NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. Oktober 2006 um 13:29 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

  1. 1. Unterschicht-Debatte
    Heuchelei im Amt
    Auch mit dem Aussprechen der Wahrheit lässt sich trefflich lügen. Nichts demonstriert diesen Kniff der Propagandakunst besser als die neue Debatte über Deutschlands „Unterschicht“.
    Von Harald Schumann
    Quelle: Der Tagesspiegel
  2. 2. Betreff: Nachrichten aus der Friedrich-Ebert-Stiftung
    Eine E-Mail zur Studie betreffend Unterschicht – Interessant:
    Dienstag, 17. Oktober 2006 11:49

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Friedrich-Ebert-Stiftung ist in diesen Tagen mit ihrer Untersuchung zu Einstellungen und Werteorientierungen der gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland in die Schlagzeilen aller Medien geraten. Die oft unter Berufung auf diese Befragung vertretenen Argumente über “Unterschicht”, “neue Armut”, “neue soziale Frage” usw. belegen, dass es einen Diskussionsbedarf zu diesen Themen gibt, der freilich von unserer Untersuchung nur sehr bedingt erfüllt werden kann. Die eigentliche Studie “Gesellschaft im Reformprozess” wird erst zum Jahresende vorliegen und dann in Buchform veröffentlicht werden. Im Moment existieren erste Ergebnisse der repräsentativen Befragung der bundesdeutschen Wählerschaft, die im Frühjahr in unserem Auftrag durchgeführt wurde. Diese Daten sollten nicht einzeln abgegriffen oder gar monokausal interpretiert werden. Vielmehr geht es um eine systematische Auswertung und sachgerechte Interpretation dieser Befragung – das wird, wie gesagt, in einer Studie erfolgen.
    Um die augenblickliche Debatte zu versachlichen, können Sie eine erste Übersicht über die Befragungsergebnisse einsehen.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung
    Quelle: fes.de [pdf – 649 KB]

    Beim Aufrufen brauchen Sie ein wenig Geduld, weil fast 100 Seiten mit Grafiken und Schaubildern ihre Zeit zum “Laden” benötigen und das Interesse an diesen Daten groß ist.

  3. 3. IAB-Studie zur Rente mit 67
    Mindestens 1,2 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze erforderlich Im Jahr 2030 werden wegen der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre mindestens 1,2 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze benötigt. Der oft prognostizierte Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials wird sich erheblich verzögern, zeigt der IAB-Kurzbericht 16/2006.
    Quelle: IAB
  4. 4. Hartz IV: Kinder – die Verlierer der Reform
    Materielle Not, schlechte Bildung: Die finanzielle Situation Münchner Familien mit Kindern hat sich durch Hartz IV spürbar verschlechtert. Spendenmittel müssen entfallene Leistungen kompensieren.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  5. 5. Finanzpolitik
    Richtungswechsel an der Zeit
    Seit Jahren versucht der Fiskus, den Staatshaushalt zu konsolidieren – ohne nachhaltigen Erfolg. Haupthindernis ist das bislang schwache Wirtschaftswachstum. Damit die Konjunktur jetzt nicht wieder abgewürgt wird, ist eine andere Finanzpolitik nötig, argumentiert Dieter Vesper
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
  6. 6. Neue Aufgaben für das Militär / Weißbuch
    Von seinem Wunsch, die Bundeswehr stärker als heute auch im Inland einzusetzen, musst sich Verteidigungsminister Jung verabschieden. Die SPD setzte sich hier mit ihren kritischen Einwänden durch.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  7. 7. Der steile Weg nach unten
    Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge vergleicht das Leben mit einem Fahrstuhl: Nicht alle fahren nach oben. Dabei zementiert Hartz IV den Abstieg – und Kinder leiden besonders darunter.
    Quelle: Stern
  8. 8. Explosive Vorstandsgehälter
    Während die “Unterschicht” ( Menschen ohne Arbeit und Verdienst ) abgehängt wird, werden die Manager immer reicher.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  9. 9. Unerfreuliche Rangliste
    Eine weitere Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt wie der deutsche Sozialstaat in Europa weit hinten rangiert.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  10. 10. Unterschicht-Debatte
    „Oben Heuschrecke, unten rum nix
    SPD und Union überhäufen sich in der Armutsdiskussion mit Schuldzuweisungen. Dabei tragen beide Parteien Verantwortung für die Misere: Die Sozialdemokratie ging auf Distanz zu ihrer Klientel, die Konservativen fordern Elite – und fördern Verblödung.“
    Von Claus Christian Malzahn
    Quelle: SPIEGEL ONLINE – 17. Oktober 2006, 13:38

    Kommentar AM: Dieser Artikel ist lesenswert, weil er beispielhaft den Zustand der Spiegel Online Redaktion sichtbar macht. Zunächst etwas positives: Über den Hinweis auf die Verblödung durch die Kommerzialisierung des Fernsehens kann ich mich nicht beklagen. Das klingt wie von meinem Buch „Machtwahn“ übernommen, ohne Quellenangabe. Das macht aber nichts. Viel schlimmer ist, dass der Autor Malzahn ansonsten die Verblödung mit seinem Beitrag nachhaltig belegt. Der Artikel enthält reihenweise nachgeplapperte gängige Redensarten:

    – Zum Beispiel der folgende Teil:

    Die Politik der SPD in den siebziger und achtziger Jahren bestand im Wesentlichen darin, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung staatlich abzusichern.

    Der Unsinn fängt schon damit an, dass die SPD in den achtziger Jahren gar nicht mehr regierte (von zwei Jahren des Niedergangs der Regierung Schmidt abgesehen – bis Ende September 82). Ansonsten fällt mir nichts ein, was die Aussage von Herrn Malzahn bestätigen könnte:
    War das 1975 eingeführte gleiche Kindergeld statt der ungerechten Kindersteuerfreibeträge eine „staatlich abgesicherte Errungenschaft der Arbeiterbewegung“? Quatsch.
    Wird Schmidts Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) zur Überwindung der Schwierigkeiten der ersten und zweiten Ölpreisexplosion der Charakterisierung durch den Autor Malzahn gerecht? Unsinn.
    Werden die ersten Energiesparprogramme jener Zeit dem Verdikt des Herrn Malzahn gerecht? Das doch wohl kaum.
    Sind die ersten Umweltschutz-Maßnahmen vom Benzinbleigesetz bis zum Abwasserabgabengesetz eine staatliche Absicherung der Errungenschaften der Arbeiterbewegung? Noch einmal Unsinn.
    Ist zum Beispiel der Bau von Universitäten in dem seit 1966 sozialdemokratisch regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen eine solche Absicherung? Davon kann doch wohl keine Rede sein. Was meint dieser Autor von SpiegelOnline denn eigentlich?

    – Ein weiteres Beispiel reiner Nachplapperei ohne einen eigenen Gedanken:

    Die Gewerkschaften verlegten sich darauf, die Arbeitszeit zu kürzen und Löhne zu erhöhen. So verwandelte sich die Sozialdemokratie – die Gewerkschaften ausdrücklich einbezogen – zu einem völlig uninspirierten, letztlich vollkommen unpolitischen Dienstleistungsunternehmen. Für Arbeitslose fühlte sich weder der DGB noch die SPD zuständig – diese Ignoranz rächt sich heute besonders bitter.

    Die Behauptung, die Gewerkschaften würden sich nicht um die Arbeitslosen kümmern, wird nicht durch Wiederholung wahrer. Der Spiegel hat Hartz IV mit herbei geschrieben und damit den Arbeitslosen massiv geschadet. Im Widerstand gegen diese Gesetze waren große Teile der Gewerkschaften aktiv. Nicht alle, nicht offensiv genug. Das kann man in der Tat kritisieren. Aber die Kommentierung des Autors ist nichts weiter als ein geliehener Gedanke.

    – Das gleiche gilt für die Kommentierung von Norbert Blüms

    die Renten sind sicher.

    Sich darüber her zu machen ist die gängige Parole der Propagandisten für die Privatvorsorge. Auch hier der Spiegel und Spiegel Online an vorderer Front.

    – Zum Beispiel schreibt der Autor:

    Die Idee der “gleichartigen Lebensverhältnisse” war schon Anfang der neunziger Jahre eine Lebenslüge des neuen Deutschland. Die große Herausforderung für die deutsche Politik liegt darin, den Menschen darüber die nackte Wahrheit zu sagen – ohne sie damit allein zu lassen.

    Die Verpflichtung, möglichst für gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen, ist im Grundgesetz festgeschrieben. Nach meinem Verständnis des Grundgesetzes kann sich die Bundesregierung davon, sich darum zu bemühen, nicht dadurch befreien, dass sie behauptet, das lasse sich nicht erreichen. Das möchten Bayern und Baden-Württemberg so haben. Im Falle Bayern ist es besonders apart, weil Bayern in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts weit hinten lag und von den anderen Bundesländern jahrelang Ausgleichszahlungen und besondere Aktivitäten des Bundes kassiert hat.

    – Zum Beispiel schreibt Malzahn:

    Die Vollbeschäftigung ist eine kurze Episode des deutschen Wirtschaftswunders. Sie wird nicht wiederkommen.

    – Auch das ist eine nachgeplapperte Behauptung. So reden sie alle, Rechte und Linke. Woher der Autor weiß, dass sie nicht wiederkommen wird, verrät er uns nicht. Wieso sind eigentlich andere Länder so viel besser im Versuch, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und der Vollbeschäftigung nahe zu kommen? Für einen Ökonomen, der nicht verblödet ist, ist es unverständlich, warum man dieses Ziel aufgeben sollte. Dass die Arbeitgeberseite es so will, ist verständlich, weil sie dann auf dem Arbeitsmarkt fortwährend am längeren Hebel sitzt.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1797