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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 13. Januar 2012 um 15:40 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Daten zum griechischen Staatshaushalt 2011
  2. Thomas Fricke – Sinnlose Hatz auf Wulff
  3. Eurokrise
  4. A brief note on Tobin’s Tax and Merkozy’s naked cynicism
  5. Notenbanker warnt vor Gummi-Pakt
  6. Nouriel Roubini – Amerikas Schwierigkeiten
  7. Die Mikrokredit-Lüge
  8. China: Foxconn-Arbeiter drohten mit Massensuizid
  9. Rechtsextremismus und Ökobewegung: Braune Ökologen
  10. Sponsoring – Einblicke in das Schattenreich der Parteienfinanzierung
  11. Das 15.000-Liter Steak
  12. Du schaffst das schon!
  13. Österreich – Negative Bilder dominieren Berichte über Zuwanderung
  14. Kinostart des Films “Das System-Alles verstehen heißt alles verzeihen”
  15. Aufruf von Attac Deutschland für den Aktionstag am 15. Januar 2012
  16. zu guter Letzt: taz Maol an BILD – Mit Bitte um rasche Antwort
  17. das Allerletzte: „Ohne Hartz IV bist du in der Schule der Dumme“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Daten zum griechischen Staatshaushalt 2011
    Wie das griechische Finanzministerium heute mitteilte, sanken die Steuereinnahmen im Jahr 2011 trotz diverser Steuererhöhungen um -1,7% und die Ausgaben stiegen trotz Sparanstrengungen um +2,8%, im Vergleich zum Vorjahr. Das Defizit kletterte auf -21,638 Mrd. Euro, nach -21,457 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum! Inklusive den geleisteten Zahlungen aus den Verbindlichkeiten der Sozialversicherungen und den Krankenhäusern betrug das gesamtstaatliche Defizit -27,244 Mrd. Euro. Damit müsste sich das Defizit gemäß Maastricht-Definition ca. auf -12,0% bis -12,5% des nominalen BIPs im Jahr 2011 belaufen.
    Quelle: Querschuesse

    Anmerkung JB: Diese Entwicklung ist fatal aber nicht überraschend. Zwischen „Sparvorhaben“ und „Sparen“ besteht ein himmelweiter Unterschied. Die Austeritätspolitik führt nun einmal auch zu einer Erhöhung der Ausgaben und einer Senkung der Einnahmen in der Folgeperiode, was meist die gesamte Sparanstrengung konterkarriert. Leider wird die Troika ihren Fehler nicht einsehen und die schlechten Zahlen in der Art und Weise deuten, dass Griechenland halt noch nicht genug gespart hat. Die Troika erinnert an einen jungen Mann, der zu schüchtern ist, um Frauen anzusprechen und sich daher Mut antrinkt. Doch seine gelallten Anmachen jagen die Frauen nun erst recht in die Flucht. Er schließt daraus: Ich habe einfach noch nicht genug getankt, und gibt sich beim nächstem Mal noch stärker die Kante. Na denn Prost!

    passend dazu: Schlange stehen um Lebensmittelhilfe
    Für Griechenland war es bereits im vergangenen Jahr extrem schwierig, sich über Wasser zu halten – und 2012 wird für viele Griechen kaum einfacher werden. Die Arbeitslosenzahlen haben ein Rekordniveau erreicht, die Einkommen sinken, die Konjunkturprognosen sind schlecht. […]
    Laut neuesten, am Donnerstag veröffentlichten Daten der nationalen Statistikbehörde ELSTAT stieg die Arbeitslosigkeit im vergangenen Oktober auf 18,2 Prozent. Im September hatte sie noch 17,5 bzw. im Oktober 2010 13,5 Prozent betragen. Bei der Jugendarbeitslosigkeit ist Griechenland mit einem Wert von 46,6 Prozent Spitzenreiter unter den EU-27. Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Danach ist keine Unterstützung mehr vorgesehen.
    Wegen der tristen Lage unterstützt die Orthodoxe Kirche mittlerweile eine Viertelmillion Menschen mit Lebensmitteln und der Ausgabe von Mahlzeiten. An der Aktion unter dem Motto „Alle zusammen – wir können es schaffen“ beteiligen sich auch zahlreiche Bürger, denen es finanziell noch besser geht, sowie Supermarktketten. „Wir unterstützen rund 250.000 Menschen“, sagte Vassilios Havatzas, zuständig für humanitäre Aktionen im Erzbistum Athen, am Mittwoch im griechischen Fernsehen.
    Quelle: ORF

  2. Thomas Fricke – Sinnlose Hatz auf Wulff
    Die Jagd auf unseren Bundespräsidenten wirkt immer bizarrer. Kaum auszudenken, die Antreiber würden so viel Eifer entwickeln, wenn es mal um wirklich Wichtiges geht. […]
    Jetzt kann man natürlich sagen, dass all das ja nichts daran ändert, dass unser Bundespräsident nun mal nicht die ganze Wahrheit gesagt und von Kumpels Billigkredite bekommen hat wie sonst nur unsere Banken von der EZB (wir würden das nie tun). […]
    Wo sind die kritischen Geister, die danach schreien, dass Frau Merkel jetzt auch mal aufklären soll: zum Beispiel darüber, warum sie im Sommer bei der Euro-Rettung übereifrig Privatgläubiger in Haftung bringen wollte und damit, wie befürchtet, die nächste Finanzpanikwelle ausgelöst hat – wie sie beim letzten Gipfel zugeben musste, indem sie den Unsinn wieder zurücknahm. Für das Land kann das ziemlich teuer werden. Wo sind die, die jetzt einfordern, endlich offenzulegen, wer sie da beraten hat? Und wie so ein Fehler passieren konnte. Und was das kostet. Und wer dafür jetzt aufkommen soll.
    Wie rechtfertigt Frau Merkel, dass ihre ökonomisch zweifelhaften Austeritätsempfehlungen an andere jetzt zigtausendfach dazu führen, dass Menschen, die für die Krise gar nichts können, ihre Arbeit verlieren, ganze Familien daran gerade kaputtgehen – ohne dass die Krise weg ist? Was ja mindestens so wichtig ist wie die Vergangenheit von Bettina Wulff.
    Wo sind die Wulff-Kritiker, die aufheulen, weil es Josef Ackermann und dem Rest der Banker klammheimlich gelungen ist, die eigene Krise zur Staatsschuldenkrise umzudefinieren – obwohl die Finanzbranchenmisere der Hauptgrund dafür ist, dass die Staatsschulden seit 2007 weltweit so krass gestiegen sind? […]
    Wo sind umgekehrt die Kritiker, die mal damit nerven, ob Herr Steinbrück so ein toller Krisenmanager war, wie er das selbst sagt – wo er die Krise immerhin wochenlang falsch einschätzte und Fehlentscheidungen traf? Kompliziert? Klar. Zumindest schwerer als herauszufinden, wenn ein Schachbrett falsch herum steht.
    Quelle: FTD

    Anmerkung JB: Chapeau, Herr Fricke! Zu ergänzen wäre noch: Wo sind die mutigen Aufdecker, die endlich einmal einen kritischen Blick auf die Nebeneinkünfte des potentiellen SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück werfen? Gegen diese Form von Selbstbedienungsmentalität ist Wulffs Bonusmeilen-Affäre, die heute in den Medien skandalisiert wird, ein Fliegensch….

  3. Eurokrise
    1. Barry Eichengreen – Europe’s Vicious Spirals
      […] Europe’s second vicious spiral runs from fiscal consolidation to slow growth and back to fiscal consolidation. Tax increases and cuts in public spending are still needed; there is no avoiding this reality. But these demand-reducing measures also reduce economic growth, causing deficit-reduction targets to be missed. Getting fiscal consolidation back on track then requires more spending cuts, which depress growth still further, causing budget performance to worsen even more.At some point, recession and unemployment will provoke a political reaction. Angry electorates will boot out austerity-minded governments. And uncertainty about what kind of governments come next will not reassure investors or positively influence growth.
      Interrupting this second vicious spiral will require jump-starting growth, which, under current circumstances, is easier said than done. […] So what are Europe’s policymakers to do? Restarting growth requires a two-handed approach that addresses both supply and demand. […]
      Getting all of the stakeholders to go along will require compensating losers. And here Europe’s social model can be an asset rather than a liability. The losers from reform can be provided generous but temporary unemployment benefits. They can enroll in government-funded, industry-organized training schemes. European governments that promise to aid the losers are more likely to retain political support. They will be better able to stay the reformist course. […]
      Cutting interest rates will not be enough. Pushing up asset prices and pushing down the euro’s exchange rate will require the ECB to buy bonds on the secondary market – not the crisis countries’ bonds per se, but those of all eurozone members. In other words, it will require quantitative easing.
      Quelle: Project Syndicate

      Kurzzusammenfassung: In seinem Aufsatz analysiert der bekannte Berkley-Ökonom Barry Eichengreen die momentanen volkswirtschaftlichen Probleme der Eurozone und macht einen Teufelskreis zwischen Haushaltskonsolidierungen und Konjunktur aus – je mehr der Staat seine Einnahmen erhöht und seine Ausgaben senkt, desto mehr würgt er die Konjunktur ab. Da andere Weltregionen keine zusätzliche Nachfrage generieren können, muss Europa die Nachfrageseite stärken, um nicht gleichzeitig auch noch die Angebotsseite weiter zu schwächen, was ein weiterer Teufelskreis wäre. Als Ausweg schlägt Eichengreen u.a. vor, den Sozialstaat temporär stärker zu finanzieren, um den Verlierern der Krise einerseits durch Ausbildung bessere Chancen zu ermöglich und andererseits die Nachfrage gezielt zu stärken. Dabei argumentiert Eichengreen nicht nur ökonomisch, er hält dies auch für unausweichlich, um die Herrschaft der regierenden Parteien zu sichern und die Verlierer davon abzuhalten, populistische Parteien zu wählen.

      Anmerkung JB: Dieser Vorschlag erinnert auf der politischen Seite ein wenig an Bismarcks Taktik, die Sozialisten durch den Aufbau eines – damals international noch nicht bekannten – sozialstaatlichen Systems auszubremsen. Bismarck hatte mit dieser Taktik Erfolg.

    2. Bazookas, Bailouts and Fiscal Policy
      […] Regarding TARP, the CBO (congressional budget office) regularly updates on their estimated cost to the US tax payers. Their last figures suggest that out of the original $700 billion, only $428 billion were disbursed. Most of these funds took the form of loans or investments, some of which have been paid back with a profit for the government. The estimated cost for the tax payer today is about $34 billion, a large number but far from the $700 billion that made the headlines. Most of the losses come from AIG and funds given to car manufacturers. A precise picture of the losses is below. Click on it for a larger image or you can also go directly to the source. […]
      The same is true for the EFSF. The EFSF was established with guarantees of €780 billion and a lending capacity of €440 billion. So far it has only lent €13.5 billion and the expectation (so far) is that all this money will be paid back. But the public perception is one of large sums of transfers across Euro countries (interestingly, EU structural funds account for more than €40billion on an annual basis and agricultural funds account to €50 billion — and these are real transfers, not loans) .
      Quelle: Antonio Fatás

      Kurzzusammenfassung: Der portugiesische Ökonom Antonio Fatás hat sich die Zahlen des US-Banken-Bailout-Programms TARP und des europäischen Rettungsprogramms EFSF näher angeschaut und kommt zu dem Schluss, dass die tatsächlich anfallenden Verluste „noch“ weit unter der Garantiesumme der Rettungsschirme bleiben. Er merkt nebenbei an, dass die Kreditsumme, die bislang über den EFSF ausgegeben wurde (13,6 Mrd. Euro), interessanterweise weit unter den jährlichen EU-Transfers des Strukturfonds (40 Mrd. Euro) und des Agrarfonds (50 Mrd. Euro) liegt und diese Mittel, anders als die EFSF-Mittel, echte Transfers und keine Kredite darstellen, die zurückfließen sollen.

      Anmerkung JB: So viel zum Thema „Transferunion“.

    3. Daniel Gros – Investiert in den Süden!
      Falls der Euro zerbricht, liegt das nicht an den schlechten Wirtschaftsdaten der Krisenländer. Problem ist ein Investorenstreik, der einige Länder vom Kapital abschneidet. […]
      Das Problem besteht in der internen Verteilung von Ersparnissen und Finanzinvestitionen: Obwohl die Eurozone über genug Ersparnisse verfügt, alle Defizite zu finanzieren, geraten einige Länder ins Schleudern: die Ersparnisse fließen nicht mehr über die Grenzen hinweg. Nördlich der Alpen besteht ein Überschuss an Ersparnissen, aber die nordeuropäischen Sparer möchten die südlichen Länder wie Italien, Spanien und Griechenland nicht finanzieren.
      Deshalb bleibt die Risikoprämie auf die Schulden von Italien und anderen südeuropäischen Staaten bei 450 bis 500 Basispunkten, und die deutsche Regierung kann kurzfristige Anleihen zu Zinssätzen nahe Null herausgeben. Die Wurzel des Problems besteht darin, dass sich die nordeuropäischen Sparer weigern, in die Peripherie der Eurozone zu investieren. […]
      Das langfristige Überleben des Euro erfordert die richtige Mischung von Anpassung durch die Kreditgeber, und wenn dies nicht mehr genügt, einen Schuldenerlass. Weiterhin ist eine Überbrückungsfinanzierung nötig, um die nervösen Finanzmärkte davon zu überzeugen, dass die Schuldner über genügend Zeit bis zur Wirkung der Maßnahmen verfügen. Die Ressourcen sind vorhanden. Europa braucht den nötigen politischen Willen, um sie zu mobilisieren.
      Quelle: FTD
    4. 2012 – Schicksalsjahr für die Eurozone
      Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und aber auch Deutschland müssen in diesem Jahr über 1 Billion Euro fällige Schulden durch neue Schulden refinanzieren. Das allein sind nach aktuellem Stand jeweils 26 % der fälligen Schulden der nächsten 10 Jahre.

      Hoher Refinanzierungsdruck und drohende Rezession stoßen auf den Käuferstreik der Anleger und machen immer mehr Euroländer zu schaffen. Steigender Zinsdruck ist programmiert. Günstiges frisches Geld bekommen viele Länder inzwischen nur mit kurzfristigen Staatsanleihen, wie sich diese Woche in Italien und Spanien zeigte. Und auch diese dank der EZB. Sie gewährt den Banken für 3 Jahre unbegrenzte Liquidität.
      Und was macht die Politik: Sie gießt mit ihrer Politik des sozialen Kahlschlags und der „Märkte-Überzeugen- Strategie“ Öl ins Feuer und verschärft die Krise damit.
      Quelle: DGB klartext 01/2012 [PDF – 86 KB]

  4. A brief note on Tobin’s Tax and Merkozy’s naked cynicism
    But then something changed. About a year ago, as the Crisis began to migrate from the European periphery to Europe’s core, Merkel and Sarkozy suddenly warmed to Tobin’s excellent idea. More recently, President Sarkozy even turned it into his ‘own’ idea, promising to establish it in France if he wins another presidential term. What had happened? Cynicism had found another glorious opportunity to conquer. Both Mrs Merkel and Mr Sarkozy know full well that Tobin’s tax will never be introduced. Never! […] Ergo, since Britain will wait for Hell to freeze over before it consents to a Tobin Tax, the EU will never adopt it and the whole issue is moot.
    So, why all the fuzz now? Why is President Sarkozy beating his chest about the Tobin Tax? Because by so doing he is denying his main opponent, F. Hollande, the only campaigning issue that puts some deep blue water between himself and the incumbent. Similarly with Mrs Merkel: By adopting the idea of a Tobin Tax she successfully silences the Socialist Group in the Euro-Parliament courtesy of the sad fact that the Socialist Group have little more to offer, as an alternative to the European Right, regarding the fiscal state of the eurozone. In this sense, Merkozy are bordering on the innocent. The true culprits are the Socialists (*) whose lack of ideas, energy and vision are allowing President Sarkozy and Mrs Merkel to get away with a form of cynicism that diminishes politics at a time when the political sphere is the only one on which a rational solution to our Crisis can be engineered.
    Quelle: Yanis Varoufakis

    Kurzzusammenfassung: Der griechische Ökonom Yanis Varoufakis ist davon überzeugt, dass die jüngere Begeisterung des Merkozy-Gespanns für die Finanztransaktionssteuer nur eine zynische PR-Aktion ist, mit der die beiden konservativen Politiker ihrer politischen Konkurrenz das Wasser abgraben wollen – wissend, dass die Finanztransaktionssteuer ohnehin nie eingeführt wird.

    passend dazu: Diskussion um Transaktionssteuer – Warum Rösler falsch liegt
    Wirtschaftsminister Philipp Rösler wird nicht müde zu behaupten, die Steuer führe zu Wettbewerbsverzerrungen und belaste den Finanzstandort Deutschland einseitig, falls sie nicht in der gesamten Europäischen Union oder besser noch weltweit eingeführt werde.
    Dieses Argument ist, freundlich gesagt, überholt. Längst hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer vorgelegt, der das Prädikat intelligent verdient – weil er genau diese Wettbewerbsverzerrung ausschließt.
    Die Richtlinie sieht vor, dass die Steuer in dem europäischen Land zu entrichten ist, in dem der Finanzakteur ansässig ist. Das bedeutet, dass für jedes Geschäft, das eine französische oder deutsche Bank irgendwo auf der Welt abwickelt, in Frankreich oder Deutschland eine Transaktionssteuer fällig wird. Damit sind Geschäfte an der Wall Street oder in der City of London ebenso steuerpflichtig wie die Geschäfte, die in Frankfurt oder Paris getätigt werden. Das Schlupfloch, das Rösler bemängelt, würde gar nicht existieren – vorausgesetzt, der Vorschlag wird so umgesetzt.
    Zudem sieht die Richtlinie eine Besteuerung vor, wenn ein nicht in der Europäischen Union ansässiges Institut an einer Transaktion mit einer in Europa ansässigen Partei beteiligt ist – oder wenn eine seiner Zweigstellen in der EU an einem Finanzgeschäft beteiligt ist. Die Steuersätze fallen vergleichsweise milde aus.
    Quelle: SZ

  5. Notenbanker warnt vor Gummi-Pakt
    Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt vor einer Aufweichung des Fiskalpaktes, in dem sich die Euro-Staaten und weitere Länder zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichten sollen. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen bezeichnete den jüngsten Textvorschlag für den Pakt laut “Financial Times Deutschland” (FTD) als “substantielle Verwässerung”.
    Die jetzt geplante Ausnahmeregelung, nach der Unterzeichner des Pakts ihre Defizite bei außergewöhnlichen Umständen doch über 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern dürften, müsse verändert werden, schrieb Asmussens nach Informationen der Zeitung an die Unterhändler.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Jörg Asmussen ist ein Überzeugungstäter, der seinen Freunden Axel Weber und Jürgen Stark alle „Ehre“ macht. Gut, dass zumindest die EZB dies erkannt hat – ansonsten hätte der SPIEGEL „EZB-Chefökonom warnt vor Gummi-Pakt“ titeln können.

  6. Nouriel Roubini – Amerikas Schwierigkeiten
    Die gesamtwirtschaftlichen Indikatoren für die USA waren in den letzten Monaten besser als erwartet. Die Zahl der Neueinstellungen ist gestiegen, die Indikatoren für die produzierende Industrie und das Dienstleistungsgewerbe haben sich leicht verbessert, selbst die Wohnungswirtschaft zeigt ein paar Lebenszeichen, und das Konsumwachstum war relativ widerstandsfähig.
    Doch trotz der günstigen Daten wird das US-Wirtschaftswachstum im gesamten Jahresverlauf 2012 relativ schwach bleiben und unter dem Trend liegen. Warum ist all den guten Wirtschaftsnachrichten der letzten Zeit nicht zu trauen?
    Quelle: Project Syndicate
  7. Die Mikrokredit-Lüge
    Mikrokredite dienen nicht den Armen, sondern dem globalen Finanzkapital. Sie sind kein Akt der Menschlichkeit, sondern das Konzentrat neoliberaler Entwicklungspolitik: Die hohe Staatsverschuldung der armen Länder wird auf das Individuum ausgeweitet.
    Mikrokredite sind Kleinstdarlehen, umgerechnet zwei bis dreistellige Euro-Beträge, die an Arme verliehen werden, die keinen Zugang zu Finanzkapital haben. Mit dem Geld sollen die Armen kleine Unternehmen gründen…
    Doch der Siegeszug des Mikrokredits verdankt sich nicht der Tatsache, dass sich die Idee als probates Mittel zur Armutsbekämpfung durchgesetzt hätte. Sie ist Teil der Strukturanpassungsprogramme des Westens: anstatt den Entwicklungsländern die Staatsschulden zu erlassen, knüpften Internationaler Währungsfonds und Weltbank die Vergabe weiterer Kredite an Drittwelt-Staaten an die Privatisierung öffentlicher Strukturen, Deregulierung der Märkte und der Abschaffung von Zinsobergrenzen.
    Quelle: FR
  8. China: Foxconn-Arbeiter drohten mit Massensuizid
    Bis zu 300 chinesische ArbeiterInnen einer Fabrik des taiwanischen Elektronikherstellers Foxconn haben vergangene Woche mit Massensuizid gedroht. Dies berichtete der IT-Nachrichtendienst IDG News Service am Mittwoch unter Berufung auf chinesische Medienberichte, Postings auf sozialen Websites sowie eine Stellungnahme des Konzerns. Hintergrund des Konflikts ist ein Arbeitskampf um Lohnerhöhungen. Diese seien vom Management abgelehnt worden. Unzufriedene seien zur Kündigung aufgefordert worden, wobei ihnen Abfindungen in Aussicht gestellt worden seien. Viele hätten daraufhin gekündigt, aber keine Abfindungen erhalten. Deshalb sei es zur Besetzung des Fabrikdachs und der Drohung mit dem Massensuizid gekommen.
    Foxconn gehört zu der taiwanischen Hon Hai Holding und ist der weltgrößte Elektronikhersteller. Es produziert mit mehreren hunderttausend ArbeiterInnen in China unter anderem für Apple, HP, Nintendo, Sony, Dell und Microsoft. 2010 brachte eine Suizidwelle, bei der es 14 Tote gab, den Konzern weltweit in die Schlagzeilen. Sowohl der Foxconn-Konzern als auch Hauptkunde Apple machen satte Gewinne.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es sei noch einmal an die Arbeit von Yuqing Xing und Neal Detert erinnert, in der die Autoren darauf hinweisen, dass Apple mit seinem iPhone (2009) eine Gewinnspanne von 64 Prozent erzielte – nicht nur wegen der unterbezahlten Arbeiter bei Foxconn, aber eben auch [PDF – 107 KB].
    Wie profitgeil die westlichen Konzerne inzwischen geworden sind, wird auch daran deutlich, wenn man weiß, dass die Herstellung in den USA immer noch eine Gewinnspanne 50 Prozent zugelassen hätte. Häufig wird gerade aus den Dritte- Welt -Bewegungen heraus argumentiert, dass Verlagerungen im Rahmen der Globalisierung endlich den Entwicklungsländern die Chance böten, gegenüber dem Westen aufzuholen. Die Arbeiter von Foxconn nehmen an diesem Aufholprozess kaum teil. Und wir dürfen uns von unseren Konzernen und der ihnen hörigen Politik anhören, dass wir uns dieser Konkurrenz zu stellen hätten und uns ein Beispiel an den genügsamen Arbeitern Chinas zu nehmen hätten. Auf die Zustände dort oder z.B. Bangladesch angesprochen, wird uns dann entgegen gehalten, der deutsche, der europäische, der amerikanische Konsument fordere Waren zu günstigen Preisen. – Bei Gewinnspannen von 60 Prozent?!
    Dieser Art von Globalisierung müssen Grenzen gesetzt werden! Sie betrifft nicht nur den globalen Wettbewerb um die die niedrigsten Kosten von Arbeitnehmerstandards sondern ebenso den Wettbewerb um die niedrigsten Umweltkosten. Selbst die kleine europäische Globalisierung namens Binnenmarktprojekt, nimmt geradezu groteske Züge an, wie die Umweltbilanz der spanischen Obst- und Gemüseproduktion zeigt. Denn problematisch sind nicht nur die Löhne (hier der afrikanischen und osteuropäischen “Gemüsesklaven”), wenn einige der trockensten Gegenden Spaniens ein europäisches Versorgungszentrum für Obst und Gemüse ausgebaut werden. Wir hier, in einem der wasserreichsten Länder der Erde, konsumieren das äußerst rare Wasser Spaniens. Würde man die “Verwüstung” und Vergiftung der Böden Almerías in die die Marktpreise unserer Tomaten einbeziehen, würde sich diese Art von Globalisierung nicht mehr lohnen und verschwinden.

  9. Rechtsextremismus und Ökobewegung: Braune Ökologen
    Dass Ökologie und Umweltschutz von völkisch-nationalistischen und rechtsextremistischen Ideologien vereinahmt werden, ist kein Phänomen der letzten Jahre. Zeugnisse dafür finden wir bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Neueren Datums sind Versuche, Ideologie und Praxis zu verbinden.
    Zu beobachten ist, dass Sympathisanten Grundstücke und Immobilien in Siedlungen und auch ganze Höfe und Ländereien erwerben – vorrangig in wirtschaftlich abgehängten Regionen und somit auch in Mecklenburg-Vorpommern. Gleichzeitig versucht man, Zugang zu den Produktions- und Vertriebsnetzen der Bio-Branche zu bekommen.
    Wie können die Netzwerke und Strukturen erkannt werden? Was verbirgt sich hinter den Begriffen „germanisch“ und „artgerecht“? Wo können weiterführende Informationen und Unterstützung eingeholt werden? Gerade für die zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort sind Strategien und das Wissen um Handlungsmöglichkeiten wichtig.
    Quelle 1: Glocalist
    Quelle 2: Heinrich Böll Stiftung – Braune Ökologen [PDF – 1.2 MB]
  10. Sponsoring – Einblicke in das Schattenreich der Parteienfinanzierung
    Spenden war gestern, heute wird “gesponsert”. Seitdem das Parteispendengesetz 2003 Transparenz verordnet, boomt das “Sponsoring”. Sponsoren unterstützen zum Beispiel Parteitage, schalten Anzeigen in Parteipublikationen und bescheren den Parteien Millionen. Der Reiz: Die Parteien müssen der Öffentlichkeit keine Rechenschaft darüber ablegen, wie viel Geld sie von wem erhalten und ob die Höhe der Zahlung angemessen ist. Kritiker befürchten, dass die Unternehmen so Einfluss auf die Politiker nehmen und dass die Sponsorengelder letztlich verdeckte Parteispenden sind. MONITOR-Recherchen auf Parteitagen und bei Parteizeitschriften bestärken den Verdacht: Die Zahlungen liegen weit über Marktniveau. Jeder Versuch das Parteiengesetz zu ändern, wurde bislang im Bundestag blockiert.
    Quelle: Monitor
  11. Das 15.000-Liter Steak
    Unseren Wasserverbrauch könnten wir an vielen Stellen verringern. Wichtiger ist allerdings, die Wassergroßverbraucher zu identifizieren.
    Da spart man fleißig Trinkwasser, glaubt der Umwelt damit Gutes zu tun, und die wahre Baustelle ist eine andere: Mehr als 4.000 Liter Wasser pro Person und Tag nutzen wir in Deutschland indirekt über die von uns konsumierten Nahrungsmittel und sonstigen Produkte – ein Vielfaches der rund 120 Liter Trinkwasser, die wir im Durchschnitt täglich pro Person nutzen. Die Medien haben das Thema „virtuelles Wasser“ vielfach aufgegriffen und die Öffentlichkeit verblüfft mit den riesigen Wassermengen, die hinter vielen Alltagsprodukten stecken.
    Quelle: The European

    Anmerkung JB: Der Ansatz des „virtuellen Wassers“ geht zweifelsohne in die richtige Richtung. Der Endverbraucher ist damit jedoch maßlos überfordert, da er die hyrdrologischen Begebenheiten in der Herkunftsregionen der Produkte nur in den seltensten Fällen kennt. Es macht ökologisch einen sehr großen Unterschied, ob die Baumwolle für eine Jeans aus den regenreichen USA oder aus den Dürreregionen rund um den Aralsee stammt. Die Angabe, dass für die Baumwolle einer Jeans 8.000 Liter Wasser benötigt werden, ist isoliert betrachtet nicht aussagekräftig. Ähnlich verhält es sich mit dem „15.000-Liter-Steak“. Stammt es aus Weidehaltung oder aus einem Mastbetrieb? Woher stammt das Futter? Bei einem leckeren Rumpsteak aus Argentinien können Sie beispielsweise sorgenlos zugreifen, da es wasserneutral erzeugt wurde. Siehe dazu auch: 35 Liter für eine Tasse Tee.

  12. Du schaffst das schon!
    Katja Urbatsch, die Gründerin von Arbeiterkind, spricht über die Schwierigkeiten, denen Kinder aus bildungsfernen Milieu im deutschen Bildungssystem begegnen
    Quelle: Telepolis
  13. Österreich – Negative Bilder dominieren Berichte über Zuwanderung
    Massenmedien spielen beim Thema Zuwanderung eine wichtige Rolle. Was aber im Bewusstsein von Österreichs Medienmachern präsent ist, muss sich noch lange nicht in der Berichterstattung widerspiegeln. 46 Prozent gehen nämlich von einem negativen Einfluss der Massenmedien auf den Integrationsprozess in Österreich aus, und sogar 57 Prozent sind der Meinung, dass die Berichterstattung über Zuwanderung tendenziell negativ ist. Die Speerspitze bilden dabei Boulevardmedien, glauben die Befragten, allen voran die “Kronen Zeitung”, der 33 Prozent eine “ausländerfeindliche” Grundhaltung attestieren.
    Quelle: Der Standard

    Anmerkung JB: Man tausche „Kronen Zeitung“ gegen „BILD“ aus und die Ergebnisse der Studie ließen sich 1:1 auf Deutschland übertragen.

  14. Kinostart des Films “Das System-Alles verstehen heißt alles verzeihen”
    Heute kommt der Film “Das System-Alles verstehen heißt alles verzeihen” des Regisseurs Marc Bauder in die deutschen Kinos. Er erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus Rostock, der vom Kleinkriminellen über Beziehungen zum Lobbyisten für eine Erdgas-Pipeline wird und erkennen muss, dass die alten Netzwerke der Zeit vor 1989 im Verborgenen weiterhin aktiv sind. Der Politkrimi möchte aufzeigen, wie leicht Menschen manipuliert oder auch korrumpiert werden können und thematisiert mit viel dokumentarischem Gehalt den Bau der Pipelines für russisches Gas für Westeuropa
    Quelle: Transparency International
  15. Aufruf von Attac Deutschland für den Aktionstag am 15. Januar 2012
    Widerstand ist angesagt, Empörung und Besetzung lauten die Stichworte, unter denen seit Monaten weltweit Menschen auf Straßen und Plätze gehen und ihre Forderungen vorbringen. Die Dynamik der globalen Bewegung für echte Demokratie und gegen die Umverteilung der Lasten der globalen Krise von oben nach unten, die am 15. Oktober auch Deutschland erreichte, muss weitergehen und ins neue Jahr getragen werden. Attac ruft deshalb alle dazu auf, sich am nächsten globalen Aktionstag am Sonntag, dem 15. Januar 2012, aktiv zu beteiligen. Ähnlich wie am 15. Oktober 2011 sollen an diesem Tag wieder in möglichst vielen Städten Proteste stattfinden.
    Quelle: attac
  16. zu guter Letzt: taz Mail an BILD – Mit Bitte um rasche Antwort
    An wen haben Sie Wulffs Mailbox-Nachricht weitergegeben? Als Tondokument oder schriftlich? Wann? 15 Fragen an den Chefredakteur.
    Quelle: taz
  17. das Allerletzte: „Ohne Hartz IV bist du in der Schule der Dumme“
    […] „Wer bekommt alles die Bücher von der Schule?“, fragte mein Mathelehrer. Ungefähr ein Drittel des Kurses meldete sich – sie alle bezogen Hartz IV. Der Rest musste sich das Buch selbst kaufen. Ich tat das nicht.
    Wieso sollte ich, die jedes Wochenende mindestens 16 Stunden schuftete, mir jetzt auch noch elementare Schulausrüstung zulegen, während andere Schüler alles gestellt bekamen?
    Quelle: BILD

    Anmerkung unseres Lesers M.F.: Sarrazin als Schulmädchen-Report.

    Ergänzende Anmerkung JB: Wer weiß, vielleicht haben beide Bücher ja den gleichen Ghostwriter? Die BILD begleitet das Schicksal der „süßen blonden Schülerin“, die damals in einer Castingshow von Dieter Bohlen abgelehnt wurde schon seit langem. Ein besonderes Schmankerl aus dem Artikel:

    „Neben Tanzen und Modeln ist Schreiben ihre große Leidenschaft. Wenn aus der Show-Karriere nichts wird, will sie Betriebswirtschaft studieren. Oder Jura. Für mehr Gerechtigkeit kämpfen. Denn dass es damit nicht weit her ist, hat sie schon kapiert.“

    Ohne Worte!


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Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=11899