobbyControl ausgezeichnet, zu guter Letzt. (RS/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Steuer-Debatte
  2. Nur wenige besitzen fast alles
  3. Union zahlt Mindestlohn
  4. Bessere Arbeit ist möglich
  5. Arbeitsmarkt im August 2011
  6. Jobcenter Bamberg nicht nur am Rande der Legalität
  7. Tom Strohschneider: 1968, Gewalt, Rotstift: Wie der Aufstand der Jugend erklärt wird
  8. Alterssicherung: Denn eins ist sicher – der Rentenschock
  9. Studie: Beitrag für Versicherte könnte sinken
  10. Anhaltender Umbruch in der Krankenhausversorgung
  11. Griff in die Mottenkiste
  12. Riesendesaster für Telekom
  13. Ein Pfarrer gegen Rechts: Von der Staatsmacht verfolgt
  14. Stuttgart 21 – Rückbau der Gleise nicht genehmigt
  15. FDP und Westerwelle
  16. Rankings: “Das ist nicht seriös”
  17. Fukushima sucht nach einer Atommüll-Deponie
  18. Menschen als Versuchskaninchen der USA
  19. LobbyControl wird mit dem Fairness-Initiativpreis 2011 ausgezeichnet!
  20. Zu guter Letzt: Chin Meyer erklärt “Finanzblase”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steuer-Debatte
    1. Reiche Deutsche wollen mehr Steuern zahlen
      Wer viel verdient, soll mehr abgeben: Nach der Debatte in den USA und Frankreich fordern nun auch in Deutschland prominente Millionäre höhere Steuern. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehört unter anderem der Popstar Marius Müller-Westernhagen.
      Quelle: Spiegel-Online

      Anmerkung JK: Wie nicht anders zu erwarten schlägt diese Debatte nun auch in Deutschland auf. Die NDS hatten den richtigen Riecher und haben dazu ja schon entsprechenden kommentiert.
      Ich würde aber unbedingt noch einmal darauf hinweisen, dass dies ein Ablekungsmanöver ist, das von der Mainstreampresse natürlich begierig aufgenommen wird. Sieht man die nachfolgenden Zitate reiht sich das ganze nahtlos in die Schuldenkrisen-Propaganda ein, die die Kosten des internationalen Finazcasinos in Staatsschulden umdefiniert.
      Wenn man das schon liest:

      • Der Hörgeräteunternehmer und Präsident von Hannover 96, Martin Kind, erklärte: “Ich würde eine höhere Steuerbelastung akzeptieren – verbunden mit der Verpflichtung des Staates, die Mehreinnahmen ausdrücklich zur Schuldentilgung zu verwenden.”

      Und:

      • Prominentester Vertreter der spendablen Millionäre ist Popstar Marius Müller-Westernhagen. “Ein paar Prozentpunkte mehr Steuern machen Wohlhabende nicht arm”, sagte er. “Es werden sogar alle reicher, wenn die Einnahmen konsequent zur Schuldentilgung genutzt werden und Zukunft statt Zinsen schaffen.”

      .. dann sieht man auch, dass das Ganze so ernst nicht gemeint ist. Seit wann können die Wohlhabend hier das Privileg in anspruch nehmen zu bestimmen was mit ihrem Steuergeld geschieht? Einzig ein demokratisch legitimiertes Parlament entscheidet über die Verwendung der staatlichen Einnahmen.

      • Für die vermögendsten Franzosen solle deswegen eine Sonderabgabe mit “vernünftigem Ausmaß” eingeführt werden. Sie müsse so kalkuliert werden, dass es nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen wie einer verstärkten Steuer- oder Kapitalflucht komme.

      Auch daran sieht man ds es sich um eine Scheindiskussion handelt. Steuerhinterziehung sollte sich durchaus von staatlicher Seite verhindern lassen. Allerdings nicht mit windelweichen Abkommen, wie sie Deutschland gerade mit der Schweiz getroffen hat.

    2. Neue SPD-Vermögensteuer soll 10 Mrd. Euro bringen
      Die Partei wünscht sich mehr Gerechtigkeit. Für das neue Konzept sollen auch Erbschaft- und Einkommensteuer steigen. Gleichzeitig plant die SPD, den Höchstsatz bei der Einkommensteuer massiv anzuheben.
      Quelle: FTD

      Anmerkung RS: Die SPD entdeckt immer dann wieder ihren sozialen Ader, wenn sie nicht an der Regierung ist. Offenbar hat sie vergessen, dass sie es war, die den Spitzensteuersatz massiv gesenkt hat.

  2. Nur wenige besitzen fast alles

    Nur wenige besitzen fast alles

    Grafik nach Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
    Quelle: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell Nr. 16 – August 2011 [PDF – 110 KB]

  3. Union zahlt Mindestlohn
    Nach dem Abschied von der Wehrpflicht und dem Atomausstieg zeichnet sich in der CDU eine weitere ideologische Wende ab. Der Arbeitnehmerflügel der CDU forderte am Dienstag die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes, was umgehend von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterstützt wurde.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung: Wie deckt sich das aber mit den Bemerkungen von Frau von der Leyen am Ende dieses Beitrags?

  4. Bessere Arbeit ist möglich
    Genugtuung für 1-Euro-Jobber: Das Bundessozialgericht hat dem Missbrauch der 1-Euro-Jobs einen Riegel vorgeschoben. Nun sollte – politisch – ein Umdenken einsetzen: Statt 1-Euro-Jobs brauchen Langzeitarbeitslose Arbeitsstellen mit Perspektive, auch öffentlich geförderte. Denn die Gerichtsentscheidung ändert nichts an der Fehlkonstruktion der 1-Euro-Jobs, die die rot-grüne Bundesregierung mit schwarz-gelber Unterstützung einführte. 1-Euro-Jobs sind keine “Arbeit”, sondern nur “Arbeitsgelegenheit”. Den Betroffenen steht kein Lohn zu, sondern nur eine “Mehraufwandsentschädigung”. Für viele ist das demütigend.
    Abhilfe könnte ein öffentlicher Beschäftigungssektor schaffen. Es gibt ja sinnvolle Tätigkeiten in den Kommunen und sozialen Einrichtungen, für die kein Geld da ist: etwa als Hausmeister in Sportvereinen, als flexibler Babysitter bei eingeschränkten Kita- und Hortzeiten, als Suppenküchenhelfer oder Seniorenbetreuer. Der rot-rote Senat in Berlin hat Tausende solcher Stellen geschaffen – sozialversicherungspflichtig und nach Tarif bezahlt, wobei ein Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde gilt. Das ist für den Staat kaum teurer, als Lebenshaltungskosten und Taschengeld für 1-Euro-Jobber zu übernehmen. Für die Betroffenen aber bedeutet solche Arbeit nicht nur mehr Geld, sondern mehr Würde.
    Quelle: taz
  5. Arbeitsmarkt im August 2011
    Im August 2011 wurden von der Statistik der BA insgesamt 2,945 Millionen Arbeitslose registriert, 238.000 bzw. 7,5% weniger als im August 2010. Von diesen 2,945 Millionen Arbeitslosen waren 867.000 (29,4%) im Rechtskreis SGB III und 2,078 Millionen (70,6%) im Rechtskreis SGB II(Hartz IV) registriert…
    Als Arbeitsuchende waren im August 2011 insgesamt 5,120 Millionen Frauen und Männer registriert, 500.000 (8,9%) weniger als im August 2010. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im August 2011 4,063 Millionen, 504.000 (11,0%) weniger als im August 2010.
    Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 792.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,571 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 77.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im August 2011 etwa 5,285 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 422.000 (7,4%) weniger als vor einem Jahr (BA- Monatsbericht, S. 18).
    Quelle 1: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 450 KB]
    Quelle 2: Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt August 2011 [PDF – 1.7 MB]

    Anmerkung WL: Die Arbeitslosigkeit ist statistisch weiter zurückgegangen, der Rückgang hat sich jedoch deutlich abgeschwächt. Während im Mai noch ein Plus von 75.000 zu verzeichnen war, gab es bis Juni saisonbereinigt nur noch ein Plus von 49.000.

    Die Quantität der Arbeit geht weiter zu Lasten der Qualität: Die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung hat um 1,7 Prozent, die sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigung um 5,5 Prozent zugenommen. Auch die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten hat leicht zugenommen. Nach ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit betrug sie im Juni 4,93 Mio., das waren 17.000 oder 0,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Darüber hinaus übten 2,52 Mio oder 8,9 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 160.000 oder 6,8 Prozent mehr.

    Die Arbeitnehmerüberlassung (sprich Leiharbeit) hat gegenüber dem Vorjahr um 116.000 (+ 16,4%) zugenommen und ist damit der „Wirtschaftszweig“ der (nach dem verarbeitenden Gewerbe und den wirtschaftlichen Dienstleistungen) mit am stärksten zugenommen hat.

    Der Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen belief im August auf 497.000.
    Hingegen belief sich im August die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) auf 4.063.000. Gegenüber dem Vormonat hat sie um 28.000 abgenommen.
    (In der Unterbeschäftigungsrechnung nach dem Konzept der BA sind neben den Arbeitslosen die Personen enthalten, die an entlastenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder zeitweise arbeitsunfähig erkrankt sind und deshalb nicht als arbeitslos gezählt werden. Damit wird ein umfassenderes Bild vom Defizit an regulärer Beschäftigung in einer Volkswirtschaft gegeben.)

    Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen blieb mit 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

    Die Entlastung durch arbeitsmarktpolitische Instrumente (ohne Kurzarbeit) war im Vorjahresvergleich insgesamt deutlich rückläufig: So gab es Abnahmen bei Beschäftigung schaffenden Maßnahmen (einschließlich Beschäftigungszuschuss und Bürgerarbeit: -133.000), bei Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (einschließlich Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen sowie der Förderung Behinderter: -41.000), bei der Förderung der Selbständigkeit (-25.000), bei der beruflichen Weiterbildung (einschließlich der Förderung Behinderter: -26.000) sowie bei den vorruhestandsähnlichen Regelungen (Saldo von -41.000).

    Interessant ist die Grafik (der nach einer anderen Methode berechneten) Erwerbslosenquoten in der EU. Sie zeigt insbesondere, wie dramatisch die Situation in den Eurokrisenländern Spanien, Griechenland, aber auch Irland und Portugal ist.

    Erwerbslosenquoten in der EU

    Quelle: Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit

  6. Jobcenter Bamberg nicht nur am Rande der Legalität
    In der Praxis werden Vorschriften, die betroffene HilfeempfängerInnen vor staatlichen Übergriffen schützen oder ihre Rechte sichern sollen sollen, häufig nicht beachtet.
    Für Frau von der Leyen liegt es nur am Namen: Hartz IV klingt ihr nicht schön genug und deswegen sei das Image des Arbeitslosengeldes II auch so mies. Für viele Bamberger/innen ist das nicht das Problem. Sie werfen dem Jobcenter zunehmend Rechtsüberschreitungen vor.
    Quelle: Grüne alternative Liste Bamberg
  7. Tom Strohschneider: 1968, Gewalt, Rotstift: Wie der Aufstand der Jugend erklärt wird
    Stéphane Hessels Parole „Empört Euch!“ hat die Massen schneller ergriffen, als es wohl manch freundliche Beachtung des dünnen Bändchens gewollt hatte.
    Umso mächtiger drängt das Echo von Hessels Forderung, jenes „Aufbegehren der Jugend“ inzwischen in die Feuilletons. Das Angebot an Deutungen ist reichlich: Mal wird es mit nachholender bürgerlich-demokratischer Modernisierung erklärt, mal als kaum ausformuliertes Unbehagen der Abgehängten mit „denen da oben“, mal will man in den Demonstrationen einen Ausdruck der Krise der real existierenden parlamentarischen Repräsentation sehen, und mal spontane Ausbrüche in all ihrer Widersprüchlichkeit. Wofür demonstrieren die Jugendlichen?
    Quelle: Der Freitag Community
  8. Alterssicherung: Denn eins ist sicher – der Rentenschock
    Wer nicht privat vorsorgt, kann im Alter ein Problem bekommen: Nach Angaben der Regierung wird das Niveau der Altersversorgung bis 2025 um zehn Prozent sinken.
    Quelle: Welt

    Anmerkung MB: Immerhin nur ein Werbefenster für Riester- und/oder Rürup-Rente.

    Ergänzende Anmerkung RS: …dafür aber redaktionelle Werbung für die private Altersversorgung.

  9. Studie: Beitrag für Versicherte könnte sinken
    Mit der von der Linken-Bundestagsfraktion geforderten Bürgerversicherung könnten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in den nächsten zehn Jahren um rund ein Drittel von 15,5 auf 10,5 Prozent gesenkt werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Ökonom Klaus Bartsch in einer Studie, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Die private Krankenversicherung als Vollversicherung soll abgeschafft werden. Beiträge sollen künftig nicht nur auf den Arbeitslohn, sondern auch auf Einkünfte aus Kapital oder Vermietungen (bis auf den Sparer-Pauschbetrag) gezahlt werden. Umgekehrt können auch Verluste geltend gemacht werden. Die bisherige Einkommensgrenze, bis zu der Beiträge erhoben werden (derzeit bei 3700 Euro im Monat), soll langfristig abgeschafft werden. Außerdem sollen Praxisgebühr und Zuzahlungen entfallen.  Rund 60 Prozent der Versicherten würden durch die Einführung einer solchen Bürgerversicherung finanziell entlastet, sagte die Linken-Politikerin Bunge. Auch für einen gesetzlich versicherten Gutverdiener mit einem Monatseinkommen von 5000 Euro brutto ergebe sich eine Ersparnis von 503 Euro im Jahr. Erst für Einkommen ab etwa 5800 Euro werde die Versicherung teurer. Die Quandt-Erbin und Milliardärin Susanne Klatten etwa, so Studien-Autor Bartsch, müsste künftig Millionenbeträge in die gesetzliche Krankenversicherung zahlen.
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: Linksfraktion [PDF – 610 KB]
    Quelle 3: Linksfraktion [PDF – 650 KB]
  10. Anhaltender Umbruch in der Krankenhausversorgung

    Krankenhausversorgung

    • Die Grafik stellt die Entwicklung der Eckdaten der Krankenhausversorgung zwischen 1991 und 2010 als Indexverlauf dar. Die Ausgangswerte werden dabei auf 100 gesetzt, so dass sich erkennen lässt, um welchen Prozentsatz sich beispielsweise die Krankenhausfälle in dem zurückliegenden Zeitraum von 20 Jahren verändert haben. Der Anstieg auf 121,1 signalisiert demnach eine Erhöhung um 21,1 %.
    • Immer mehr Menschen werden immer häufiger stationär behandelt und versorgt. Die Zahl der Krankenhausfälle steigt seit Jahren stetig an.
      Im Jahr 2010 wurden über 18 Mio. Fälle registriert. Dies entspricht 2.205 Fälle je 10.000 Einwohner; gegenüber 1991 (1.822 Fälle je 10.000 Einwohner) errechnet sich ein Anstieg um 21,1 %. Trotz dieser Erhöhung von Fallzahlen und Fallquoten hat sich die Zahl der Krankenhausbetten verringert – von 665.565 auf 502.716. Je 10.000 Einwohner werden 2010 noch 61,5 Betten bereitgehalten – gegenüber 83,2 Betten im Jahr 1991. Dies entspricht einem Rückgang von 26,1 %.
    • Auch die Zahl der Krankenhäuser hat sich infolge von Stilllegungen kleiner Einrichtungen oder von Zusammenschlüssen kontinuierlich verringert.
      Durch den Privatisierungstrend verschiebt sich zugleich die Trägerschaft: Mehr als ein Drittel aller Krankenhäuser wird 2010 von privat- und gewinnwirtschaftlichen Unternehmen betrieben.
    • Die gegenläufigen Trends von Fallquoten und Bettenquoten lassen sich durch die stark sinkende Verweildauer erklären. Die durchschnittliche Verweildauer je Fall liegt im Jahr 2010 nur noch bei 7,9 Tagen – gegenüber 14 Tagen im Jahr 1991. Dies ist gleichbedeutend mit einem
      Rückgang von 43,6 %.
    • Die sinkende Verweildauer ist nur zu einem Teil Folge neuer diagnostischer, therapeutischer und operativer Verfahren. Von grundlegender Bedeutung für den Umbruch in der Krankenhausversorgung sind die Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung. Denn die diagnosebezogenen Fallpauschalen setzen für die Kliniken ökonomische Anreize für einen möglichst kurzfristigen Aufenthalt.
    • Eine sinkende Verweildauer ist keinesfalls automatisch ein gesundheitspolitischer Erfolgsindikator. Kommt es aus allein oder vorrangig aus wirtschaftlichen Gründen zu einer frühzeitigen Entlassung, die medizinisch fragwürdig ist, wird von „blutigen Entlassungen“ gesprochen. Neben den gesundheitlichen Risiken für die Patienten kann eine solche Praxis aber auch im Endeffekt zu Mehrkosten führen. Denn den Einsparungen bei der stationären Versorgung sind dann Mehrausgaben bei der ambulanten Behandlung und bei der häuslichen Krankenpflege gegenüberzustellen. Erhebliche Mehrausgaben können auch durch eine erneute Krankenhauseinweisung („Drehtür-Effekt“) entstehen.

    Quelle: Sozialpolitik aktuell.de [PDF – 130 KB]

    Anmerkung WL: In Sozialpolitik aktuell in Deutschland finden Sie wieder eine Reihe interessanter neuerer Daten und Dokumente, u.a.:

    • Der Mindestlohn – Zwischen Teufelszeug und Heilsbringer (KAS)
    • Daten des Gesundheitswesens 2011 (Bundesministerium für Gesundheit)
    • Gewerkschaftliche Anforderungen an den “Rentendialog” der Bundesregierung (DGB)
    • Öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland (FES)
    • Altersübergangsreport: Neueinstellungen im Alter – Tragen sie zu verlängerten Erwerbsbiografien bei? (IAQ)
    • Arbeitszufriedenheit in Deutschland sinkt langfristig (IAQ)
  11. Griff in die Mottenkiste
    Es muss frustrierend sein, wenn man sich an seine Scheuklappen gewöhnt hat. Ständig diese eingeschränkte Sicht! Wie soll man sehen, was links und rechts ist? Es ist praktisch unmöglich. Eine Lösung ist nicht in Sicht, denn, nun ja, man trägt ja Scheuklappen. Dieses Dilemma, das eigentlich nur Kopfschütteln auslösen kann, plagt Thomas Schmoll, der in der FTD unter der Überschrift “Deutschland ist kein AAA-Musterknabe” erklärt, dass wir an einem riesigen Schuldenproblem leiden und endlich sparen müssen, um das Problem in den Griff zu kriegen. Dabei fasst er sehr, sehr tief in die Mottenkoste: Hans Eichel dient als Narrativ, um den “mangelnden Willen der Politik” zu belegen, vor jeder Wahl würden “die Wohltätigkeitsschleusen geöffnet”, und “harte Einschnitte, besonders im Sozialbereich” traue sich niemand. Ja, das ist schon ein Drama. Denn bekanntlich hat Deutschland ja seine Schulden in den letzten zehn Jahren veranderthalbfacht, weil die Hartz-IV-Empfänger so über unsere Verhältnisse leben (oder ihre, das ist beim inflationären Gebrauch dieser Phrase nicht wirklich klar).
    Quelle: Oeffinger Freidenker
  12. Riesendesaster für Telekom
    Amerikanische Kartellgesetze werden zur Hürde für die Übernahme von T-Mobile USA durch AT&T. Das Justizministerium hat Klage eingereicht. Platzt der Kauf, muss AT&T drei Milliarden Dollar Entschädigung an die Deutsche Telekom zahlen.
    Die Telekom bleibt womöglich auf ihrer Tochter T-Mobile USA sitzen. Das US-Justizministerium hat nämlich am Mittwoch Klage gegen die geplante Übernahme des Mobilfunkers durch den Telekommunikationsgiganten AT&T eingereicht…
    Vorstandschef René Obermann hat nicht nur mit Milliardeneinnahmen durch den Verkauf geplant. Auch seine Konzernstrategie würde nicht mehr aufgehen. Er will sich auf das europäische Geschäft konzentrieren.
    Durch eine Übernahme durch AT&T würde Wettbewerb im Mobilfunkmarkt geschwächt. Aus diesem Grund verstoße die Transaktion gegen die Kartellgesetze. Die US-Regierung hat die Klage bei einem Bundesgericht in Washington eingereicht. Der Deal sollte ein Volumen von 39 Milliarden Dollar (27 Milliarden Euro) haben, davon 25 Milliarden in bar.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: Washinton Post: Justice Dept sues to block AT&T, T-Mobile merger as likely to raise prices, reduce competition
  13. Ein Pfarrer gegen Rechts: Von der Staatsmacht verfolgt
    Lothar König, Jugendpfarrer im thüringischen Jena, fühlt sich an Willkür und Rechtlosigkeit in der DDR erinnert. Die sächsische Justiz verdächtigt den Geistlichen, Rädelsführer einer linken Schlägertruppe zu sein, ermittelte gegen den Pfarrer wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und beschuldigt ihn des schweren Landfriedensbruchs.
    Quelle 1: Frontal 21
    Quelle 2: ZDF
  14. Stuttgart 21 – Rückbau der Gleise nicht genehmigt
    Der Bahn steht beim Bau des Milliardenprojekts Stuttgart 21 eine weitere Hürde bevor. Der vollständige Abriss des bestehenden Gleisvorfeldes muss nach einem Medienbericht gesondert genehmigt werden. Die Stadt Stuttgart hatte der Bahn diese Grundstücke abgekauft, mit dem Ziel, sie zu bebauen.
    Quelle: SWR
  15. FDP und Westerwelle
    1. Westerwelle düpiert Rösler
      Auch nach dem Bekenntnis der FDP zu Außenminister Guido Westerwelle geht in der FDP der Streit um die Libyen-Politik weiter. Insbesondere das Verhältnis zwischen Westerwelle und Parteichef Philipp Rösler erweist sich dabei als schwer belastet.
      Während die Bundestagsfraktion auf ihrer Herbstklausur in Bergisch-Gladbach zusammensitzt, widersprach Westerwelle über seinen Sprecher der Darstellung Röslers, er habe in der Diskussion über den Libyen-Einsatz den Kurs vorgegeben.
      Quelle: Tagesschau
    2. Querelen in der FDP: Objekt Westerwelle
      Christian Lindner kann, wenn es sein muss, messerscharf formulieren. Der FDP-Generalsekretär kann aber auch sagen: „Es gab eine Akzentuierung. Wir haben eine Gesamtbotschaft, um die es ja auch geht. Die Gesamtbotschaft ist klargestellt und die Gesamtbotschaft heißt, Deutschland hat Respekt vor der Leistung der westlichen Verbündeten.“ Wie bitte? Gewiss, es war früh, vor sieben Uhr am Mittwoch im Deutschlandfunk. Neben der Gesamtbotschaft gab es auch eine hartnäckige Teilbotschaft, die Außenminister Guido Westerwelle bis vor kurzem überbrachte: „Die Sanktionen haben Gaddafi den Nachschub abgeschnitten.“ Zur Gesamtbotschaft hatte sich am Dienstagabend, zu Beginn der Fraktionsklausur in Schloss Bensberg, Philipp Rösler durchaus verständlicher als sein Generalsekretär geäußert: „In außenpolitischen Fragen habe ich klar nochmals in der letzten Woche als Parteivorsitzender die Linie der FDP, der Liberalen, vorgegeben. Der Bundesaußenminister ist dieser Linie auch ebenso klar gefolgt.“ Deshalb sei die Debatte jetzt beendet.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Jenseits der Frage, ob die Bundesregierung im Falle Libyen richtig entschieden hat, und jenseits der Machtspiele innerhalb der FDP, ist wenig beachtet am Dienstagabend etwas sehr Sonderbares geschehen. Der Parteivorsitzende Philipp Rösler hat gesagt, dass der Bundesaußenminister der Linie der Partei formuliert durch den Parteivorsitzenden zu folgen habe. Rösler hat sich dadurch, weit mehr als ihm lieb sein kann, als echter Westerwellerianer ausgewiesen. Er hat nämlich zwei Dinge durcheinandergebracht, die letztlich auch das Scheitern Westerwelles erklären: Er hat es nicht geschafft zwischen dem Parteipolitiker und dem Politiker im Amt zu unterscheiden. Der Politiker in der Partei ist zunächst dieser verpflichtet während der Politiker im Staat dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Natürlich darf auch der Staatsmann nicht seine Partei aus dem Auge verlieren, aber es mag der Moment kommen, indem er sich zwischen dem Wohl der Partei und dem des Gemeinwohls entscheiden muss. Sowohl die Kanzlerin als auch die Minister müssen sich in dieser Situation immerzu stellen. Rösler hat allerdings, inwiefern ihm das klar war, steht auf einem anderen Blatt, die Direktive herausgegeben, dass sich ein Minister der Linie der Partei unterzuordnen habe. Und hat dabei ganz in Westerwellscher Manier die Linie der Partei für sich beansprucht. Natürlich lag Westerwelle mit seiner Betonung der aktiven Rolle Deutschlands in Libyen ziemlich daneben, aber dies hätte auf einer informellen Ebene diskutiert werden müssen und nicht in eine Direktive münden dürfen. Doch solche Formulierungen wird die Botschaft transportiert, dass Außenpolitik nichts anderes als Parteipolitik ist, dass das politische Mandat immer parteipolitisches Mandat ist.- Natürlich wird sich jeder Politiker mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie er Regierungsamt und Parteipolitik verbindet, aber so einseitig und platt ist diese Beziehung nicht.

  16. Rankings: “Das ist nicht seriös”
    Rankings seien eine Gefahr für die wissenschaftliche Vielfalt: Ein Gespräch mit dem Mediziner Karl Max Einhäupl, Chef der Charité
    Quelle: Die Zeit
  17. Fukushima sucht nach einer Atommüll-Deponie
    Wohin mit verseuchtem Klärschlamm und kontaminierter Erde? Weil eine Lagerstätte fehlt, vergraben Japaner jetzt radioaktiven Abfall auf Schulhöfen.
    Quelle: Die Zeit
  18. Menschen als Versuchskaninchen der USA
    In den 1940er Jahren missbrauchten amerikanische Ärzte 1300 Guatemalteken in einer Testreihe: Im Auftrag der US-Gesundheitsbehörden infizierten sie wehrlose Menschen mit Syphilis- und Trippererregern. Erst jetzt werden die Verbrechen bekannt – und die zynisch-nüchternen Notizen der Mediziner.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  19. LobbyControl wird mit dem Fairness-Initiativpreis 2011 ausgezeichnet!
    Über 58 Prozent der abgegebenen Stimmen gingen an uns – danke an alle, die uns gewählt haben! Das Kuratorium der Fairness-Stiftung hatte neben LobbyControl die Klima-Allianz (37,6 %,) und Glocalist Medien (4,1 %) für den Preis nominiert. Der Fairness-Initiativpreis wird alljährlich als Publikumspreis der Fairness-Stiftung vergeben und würdigt Initiativen des 21. Jahrhunderts, die sich in speziellen Themenfeldern für mehr Fairness in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einsetzen.
    Die Fairness-Stiftung versteht darunter auch die „Transparenz und Verständlichkeit von gesellschaftlich relevanten Entscheidungen und Handlungen“ sowie einen „lebens- und demokratiefördernder Umgang mit Menschen durch Organisationen und Medien“.
    Quelle: Pressemitteilung LobbyControl

    Anmerkung WL: Herzlichen Glückwunsch!

  20. Zu guter Letzt: Chin Meyer erklärt “Finanzblase”
    Quelle: YouTube


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