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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Januar 2013 um 9:27 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Verzichtet die Bundesregierung auf 7 Milliarden Euro?
  2. Hochfrequenzhandel
  3. Wolfgang Münchau: Großbanken – ein Fall für die Nato
  4. Robert Misik – Und wann reitet die Des-Troika auch in Österreich und Deutschland ein?
  5. Hohes Erbe – Keine Steuern
  6. Eurokrise: Endlich! DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben hat die Lösung!
  7. Frankreichs vergiftete Arbeitsmarktreform
  8. Drei Schlecker-Frauen – ein Jahr danach
  9. How Much Will Your Taxes Jump?
  10. moma-Reporter: Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz kommt
  11. Hartes Urteil gegen Nazigegner: Ein fatales gesellschaftspolitisches Signal
  12. Political Correctness: Auf dem Weg zur Trottelsprache
  13. Wie der Neoliberalismus die Welt erklärt
  14. Die erste Macht im Staate
  15. Demonstration „Bildung ist ein Grundrecht!“ am 18.01. in Hannover
  16. Wenig Geld für Hoffnungsträger
  17. Das Bachelorstudium als Unterschichtenbildung?
  18. Zu guter Letzt: Flashmob im spanischen Arbeitsamt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Verzichtet die Bundesregierung auf 7 Milliarden Euro?
    Werner Rügemer über die Nachsichten der Bundesregierung bei Toll Collect und die Verstrickungen von Peer Steinbrück.
    In Geheimverhandlungen zwischen Bundesregierung und den Betreibern von Toll Collect sollen Schadenersatzzahlungen für die verspätete Inbetriebnahme des Mautsystems ausgehandelt werden. Um welche Beträge handelt es sich hier? Warum stehen dem Bund diese Gelder zu?
    Werner Rügemer: Es geht um etwa 7 Milliarden Euro. Sie setzen sich aus drei Teilen zusammen. Erstens 3,5 Milliarden für die 16 Monate, in denen nach dem vertraglich vereinbarten Starttermin das System der LkW-Maut auf den Autobahnen nicht funktionierte und deshalb für den Bundeshaushalt diese Einnahmen ausfielen. Zweitens die Zinsen für diese 3,5 Milliarden, für die der Bund seit 2003 Kredite aufnehmen musste, um das Haushaltsloch zu füllen. Drittens die vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe. Die Schadenersatzforderung beruht also auf der Tatsache, dass die Investorengruppe aus Daimler, Deutsche Telekom und Cofiroute [französischer Betreiber von Mautstraßen] ihre vertraglichen Verpflichtungen nur mit sehr großer Verspätung erfüllt hat. Angesichts der Gesamtlaufzeit dieses Public Private Partnership-Vertrages von 12 Jahren sind 16 Monate sehr viel. Das wäre nach dem Gesetz ein “wichtiger Grund” gewesen, um den Vertrag zulasten der Investoren zu kündigen. Die Bundesregierung hat die Schadenersatzklage 2004 in Gang gesetzt …
    Quelle: Telepolis
  2. Hochfrequenzhandel
    1. Unzureichendes Tempolimit beim Zocken
      Die von der Regierung geplanten Auflagen für den “Hochfrequenzhandel” an den Börsen halten viele Experten für unzureichend. Die bisher kritische Bundesbank gibt sich hingegen plötzlich wortkarg: “Der computergestützte Hochfrequenzhandel kann die Effizienz von Finanzmärkten erhöhen”, heißt es dort. Den Gesetzentwurf der Regierung, der im Wesentlichen die Akteure des Hochfrequenzhandels zu mehr Transparenz verpflichtet, auf konkrete Vorgaben und Einschränkungen aber weitgehend verzichtet, begrüßte die Bundesbank. Was zu dieser veränderten Haltung geführt hat, ließ sich am Mittwoch nicht klären – denn trotz Einladung war kein Vertreter der Bundesbank zur Anhörung erschienen.
      Deutlich kritischer fielen die Einschätzungen einiger anderer Experten aus. Benoît Lallemand von der Organisation Finance Watch forderte, ein Entgelt für stornierte Aufträge einzuführen, um Manipulationen zu verhindern. Der Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel schlug ebenso wie Markus Henn von Weed vor, dass Angebote oder Nachfragen (sogenannte Order) mindestens eine halbe Sekunde lang aufrechterhalten werden müssen – was vielen Strategien, die auf Zeitvorsprüngen im Millisekundenbereich beruhen, die Grundlage entziehen würde. Mit diesem Vorschlag könnte auch der Bundesverband der Wertpapierfirmen leben. Order ohne wirkliche Handelsabsicht würden unterbunden und eine Benachteiligung normaler Handelsteilnehmer gegenüber Hochfrequenzhändlern verhindert, so Geschäftsführer Michael Sterzenbach. – Die Deutsche Börse hingegen teilte mit, Mindesthaltefristen führten zu einer “nachhaltigen Störung der Marktstruktur”. Auch die geplante Zulassungspflicht für Hochfrequenzhändler lehnt sie ab: Ein “nationaler deutscher Alleingang” könne “den deutschen Finanzplatz massiv benachteiligen”.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Etwa 40 Prozent des Gesamthandels entfällt in Deutschland auf den Hochfrequenzhandel. In den USA sind es über 60 Prozent.

    2. „Die Börse wird zum Casino“
      Computer beherrschen die Börsen. Jetzt soll ein Gesetz den sogenannten Hochfrequenzhandel entschleunigen. Heute diskutiert der Finanzausschuss darüber. „Mister Dax“ will am liebsten alles verbieten.
      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung: Die Stellungnahmen der Experten (u.a. Rudolf Hickel und Markus Henn) finden Sie auf den Seiten des Bundestages.

  3. Wolfgang Münchau: Großbanken – ein Fall für die Nato
    Gute Methode, falsches Motiv: Die SPD will Banken schließen, die ihren Kunden beim Steuern hinterziehen helfen. Eine Bank einfach dichtzumachen, sollte in der Tat möglich sein. Aber bitte nur, wenn die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. Banken, die ihren Kunden bei der Steuerhinterziehung und -vermeidung helfen, sind meist keine kleinen Sparkassen, sondern zumeist internationale Großbanken. Für die Abwicklung einer Großbank bräuchte man ganz andere Ressourcen. Stellen Sie sich mal vor, Ihre Aufgabe wäre es, an einem Freitagnachmittag eine deutsche Großbank physisch dichtzumachen. Wüssten Sie, welchen Turm sie dazu zuerst stürmen müssten? Parallel müssten Sie Tausende von Filialen schließen, alle zur gleichen Zeit. Für eine solche Aktion bräuchten Sie einen strategisch gut koordinierten Einsatz der Nato. Mal abgesehen von dem logistischen Alptraum hätte man zudem die noch viel komplexere Aufgabe, die Abwicklung so zu bewältigen, dass das Finanzsystem keinen Schaden nimmt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich übertreibt Münchau. In der sog. Braunschweiger Erklärung von Parteichef Sigmar Gabriel, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und dem niedersächsische SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil [PDF – 90 KB] steht noch Manches mehr. Es ist wohl dem Wahlkampf in Niedersachsen geschuldet, dass Punkt 1 der Forderungen heißt: “Entzug der Banklizenz”. Da möchten Steinbrück und Co. schon ein wenig populistisch auf Volkes Stimmung reiten. In Wirklichkeit ist dies die letzte Maßnahme unter diesem Punkt: “Leistet ein Finanzinstitut mit Sitz in Deutschland oder eine Zweigniederlassung einer ausländischen Bank Beihilfe zum Steuerbetrug, soll dies mit Strafzahlungen geahndet werden. Je nach Schwere des Falls soll es auch die Möglichkeit zur Abberufung der Geschäftsführung und von Berufsverboten sowie der Einschränkung oder gar des Entzugs der Banklizenz geben.” Letzteres dürfte in der Tat juristisch, aber auch schon technisch insbesondere bei Großbanken scheitern. – Auffällig ist, dass die SPD Steinbrück endlich in ihre inhaltliche Programmatik einbindet: Weg von der Person, hin zu den Inhalten. Innerhalb weniger Tage erfolgte mit dem Papier für mehr Steuergerechtigkeit die dritte konzeptuelle Aussage. Bereits vorige Woche wurde ein Papier für eine Mietpreisbremse und ein Konzept für eine Reform des Kindergeldes vorgelegt. Die FR attestiert dem Kandidaten im Kampf gegen Steuerbetrug Glaubwürdigkeit.
    Nur war der Kavallerieeinsatz gegen die Schweiz ein Nebenschauplatz der großen Krise. Wer Steinbrück in der gestrigen Bundestagsdebatte hörte, wie er der Bundesregierung vorwarf, die Risiken für die Steuerzahler durch eine mangelnde Bankenregulierung in Europa weiter zu erhöhen, den musste zwangsläufig ein ungutes Gefühl befallen. Waren es doch Rot/Grün, die in Deutschland entscheidend zur Deregulierung des Finanzsektors beitrugen. Aber auch sein direktes Agieren im Krisenherbst 2008 war alles andere als kompetent. Statt sich im eigenen Ministerium ein Kompetenzteam aufzubauen, verließ sich Steinbrück bis zuletzt auf die Auskünfte der Banker. Was in der “Rettung” der HRE bzw. der Allianz, der Münchener Rück, der Bayrischen Landesbank, der HypoVereinsbank, der Deutsche Bank und der Commerzbank usw. noch einmal überdeutlich wurde. Der Freikauf der Gläubiger der überschuldeten HRE und seine Vorgeschichte bzw. seine von Steinbrück nicht wahrgenommene Vorgeschichte war kein Ruhmesblatt, auch wenn Steinbrück dies in völliger Fehleinschätzung der Realität dem Wahlvolk vermittelt. Vor diesem Hintergrund wirkte Steinbrücks Auftritt im Bundestag alles andere als glaubwürdig.

  4. Robert Misik – Und wann reitet die Des-Troika auch in Österreich und Deutschland ein?
    Einem Hinweis der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Sonja Ablinger verdanke ich die Links zu ein paar Papieren und Diskussionspapern europäischer Institutionen, vor allem der EU-Kommission, die sich in etwa so zusammenfassen lassen:
    Die EU-Kommission arbeitet derzeit an Vorschlägen, wie in die nationalen Haushalte aller EU-Mitglieder eingegriffen werden kann und wie diese überwacht werden können. […]
    Und das geht sehr in die Richtung: Troika für alle. Nicht nur in “Schuldenstaaten” wie Griechenland und anderswo könnten bald Kommissare einreiten, die die Haushalte überwachen und Budgetkürzungen durchsetzen – im Extremfall.
    Quelle: Robert Misik
  5. Hohes Erbe – Keine Steuern
    Die Diskussion um Steuergerechtigkeit wird zum Wahlkampfthema. Besonders die Regelungen und Schlupflöcher bei der Erbschaftssteuer sind umstritten. Selbst der Bundesfinanzhof urteilt, dass hier Firmenerben zu sehr bevorzugt werden.
    Quelle: Das Erste plusminus
  6. Eurokrise: Endlich! DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben hat die Lösung!
    Was haben wir uns nicht alle den Kopf zerbrochen, wie die Eurokrise zu bewältigen wäre. Und wie mittelmäßig sind wir alle – also gut, ich zumindest. Vielleicht habe ich ja auch jemanden übersehen. Völlig daneben gelegen habe jedenfalls ich, weil ich eben nicht auf die so naheliegende wie einfache und umfassende Lösung gekommen bin. Zum Glück gibt es ja aber den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Der schlägt nichts weniger als eine “neue Arbeitsteilung” vor. Er hätte sie auch Urlaubsteilung nennen können. Hier seine geniale Idee, die er heute früh, bescheiden wie er ist, im Interview mit dem Deutschlandfunk ganz umsonst feil bot: (…)
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Unseren perfiden neoliberalen Dumpfbacken ist wirklich kein “Vorschlag” abgeschmackt genug!

  7. Frankreichs vergiftete Arbeitsmarktreform
    Nur drei von fünf Gewerkschaften einigen sich in Frankreich mit den Arbeitgebern auf mehr Flexibilität. Der Widerstand beweist wenig Verantwortung …
    Doch das Ergebnis ist vergiftet. Zwei der fünf Gewerkschaften am Verhandlungstisch verweigerten nämlich ihre Zustimmung.
    Das reicht zwar, um den Kompromiss in den nächsten Wochen in Gesetzesform zu gießen. Doch die beiden Hardliner-Gewerkschaften CGT und Force Ouvrière sind die wichtigste und die drittwichtigste Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in Frankreich. CGT-Chef Bernard Thibault erinnerte Hollande daran, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmer ihn im vergangenen Mai ins Amt gebracht habe und kündigte Widerstand an: “Wir werden weiter jede Maßnahme bekämpfen, die dazu geeignet ist, mehr Flexibilität zu schaffen und die Arbeitnehmer zusätzlich ins Prekariat zu drängen.” Genau das tut der Abschluss nach Überzeugung von CGT und Force Ouvrière. Leidet ein Unternehmen an mangelnden Aufträgen und muss – wie aktuell der Autohersteller PSA Peugeot Citroën – die Produktion zurückfahren und einen Standort schließen, wird es künftig einfacher sein, Arbeitszeiten und Löhne zu senken sowie Beschäftigte innerhalb der Firma zu versetzen. Zudem reduziert der Kompromiss die Möglichkeiten, Kündigungen vor Gericht anzufechten …
    Quelle: Zeit-Online
  8. Drei Schlecker-Frauen – ein Jahr danach
    Am 20. Januar 2012 erfuhren die Schlecker-Frauen aus den Medien, ihre Firma sei insolvent. Die meisten sind noch ohne Job. Die vielen offenen Stellen, von denen FDP-Wirtschaftsminister Rösler getönt hatte – in Luft aufgelöst. Die Umschulung zur Erzieherin, die Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) versprach – gibt’s nicht.
    Quelle: taz
  9. How Much Will Your Taxes Jump?

    How Much Will Your Taxes Jump?

    Quelle: Wall Street Journal

    Anmerkung unseres Lesers G.G.: In dem ganzen Artikel wird über die schrecklichen Härten berichtet, die auf us-amerikanische Steuerzahler im Jahr 2013 zukommen. Das ganze gerät zur Komödie, wenn man sieht, von welchen Einkommen ausgegangen wird. Auch bei diesen gestiegenen Steuern wird man für diese Menschen nicht sammeln gehen müssen. Das Wall Street Journal ist so freundlich, eine Karikatur gleich mitzuliefern. Ich habe sie Ihnen als Anhang mitgesendet.
    Mir fällt es schwer, diesen Artikel einzuordnen. Leben die Wall Street Journal Autoren schon in einer eigenen abgehobenen Welt, in der Sie nicht erkennen können, dass 230.000US$ für einen Single ein staatliches Einkommen sind? Oder ist das ein besonders plumper Versuch, gegen die Regierung Obama Stimmung zu machen?

  10. moma-Reporter: Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz kommt
    Ab August gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. Ein gutes halbes Jahr haben die Kommunen also noch Zeit, die dafür nötigen Kita-Plätze bereit zu stellen. Das dürfte kaum zu schaffen sein: Laut Städte- und Gemeindebund fehlen immer noch 150.000 Plätze und auch jede Menge Erzieherinnen und Erzieher. Deshalb suchen die Kommunen jetzt nach Notlösungen. moma-Reporter Florian Gediehn begab sich auf eine Tour durch Stuttgart. Dort besuchte er halbfertige Kitas und einen Crashkurs für Tagesmütter. Und er traf Anwälte, die sich jetzt schon auf eine Klagewelle einstellen.
    Quelle: Morgenmagazin

    Anmerkung unseres Lesers F.G.: Ab 01:50′ kommt das Thema fehlender ErzieherInnen zur Sprache. Richtig stellt der Kommentator fest, dass ein Grund hierfür die schlechte Bezahlung sein könnte. Ich konnte es kaum glauben, als die Leiterin der zu sehenden Kita angab, dass ein(e) Erzieher(in) nebenher noch einem 400-Euro-Job nachgehen müsse, wenn er/sie die Familie ernähren wolle. Sieht so etwa die Regulierung von Angebot und Nachfrage in unserer “Marktwirtschaft” aus? Für ein knappes Angebot müsste der Preis doch hoch sein. Sollte das etwas ursächlich für den “Fachkräftemangel” in diesem Fall sein? Die Neolieberalen würden es wohl anders sehen. Mal ganz abgesehen davon, dass Erzieher in einer Kita sicher eine sehr anstrengende Arbeit ist und sich schon deshalb ein Nebenerwerb verbietet.

  11. Hartes Urteil gegen Nazigegner: Ein fatales gesellschaftspolitisches Signal
    Der 36-jährige Berliner soll am 19. Februar 2011 per Megafon das Durchfließen einer Polizeikette koordiniert beziehungsweise dazu aufgefordert haben, was schließlich zu Verletzungen bei Polizeibeamten geführt habe. Richter Hans Hlavka verurteilte, obwohl weder Zeugen noch ein Polizeivideo den Angeklagten zweifelsfrei und eindeutig identifizieren konnten. Das Urteil wegen Körperverletzung, Beleidigung und besonders schwerem Landfriedensbruch zu einer Haftstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten – ohne Bewährung – stellt einen neuen Höhepunkt sächsischen Justizverständnisses dar.
    In Sachsen ist es – gemessen an den Urteilen – offenkundig besser, eine neonazistische kriminelle Vereinigung zu gründen, als Neonazis zu blockieren.
    Quelle: ZEIT Störungsmelder

    Anmerkung unseres Lesers M.: Das jetzige Urteil ist eine der bislang schwersten Entgleisungen der sächsischen Justiz im Zusammenhang mit den Anti-Naziprotesten in Dresden. Wer – wie ich – gehofft hat, dass die Zeiten politischer Inhaftierungen in Deutschland mit der deutschen Wiedervereinigung der Vergangenheit angehören, dürfte durch dieses Urteil in ganz besonderem Ausmaß alarmiert sein.
    Schon früher hat die sächsische Justiz ihre Sympathie gegenüber der Naziszene kaum verhehlen können. So begründete der inzwischen verstorbene Richter Hajo Falk Ende 2011 einem Studenten, den er gerade wegen der Teilnahme an einer Sitzblockade verurteilt hatte, seine Entscheidung mit dem “Minderheitenschutz” der Nazis.
    Unvergessen sind auch die zigtausendfache Handydatenauswertung zum Zeitpunkt der Antinazidemos 2011, die filmreife (später per Gerichtsurteil als rechtswidrig eingestufte) Stürmung des Hauses der Begegnung mit einem Sondereinsatzkommando 2011 und der ‘heldenhafte’ Einsatz der Polizei 2011 beim Angriff einer Nazibande auf das Wohnprojekt “Praxis”. Im zugehörigen Video ist zu sehen, dass die in Sichtweite stehenden Beamten anscheinend die Regelung des Straßenverkehrs als ihre dringlichste Aufgabe betrachteten.
    Das Bündnis “Nazifrei – Dresden stellt sich quer” ruft für Freitag, 18.01.2013, 18:00 Uhr, zu einem Demonstrationszug vom Postplatz zum Amtsgericht auf.

  12. Political Correctness: Auf dem Weg zur Trottelsprache
    Erst “Pippi Langstrumpf”, jetzt die “Kleine Hexe”: Nach den Schulbüchern werden die Kinderbücher politisch korrekt umgeschrieben. Die Frage ist: Wer soll hier eigentlich vor wem geschützt werden? […]
    Man kann bei dem Thema gar nicht vorsichtig genug sein. Auf Unworte folgen leicht Untaten, das wusste schließlich schon der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau. Der Thienemann-Verlag hat jetzt beschlossen, “Die kleine Hexe” von verfänglichen Wörtern zu säubern. In einer Szene, in der sich Kinder als Türke, Chinesenmädchen und “Neger” verkleiden, wie es dort noch unbedacht heißt, sollen nach der Überarbeitung andere Verkleidungen stehen.
    Ganz einfach wird die Operation nicht: Indianer oder Eskimos fallen aus den oben beschriebenen Gründen aus. Auch Araber oder Zigeuner verbieten sich, weil rassistisch beziehungsweise islamfeindlich. Selbst Hexe ist heute irgendwie diskriminierend. Trotzdem müssen nach dem Klassiker von Otfried Preußler bei Thienemann nun alle Kinderbücher auf den Prüfstand, um sie von “veralteten und politisch nicht mehr korrekten Begrifflichkeiten” zu befreien, wie Verleger Klaus Willberg angekündigt hat. Willberg folgt dabei einem allgemeinen Trend: In “Pippi Langstrumpf” wurde schon vor längerem aus dem “Negerkönig” ein “Südseekönig”, wie man bei dieser Gelegenheit erfuhr.
    Man soll niemanden beleidigen oder kränken. Eine Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten anderer gehört zu den guten Umgangsformen. Die Frage ist nur: Wer wird hier vor wem geschützt? Oft reicht schon der Verdacht, jemand könnte sich in seinen Gefühlen verletzt fühlen, um zu einer Sprachbereinigung zu schreiten. Es ist die vorauseilende Entschuldigungsbereitschaft, die das politische Lektorat vom Ernsthaften ins Lächerliche führt.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JK: Auch wenn ich wahrlich kein Freund Fleischhauers bin, aber wir dürften in Deutschlanf zur Zeit andere Sorgen haben als Political Correctness in Kinderbüchern. Auch ich habe die Bücher Otfried Preusslers bzw. Michael Endes in meiner Kindheit gelesen und bin, na sowas, kein Rassist geworden.

  13. Wie der Neoliberalismus die Welt erklärt
    Drückt sich der sozioökonomische Wandel der letzten Jahrzehnte auch in der politischen Gegenwartssprache aus? Gibt es ein spezifisches Ideologievokabular eines die Gesellschaft und öffentliche Wahrnehmung beherrschenden ökonomischen Paradigmas?
    Quelle: Le Bohémien
  14. Die erste Macht im Staate
    Wie Massenmedien Regierungen einsetzen, Politik machen, die Bevölkerung unmündig halten und Kriege führen lassen.
    Nichts hat unsere Aussichten auf eine humane Gesellschaftsordnung stärker verdüstert, als die Verwandlung von Wissen und Informationen in Waren, die von gigantischen Medienkonzernen produziert und gehandelt werden. Seine historischen Anfänge hat das Medienkapital im 19. Jahrhundert, als im Gefolge der industriellen Revolution die ersten Zeitungen mit größeren Auflagen aufkamen und sich eine „öffentliche Meinung“ im Bürgertum herausbildete. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten französische Zeitungskapitalisten die Geschäftsgrundlage, auf der Informationen bis zum heutigen Tage gehandelt werden – und die dafür sorgt, dass radikale Kritik im Medienbetrieb bestenfalls eine marginale Rolle spielt. Mittels Anzeigen, die andere Kapitalisten für ihre Produkte in der Zeitung aufgeben, wird von den meisten Massenblättern seit dem 19. Jahrhundert ein Großteil der Einnahmen erzielt, wodurch die Zeitungspreise stark gesenkt und neue Leserkreise erschlossen werden konnten (was nochmals höhere Anzeigenpreise ermöglicht).
    Quelle: SOPOS
  15. Demonstration „Bildung ist ein Grundrecht!“ am 18.01. in Hannover
    Am Freitag, den 18.01.2013 findet um 15 Uhr am Steintor in Hannover die von der LandesAstenKonferenz Niedersachsen organisierte, bundesweit beworbene Demonstration unter dem Motto „Bildung ist ein Grundrecht!“ statt.
    Silke Hansmann für das Landeskoordinator*innenkollektiv: „Gemeinsam mit Studierenden, Schüler*innen, Auszubildenden, Gewerkschaften und Elternverbänden wollen wir im Vorfeld der Landtagswahlen auf die katastrophale Schieflage im deutschen Bildungssystem lautstark aufmerksam machen. Wir setzen auf ein breites Bündnis, da faire und gute Ausbildungsbedingungen genauso wichtig sind wie kostenlose KiTa-Plätze, Lernmittelfreiheit an Schulen und die Abschaffung der Studiengebühren.“
    Diesen Forderungen kommt die derzeitige schwarz-gelbe Landesregierung nicht nach. Im Gegenteil: die niedersächsische Wissenschaftsministerin Wanka bekräftigt im Landtagswahlkampf ihre Position zu Studiengebühren und behauptet, dass diese zu einem besseren Studium führen.
    Quelle: Hannover Zeitung
  16. Wenig Geld für Hoffnungsträger
    Die Zukunft, da sind sich viele Verleger sicher, liegt im Netz. Also investieren sie online – denkt man. Doch die Realität sieht anders aus, zumindest für Online-Journalisten…
    ZAPP hat die acht erfolgreichsten Online-Nachrichtenportale von Print-Verlagen dazu angefragt. Neben der “Welt” war es nur die “FAZ”, die ihre Online-Redaktion nicht in eine GmbH ausgegliedert hat. Auf unsere Fragen zur tariflichen Gleichstellung wollten einige nicht eingehen, andere blieben ungenau. Immerhin, “stern.de” antwortet: “Wir orientieren und nicht an Print-Magazin-Gehältern, sondern an Onlinegehältern”. (Statement stern.de).
    Für “Spiegel online” antwortet Mathias Müller: “Wir zahlen nicht gleiche Gehälter für alle Redaktionen, sondern müssen den Geschäftserfolg berücksichtigen”. (Statement Spiegel Online).
    Quelle: NDR.de, ZAPP
  17. Das Bachelorstudium als Unterschichtenbildung?
    An Universitäten ist mit der Einführung der Bachelorstudiengänge ein “heimlicher Lehrplan” entstanden. Neben dem Studieren steht das Überleben in der bürokratische Hochschule im Fokus. Davon profitieren vor allem Akademikerkinder. Ein Gastbeitrag des Soziologen Stefan Kühl.
    An den Universitäten und Fachhochschulen lässt ‒ abgesehen von einzelnen Rektoren und Präsidenten ‒ kaum jemand ein gutes Haar an der Bologna-Reform. Unterstützung für die Reform kommt, wenn überhaupt, noch von außerhalb der Hochschulen – von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, von unternehmensnahen Stiftungen und von einzelnen Journalisten…
    Studierende lernen jetzt – so der neue „heimliche Lehrplan“ – wie sie in hochbürokratisierten Organisationen unter Überlastungsbedingungen zu arbeiten haben. Wo bekommt man nach Vergleich der verschiedenenfächerspezifischen Bestimmungen eines Studiengangs möglichst günstig Leistungspunkte her? Wie stark muss man sich an die häufig über hunderte von Seiten langen Modulhandbücher eines Studiengangs halten? Wo lohnt es sich, mit dem Verweis auf eine Klage vor Gericht bei Dozenten eine zweite oder dritte Prüfungsmöglichkeit einzufordern? Die Amerikaner nennen die Fähigkeiten, die sich in der Auseinandersetzung mit solchen Fragen entwickeln, „How to Work the System“ – Wie kann man bei möglichst geringem Aufwand möglichst viel aus einem System herausholen.
    Das mögen Fähigkeiten sein, die bei späteren Tätigkeiten in Großbürokratien wie der Deutschen Bank, der Deutschen Bahn oder der Bundesagentur für Arbeit besonders gefragt sind. Die Aneignung dieser Fähigkeiten dürfte aber wohl gerade Studierenden aus jenen Bildungsschichten leichtfallen, die weniger Angst vor dem Kontakt mit bürokratischen Großorganisationen haben. Und das ist sicherlich eher der Juristensohn als die Bäckerstochter.
    Quelle: Was bildet ihr uns ein?
  18. Zu guter Letzt: Flashmob im spanischen Arbeitsamt
    Quelle: YouTube


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