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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. Januar 2012 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Colin Crouch zur Finanzkrise – Es muss noch schlimmer werden
  2. Löhne rauf, Krise stoppen!
  3. Wolfgang Münchau: Die Bank ist immer schneller
  4. Paul Krugman – How Fares the Dream?
  5. Ratingagenturen
  6. Widersprüchliche Befunde: Bevölkerungsentwicklung, Arbeitnehmerfreizügigkeit (Destatis, IAB)
  7. Rumänien – Rettungsdienstgründer als Volksheld
  8. Kölner U-Bahn-Bau
  9. Der Hang der Sozis zum Lobbyismus
  10. Die herrschende Klasse
  11. Unerträglich: Die Ausfälle des Hans-Peter Uhl (CSU)
  12. Iran – Die Brandbeschleuniger
  13. Zeitreise: Als Beobachter im Kosovo
  14. «Wir brauchen Haltung»
  15. Journalisten, Rabatte und Moral
  16. zu guter Letzt: Wulff bricht sein Schweigen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Colin Crouch zur Finanzkrise – Es muss noch schlimmer werden
    Der britische Soziologe Colin Crouch erzielte großes Aufsehen mit seinem Buch „Postdemokratie“. Er beschrieb darin die verschiedenen Formen, mit denen die Finanz- und Kommunikationseliten die moderne Demokratie aushöhlen. Im Interview spricht er über die Krise und die Rolle der Deutschen in Europa.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  2. Löhne rauf, Krise stoppen!
    Es droht eine Rezession in Deutschland. Im letzten Quartal 2011 gab es bereits einen Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung um 0,25 Prozent.
    Kanzlerin Merkel ist zur heimlichen Kaiserin von Europa geworden und diktiert dem Kontinent eine beständige Verschärfung der Kürzungsprogramme. Fast 600 Milliarden Euro werden in den nächsten Jahren weggekürzt. Das ist ein Strangulierungsprogramm der europäischen Wirtschaft.
    Dies wird auch die Nachfrage nach deutschen Produkten treffen. Mehr als 60 Prozent der deutschen Exporte gehen in die EU, gut 40 Prozent in die Eurozone.
    Eine Rezession in Deutschland kann nur verhindert werden, wenn schnell auf die Binnenwirtschaft umgesteuert wird. Dazu gehört vor allem die Stärkung des privaten Konsums – durch knackige Lohnerhöhungen. Deshalb hat die Tarifrunde im Frühjahr entscheidende Bedeutung.
    Es gibt immer mehr Milliardäre in Deutschland; genau 108. Sie konnten ihr Vermögen im letzten Jahr um 6,5 Prozent erhöhen. Vielen fällt da sofort ein: „6,5 Prozent – dies wäre eigentlich ein guter Lohnabschluss.“ Dann gäbe es zumindest eine gesicherte Reallohnsteigerung von vier Prozent. Und es wäre eine Chance, dass das Land nicht in eine Rezession abrutscht.
    Quelle: Michael Schlecht [PDF – 817 KB]
  3. Wolfgang Münchau: Die Bank ist immer schneller
    Mit der Steuer auf Börsengeschäfte geht ein alter Traum der Linken in Erfüllung. Bringen wird die Steuer wenig. Aber nicht etwa, weil die Banken aus der Euro-Zone abwandern. Sondern weil sie die Steuer mit neuen, kreativen Finanzprodukten umgehen werden. Die gewichtigeren Argumente gegen eine Transaktionssteuer sind andere. Das erste ist die wahrscheinliche Umwandlung von Transaktionen in alternative steuerfreie Finanzinstrumente. Eine der wichtigsten Eigenschaften moderner Finanzmärkte besteht darin, dass man traditionelle Finanzaktionen wie eine Versicherung oder den Kauf einer Anleihe mit anderen Finanzprodukten synthetisch nachbilden kann. Jetzt kann man natürlich das Gesetz auch auf diese Produkte ausweiten, doch dann wird die Industrie wieder neue Produkte finden, die auch das neue Gesetz umgehen. Die Industrie hat dabei zwangsläufig die Nase vorn. Es dauert immer länger, ein Gesetz zu ändern als ein Finanzprodukt zu konstruieren.
    Wenn man die Zockerei wirklich unterbinden möchte, dann braucht man ein spezielles Konkursverfahren für Banken, das die Eigentümer zur Kasse bittet, die Gläubiger zu Eigentümern macht und die Sparer schont.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wolfgang Münchau kritisiert die Transaktionssteuer aus einem ganz anderen Blickwinkel. Allerdings dürften nur Spezialisten nachvollziehen können, inwiefern die Finanzindustrie jede gesetzliche Regelung zur Transaktionssteuer mit neuen Produkten umgehen kann. Allerdings, warum dann dieser Widerstand des Finanzkapitals, wenn alles so einfach ist? – Seine Vorschläge, wie man die Zockerei unterbinden könnte sind allemal lesenswert. Allerdings fragt man sich, wenn schon die Transaktionssteuer so schwer durchzusetzen ist, wie sollen es diese z.T. viel radikaleren Maßnahmen schaffen.

  4. Paul Krugman – How Fares the Dream?
    […] Yet if King could see America now, I believe that he would be disappointed, and feel that his work was nowhere near done. He dreamed of a nation in which his children “will not be judged by the color of their skin but by the content of their character.” But what we actually became is a nation that judges people not by the color of their skin — or at least not as much as in the past — but by the size of their paychecks. And in America, more than in most other wealthy nations, the size of your paycheck is strongly correlated with the size of your father’s paycheck. […]
    Last week Alan Krueger, chairman of the president’s Council of Economic Advisers, gave an important speech about income inequality, presenting a relationship he dubbed the “Great Gatsby Curve.” Highly unequal countries, he showed, have low mobility: the more unequal a society is, the greater the extent to which an individual’s economic status is determined by his or her parents’ status. And as Mr. Krueger pointed out, this relationship suggests that America in the year 2035 will have even less mobility than it has now, that it will be a place in which the economic prospects of children largely reflect the class into which they were born.
    Quelle: New York Times

    Kurzzusammenfassung: Paul Krugman nimmt die berühmte „Dream-Rede“ des Bürgerrechtlers Martin Luther King als Vorlage, um zu analysieren, ob die heutigen Vereinigten Staaten ein Land seien, in dem alle Bevölkerungsschichten eine Chance haben. Er kommt zu dem Schluss, dass die modernen USA diese Chance in einem wesentlich stärkeren Maße verweigern, als die USA zu Kings Zeiten. Ferner arbeitet Krugman heraus, dass diese soziale Immobilität auch eine Form des Rassismus ist, da vor allen den Schwarzen, die aufgrund der „Klassenzugehörigkeit“ ihrer Eltern unter ihr leiden.

  5. Ratingagenturen
    1. Robert Misik – Die Kasperln von Standard & Murks
      Standard & Poor’s, jene Ratingagentur, die noch Anfang September 2008 die Bank Lehman Brothers als „sichere Anlage“ bewertet hat, hat also Österreich auf die Bonitätsstufe AA+ herabgesetzt. Und zwar, weil Österreich von einer Staatspleite in Ungarn und Schwierigkeiten in Italien stark bedroht sei, weil unser Wirtschaft und vor allem unsere Banken stark mit diesen Ländern verzahnt sind und hohe Risiken – vor allem im Ostgeschäft – eingegangen sind. Im Klartext: Wegen dem Treichl und dem Rothensteiner und all unseren Finanzgenies, die viel zu viele Fremdwährungskredite in Ungarn und sonst wo vergeben haben. Das ist logisch, durchaus auch nachvollziehbar. Aber andere werden nicht runtergestuft. Aber das ist schon weniger logisch. Denn jetzt stellen wir uns vor, der Dominoeffekt, den Standard & Poor’s dieser Einschätzung zugrunde legt, tritt wirklich ein: Wenn das tatsächlich eintritt, dann fegt ja ein wirtschaftlicher Tsunami durch Europa und die globale Marktwirtschaft, dass eh kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Aber warum hat dann Deutschland weiter ein Triple A?
      Quelle: Der Standard
    2. Europa braucht Wachstum
      Sparen allein reicht nicht, urteilt die Rating-Agentur Standard & Poor’s. Richtig, kommentiert Marcus Gatzke. Nur muss das auch Deutschland endlich verstehen.
      Quelle: ZEIT
    3. Gründerzeit für Ratingagenturen
      Die Bertelsmann-Stiftung und die Unternehmensberatung Roland Berger wollen eine neue Bewertung des Wirtschafts- und Finanzsystems entwickeln. Sie sind nicht die einzigen Anbieter
      Es klingt ein wenig so, als würde der vorerst gescheiterte KTG der Universität Bayreuth anbieten, eine neue Promotionsordnung zu konzipieren. Oder als wolle Christian Wulff die juristische Fachwelt mit einem aktualisierten Grundgesetz-Kommentar zum Thema Pressefreiheit überrumpeln. Doch die Bertelsmann-Stiftung meint es ernst: Sie will schon in den nächsten Monaten eine neue Ratingagentur als Non-Profit-Institution entwickeln. Schließlich fehle es den anderen an Legitimität und Transparenz, meinte neulich der Vorstandvorsitzende Gunter Thielen.
      Quelle: Telepolis
  6. Widersprüchliche Befunde: Bevölkerungsentwicklung, Arbeitnehmerfreizügigkeit (Destatis, IAB)
    „Begehrtes Ziel Deutschland“ (Westdeutsche Zeitung“), „Deutschlands Bevölkerung wächst dank der Zuwanderer“ (STERN Online), „Zuwanderer erhöhen Einwohnerzahl“ (FOCUS Online), „Ausländer-Zuzug lässt Bevölkerung wachsen“ (RP Online) u.s.w..
    Quelle der vielen Online-Meldungen am vergangenen Freitag, dem 13. Januar 2012, ist die Pressemitteilung Nr. 014 des Statistischen Bundesamtes vom selben Tag. Unter der Überschrift „Für 2011 wird mit einer leichten Bevölkerungszunahme gerechnet“ wird die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die „… Einwohnerzahl Deutschlands … nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Jahr 2011 erstmals nach acht Jahren Rückgang gestiegen sein (dürfte).“ Eine Erklärung dieser überraschenden Bevölkerungszunahme in 2011: „Großen Anteil an dieser positiven Entwicklung der Wanderungsergebnisse haben die Zuzugszahlen aus den im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staaten, vor allem aus Polen. Seitdem seit Mai 2011 für sie die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt, ziehen pro Monat durchschnittlich mehr als 28.000 Personen aus diesen EU-Staaten zu. In den ersten vier Monaten 2011 waren es nur rund 15 000.“
    Diese Meldung überrascht: Denn auf den Tag genau einen Monat zuvor, am 13. Dezember 2011, hatte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB: „Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit“) ihren IAB-Kurzbericht 24/2011 veröffentlicht. Thema: „Arbeitnehmerfreizügigkeit – Neue Potentiale werden bisher kaum genutzt“. Die dort auf Basis der Daten des beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geführten Ausländerzentralregisters genannten Zuzüge in die Bundesrepublik
    Deutschland aus den „EU-8-Staaten“ (Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011) weichen erheblich von den von Destatis genannten Daten über den Zuzug aus diesen EU-Staaten ab: Nicht „pro Monat durchschnittlich mehr als 28.000 Personen“ seit Mai 2011 (Destatis) sondern lediglich insgesamt 41.400 Zuzüge „in den ersten fünf Monaten nach Öffnung des Arbeitsmarktes zum 1. Mai 2011“ (Mai bis September 2011), also knapp über 8.000 Zuzüge pro Monat. Das Zwischenfazit des IAB, „Die Zuwanderung aus diesen EU-8-Ländern ist allerdings nur moderat gestiegen.“, wird von Destatis offensichtlich
    nicht bestätigt.
    Eine Ursache für diese widersprüchlichen Befunde könnte sein: In die Untersuchung des IAB ist das vierte Quartal 2011 noch nicht einbezogen. Dann aber müsste die (statistisch erfasste) Zuwanderung aus diesen EU-Staaten im letzten Quartal des vergangenen Jahres sehr stark gestiegen sein.
    Hier besteht offensichtlich Klärungsbedarf.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. [PDF – 78 KB]

    Anmerkung WL: Soviel zur Sicherheit demografischer Daten. Wie stark dürfte erst der Klärungsbedarf sein, für die demografische Entwicklung in 20, 30 oder noch mehr Jahren, auf der z.B. der angebliche Zwang zur Zerstörung der gesetzlichen Rente besteht.

  7. Rumänien – Rettungsdienstgründer als Volksheld
    Auch am Sonntagabend wurden wieder Fahrzeuge und Geschäfte zerstört und Brände gelegt. Die Verwüstungen in Bukarest erstrecken sich mittlerweile auf sechs Kilometer. Demonstranten fordern seit Tagen den Rücktritt von Präsident Traian Basescu und der liberaldemokratischen Regierung unter Premier Emil Boc, die seit Sommer 2010 eine der europaweit härtesten Reform- und Sparprogramme durchzieht.
    Andererseits bekunden sie ihre Solidarität mit Gesundheitsfachmann Raed Arafat, der sich als Gründer des international mustergültigen Rettungsdiensts Smurd einen Namen gemacht hat. Arafat war am 10. Jänner nach scharfen verbalen Angriffen Basescus von seinem Amt als Unterstaatssekretär im Gesundheitsministerium zurückgetreten. Er hatte gegen das neue Gesundheitsgesetz protestiert, das unter anderem die Öffnung der Rettungsdienste für private Anbieter vorsah.
    Quelle: Der Standard
  8. Kölner U-Bahn-Bau: Bauherrin muss Kosten für Verlegung von Telekommunikationsleitungen übernehmen
    Die Verlegung von Telekommunikationsleitungen im Rahmen des Bauprojekts „Nord-Süd-Stadtbahnlinie“ in Köln hat nicht auf Kosten des Telekommunikationsunternehmens, sondern der Bauherrin zu erfolgen. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden.
    Quelle: Kostenlose Urteile

    Anmerkung MB: Da ist ja für Stuttgart 21 noch Einiges zu erwarten …

  9. Der Hang der Sozis zum Lobbyismus
    Die von Schröder oder Blair repräsentierte Generation hat vorgeführt, wie Politik als Sprungbrett zur persönlicheren Bereicherung dient, die sozialistischen Parteien scheint dies nicht zu stören
    Quelle: Telepolis
  10. Die herrschende Klasse
    Christian Wulff ist nominell Bundespräsident, aber vor allem symbolisiert er die aktuelle politische Klasse. Wulff steht für die oft harmlos daherkommende, in der Addition und Qualität vorhandener Beziehungen jedoch machtvoll entdemokratisierende Symbiose von politischer und ökonomischer Macht. Kommentare, Titelblätter und das Spiel über Bande spiegeln eine zwar unterschiedlich motivierte, aber mannschaftlich geschlossene Eindeutigkeit der Verurteilung. Deren Resonanzboden besteht darin, dass über Wulff sinnbildlich geurteilt wird. Unausgesprochen steht er für jene Angehörigen der politischen Klasse, deren programmatische Eigenleistungen über die attestierte Wirtschaftsfreundlichkeit hinaus im Nanobereich zu suchen sind. In diesem Teich ist Wulff ein Fisch von eher bescheidenem Format. Wäre da nicht seine Position. Andere wurden pfleglicher behandelt, obwohl nach Ausscheiden aus dem Amt die Lobbyarbeit – Pardon! – Beratungstätigkeit mit Bezug zum ehemaligen Entscheidungsbereich zur üblichen Berufswahl gehört. Gerhard Schröder und Roland Koch sind nur die bekanntesten Protagonisten einer unlauteren, aber rechtlich offenbar tolerablen Praxis. Solange die Diskussionen aber symbolisch auf “den Fall Wulff” und andere Ausreißer beschränkt bleiben, kann die Politik damit recht gut leben, ohne an überkommenen Strukturen zu rütteln.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: So berechtigt die über Wulff hinausgehenden Fragen auch sind, es ist kaum zu erwarten, dass sie mit solcher Intensität gestellt und diskutiert werden. Selbst im Nachhinein will niemand so genau wissen, wie das “quid pro quo” z.B. im Falle Clements oder Schröders ausgesehen haben mag. Das Auftreten und die Werbung des Kanzlers Schröder für Finanzprodukte von AWD übertrifft die traurige Affäre Wulff bei weitem. Aus der AWD-Mitarbeiterzeitung: “Carsten Maschmeyer kündigte als besonderen Ehrengast den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder an! Das hatte niemand erwartet – der Bundeskanzler bei einer AWD-Vertriebstagung! Seine Botschaft: SIE als AWD-Mitarbeiter und Mitarbeiterin erfüllen eine staatsersetzende Funktion. Sichern Sie die Rente Ihrer Mandanten, denn der Staat kann es nicht. Private Vorsorge lautet das Gebot der Stunde.”
    Da mag man Frau Merkel in diversen Talkshows zum Gegenbild zu diesem Politikertypus stilisieren wollen, sie hält aus machtstrategischen Gründen an fragwürdigen Politikern wie Wulf oder zu Guttenberg bis zum Geht-Nicht-Mehr fest und trägt dazu bei, dass das politische Niveau Deutschlands immer mehr auf das einer Bananenrepublik sinkt. Verführt durch solche Leitbilder, wird sich unsere junge Intelligenz sagen, wozu noch eine Karriere in Wirtschaft oder Wissenschaft anstreben, an die die “Kohle” komme ich bequemer in der Politik – wie in etlichen kleptokratisch regierten Ländern Afrikas, wo die politische Karriere die einzig gewinnbringende ist.
    Wulff ist Geschichte, ob er nun als Bundespräsident zurücktritt oder nicht. Die eigenen Worte, mit denen seinerzeit den Fall Glogowski seinerzeit kommentierte, fallen auf ihn zurück: „Er hat sich verheddert in einem Geflecht von Beziehungen zu denen er nicht die notwendige Distanz gehabt hat. Eine wichtige Voraussetzung für das Amt … Es gibt beim Ministerpräsidenten Glogowski kein Unrechtsbewusstsein, keine Einsicht in mangelnder Abgrenzung privater und dienstlicher Belage“. Vor allem aber Wulff hat seine Funktion erfüllt, als Sündenbock für all jene Politiker, die öffentliches Amt und persönlichen Vorteil miteinander verquickt haben.

  11. Unerträglich: Die Ausfälle des Hans-Peter Uhl (CSU)
    Hans-Peter Uhl, altgedienter CSU-Politiker und Innenexperte der Unions-Fraktion im Bundestag, fällt seit Jahren immer wieder durch reaktionäre Äußerungen auf, die häufig die Grenze des Erträglichen deutlich überschreiten. Mal betont er, Deutschland würde von Sicherheitsleuten regiert, mal beklagt er sich über die fremden Geräusche, Gerüche oder Anblicke der in Deutschland lebenden „Ausländer“ oder will sich in Bezug auf die Regulierung des Internets an der chinesischen Regierung orientieren.
    Quelle: Jacob Jung
  12. Iran – Die Brandbeschleuniger
    Vor wenigen Tagen berichtete die New York Times, US-Präsident Barak Obama habe dem religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, über geheime Kanäle eine persönliche Warnung zukommen lassen: Sollte Iran die Straße von Hormus für die internationale Schifffahrt sperren, würden die USA die Durchfahrt gewaltsam erzwingen. Mit anderen Worten: Es gäbe Krieg.
    Quelle: taz
  13. Zeitreise: Als Beobachter im Kosovo
    Henning Hensch aus Lütjenburg hat viel nachgedacht in den letzten zwölf Jahren. Er ist im Kosovo Teil einer Geschichte geworden, die ganz Deutschland bewegt hat. Eine Geschichte, mit der ganz Deutschland belogen worden ist – sagt er. Henning Hensch war Polizist. Er hatte schon viel gesehen vor diesem 29. Januar 1999 in der kosovarischen Ortschaft Rugovo, doch so etwas noch nicht. Vor allem hätte Henning Hensch es nicht für möglich gehalten, wie dieses Ereignis Monate später gedeutet wird. Rudolf Scharping, der damalige Verteidigungsminister, hat die Bilder aus Rugovo benutzt. Als Beweise für ein Massaker von Serben an unschuldigen Kosovo-Albanern. Doch für Henning Hensch beweisen die Bilder nicht ein Massaker, sondern sie sind Aufnahmen bei einem Gefecht. Nur habe das damals der Bundesregierung nicht gepasst.
    Quelle: NDR

    Anmerkung JB: Leider ist diese Sendung (noch?) nicht in der Mediathek zu finden. Sollten Sie eine Onlinequelle des Videos kennen, kontaktieren Sie uns bitte.
    Zum Thema ist der nun bereits zehn Jahre alte ARD-Dokumentarfilm „Es begann mit einer Lüge“ zu empfehlen.

  14. «Wir brauchen Haltung»
    Susan Boos, die Redaktionsleiterin der «Wochenzeitung», über alte Dogmen, Gefahren der PR und die Korrumpierbarkeit der Medien.
    Quelle: Tageswoche
  15. Journalisten, Rabatte und Moral
    Derzeit verlangen viele Journalisten „vollständige Transparenz“ vom Bundespräsidenten, während sich zehntausende Medienleute in aller Stille ihrer Rabatte und kleinen Vorteile erfreuen. Der Fall Wulff ist eine schöne Gelegenheit, vor der eigenen Türe zu kehren. […]
    Die Bahncard 50 kostet Normalsterbliche für die 2. Klasse 240 Euro, für die 1. Klasse 482 Euro – der Journalist kommt mit 122 beziehungsweise 244 Euro weg und erhält dieselbe Vergünstigung auch für seinen Partner, sofern dieser unter derselben Adresse gemeldet ist. Im Fall der Air Berlin enthüllten Journalisten, dass sie rund 100 Prominenten, wer immer das gewesen sein mag, bis Oktober 2011 regelmäßig Gratisflüge gewährt hat. Mit nämlicher Gesellschaft flogen Journalisten jahrelang zum halben Preis (einschließlich Partner), derzeit beträgt der Nachlass 25 Prozent. Immerhin: Die Condor bietet 50 Prozent Rabatt auf die Flugreisen von Presseausweisinhabern, die allerdings auf ihren Internetforen meckern: „Schön wäre ein Rabatt auch für eine Begleitperson!“ […]
    Frage an den Bundesfinanzminister: Wie viele Journalisten versteuern solche Geschenke als geldwerte Vorteile? Frage an die Nutznießer von Journalistenrabatten: Wenn sich bei der Deutschen Bahn 50 000 Medienleute eine um fast 50 Prozent verbilligte Bahncard für die 1. oder 2. Klasse kaufen, zudem ihre Partner mitversorgen und im Durchschnitt rund 200 Euro sparen, entsteht der Deutschen Bahn ein Verlust von zehn Millionen Euro – könnte es sein, dass die Bahn diesen Verlust auf Otto Normalkunde umlegt?
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  16. zu guter Letzt: Wulff bricht sein Schweigen
    Quelle: Extra3 via YouTube


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