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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. Juli 2012 um 8:26 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Französisches Rezept
  2. Irrwege der Euro-Rettung
  3. Die wahre Katastrophe
  4. Hartz IV jetzt für alle
  5. Europäischer Bankensozialismus
  6. Regierung lehnt Verbot komplexer Finanzprodukte ab
  7. Kapitalflucht-Studie: Reiche bunkern mehr als 20 Billionen Dollar in Steueroasen
  8. Eigentum verpflichtet
  9. Wie Island seine Bankster jagt
  10. Ein Mindestlohn ist nicht genug
  11. Brauner Sumpf
  12. Unternehmensvertreter dominieren Beratungsgremien der EU-Kommission
  13. Niebel sucht sich falschen Partner
  14. Run auf die Hochschulen ist teurer als gedacht – Sieben Milliarden Euro mehr
  15. Die Verflüssigung der Grünen
  16. Jakob Augstein – Linker mit Zweifeln
  17. Indische Arbeiter stürmen Fabrik
  18. Terrorwelle im Irak: 91 Tote nach Anschlagsserie
  19. Das Letzte: IWF will Griechenlandhilfe stoppen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Französisches Rezept
    Vorbild François Hollande baut ein neues Frankreich. Ein Modell für ganz Europa?
    Hollandes Regierung steht in nahezu jedem Punkt im Gegensatz zum Programm der schwarz-gelben Regierung Deutschlands. Sollten seine Vorhaben bis nach Deutschland ausstrahlen, erschiene Angela Merkels Rede von der „Alternativlosigkeit“ ihrer Politik bald nur noch als kühl kalkulierte Lüge…
    Sein 60-Punkte-Plan erfasst alle Lebensbereiche. Wird er umgesetzt, werden französische Schüler bald von mehr Lehrern unterrichtet, Arbeitnehmer dürften nicht mehr entlassen werden, sofern ihre Firmen Gewinn machen. Einkommensmillionäre zahlten einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent. Und Rentner beziehen künftig eine höhere Grundrente.
    Gleichzeitig hat Hollande in Unternehmen, an denen der Staat zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist, die Gehaltsunterschiede auf das Zwanzigfache begrenzt. Dort, wo der Staat nur eine Minderheit hält, soll er weitere Aktionäre von einem Lohnlimit überzeugen…
    Während sich deutsche Sozialdemokraten noch immer angewidert von der Linken abwenden, halten in Frankreich Sozialisten und ihre radikaleren Schwesterparteien zumindest im entscheidenden Augenblick der Wahl zusammen.
    Anders als die Konservativen Europas muss Hollande den Bürgern auch keine Angst machen, um seine Projekte zu rechtfertigen: Er spricht von einer gerechteren Zukunft und nicht wie Merkel von „alternativlosen Sparzwängen“, er setzt auf „patriotische Millionäre, die aus Vernunft höhere Steuern akzeptieren.“
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung: Lesen Sie die wichtigsten Vorhaben, die Hollande umsetzen will: Hollandes Pläne für Europa.

  2. Irrwege der Euro-Rettung
    1. Jetzt brennt Spanien
      Spanien hat keinen „Plan B“ mehr. Das Geld reicht noch bis September. Dann muss das Schatzamt nach einer Pause im August wieder frische Staatsanleihen ausgeben. Wenn sich aber die Zinsen und der Risikoaufschlag auf den Rekordhöhen des vergangenen „schwarzen Freitags“ halten, ist die viertgrößte Wirtschaft der Eurozone auch – nach Griechenland, Irland und Portugal – der vierte Rettungskandidat. Was war geschehen, an jenem 20. Juli 2012, dem schwarzen Freitag, der schon in der Donnerstagnacht durch die Bilder landesweiter Protestkundgebungen „griechische Verhältnisse“ signalisierte. Dabei waren die von den Gewerkschaften organisierten Machtdemonstrationen vor allem Angestellter des öffentlichen Dienstes mit Ausnahme von ein paar abschließenden Gewalttätigkeiten in der Hauptstadt überall friedlich verlaufen. Aber die Warnungen der Gewerkschaftsführer vor einem „heißen Herbst“, will heißen, einem zweiten Generalstreik in diesem Jahr, trugen beim Erwachen gewiss nicht zur Beruhigung der internationalen Investoren im Blick auf die Solidität und Solvenz Spaniens bei. Dann kam am frühen Nachmittag der nächste Paukenschlag: Valencia bat als erste der siebzehn spanischen Regionen um Hilfe aus dem soeben geschaffenen nationalen Rettungsfonds (FLA), weil es ernsthafte Liquiditätsprobleme hat. …
      Quelle: FAZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Inzwischen benötigt auch die Provinz Murcia Hilfe aus Madrid, um sich über Wasser zu halten. Die Regierungen der autonomen Regionen sind praktisch von den Finanzmärkten ausgeschlossen, da sie die hohen Zinsen nicht tragen können; in diesem Jahr sind etwa 36 Mrd. € ihrer fällig werdenden Verbindlichkeiten refinanzieren und rund 15 Mrd. € aufzubringen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Die Spanien selbst muss ihren Anleihe-Gläubigern Ende des Monats 20 Mrd. € zahlen. Weitere 25 Mrd. € werden im Oktober fällig. – Auch in Italiens Provinzen schlagen Alarm. Sie warnten davor, den Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten zu können.

    2. Scheinheilige Griechen-Retter
      Seit zweieinhalb Jahren stützen die Euro-Staaten und der IWF Griechenland mit immer neuen Milliarden – und nun soll plötzlich Schluss sein? Die Drohungen der Bundesregierung zeigen, wie unehrlich die angebliche Rettung des Landes bisher betrieben wurde.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung J.A.: Oder eben genau so lange, bis auch der letzte Privatanleger seine griechischen Staatsanleihen noch zu halbwegs akzeptablen Konditionen abgestoßen hat und nur noch der Steuerzahler haftet.

  3. Die wahre Katastrophe
    Ob die Krise vorbei ist oder nicht, ob vielerorts bereits wieder eine Rezession herrscht – die Fragen sind müßig. Die größten Volkswirtschaften der Welt haben sich seit dem Einbruch von 2008 gar nie erholt und jetzt droht alles noch schlimmer zu werden. Nein, das Drama der anhaltenden Krise zeigt sich nicht an Börsenkursen, die vor allem Erwartungen und Enttäuschungen spiegeln. Es zeigt sich auch nicht daran, ob wir uns technisch gesehen in einer Rezession befinden. Es zeigt sich an der Arbeitslosigkeit. … Viel spricht außerdem auch dafür, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit zugenommen hat. Aber das erklärt nur einen geringen Teil des starken Anstiegs der gesamten Arbeitslosigkeit. Er wird klar durch einen Einbruch der Gesamtnachfrage dominiert. Je länger die Arbeitslosigkeit allerdings hoch bleibt, desto mehr verwandelt sich konjunkturelle in strukturelle Arbeitslosigkeit. Denn die Arbeitslosen sind dann je länger, je weniger mental und fachlich in der Lage, wieder in die Berufswelt zurückzufinden. Ökonomen sprechen hier vom so genannten Hysterese-Effekt. … Regeln, welche die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöhen, nützen wenig – wenn die Nachfrage fehlt, das heisst, wenn konjunkturstützende Stimuli ausbleiben. Denn wenn die Gesamtnachfrage nicht zurückkehrt, nützt es wenig, wenn Leute passend qualifiziert sind. Selbst ein Abbau des Kündigungsschutzes würde in dieser Situation nicht helfen, weil Entlassene keine andere Stelle finden und die Jobs auch nicht ersetzt würden. Das zeigt auch die oben erwähnte ILO-Studie:
    “…13 out of 17 Eurozone countries have carried out labour market flexibility reforms, often in the direction of easing dismissals. However, in a depressed macroeconomic context, these reforms are likely to lead to increased numbers of layoffs without any boost to job creation at least until economic recovery gathers momentum.”
    … Die Daten zeigen klar: Die Arbeitslosigkeit ist vor allem konjunkturell bedingt. Dass die Politik hier zu wenig tut, kommt einem Verbrechen an einer ganzen Generation gleich.
    Quelle: Tagesanzeiger
  4. Hartz IV jetzt für alle
    Gewichtige Vertreter im In- und Ausland aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien werden nicht müde, die “bittere Medizin” der grundlegenden Reformen auf dem Arbeitsmarkt für das deutsche Jobwunder zu lobpreisen und als Patentrezept für Europa zu empfehlen. Als Schlagworte gelten dafür die “Hartz-Gesetze” sowie die “Agenda 2010” des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Europa steht mit der autoritären Verordnung des EU-Fiskalpakts am Scheideweg. Die vom Bundesverfassungsgericht mit dem Aufschub seines Urteils über den permanenten EU-Rettungsschirm bis 12. September verordnete “Nachdenkphase” muss von der Politik genutzt werden. Es geht um die Verpfändung der Steuern mehrerer Generationen für eine “entgrenzte” Finanzbranche sowie zu einer wirksamen Regulierung unfähiger Regierungen und damit um die Zukunft des Europäischen Sozialmodells und der Europäischen Integration. Durchschlagend sind die Ergebnisse der Hartz-Reformen in anderer als der propagierten Richtung.
    Die Bundesrepublik hält inzwischen einen europäischen Spitzenplatz bei der sozialen Spaltung mit etwa einem Viertel der Beschäftigten in Niedriglohnsektoren; 7 Millionen Menschen in Hartz IV, davon 2 Millionen Kinder und Jugendliche. Beigetragen zu dieser Verschlechterung der Lebenslage breiter Bevölkerungsschichten hat auch die “moderate” Lohnpolitik der Gewerkschaften; zwischen 2000 und 2010 sind die Nettolöhne sogar um 1,7 Prozent gefallen; Unternehmens- und Vermögenseinkommen haben hingegen um 38 Prozent zugenommen. Die Sparpolitik à la Hartz ist weder ein geeignetes Konzept für die Bundesrepublik noch für Europa. Die bitteren Konsequenzen der den Krisenländern als Gegenleistungen für die EU-Rettung aufgezwungenen Sparprogramme sind Wirtschaftsrezession, bedrohliche Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Spaltung. Gleichzeitig schaffen die Wohlhabenden und Reichen ihr Vermögen weiter ungeniert über die Grenzen. Längst überfällig ist daher ein gegenläufiger Paradigmenwechsel in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Dazu gehören für die Bundesrepublik zuallererst die Steigerung der Löhne einschließlich existenzsichernder gesetzlicher Mindestlöhne, die “Reregulierung” des Arbeitsrechts und die Wiederherstellung der sozialen Sicherung. Für die Krisenländer sind umfassende wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitische “Marshallpläne” erforderlich. Sich “am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen” ist noch niemandem gelungen.
    Quelle: taz
  5. Europäischer Bankensozialismus
    Ging es zu Beginn der Krise noch darum, sogenannte systemrelevante Banken zu stabilisieren, damit das Finanzsystem nicht mit einem großen Knall zusammenbricht, hat sich diese Begrenzung nach dem letzten Gipfeltreffen geradezu ins Gegenteil verkehrt: Der neu geschaffene Europäische Stabilitätsmechanismus wird – so die Idee – fortan auf Antrag jede Bank mit ausreichend Kapital versorgen. Besondere Auflagen, die die Finanzgeschäfte der jeweiligen Bank betreffen, soll es nicht geben…
    Gegen dieses grenzenlose Zocken wird auch die geplante europäische Bankenaufsicht wenig ausrichten können, die fortan alle Institute in der EU beaufsichtigen soll…
    Die Brüsseler Beschlüsse sorgen derzeit allenfalls für einen geringen Zeitgewinn, nicht aber für die Gesundung des Finanzsektors und der Staatshaushalte. Stattdessen droht das Schneeballsystem am Ende sogar zu noch mehr Staats- denn Bankenpleiten zu führen. Denn allein die Summen, die schon jetzt erforderlich wären, um die angeschlagenen Banken zu retten, würden 45 Prozent des ESM-Kapitals aufzehren…
    Somit wäre zumindest eine stärkere Kontrolle erforderlich, welche Banken überhaupt vom ESM unterstützt werden sollen. Zudem kann derzeit niemand beziffern, welche Summen der europäische Steuerzahler im Ernstfall auf den Tisch legen muss, wenn tatsächlich eine Banken- oder eine Staatspleite eintritt – was historisch betrachtet nichts Außergewöhnliches wäre.
    Die Bankenschulden in der EU sind weitaus höher, als die Staatsschulden. Nach Berechnungen des IFO-Instituts betragen sie in den fünf Krisenländern etwa 9,2 Billionen Euro.[3] Diese Summe kommt nach den jüngsten Beschlüssen in Brüssel zu den bisherigen Eventualverbindlichkeiten des ESM im Extremfall noch hinzu. Diesen Bankenschulden stehen allerdings Vermögen von Investoren, Hedge Fonds, Versicherungen und Banken gegenüber – die derzeit staatlich geschützt werden. Anstatt dafür zu sorgen, dass genau diese Vermögen durch die Politik in die Haftung genommen werden, haftet bislang vor allem einer: der Steuerzahler. Die öffentlichen Kassen stützen damit Vermögenswerte, die nicht nur durch zweifelhafte Finanzgeschäfte zustande gekommen sind, sondern deren Inhaber nicht einmal ihren Sitz in der EU haben müssen. Das bedeutet, dass die europäischen Steuerzahler auch für jene bürgen, die ihre Steuern nicht in einem Mitgliedsland der Union entrichten.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  6. Regierung lehnt Verbot komplexer Finanzprodukte ab
    Die Bundesregierung lehnt das vom Bundesrat geforderte Verbot komplexer und riskanter Finanzprodukte ab. Solche Verbote würden den Zugang zu Finanzprodukten beschränken, heißt es in der als Unterrichtung (17/10252) vorgelegten Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht (17/10040). „Wenn ein Missstand vorliegt, kann die Bundesanstalt bereits nach geltendem Recht ein Verbot aussprechen“, begründet die Bundesregierung ihre Haltung. Auch die Schaffung einer nichtstaatlichen Organisation, die als „Finanzmarktwächter“ fungieren soll, wird abgelehnt.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: „Dem Vorschlag des Bundesrats wird nicht gefolgt: Die im Jahr 2011 eingeführten Produktinformationsblätter (Beipackzettel) haben aus Sicht der Bundesregierung die Informationen der Verbraucher und Verbraucherinnen über Finanzprodukte erheblich verbessert und bilden die Basis für eine mündige Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Demgegenüber beschränken Verbote bestimmter Produkte den Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Finanzprodukten. Wenn ein Missstand vorliegt, kann die Bundesanstalt bereits nach geltendem Recht ein Verbot aussprechen. Darüber hinaus gehende Verbote sind aus Sicht der Bundesregierung zurzeit nicht erforderlich.“ So heißt es in der Unterrichtung der Bundesregierung. Natürlich beschränken Verbote von komplexen und riskanten Finanzprodukte den Zugang der Verbraucher, aber wie soll sonst der Kauf von giftigen Finanzprodukten unterbunden werden.
    Es zeigt sich wieder einmal, dass die Versprechen der Bundesregierung, eine bessere Kontrolle des Finanzmarktes einzuführen, nichts als leere Versprechen sind.

  7. Kapitalflucht-Studie: Reiche bunkern mehr als 20 Billionen Dollar in Steueroasen
    Die Traumziele mancher Millionäre heißen Jersey, Liechtenstein oder Cayman Islands. Nicht unbedingt, um dort Urlaub zu machen – sondern um ihr Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen. Die Reichen der Welt haben Finanzvermögen von 21 bis 32 Billionen Dollar in Steueroasen gebunkert. Das entspricht mehr als dem gesamten Bruttoinlandsprodukt der USA. Die Studie verwendet Daten der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Vereinten Nationen und der Zentralbanken. Untersucht wurden nur Finanzvermögen. Nicht berücksichtigt wurde Sachvermögen wie Immobilienbesitz im Ausland, Goldbestände oder Luxus-Yachten, die unter der Flagge von Steueroasen fahren. Längst nicht alle dieser sogenannten Offshore-Vermögen haben mit illegaler Steuerhinterziehung zu tun. In vielen Staaten lassen sich Steuern auch ganz legal vermeiden, indem man sein Vermögen in Steueroasen verschiebt. Nach den Erkenntnissen von Studienautor Henry ist das Problem in Entwicklungsländern besonders gravierend. So hätten die reichsten Bürger in 139 Entwicklungsländern von den siebziger Jahren bis 2010 nicht ausgewiesene Vermögen über schätzungsweise 7,3 bis 9,3 Billionen Dollar angehäuft. In zahlreichen Entwicklungsländern ist das Offshore-Vermögen der Bürger sogar größer als die gesamte Staatsverschuldung.
    Durch die Kapitalflucht entgehen den Staaten fortlaufend gewaltige Steuereinnahmen: Bei einer angenommenen Jahresrendite von drei Prozent wächst das weltweite Offshore-Vermögen allein durch Zinsen, Dividenden und Kursgewinne um mindestens 630 Milliarden Dollar pro Jahr. Wenn es gelänge, diese Erträge mit der in Deutschland gültigen Kapitalertragsteuer von 25 Prozent zu belegen, ergäbe das weltweite zusätzliche Steuermehreinnahmen von 157,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Steuer- und Zolleinnahmen in Deutschland lagen 2011 bei insgesamt 527 Milliarden Euro. Zu den Nebeneffekten der Steuerflucht gehört auch, dass sie die Vermögenskonzentration in den Staaten, aus denen das Geld stammt, geringer erscheinen lassen, als sie wirklich ist. Denn die außer Landes geschafften Vermögensteile dürften zum Großteil den oberen Zehntausend einer Gesellschaft gehören, fließen aber in die Berechnung der Vermögenskonzentration nicht mit ein. Inklusive Offshore-Vermögen ist der Wohlstand der Welt also noch ungleicher verteilt als es ohnehin den Anschein hat.
    Quelle 1: Spiegel Online
    Quelle 2: Blog Steuergerechtigkeit

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bereits gestern haben die NDS auf Studien der Organisation Tax Justice Network hingewiesen (Reuters und Guardian). Inzwischen hat der Spiegel ebenfalls die Untersuchungen aufbereitet, die jetzt auch im Netz abrufbar sind:

    1. Die bisher detaillierteste Untersuchung des Umfangs des Offshore-Vermögens sogenannter “High Net Worth Individuals”, also sehr Wohlhabender Privatpersonen. Die Studie wurde unter Leitung des ehemaligen Chefökonomen McKinsey’s, James Henry, erstellt: “The Price of Offshore Revisited: New Estimates for “Missing” Global Private Wealth, Income, Inequality, and Lost Taxes” [PDF – 599 KB]
    2. Ein neues TJN-Forschungspapier das zeigt, dass der Abstand zwischen Arm und Reich weitaus größer ist als bisher angenommen weil Offshore-Vermögen in den Berechnungsmethoden bisher unberücksichtigt sind: “Inequality: “Inequality: You don’t know the half of it (Or why inequality is worse than we thought)” [PDF – 423 KB]

    Leider werden in praktisch allen Zeitungen nur einige zentrale Ergebnisse der Studie referiert, aber keine Konsequenzen aufgezeigt. Angesichts der heutigen Krise, die von vielen immer noch als ein Über-die-Verhältnisse- Leben’ der Krisenländer beschrieben wird, drängt sich doch die Frage auf: Warum rücken nicht die unverschämten Wachstumsgewinne, die im letzten Jahrzehnt fast ausschließlich den oberen 10 Prozent zugutekamen, in den Vordergrund der Debatte. Die Reichen haben in der Tat über die Verhältnisse gelebt. Nicht nur dass sich bei ihnen der gesellschaftlich erarbeitete Reichtum konzentriert, gleichzeitig wurden sie über Steuersenkungen immer mehr von der Finanzierung öffentlicher Aufgaben befreit. In Deutschland ist seit dem Jahre 2000 die Kluft zwischen Arm und Reich stärker gestiegen als in jedem anderen Industrieland. Oder nehmen wir die in der Studie genannten z.T. hoch verschuldeten 139 Entwicklungsländer (Länder mit geringem bis mittlerem Einkommen): Verrechnet man die in Steuer- und Verdunkelungsoasen geparkten Vermögen ihrer reichsten Bürger, gehören diese Länder zu den globalen Netto-Kreditgebern. Stattdessen müssen diese Länder z.T. ähnlich wie die europäischen Krisenländer vom IWF initiierten Sparprogramme über sich ergehen lassen. Dabei wird diese Kapitalflucht z.T. ganz legal von einer begrenzten Zahl von Investmentbanken an einer begrenzten Zahl Finanzplätzen organisiert. Es dürfte im Prinzip keine Schwierigkeiten bereiten die “top ten players” also UBS, Credit Suisse, Goldman Sachs, Bank America, HSBC, Deutsche Bank, BNP Paribas, Wells Fargo, Morgan Stanley / SB, JP Morgan Chase einem Regulierungssystem zu unterwerfen, das die Kapitalbewegungen ihrer reichsten Bürger transparent macht, wenn die Staaten nur wollten.

  8. Dazu:

  9. Eigentum verpflichtet
    Nein, die Spanier spinnen nicht. Sie registrieren vielmehr ziemlich genau, wie die Krise auch ihr Land verändern wird: Der Finanzsektor soll nun, weil er ja als „systemrelevant“ gilt, mit den Milliarden der europäischen Steuerzahler gerettet werden. Und die spanischen Arbeitnehmer, Rentner, Normalbürger? Sie müssen, ähnlich wie die griechische Bevölkerung, heftige Einschnitte hinnehmen, die auch in Deutschland Massenproteste auslösen würden.
    Die Krise — genauer: die Art und Weise, wie die europäische Politik sie zu bewältigen glaubt — verschärft also noch mehr jene Kluft zwischen Arm und Reich, die in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin viel größer geworden ist. Auch und gerade in Deutschland…
    Es waren nicht nur überzogene Ausgaben, die Staaten in die Krise stürzten — Ausgaben, die zuletzt gerade in die Banken-Rettung flossen: Es war auch der Verzicht auf Einnahmen durch Steuersenkungen. Und die öffentlichen Schulden erhöhen das private Vermögen weiter: Wenn sich der Staat Geld leihen muss, verdienen Anleger daran, weil sie die Zinsen kassieren. Die Finanzmärkte können gar kein Interesse an schuldenfreien Staaten haben, da ihnen so lukrative Spekulationsobjekte entgehen…
    Quelle: Nürnberger Nachrichten
  10. Wie Island seine Bankster jagt
    In London fälscht Barclays die Zinssätze für Kredite zwischen Banken. In Madrid soll Bankia seine Konten vor dem Börsengang frisiert haben. Wie die betrügerischen Banken zur Rechenschaft ziehen? In Island spüren Sonderermittler die Verantwortlichen auf, um sie der Justiz zu überstellen.
    „Einerseits jedem Verdacht eines Betrugs vor 2009 nachgehen, andererseits leiten wir selbst die Verfahren gegen mutmaßliche Täter ein.“ Eine „völlig neue“ Methode, die es den Ermittlern erlaubt, „Fällen langfristig nachzugehen“. Die Justiz kenne somit „die Fälle in- und auswendig“, was eine der Voraussetzungen sei, um mit den „extrem vorbereiteten Anwälten der Verteidigung mithalten zu können.“
    Um die Arbeit des Staatsanwalts zu erleichtern, hat die Regierung die gesetzlichen Regelungen zum Bankengeheimnis geändert. „Heute kommen wir problemlos an alle Informationen heran“, sagt Olafur Hauksson. Verdacht auf Bankenbetrug, Insiderhandel, Fälschungen, Identitätsdiebstahl, Veruntreuung: Die Ermittlungen sind vielfältig und die drei – bald vier – Verhörzimmer stets besetzt. Der Staatsanwalt gibt an, dass er heute an „rund einhundert prioritären Fällen“ arbeite.
    Quelle: presseurop
  11. Ein Mindestlohn ist nicht genug
    Der Mindestlohn ist ein Instrument, das bei den Ergebnissen der Marktprozesse ansetzt. Die Kräfteverhältnisse am Markt werden durch ihn nicht geändert. Deshalb besteht die Gefahr, dass der Mindestlohn teilweise umgangen wird, indem schlecht bezahlte Beschäftigung in die Bereiche der Scheinselbstständigkeit, der Honorar- und Werkverträge oder der Schwarzarbeit verlagert wird, also in Bereiche, in denen der Mindestlohn nicht wirkt. Um dies zu verhindern sind nicht nur zusätzliche Kontrollen erforderlich. Notwendig ist es, die Verhandlungsposition der Arbeitskräfte insgesamt zu stärken. Dazu ist auch der Druck der Jobcenter auf die Erwerbslosen zu reduzieren. Ein wichtiges Mittel dafür ist die Abschaffung von Sanktionsdrohungen gegen Hartz IV-Bezieher/innen. Dadurch würden nicht erst die Marktergebnisse, sondern bereits die Kräfteverhältnisse am Markt verändert: Die Position der Arbeitskräfte würde insgesamt gestärkt – auf dem regulären Arbeitsmarkt ebenso wie in den Bereichen, die (wie die Scheinselbstständigkeit oder Honorarverträge) zur Umgehung von Arbeitsmarktregulierungen genutzt werden können.
    Änderungen bei der Grundsicherung – bessere Leistungen und eine Reduzierung des Drucks der Behörden auf die Erwerbslosen – sind notwendig, um die Lebenslagen der Menschen mit niedrigen Einkommen zu verbessern. Die Verbesserung der Lage der Erwerbslosen ist im Interesse der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften. Wenn dadurch deren Verhandlungsposition gestärkt wird, ist auch ein Mindestlohn leichter durchzusetzen.
    Quelle: Gegenblende
  12. Brauner Sumpf
    1. Uhl: NPD-Verbotsverfahren nach Aktenschreddern kaum noch möglich
      Das Material des Verfassungsschutzes, das dem Bundesverfassungsgericht in einem NPD-Verbotsverfahren vorgelegt werde, ist natürlich angreifbarer als früher, sagte er der «Berliner Zeitung». Das mache ein Verfahren noch unwahrscheinlicher, als es vorher schon war. Die Anwälte der NPD würden sich die Affäre zunutze machen, um die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzes und seiner Quellen in Zweifel zu ziehen, so Uhl.
      Quelle: Rhein-Zeitung

      Anmerkung WL: Vielleicht war ja die Verhinderung eines Verbotsverfahrens das Motiv der V-Männer der NPD im Verfassungsschutz.

    2. Dazu passt:

    3. Erst versagt, dann vertuscht
      Bisher unveröffentlichte Dokumente legen nahe: Das Münchner Attentat im September 1972 war keineswegs unvorhersehbar, wie das die deutschen Behörden glauben machen wollten. Offenbar agierten die Terroristen chaotisch – und hatten es mit Ermittlern zu tun, die erst konkrete Hinweise ignorierten und dann ihr Fehlverhalten vertuschten.
      Quelle: SZ
    4. Rechtes Gedankengut blüht wieder auf
      Ein Jahr nach den Anschlägen gerät die klare Distanzierung von rechtsextremen Tendenzen schon wieder in Vergessenheit. Elemente der fremdenfeindlichen und antiislamischen Ideologie des Attentäters finden weiterhin Sympathisanten in vielen Gegenden der Welt.
      Quelle: taz
  13. Unternehmensvertreter dominieren Beratungsgremien der EU-Kommission
    Die Studie untersucht die 83 Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen und Industrie. Davon sind 34 Gruppen allein der europäischen Kommission sowie nationalen Regierungen und Behörden vorbehalten. Im Fokus stehen die anderen 49 Expertengruppen, an denen Vertreter von Unternehmen, Wissenschaft oder Nichtregierungsorganisationen beteiligt sind. In 32 dieser 49 Gruppen haben Großunternehmen bzw. ihre Verbände eine Mehrheit der nicht von Regierungsvertretern besetzten Sitze inne. Zwei Drittel dieser Expertengruppen werden also von den Interessen großer Unternehmen dominiert.
    Insgesamt 482 Beraterinnen und Berater aus Unternehmen haben damit großen Einfluss auf Schlüsselbereiche der Politik: Der Generaldirektion Unternehmen und Industrie unterstehen Unternehmen aus sensiblen Bereichen wie Lebensmittel, Chemikalien, Gesundheit oder Automobile. Der großen Zahl der Unternehmensvertreter gegenüber stehen 255 Berater/-innen aus allen übrigen Bereichen (außer Regierungsvertreter/-innen). 124 davon entfallen auf Wissenschaft und Forschung, 66 auf Nichtregierungsorganisationen, 44 auf kleine und mittlere Unternehmen, 11 auf Gewerkschaften. Ihre Chancen, maßgeblichen Einfluss auf die Politik zu nehmen, sind entsprechend geringer.
    Quelle: LobbyControl
  14. Niebel sucht sich falschen Partner
    Als „neue deutsche Entwicklungspolitik“ bezeichnete Dirk Niebel (FDP) die Partnerschaft, die er Anfang des Jahres gegründet hatte. Die daran beteiligte staatliche KfW-Bank schwärmte vom „innovativen Finanzierungsansatz“, der neue Absätzmärkte für Afrika erschließe.
    Jedoch: Das Revolutionäre an Niebels neuer Idee ist zugleich das Brisante. Nicht nur haben Bund und KfW einen Investmentfonds „in Schulterschluss mit der Privatwirtschaft“ gegründet, der sowohl Rendite abwerfen als auch Armut bekämpfen soll. Dass der private Partner und zudem Manager des Fonds ausgerechnet die Deutsche Bank ist – das empört Opposition und Entwicklungsverbände gleichermaßen. Die Bank habe durch Agrar- und Land-Spekulationen zum Hunger in Afrika beigetragen, klagt etwa Foodwatch. Für die Linkspartei ist die Bank daher schlicht der falsche Partner. Die SPD sorgt sich, Niebel könnte „den Bock zum Gärtner gemacht haben“…
    Der Fonds steht für genau den Ansatz, den der FDP-Mann als liberale Duftmarke in der Entwicklungshilfe hinterlassen will: Privatwirtschaft statt Staatsprojekte.
    Quelle: Berliner Zeitung
  15. Run auf die Hochschulen ist teurer als gedacht – Sieben Milliarden Euro mehr
    Die Kultusminister haben sich verrechnet, sagt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Die Zahl der Bewerber an Hochschulen ist höher als gedacht. Zudem fordert der Präsident ein zusätzliches Orientierungsjahr.
    Der Run auf die Hochschulen kommt die Länder und den Bund weit teurer als gedacht. Bis zum Jahr 2015 fehlen 300.000 Studienplätze. Um diese einzurichten und bis zum Ende zu finanzieren sind also bis 2017/2018 fünf bis sieben Milliarden Euro nötig, sagte der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, dem Handelsblatt.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung J.A.: Vor ein paar Jahren wurde flächendeckend das G8 eingeführt, jetzt soll ein Orientierungsjahr eingeführt werden – Logik ist wohl zu viel verlangt. Und die Anfängerzahlen sind sicher nicht “höher als gedacht”, sondern absichtlich nach unten prognostiziert worden, um die Universitäten noch knapper halten zu können.

  16. Die Verflüssigung der Grünen
    Die Devise ist klar: Schuld am Scheitern tragen die Anderen, allen voran die expandierenden BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China –, die weiter auf ihren Anteil am globalen Reichtum und damit an der globalen Umweltzerstörung pochen. Kein Wort davon, dass die vermeintliche Klimakanzlerin es nicht einmal für nötig erachtet hatte, den Gipfel selbst zu beehren. Kein Wort auch davon, dass nach wie vor die westlichen Staaten in weit höherem Maße konsumieren und emittieren als der Rest der Welt…
    Faktisch hat das Thema Umweltpolitik in seiner ganzen Radikalität auch ansonsten keine entschiedenen Fürsprecher mehr, jedenfalls nicht im Parlament. Offenbar will sich derzeit keine Partei in Deutschland mit dem Verliererthema gemein machen. Anders ist wohl nicht zu erklären, dass selbst aus den Reihen der grünen Parteispitze kaum entschiedene Kritik am Scheitern des Gipfels zu hören war. Faktisch spielt die Umweltfrage – ob als Ausstieg aus der Atomkraft oder als globale Klimaerwärmung – bei den vermeintlichen Sachwaltern der Natur gegenwärtig keine entscheidende Rolle. Wie die anderen Parteien werden auch die Grünen von der Krise der Europäischen Union völlig absorbiert. Doch anstatt sich hier als entschiedene Kritiker des verfassungsrechtlich höchst zweifelhaften Fiskalpakts zu profilieren, fährt man lieber im Geleitzug der Kanzlerin und präsentiert sich artig als schwarz-grüne Regierungsreserve, wenn es für Rot-Grün im nächsten Herbst doch nicht reichen sollte, wofür nach wie vor vieles spricht…
    Im Gegensatz zu 1989 verfügen die Grünen heute nämlich über eine derartige Stromlinienförmigkeit, ist die realpolitische Orientierung derart übermächtig geworden, dass von der einstigen radikalökologischen Widerspenstigkeit keine Rede mehr sein kann…
    Seit der Ära Fischer auf Professionalisierung und Regierungsfähigkeit getrimmt, sind die Grünen heute regelrecht überetabliert…
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  17. Jakob Augstein – Linker mit Zweifeln
    Das Sturmgeschütz der deutschen Linken feuert nicht mehr. Was ist los mit Spiegel-Online-Kolumnist Jakob Augstein?..
    Nach der Liebkosung mit Merkel gab’s dann Streicheleinheiten für Gauck, der in der Krise ein Glücksfall für die Demokratie sei. Um Gottes willen, wie gewagt. Wie spektakulär riskant. Wie viel öder, wie viel mehr Mainstream geht noch?…
    Ihre Kolumne heißt „Im Zweifel links“. Das scheint Ihnen Verpflichtung. Denn Zweifel bleiben ja immer. Auch rechts, wie Ihre Buße für die Haltung in der Grass-Sache klargestellt hat. Die Zweifel links indes sind bei Ihnen bemerkenswert größer. Warum aber zweifeln? Warum die Sommerlochparty „Reichensteuer“ feiern, wenn die Millionärssteuer längst bei den Linken abgefeiert wird? Und gerechter ist sie doch alle Male. Also, Arsch zusammenkneifen. Links denken. Oder zurück in den Garten. Schön Möhrchen zupfen.
    Quelle: The European
  18. Indische Arbeiter stürmen Fabrik
    Blutige Revolte in einer Autofabrik am Hochtechnologiestandort Gurgaon: Über 100 verletzte Manager, einer stirbt durch ein von den Protestlern gelegtes Feuer. Die Revolte begann am Mittwochabend, als Arbeiter von Indiens führendem Autokonzern, dem japanisch-indischen Joint Venture Maruti Suzuki, die Büroetagen ihres Konzerns stürmten. “Die Aufseher hatten sich über einen Arbeiter der Unberührbaren-Kaste lustig gemacht und ihn belästigt. Daraufhin haben sich die Arbeiter auf legitime Weise gewehrt”, sagte später der Gewerkschaftschef von Maruti Suzuki, Ram Meher. Doch für die angegriffenen Manager war der Protest alles andere als legitim. “Da waren Terroristen am Werk”, sagte einer von ihnen am nächsten Tag im Krankenhaus. Das Werk hat eine Produktionskapazität von 550.000 Autos im Jahr und war gut ausgelastet. Der landesweite Marktanteil von Maruti Suzuki kletterte von 26 Prozent im vergangenen Jahr zuletzt wieder auf 40 Prozent – auch wegen der populären Kleinwagen, die in Gurgaon produziert werden. Allerdings unter sozial fragwürdigen Bedingungen: Nur 900 von 3.000 Arbeitern waren fest angestellt, der Rest bezog Monatsgehälter von rund 100 Euro – ungefähr ein indisches Putzfrauengehalt.
    Gegen die miesen Arbeitsbedingungen hatten die Arbeiter noch im vergangenen Jahr lange gestreikt. Der Ausstand führte zu einem Produktionsausfall von 65.000 Autos und Verlusten in Höhe von über 400 Millionen Dollar. Er erregte großes Aufsehen – aber dann schien man sich auf einen guten Kompromiss geeinigt zu haben. Doch offenbar nur auf dem Papier. Erst im Juni leitete die zuständige staatliche Arbeitsbehörde ein Verfahren gegen die Fabrikleitung ein, weil sie sich an die Abmachungen nicht gehalten hatte. Gewerkschafter warfen der Firma zudem vor, die Proteste vom Mittwoch mit Schlägertrupps angestiftet zu haben. Immerhin gab ein Manager zu, dass Schläge und Spucken zum Werksalltag gehörten.
    Quelle: taz
  19. Terrorwelle im Irak: 91 Tote nach Anschlagsserie
    Nach offiziellen Angaben sind bei einer Anschlagserie im Irak am Montag mindestens 91 Menschen getötet worden. Mehr als 160 Menschen wurden bei insgesamt 22 Attentaten in 14 Städten, darunter die Hauptstadt Bagdad verletzt, wie die irakischen Behörden mitteilten. Damit handle es sich um den blutigsten Tag seit mehr als zwei Jahren. Bekannt hat sich zu der Anschlagserie bisher niemand. Allerdings hatte der Chef des al-Qaida-Zweigs Islamischer Staat im Irak (ISI), Abu Bakr al-Bagdadi, bereits am Samstag in einer Audio-Botschaft aufgerufen, “Richter und Staatsanwälte auszulöschen” und inhaftierte Aktivisten zu befreien. In dem Online-Statement kündigte al-Bagdadi zudem den Start der Aktion “Wänder Niederreißen” an, wie das Onlineportal “news24” berichtete.Die sunnitische Stämme im Irak rief al-Bagdadi auf, ihre Männer anlässlich der Rückkehr von al-Qaida “in jene Regionen die sie einst verlassen hatte” – eine Anspielung auf die Gebiete, aus denen die ISI 2007 und 2008 von schiitischen Milizen und US-Truppen verdrängt worden war – zur Unterstützung zu schicken. – Die Gewalt im Irak liegt deutlich unter dem Niveau von 2006 und 2007, hat in jüngster Zeit aber wieder zugenommen.
    Quelle: Die Presse

    Anmerkung Orlando Pascheit: Am Beispiel Irak lässt sich gut beobachten, dass die Einsetzung der Mehrheitsbevölkerung in ihre Rechte nicht so ohne weiteres zu einer Befriedung des Landes führt. Dies lässt auch für Syrien über die aktuelle Situation hinaus für die nahe Zukunft nichts Gutes erhoffen.

  20. Das Letzte: IWF will Griechenlandhilfe stoppen

    Quelle: Harm Bengen


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