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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Juli 2012 um 8:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Oskar Lafontaine: “Europa ist ohne die Beteiligung der Bürger aufgebaut worden.“
  2. Osteuropa: Euro? Nein, danke
  3. Ulrike Herrmann: Verfassungsrichter helfen Merkel
  4. Merkel: „Wir bekommen immer die Mehrheit, die wir brauchen“
  5. So fragt Cora Stephan in der „Welt“ die Kanzlerin
  6. Kauf von Steuer-CDs: Deutschland schadet sich selbst
  7. Britische Bank HSBC: „Eine durch und durch vergiftete Kultur“
  8. Chef von Munich Re Bomhard will Großbanken zerschlagen
  9. Ökonomentipps für Bankräuber
  10. Die Genossenschaft – der Mensch im Mittelpunkt
  11. Schröpfen on demand
  12. Rechtsextreme: Die kümmern sich
  13. Ministerin Schröder quält die Quote
  14. Rezension: Der seltsame Triumpf gescheiterter Ideen
  15. Vier Jahrzehnte Numerus Clausus-Urteil – 40 Jahre Verfassungsbruch
  16. Schluss mit Multikulti: Über die kanadische Migrationspolitik
  17. Unglaubliche Strafen für Genua-Demonstranten
  18. Zu guter Letzt: Konstantin Wecker – Das Lächeln meiner Kanzlerin

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Oskar Lafontaine: “Europa ist ohne die Beteiligung der Bürger aufgebaut worden. Das war ein großer Fehler”
    Oskar Lafontaine sieht bei den Piraten Übereinstimmungen mit dem Programm der Linken und zeigt sich im Telepolis-Interview offen gegenüber der Piratenpartei…
    Schwere Vorwürfe macht Lafontaine europäischen Politikern, die seiner Meinung nach die Krise der Währungsunion mit zu verantworten haben, da sie sich “mehr oder weniger von den Inventmentbankern am Nasenring durch die Manege” haben führen lassen. Kein gutes Wort lässt Lafontaine an den Bilderberg-Konferenzen, die er als von den Reichsten und Mächtigsten dieser Welt ausgerichtet sieht. Ziel der elitären Zusammenkunft sei es, “ausgewählten Politikern den politischen Kurs nahe zu bringen.”
    Europa ist ohne die Beteiligung der Bürger aufgebaut worden. Das war ein großer Fehler. Die Linke befürwortet Volksbefragungen… Die EU in ihrer bisherigen Form war vor allem ein Projekt der Banken und großen Wirtschaftskonzerne. Es richtete sich insofern gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. Bei der Durchsetzung dieser Politik hätten Volksbefragungen eher gestört.
    Quelle: Telepolis
  2. Osteuropa: Euro? Nein, danke
    Östliche Beitrittskandidaten zögern, gemeinsame Währung einzuführen. Diese Skepsis speist sich unter anderem aus den Erfahrungen, die viele mittelosteuropäische Staaten mit ihren unabhängigen Währungen seit Krisenausbruch gesammelt haben. Neben Polen konnte auch Tschechien von deren enormer Abwertung seit 2009 profitieren. Denn die Exporte verbilligten sich. Während die südliche Peripherie der Euro-Zone unter ihrer Schuldenlast und dem Konkurrenzdruck der deutschen Exportindustrie kollabiert, nahm die Krise in Polen und Tschechien bislang einen weitaus milderen Verlauf. Nach einem kurzen Wirtschaftseinbruch 2009 ging Prag wieder auf Wachstumskurs. Polen konnte sogar als einziges europäisches Land eine Rezession gänzlich vermeiden. Massive Abwertungen können aber auch eine Schuldenkrise eskalieren lassen, wenn viele Kredite in Auslandswährungen aufgenommen wurden, was deren Bedienung verteuert. Mit solch einer Situation sind insbesondere Ungarn und Rumänien konfrontiert, wo Hunderttausende sich Devisenkredite haben aufschwatzen lassen. Die hohe Schuldenlast in ausländischen Währungen dürfte einer der Gründe sein, die zur Umsetzung knallharter Streichprogramme (»Sparkurs«) in den baltischen Staaten führte.
    Auch die übrigen mittelosteuropäischen Mitgliedsländer sind im höchsten Maße von der Lage in EU und Euro-Zone abhängig. Zum einen wickeln diese Staaten einen Großteil ihres Außenhandels dort ab: Deutschland beispielsweise kauft etwa ein Drittel aller Ausfuhren Tschechiens. Doch entscheidend ist die Struktur des osteuropäischen Industriesektors, der nahezu vollständig durch ausländisches und besonders westeuropäisches Kapital geprägt ist. Der sogenannte Automobilcluster in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, bei dem eine Vielzahl von Fahrzeugherstellern und Zulieferern von den Niedriglöhnen in der Region profitierte, ist im hohen Maße konjunkturabhängig. Im gewissen Sinne konnte sich Osteuropa im innerkontinentalen Standortwettbewerb gegen die südliche Peripherie der Euro-Zone »durchsetzen«. Insbesondere deutsche Industriekonzerne haben arbeitsintensive Fertigungsschritte eher nach Osten als nach Süden ausgelagert.
    Doch die totale ökonomische Abhängigkeit von der Euro-Zone und speziell Deutschland setzt nun die Region verstärkt unter Druck, besonders nachdem die Verwerfungen auch auf den ehemaligen »Exportweltmeister« ausstrahlen. In diesem Jahr werden die zehn osteuropäischen EU-Neumitglieder laut einer Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) nur ein schwaches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 Prozent verzeichnen. Länder wie Ungarn müssen laut WIIW sogar mit einer leichten Rezession rechnen. Die immer stärker einbrechende Nachfrage im westeuropäischen Zentrum der EU führt auch im Musterland Polen zu einer wirtschaftlichen Bremsung. Dabei hat die Krise die periphere Stellung Osteuropas zementiert. Die Illusion von einem ökonomischen »Aufholen« gegenüber dem Westen ist zerstoben. So ermittelte das Wirtschaftsmagazin Forbes bei der Auswertung von statistischem Material (Entwicklung des BIP pro Kopf der Bevölkerung in den mittelosteuropäischen Staaten): Die Differenz beim Pro-Kopf-BIP zwischen Deutschland und Mittelosteuropa verringerte sich nur in einer relativ kurzen Periode zwischen dem Ende der 90er Jahre und 2008. Seit dem offenen Krisenausbruch 2009 wächst der Abstand bei dieser zentralen ökonomischen Kennziffer wieder stetig. Einzig Polen vermochte es, seit 2009 den Abstand konstant bei ca. 51 Prozent des deutschen Wertes zu halten.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn man sich die vielen Studien im Vorlauf der Osterweiterung vornimmt und mit der heutigen Situation vergleicht, kommt man sich wie in einer Märchenstunde vor. Es ist schon erstaunlich, wie sich die großen wissenschaftlichen Institute Europas sowohl beim Binnenmarktprojekt, bei der Osterweiterung und auch beim Euro von den Wunschvorstellungen der politischen und wirtschaftliche Eliten verbiegen lassen.

  3. Ulrike Herrmann: Verfassungsrichter helfen Merkel
    …Erstens ist nicht vorstellbar, dass die acht Richter den Crash des Euros riskieren wollen. Denn dann würde sich ja sofort die Frage stellen, welche politische Legitimation diese fünf Herren und drei Damen eigentlich haben, eine derartige wirtschaftliche Katastrophe auszulösen. Also werden sie dem ESM zustimmen und nur zu Nebenaspekten juristische Anmerkungen formulieren.
    Zweitens, noch gravierender: Der ESM ist sowieso zu klein. Die vorgesehenen 700 Milliarden Euro reichen nicht, falls Spanien und Italien Hilfskredite beantragen. Beide Länder werden jedoch Unterstützung brauchen, um ihre Zinslast zu senken. Der ESM ist daher überholt, noch bevor das Bundesverfassungsgericht über ihn urteilt…
    Aber Kanzlerin Merkel profitiert gleich doppelt von diesem Prozess: Am Ende wird sie bestätigt – und bis dahin ist es symbolisch hilfreich, dass sich das Verfahren noch zwei Monate hinzieht. Denn diese Gelassenheit des Gerichts suggeriert, dass Normalität herrscht. Plötzlich erscheint die Eurokrise wie ein Randphänomen, das ruhig warten kann.
    Diese Realitätsverweigerung inszeniert Merkel schon seit zwei Jahren, und darin wird sie nun vom Verfassungsgericht bestätigt. Schöner kann es für sie gar nicht kommen. Vorerst. Denn auch wenn Merkel es nicht wahrnehmen will: Die Krise eskaliert trotzdem.
    Quelle: taz
  4. Merkel: „Wir bekommen immer die Mehrheit, die wir brauchen“
    Die SPD werde bis zur Abstimmung die Konditionen weiter sorgfältig prüfen. Oppermann warnte zugleich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich bei den Spanien-Hilfen auf die SPD zu verlassen: „Frau Merkel muss unabhängig von unserer Entscheidung in einer solch elementaren Frage die eigene Kanzlermehrheit schaffen.“
    Das sieht Merkel jedoch gelassen. „Wir bekommen immer die Mehrheit, die wir brauchen“, sagte die CDU-Chefin im ZDF. Davon gehe sie auch bei der Freigabe von Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF aus. Die Forderung nach einer Kanzlermehrheit wies Merkel als unnötig zurück.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Siehe „Die von der Opposition allein gelassenen Wähler lassen die Kanzlerin als „Übermutter“ erscheinen“.

  5. So fragt Cora Stephan in der „Welt“ die Kanzlerin
    Überhaupt: Was genau verstehen Sie unter Europa? Nur charmante Südländer, die es als Angriff auf ihre Lebenskultur ansehen, wenn man ihnen mit ausgeglichenem Haushalt, Steuerehrlichkeit und Rechtssicherheit kommt? Was ist mit Großbritannien und den skandinavischen Ländern, die man nicht erst groß umerziehen muss, was ordentliches Wirtschaften betrifft, und die sich offenbar genau deshalb vom Euro-Projekt fernhalten? Was mit Polen, dem Erfolgsland in Osteuropa, unserem in vieler Hinsicht nächsten Nachbarn?
    Die deutsch-französische Freundschaft mag ein historischer Gewinn gewesen sein. Mittlerweile aber überlagert sie die weit existenziellere Bindung an die USA und die angelsächsische Welt mitsamt ihrer Liberalität und ihrem Pragmatismus. Das schadet uns, finde ich.
    Quelle: Welt

    Anmerkung WL: Cora Stephan war einstmals der Redaktion der Sponti-Zeitung „Pflasterstrand“ an, heute ist sie Autorin bei Broders „Achse des Guten“, die ein Handlanger der amerikanischen Hegemonialansprüche ist und das Feindbild des Islamismus pflegt. Kein Wunder also, dass das deutsch-französische oder das Verhältnis Deutschlands zu seinen anderen Nachbarn nachrangig ist. Hauptsache die Deutschen ordnen sich dem angelsächsischen Wirtschaftsliberalismus und den strategischen Interessen der USA unter und bekämpft den europäischen Wohlfahrtsstaat.

  6. Kauf von Steuer-CDs: Deutschland schadet sich selbst
    Mit dem Kauf von Steuer-CDs ist wenig gewonnen. Stattdessen dienen sie Landespolitikern zur Profilierung. Ohnehin ist durch den Ankauf dubios beschaffter Daten für den deutschen Steuerzahler meist nicht viel gewonnen. Einen Gewinn versprechen sich wohl eher manche Finanzminister in den Bundesländern, denen die Vorlage des Steuerstreits einen Auftritt als Rächer der Empörten beschert. So verliert Deutschland Zeit. Währenddessen haben wirklich gewitzte Steuerhinterzieher ihr Geld schon lange aus der Schweiz hinausbugsiert. Wenn die deutsche Innenpolitik das Steuerabkommen mit der Schweiz weiterhin torpediert, kann es sein, dass Deutschland am Ende ganz mit leeren Händen dasteht.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Was treibt nur den Tagesspiegel an, so eindeutig die Position Schäubles zu vertreten? Schäuble hat etliche Fehler auf einmal gemacht: Er hat die europäische Sache beschädigt, denn die EU arbeitet schon lange daran, einen automatischen Informationsaustausch mit der Schweiz auf den Weg zu bringen. Richtig peinlich wird es, wenn man bedenkt, wie es die USA schaffen, in allen Schattenfinanzzentren dieser Erde Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht durchzusetzen, wie Wolfgang Lieb herausgearbeitet hat.
    In der Tat hat Schäuble recht: “Zufällige CD-Käufe können immer nur eine Behelfskrücke sein, sie bieten keinen umfassenden Ansatz zur befriedigenden Besteuerung” (Bild). Nur, was soll ein solch armseliger Ansatz, wie das vorgelegte Steuerabkommen, das Steuerflucht zum Kavaliersdelikt degradiert. Wenn die FDP in Form ihres Generalsekretär Patrick Döring den Kauf der Steuer-CD durch die NRW-Landesregierung verurteilt und tönt: “Der Ankauf ist der falsche Umgang mit unserem Nachbarstaat”, so ist das bei einer Partei durchaus zu verstehen, deren Mitglieder der Auffassung sind, dass zu viel des Staates ist. Aber welche Klientel will Schäuble bedienen? Die saturierten älteren Parteimitglieder, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, etwas Geld am Finanzamt vorbei zu schieben, natürlich zum Wohle der Kinder? Wohl nicht, Schäuble dachte, ganz Finanzminister und Schwabe, wohl eher an einen geregelten, wenn auch spärlichen, Finanzfluss aus der Schweiz. Eine Steilvorlage für die wahlkämpfende Opposition, denn die Bevölkerung hat die Nase gestrichen voll von den mannigfachen Möglichkeiten der Vermögenden das, was des Staates ist, ungestraft zu verstecken. Dabei wäre es für Schäuble so einfach, sich an die Spitze einer EU-weiten Bewegung zu stellen, um die Steueroasen in und außerhalb der EU trocken zu legen. Vielleicht wird dann die Nachrichtenagentur Bloomberg nicht nur bezogen auf US-Kunden melden, dass die weltgrößten Vermögensverwalter, darunter Deutsche Bank, HSBC, Bank of Singapore und die DBS Geschäfte mit vermögenden US-Kunden zurückweisen würden: “Amerikanische Millionäre wollen wir nicht.” Das alles sei zu komplex, generiere kostenträchtigen Verwaltungsaufwand und würde zu Problemen mit den amerikanischen Aufsichtsbehörden führen. Wir warten auf die Meldung, dass das Geschäft mit EU-Kunden nicht lohnt. Es hätte den zusätzlichen Effekt, dass mehr Geld im Lande bliebe. – Was nun den Tagesspiegel betrifft, der Ankauf solcher CDs hat durchaus Effekt. Sowohl hierzulande als auch in Frankreich haben sich weit über die angekauften CD-Daten hinaus viele Steuerflüchtige angstvoll freiwillig gemeldet. Herr Schäuble sollte sich ruhig einmal in die Rolle des Rächers der Empörten begeben. Es lohnt sich.

  7. Britische Bank HSBC: „Eine durch und durch vergiftete Kultur“
    A “pervasively polluted” culture at HSBC Holdings Plc allowed the bank to act as financier to clients seeking to route shadowy funds from the world’s most dangerous and secretive corners, including Mexico, Iran, the Cayman Islands, Saudi Arabia and Syria, according to a scathing U.S. Senate report issued on Monday.
    Quelle 1: Reuters
    Quelle 2: Schwere Vorwürfe gegen die Großbank HSBC in FAZ-Net
  8. Chef von Munich Re Bomhard will Großbanken zerschlagen
    Munich-Re-Vorstandschef Nikolaus von Bomhard hat die Zerschlagung der systemrelevanten Großbanken gefordert. Dass solche Banken auf jeden Fall gerettet werden müssten, sei „ein Konstruktionsfehler des Systems“, sagte der Chef des weltgrößten Rückversicherungskonzerns am Montagabend in München.
    „Ich würde alles so klein machen, dass nichts mehr too big to fail ist“, das heißt zu groß zum Scheitern. Dann könnten Banken auch pleitegehen. In Deutschland würde eine solche Aufspaltung vor allem die Deutsche Bank treffen.
    Quelle: FR
  9. Ökonomentipps für Bankräuber
    Statistisch gesprochen sind Bankeinbrüche kein lohnendes Geschäft. Dies zeigen in einer neuen Studie drei Ökonomen der Universität Sussex über gut 360 Bankraubversuche in England. In einem Drittel der Fälle gingen die Täter leer aus. Im Mittel brachten die Raubzüge rund 20 000 Pfund (30 000 Franken) ein, was bei durchschnittlich 1,6 Tätern einem Pro-Kopf-Ertrag von umgerechnet knapp 20 000 Franken entspricht. In den USA beträgt die durchschnittliche Beute sogar nur umgerechnet etwa 4000 Franken. Angesichts der Risiken (in einem Fünftel der Fälle werden die Täter gefasst) ist selbst die höhere britische Marke eine mickrige Summe. Diese ermöglicht, in den Worten des Ökonomenteams, einen bescheidenen Lebensstil für gerade einmal etwa sechs Monate. Wer deshalb zweimal im Jahr eine Bank ausraubt, wird innert zweier Jahre bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent gefasst sein und im Gefängnis landen. – Die Moral der Geschichte: Potenzielle Räuber brauchten nicht einmal Moral, um die Idee eines Banküberfalls auf den Abfallhaufen zu werfen. Wie die letzten Jahre wieder eindrücklich gezeigt haben, sind die von den Banken selbst durchgeführten «Überfälle» auf Staaten und Steuerzahler ein weitaus besseres Geschäft.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: So richtig der Hinweis auf Banken ist, die um ihres Profits wegen sich nicht scheuen ganze Volkswirtschaften an die Wand zu fahren und davon kommen, so sollte eine Schweizer Zeitung vielleicht einen Moment innehalten und über die berühmte Frage von Mackie Messer nachdenken: “Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?” Denn schon lange vor der großen Finanzkrise haben die Schweizer Banken ein Geschäftsmodell betrieben, dass in beträchtlichem Umfang auf die kriminelle Energie von Steuerflüchtigen aller Länder setzte, die davon profitieren, dass Steuerhinterziehung in der Schweiz nicht strafbar ist und die Schweiz anderen Ländern nur bei denjenigen Delikten Rechts- und Amtshilfe leistet, die auch in der Schweiz strafbar sind. – Darüber hinaus erfahren wir in der westliche Welt eine tiefe Wandlung dessen, was Kriminalität ausmacht, indem die Taten der Akteure der Finanzkrise nicht mehr als Straftaten, sondern bestenfalls als Gesetzesübertretung mit einer Busse geahndet werden. Ein neue Variante von ‘to big to fail”: je größer der Schaden, desto geringer die Strafe.

  10. Die Genossenschaft – der Mensch im Mittelpunkt
    Gerade weil Genossenschaften in Deutschland so weit verbreitet sind hat unser Land die Krise besser überstanden als viele andere Industrieländer. Die Genossenschaft bündelt Kräfte, schafft Solidarität, bindet Risiken, erhöht Effizienz und verbessert Produktivität – all dies ohne die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ihrer Mitglieder anzutasten…
    Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften (IYC) ausgerufen, um auf die weltweite Bedeutung von Genossenschaften aufmerksam zu machen und ihre Rolle für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung fast aller Länder zu betonen. In Deutschland wird die Kampagne unter dem Thema „Genossenschaften – ein Gewinn für alle“ vom Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) koordiniert. Das IYC ist ein Zeichen für das wiedererwachte Interesse am Genossenschaftsmodell – was nicht verwunderlich ist in einer Zeit, in der die Exzesse des Finanzkapitalismus die Weltwirtschaft an den Abgrund treiben, und wo die Gier Einzelner tausende Mitbürger ins Elend stürzt. Die Menschen suchen nach einer menschlicheren Art Geschäfte zu machen; dies kann die Genossenschaft leisten.
    Quelle: Gegenblende
  11. Schröpfen on demand
    Internet-Ausdrucker einmal anders: Ein Verlag verkauft im großen Stil Bücher, die ausschließlich aus Wikipedia-Artikeln bestehen – zu astronomischen Preisen.
    Quelle: taz
  12. Rechtsextreme: Die kümmern sich
    Unberührt von den Debatten über die NSU-Mordserie und das Versagen der Sicherheitsbehörden macht sich die NPD in Mecklenburg-Vorpommern breit, indem sie immer mehr Immobilien erwirbt. Das Bundesland besitzt für die Nazis Modellcharakter.
    Quelle: taz
  13. Ministerin Schröder quält die Quote
    Eigentlich möchte Familienministerin Kristina Schröder Frauen fördern, sie wünscht sich eine flexible Frauenquote. Im eigenen Apparat zeigt sie, was sie darunter versteht.
    Quelle: FR
  14. Rezension: Der seltsame Triumpf gescheiterter Ideen
    Lehndorff (S. 89 ff.) analysiert den Wandel des „deutschen Modells“ seit Anfang des Jahrhunderts. Die deutsche Exportwirtschaft profitierte insbesondere von der Euro-Einführung (1999) und den niedrigen Einkommenszuwächsen. Diese Konstellation, die von der Exportorientierung bestimmt wird, wurde durch die Politik der Schröder-Fischer-Regierung (Flexibilisierung Arbeitsmarktes, Schaffung eines Niedriglohnsektors, Umbau der Sozialsysteme, Schwächung der Gewerkschaften in der Verteilungsauseinandersetzung usw.) noch weiter ausgebaut. Sehr genau und differenziert zeigt Lehndorff den Zusammenhang zwischen diesen „Erfolgen“ und der Zunahme der ungleichen Entwicklung und der steigenden Verschuldung der Defizitländer in der EU. Mit dem Krisenmanagement im Zeichen der „Schuldenbremse“ setzt sich – in Deutschland etwas schwächer als z. B. in Großbritannien, in Spanien und Italien – eine neue Phase neoliberaler Politik durch, die auf weitere Entstaatlichung bzw. auf die „Verstümmlung des Öffentlichen“ (S. 112) zielt.

    Mit führenden Positionen beim EU-Krisenmanagement übernimmt Deutschland die Aufgabe der Durchsetzung dieser Politik im EU-Raum. „Die Fokussierung auf die Staatschulden“ wird als „Hebel“ eingesetzt, „um das volle Programm des Neoliberalismus ein weiteres Mal aufzulegen, nachdem das Befolgen der neoliberalen Glaubenssätze bereits in die bislang tiefste Krise des Finanzmarktkapitalismus hineingeführt hat“ (S. 24). In dieser zweiten Phase der sich radikalisierenden Austeritätspolitik muss allerdings – auch angesichts des wachsenden Widerstandes von Gewerkschaften und von sozialen Bewegungen – zunehmend zur Anwendung „außerökonomischer Gewalt“, d.h. zur Etablierung eines autoritären Kapitalismus übergegangen werden.
    Quelle: Gegenblende

  15. Vier Jahrzehnte Numerus Clausus-Urteil – 40 Jahre Verfassungsbruch
    Am 18. Juli 1972 fällte das Bundesverfassungsgericht sein wegweisendes Numerus-Clausus-Urteil. Es verhalf in der Folgezeit vielen Tausenden Menschen zu einem Studienplatz und ist bis heute ein Ärgernis für jeden Hochschulbürokraten. Studis Online befragte Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler über Ursprünge und Auswirkungen des Beschlusses und dazu, was er heute noch wert ist. Sein Verdikt: Der Entscheid harrt auch nach vier Jahrzehnten der Verwirklichung.
    Quelle: Studis Online
  16. Schluss mit Multikulti: Über die kanadische Migrationspolitik
    Die kanadische Regierung hat eine Reihe von Gesetzesänderungen beschlossen, die die Situation von Migranten und Flüchtlingen verschlechtern wird. In den vergangenen fünf Jahren nahm Kanada 25 Prozent weniger Flüchtlinge auf, während die Zahl der temporär in Kanada arbeitenden Menschen um 30 Prozent gestiegen ist. Im April dieses Jahres wurde ein Gesetz erlassen, das es Unternehmern ermöglicht, Menschen mit temporärer Arbeitserlaubnis bis zu 15 Prozent weniger als den üblichen Lohn zu zahlen. Besonders einschneidende Änderungen beinhaltet das Gesetz C-31, das im Juni beschlossen wurde. Danach wird es möglich, bereits anerkannten Flüchtlingen ihren Aufenthaltsstatus zu entziehen, wenn sich die Lage in ihren Herkunftsländern nach Meinung des Ministeriums verbessert hat. Menschen, die mitunter jahrelang in Kanada gelebt haben, könnten abgeschoben werden. Über Asylanträge soll künftig innerhalb von 15 Tagen entschieden werden, was es für gerade in Kanada ankommende Flüchtlinge erschwert, ihren Asylgrund ausreichend darzulegen. Bestimmte Länder sollen von der Regierung als »sicher« deklariert werden, so dass Menschen, die von dort kommen, erst gar keinen Antrag auf Asyl stellen können. Antirassistische Organisationen befürchten, dass die Auswahl der Länder auf Grundlage der politischen Beziehungen der kanadischen Regierung mit den jeweiligen Staaten getroffen wird und dass vor allem Frauen, Homosexuelle, Transpersonen und rassistisch Verfolgte eine schwierige Ausgangslage für ihre Anerkennung als Asylberechtigte zu erwarten haben. »Auf irregulärem Weg ankommende Flüchtlinge« können laut Gesetz künftig ohne richterliche Prüfung festgenommen und bis zu zwölf Monate inhaftiert werden. Seit dem 30. Juni wird vielen Flüchtlingen die medizinische Versorgung verweigert, sofern sie nicht privat für die Kosten aufkommen. Das gilt auch für diejenigen, die sich in Flüchtlingslagern befinden und auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Die Regierung wirbt damit, dadurch 100 Millionen Dollar einzusparen. Die Vereinigung »Kanadische Ärzte für die Versorgung von Flüchtlingen« protestiert dagegen. Ihre Mitglieder werden wohl die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten aus eigener Tasche zahlen, unter anderem wollen sie unabhängige Zentren für die medizinische Grundversorgung einrichten.
    Quelle: jungle world

    Anmerkung Orlando Pascheit: Kanada nähert sich leider europäischen Standards.

  17. Unglaubliche Strafen für Genua-Demonstranten
    Äußerst drakonische Strafen hat der Kassationsgerichtshof in Rom für fünf Demonstranten verhängt, die wegen Protesten auf dem G-8-Gipfel von Genua im Juli 2001 angeklagt waren. Ein Angeklagter muss für 14 Jahre in Haft, drei weitere erhielten Strafen zwischen zehn und zwölfeinhalb Jahren wegen Beteiligung an den Ausschreitungen, eine junge Frau, gerade Mutter geworden, erhielt sechseinhalb Jahre. Für fünf weitere Angeklagte, die vom Appellationsgericht Genua mit sieben bis zehn Jahren Haft belegt worden waren, dagegen verfügte der Kassationshof eine Neufestsetzung des Strafmaßes unter Berücksichtigung mildernder Umstände. Keinem Einzigen der jetzt verurteilten Randalierer wurde direkte Gewalt etwa gegen Polizisten vorgeworfen. Die durchweg italienischen Angeklagten waren durch akribische Auswertung von Foto- und Filmmaterial identifiziert worden; ihnen wurde zur Last gelegt, dass sie dabei waren, als während der Gipfelkrawalle ein Supermarkt geplündert, ein Geldautomat zerstört, ein Molotowcocktail in ein Fenster des örtlichen Gefängnisses geworfen wurde. Doch statt zum Beispiel wegen Sachbeschädigung erfolgte eine Anklage wegen “Verwüstung und Plünderung” – ein Paragraf aus der Mussolini-Zeit, der Haftstrafen bis zu 15 Jahren vorsieht. Hinter ihnen haben sich jetzt die Gefängnistore definitiv geschlossen. Sie werden auf Jahre in Haft bleiben. Die linke Tageszeitung Il Manifesto rechnet vor, dass schwerer Raub, Erpressung oder Mitgliedschaft in der Mafia mit geringeren Strafen geahndet werden als die Gewaltakte der Demonstranten in Genua – Gewaltakte ausschließlich gegen Sachen, bei denen keine einzige Person zu Schaden kam.
    Quelle: taz
  18. Zu guter Letzt: Konstantin Wecker – Das Lächeln meiner Kanzlerin
    Quelle: Youtube


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