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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. Oktober 2013 um 8:56 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. SPD vor der Großen Koalition
  2. Koalitionsgeschacher
  3. Verfassungsrechtler warnt vor Macht der Großen Koalition
  4. Grüne, wohin?
  5. IWF sieht ausreichend Spielraum für Steuererhöhungen
  6. Steuervermeidung nicht durch internationales Recht gedeckt
  7. Der “Aktive Staat” als Produktivkraft: Kein Kostenfaktor!
  8. Staatsgeheimnis Bankenrettung
  9. Lohndumping
  10. Die Berliner Schneckenpost
  11. Klaedens Wechsel zu Daimler wird Justizfall
  12. Bankenkriminalität
  13. Arbeitsmarkt: Thüringen überschüttet gestrandete Spanier mit Hilfe
  14. DBG und Militärpolitik: Entspanntes Verhältnis
  15. Aufrüstung
  16. US-Haushaltspolitik
  17. Fast-Food Giants Make Billions While Their Workers Use Billions In Welfare Benefits
  18. Orwell 2.0
  19. The Military-Industrial Pundits
  20. Euro-Krisenländer
  21. Russland für Russen
  22. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler, Die nationalen Trauerfestspielwochen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. SPD vor der Großen Koalition
    1. Unverzichtbar ist nur die Show
      Zehn Punkte hat die SPD aufgestellt, die sie für “unverzichtbar” für eine große Koalition hält. Viel interessanter sind jedoch die Forderungen, die nicht auf der Liste stehen.
      Gemessen an der kraftmeierischen Ohnemichelei der SPD nach ihrer Wahlniederlage sieht es jetzt doch so aus, als wollten die Genossen mit Angela Merkel um den Weihnachtsbaum tanzen. Zugleich stellt die SPD zehn Forderungen, die sie „unverzichtbar“ nennt. Das hört sich allerdings knallhärter an, als es ist; ihre Forderungen kann die SPD ja selbst dann aufrechterhalten, wenn sie sich nicht durchsetzt.
      Interessanter sind die Teile des einstigen sozialdemokratischen Wahlversprechungsprogramms, die keine unverzichtbaren Forderungen geworden sind: Das ekstatisch verabscheute Betreuungsgeld wird nur noch kritisiert, und von Steuererhöhungen ist keine Rede mehr.
      Letzteres aber ist nicht Feigheit vor dem Feind, sondern ein kluger Zug von Parteichef Sigmar Gabriel. (…)
      Jeder weiß, dass ohne Steuererhöhungen vieles, was nötig wird, nicht zu finanzieren ist. Zu gerne hätte die Union diesen unangenehmen Part der SPD zugeschoben. Das geht jetzt nicht mehr. Aber wer sich an die letzte schwarz-rote Koalition erinnert, weiß, wie das läuft: Die SPD wollte keine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Union wollte zwei Prozentpunkte mehr, und am Ende einigte man sich auf drei. Unverzichtbar ist nur die Show.
      Quelle: Der Tagesspiegel
    2. “Weiter so” für 8,50 Euro
      Mit ihrem Einschwenken auf die große Koalition straft die SPD-Spitze ihr eigenes Wahlprogramm Lügen. Das nämlich versprach gerade ein Ende der Merkel-Politik.
      Vor vier Wochen gab es in Deutschland mehrere Parteien, die die amtierende Bundeskanzlerin herauszufordern versuchten. Sie alle hielten die Grundausrichtung der Politik von Angela Merkel für falsch. Sie alle benannten Alternativen. Bei der Wahl erzielte zwar keine dieser Parteien ein Traumergebnis, aber gemeinsam erreichten sie im Parlament eine Mehrheit.
      Man muss schon in Deutschland leben, um zu verstehen, was daraus vier Wochen später geworden ist – und was nicht. Daraus geworden ist der angeblich alternativlose Weg in die große Koalition. Ein Weg, den die SPD-Spitze ihrer zweifelnden Basis mit Erpressung aufzuzwingen sucht: Erst schafft man von oben Fakten, hinter die man ohne schwere Beschädigung nicht zurück kann. Dann holt man sich Zustimmung mit dem Verweis auf eben diese Beschädigungen, für die im Zweifel die Neinsager verantwortlich wären.
      An diesem Sonntag ist es der SPD-Konvent, der den Gang in die Koalitionsverhandlungen entweder abnicken oder sich parteischädigendes Verhalten vorwerfen lassen darf. Und nach den Verhandlungen wird sich die ganze Mitgliedschaft in ähnlicher Lage wiederfinden. Auch so kann man die Idee der innerparteilichen Basisdemokratie entwerten.
      Quelle: Frankfurter Rundschau

      Anmerkung C.R.: Wenn die SPD-Spitze Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht komplett verlieren möchte, hätte sie auf dem zweiten Parteikonvent nach der Bundestagswahl für ein „Nein“ zu Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien plädieren müssen: Schon allein deshalb, weil es – insbesondere zwischen dem zweiten und dritten Sondierungsgespräch – keine inhaltliche Annäherung gab.
      Der fatale und folgenschwere Beschluss des ersten Konvents (hier zu finden) folgte den Plänen der SPD-Spitze, die offensichtlich nur die Große Koalition im Visier hatte.
      Auf den ersten Blick/vordergründig wirkt das Ergebnis transparent und orientiert an basis-demokratischen Elementen.
      Der Bundesvorsitzende und die Spitze der Partei gibt Verantwortung ab und delegiert sie weiter an alle Parteimitglieder. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt:
      Sigmar Gabriel und Andrea Nahles könnten bei einem Ergebnis für eine Koalition mit den Unionsparteien behaupten, nicht lediglich sie und die Spitze oder Delegierte der Partei, sondern alle Mitglieder seien für das erneute Zustandekommen einer Großen Koalition mit der prozentual geschwächten SPD verantwortlich.
      Und genau dieses Verfahren, in dem auch der Zeitpunkt der Mitgliederbeteiligung festgelegt wurde (nämlich nicht zu Beginn wie angenommen werden könnte, sondern am Ende des Prozesses!) könnte ein Problem sein, worauf an dieser Stelle hingewiesen werden soll:
      Das auf dem ersten Parteikonvent beschlossene Verfahren sieht zwar keinen Automatismus für eine Große Koalition vor, jedoch die Hürden hin zu ihr sind deutlich herab gesenkt worden – insbesondere wenn das Verfahren bis zum Ende vollzogen wird und erst nach einem vereinbarten Koalitionsvertrag die Mitglieder beteiligt werden:
      Wenn die Delegation der SPD einen solchen Vertrag mit Unionsvertretern ausgearbeitet haben wird, wird sich die Spitze der SPD -vermutlich neben Gabriel auch Kraft, Nahles, Oppermann, Scholz, Schwesig, Steinmeier u.a.- mit allen Mitteln auch für diese Vereinbarung einsetzen (müssen).
      Die Unterstützung durch die Mainstream-Medien wird ihnen gewiss sein.
      Eine Befürchtung ist: In einer solchen, auch medial vorbereiteten Situation werden die Mitglieder der SPD mehrheitlich nicht gleichzeitig gegen eine Koalitionsvereinbarung mit den Unionsparteien und gegen die eigene Partei-Spitze stimmen.
      Sondern: Sie werden Gabriel u.a. folgen und dem Vertrag zustimmen.

      Quelle: Klaus Stuttmann Karikaturen

  2. Koalitionsgeschacher
    1. Zwei Baumeister der großen Koalition
      Der CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sind keine Duzfreunde, aber sie respektieren und vertrauen einander – und beide sind unter Druck verlässlich. Auf dem Weg zur großen Koalition haben sie auch innerparteilichen Widerstand gebrochen. Gelingt Schwarz-Rot, ist das vor allem ihr Verdienst.
      Sigmar Gabriel ist kein Mann, der sich Illusionen macht. Im Gegenteil. Er rechnet lieber mit dem Schlimmsten, dann kann ihn das Leben nicht enttäuschen. Dass es heikel wird mit einer großen Koalition, für die SPD, aber auch für ihn persönlich, weiß er nur zu gut. Dazu muss er nicht seine Facebook-Seite aufrufen, auf der Hunderte Besucher gegen eine Neuauflage der großen Koalition protestieren – oft bösartig, manchmal sogar hasserfüllt.
      An diesem Sonntag wird er Überzeugungsarbeit leisten müssen, auf dem kleinen Parteitag in Berlin. Und dann geht die schwierige Zeit der Koalitionsverhandlungen ja erst richtig los. Kommt Schwarz-Rot tatsächlich zustande, ist das maßgeblich Gabriels Erfolg. Der 54-Jährige hat seine widerstrebende Partei und die Skeptiker in der SPD-Führung bislang mit bemerkenswertem Geschick auf Kurs gebracht. Eine Meisterleistung, sagen selbst Leute, die sich vorher immer wieder über ihn beschwert haben.
      Quelle: Süddeutsche.de
    2. Selbsternannte kungeln Regierungsbildung im Hinterzimmer aus
      Am 22. September 2013 haben wir die künftige Zusammensetzung im Deutschen Bundestag gewählt. 631 Abgeordnete werden sich in den kommenden vier Jahren um politische Weichenstellungen bemühen. Im Grunde haben sie schon jetzt versagt: Sprachlos und ohne Veto tolerieren sie die Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung durch eine Handvoll selbsternannter Politiker, die im Hinterzimmer die Regierungsbildung auskungeln. (…)
      Derweil auch das Parlament außen vor bleibt und lieber Däumchen dreht, als einzugreifen, murksen die Akteure fernab demokratischer Verfahrensweisen im Geheimen an Koalitionsverträgen und Posten-Schiebereien herum. Die Anwesenheit des allgegenwärtigen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) sowie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) setzt der derzeitigen Absurdität noch das Krönchen auf. Beide sind schließlich gar keine Mitglieder im Deutschen Bundestag.
      Kein formaler Auftrag zur Bündnisbildung
      Gerechtfertigt werden die völlig frei organisieren Hinterzimmer-Kungeleien damit, dass es keine formalen Aufträge zur Bündnisbildung gibt. Im demokratischen Österreich beispielsweise wird vom Staatschef ein sogenannter “Formateur” berufen, der mögliche Regierungsbündnisse auslotet. Dieser wird nicht unbedingt aus der Partei mit den meisten Mandaten herausgewählt. Dies gilt vor allem dann, wenn absehbar ist, dass andere Parteien Mehrheiten organisieren können.
      Quelle: Spreezeitung
    3. “Die politische Faulheit setzt sich fort”
      Die Zeichen stehen auf Große Koalition. Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn meint, eine Minderheitsregierung wäre die bessere Lösung. Er warnt im Gespräch mit tagesschau.de, unter der Großen Koalition gediehen politische Faulheit und Apathie.
      tagesschau.de: Unter welchen Voraussetzungen sind bislang Große Koalitionen in Deutschland gebildet worden?
      Samuel Salzborn: Große Koalitionen waren und sind Zweck- oder Notbündnisse. Sie lösen mathematische Probleme, wenn es rechnerisch keine anderen Optionen gibt. Dies ist aktuell aber nicht der Fall. Es gibt viele Varianten, die denkbar wären: eine Minderheitsregierung beispielsweise, Schwarz-Grün wäre zudem aus einer Reihe von inhaltlichen Annäherungen beider Parteien in den vergangenen Jahren durchaus konsequent. Auch eine rot-rot-grüne Koalition wäre denkbar, aber sie scheitert nach wie vor an der Linkspartei, weil es den dortigen pragmatischen und reformorientierten Kräften nicht gelingt, den dogmatisch-stalinistischen Flügel zu marginalisieren.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung unseres Lesers M.H.: Obwohl Politikwissenschaftler Samuel Salzborn in dem Interview durchaus zutreffend analysiert, warum es eine Minderheitsregierung – deren mögliche Vorteile (z.T. übereinstimmend mit den Argumenten von Jens Berger) ebenfalls vorgetragen werden – in Deutschland eher schwer haben wird, lässt er sich nicht nehmen, auf einen “dogmatisch-stalinistischen Flügel” und einen “Kampf zwischen Pragmatikern und Stalinisten in der Linkspartei” hinzuweisen. Jetzt wird die Linke also schon in die “Stalinismus-Ecke” getrieben – so langsam sollte es auch der Letzte begreifen, dass hier von den Medien (wie natürlich auch von den anderen großen Parteien) nichts anderes als eine üble Hetzkampagne ohne den geringsten Hauch von Sachlichkeit betrieben wird.

      Ergänzende Anmerkung C.R.: Hat Prof. Salzborn den Wahlkampf nicht richtig mitbekommen? Spitzenvertreter von Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben vor der Bundestagswahl mehrfach jede Zusammenarbeit (Tolerierung durch und Koalition mit der Partei Die Linke) ausgeschlossen. Vertreter der Linkspartei haben sowohl vor als auch nach der Wahl um ein rot-rot-grünes Bündnis förmlich gebettelt und sind abgewiesen worden.
      Nun das Scheitern eines rot-rot-grünen Bündnisses der Linkspartei anzulasten, stellt den Sachverhalt komplett auf den Kopf.

    4. Robert Misik: Ideologie in Zeiten inflationärer Großkoalitionen
      Es ist ohnehin ein bekanntes Aperçu, dass die Wirtschaftswissenschaft jene Disziplin ist, in der “jedes Jahr das Gegenteil dessen richtig ist, was vergangenes Jahr richtig war”. Was bisher hieß: In der einen Epoche bekam die eine Denkschule alle Preise, in der darauf folgenden die andere, die bewies, dass die vorangegangene Denkschule falsch gelegen hatte – nur damit später wieder die ursprüngliche Denkschule zum Zug kam. Das Putzige an der diesjährigen Nobelpreisentscheidung ist nun, dass die Jury diese zeitliche Sukzession gewissermaßen in den Moment, ins Gegenwärtige verdichtet: Sie hat im Trio der Laureaten zwei Ökonomen ausgezeichnet, die bewiesen haben, dass das Gegenteil von dem richtig ist, was der ebenfalls ausgezeichnete Kollege bewiesen hat. Das ist echte Milde, ja was sag’ ich, großkoalitionäre Ideologiefreiheit. Da könnte sich der Seehofer-Horst noch eine Scheibe abschneiden, über den gerade im Onlineportal des ORF-Fernsehens zu lesen ist: “Seehofer könnte SPD-Mindestlohn akzeptieren.” Der Zufall will es, dass ich in den Tiefen des Archivs gerade wieder über den alten Satz von Gerhard Schröder aus den neunziger Jahren gestolpert bin: “Es gibt nicht linke und rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur richtige und falsche.” Irgendetwas an diesem Satz, mag er auch von der Geschichte längst verweht sein, ist symptomatisch – auch für die Krise der Demokratie und den Verdruss an der Politik. Und zwar, und das ist eben das Interessante, auf doppelte, auf widersprüchliche, auf geradezu gegensätzliche Weise. Es gibt den Verdruss an der Parteilichkeit, am Ideologischen der Politik, worauf der Satz ja reagiert, indem er sagt: Raus aus den Schützengräben, lasst uns sachlich sein. Gleichzeitig gibt es aber auch einen Verdruss an der Entleerung des Politischen durch Pragmatismus. Wenn Politik nicht mehr vom Konflikt klarer Alternativen, vom Streit über unterschiedliche Weltanschauungen und Politikpfade handelt, wenn die Bürger und Bürgerinnen also den Eindruck bekommen, es sei ohnehin alles gleich und fundamentale Unterschiede gebe es nicht, dann führt gerade dieser Konsens zu einer Bedrohung der Demokratie.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Indem Robert Misik die widersprüchliche Auszeichnung zweier sich diametral widersprechende Denkschulen auf die Politik überträgt, wird noch einmal deutlich, was die Politik mit der großen Koalition vom Bürger abverlangt. Die Deutschen mögen mit einem übergroßen Harmoniebedürfnis ausgestattet sein, aber auf einer vielleicht eher unbewussten Ebene dürfte es Folgen haben, dass sie plötzlich unter einen Hut bringen müssen, dass das, was die jeweilige Partei für falsch erklärt hatte, in einer Koalition rechtens wäre. Als ob Politik ein Geschäft auf dem Markt wäre, auf dem zwischen zwei Preisen ein Mittelwert ausgehandelt wird. Für die Union ist es plötzlich gar nicht so schlimm, dass der gesetzliche Mindestlohn Arbeitsplätze vernichten würde und für die SPD ist es gar nicht mehr so wichtig, dass die Einkommen von Bestverdienenden, die sich immer weiter von den Einkommen des Normalbürgers entfernen, stärker auf das Gemeinwohl verpflichtet werden. – Warum sollen die Bürger einer solchen Politik bzw. der Politik überhaupt bzw. einer solchen Demokratie vertrauen?

  3. Udo Di Fabio: Verfassungsrechtler warnt vor Macht der Großen Koalition
    Der frühere Bundesverfassungsrichter und Staatsrechtslehrer Udo Di Fabio warnt vor der Macht der geplanten Großen Koalition. Diese könnte der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung im Land gefährlich werden, warnt er im SPIEGEL.
    “Es ist sehr bedenklich, wenn eine Regierung etwa bei europäischen Rettungsmaßnahmen gleichsam vom Kabinettstisch aus Änderungen der Verfassung beschließen könnte”, sagte Di Fabio mit Blick auf die Vierfünftelmehrheit, die eine Große Koalition im neuen Bundestag hätte.
    Zwar sei eine Große Koalition an sich nichts “verfassungsrechtlich Anrüchiges”. Aber eine so starke Mehrheit, wie Union und SPD sie hätten, “würde die übliche Balance der Gewaltenteilung verändern”.
    Di Fabio fürchtet auch die Folgen für den einzelnen Abgeordneten. “Bislang mussten bei Rettungsschirmen einzelne Abgeordnete überzeugt werden, um die eigene Mehrheit des Regierungslagers zu sichern. Bei einer 80-Prozent-Mehrheit kommt es auf den einzelnen Abgeordneten kaum noch an.”
    Quelle: Spiegel Online
  4. Grüne, wohin?
    1. “Noch weiter nach links wird’s nicht gehen”
      Nach dem Wahldesaster und dem Scheitern der Gespräche mit der Union haben die Grünen auf ihrem Parteitag einiges aufzuarbeiten. Sie müssen sich wieder auf ihre Kernthemen besinnen, meint Politologe Probst im Gespräch mit tagesschau.de. Denn mit der Linksorientierung seien sie gescheitert, jetzt gelte es, bürgerliche Wähler zurückzugewinnen.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung unseres Lesers O.B.: …von welchem linken Wahlprogramm und welcher linken Einstellung wird da gesprochen?
      Ist das Zugehen auf die CDU etwa links?
      Ach, weil vielleicht die CDU ja so links an die SPD ran gerückt sein soll, wie immer in den Medien erzählt wird?
      Da will jemand wohl eher einem Anschleimen an die CDU das Wort reden….
      … das soll also Stimmen bringen.
      Soll das so funktionieren wie bei der SPD?
      Vermutlich ist das Wahlergebnis schon das erste Ergebnis für die CDU-nahe Politik und die S21-Täuschung.
      Weiter so, und beim nächsten Mal bekommt die CDU 60 Prozent, denn wenn nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen an die CDU heran rutschen, wählen die Leute eben lieber gleich das Original, als die Kopie.
      Wie armselig, das Ganze…

    2. Metzger: Realos haben nicht für Inhalte gekämpft
      Ex-Grüner kritisiert Schwäche der “Kretschmann-Linie”
      Oswald Metzger im Gespräch mit Thielko Grieß
      Für den ehemaligen Grünen-Politiker Oswald Metzger, der jetzt CDU-Mitglied ist, sind die Grünen in den vergangenen Jahren zu sehr nach links gerückt. Er hätte es daher “für fatal gehalten, wenn man mit einer Partei koaliert, die sich zunächst mal selber häuten muss, personell und programmatisch”.
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung M.B.: Was qualifiziert Oswald Metzger als Experten und Gesprächspartner für einen so genannten Linksruck der Grünen und die Möglichkeiten einer schwarz-grünen Koalition? Er war mal grüner Berufspolitiker und wollte danach CDU-Berufspolitiker werden. Aber eigentlich möchte außer bei der Arbeitgeberlobby Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und dem Deutschlandradio so gut wie niemand etwas mit ihm zu tun haben. Bei den Grünen eckte er 2002 so an, dass sie ihn nicht mehr für den Bundestag nominierten. Bis zu seinem Austritt bei den Grünen und seinem Eintritt bei der CDU 2007 war sein Landtagsmandat in Baden-Württemberg seine einzige nennenswerte politische Aktivität. Bei der CDU wollten Sie ihn seitdem weder für den Bundestag noch in zwei verschiedenen Wahlkreisen als Direktkandidat aufstellen. Und auch seine Bemühungen um Funktionärsposten in der CDU bleiben erfolglos.

  5. IWF sieht ausreichend Spielraum für Steuererhöhungen
    Aus Sicht des IWF nutzt die Bundesregierung ihr Einnahmenpotenzial nicht aus. Würde sie mit anderen Staaten gleichziehen, wären 80 Milliarden Euro Mehreinnahmen drin…
    Insbesondere bei der Mehrwertsteuer und bei der Einkommensteuer belasteten andere Staaten ihre Bürger zum Teil erheblich stärker, heißt es in einer Studie, über die DIE ZEIT erstmals in Deutschland berichtet.
    Raum sehen die Fachleute des Fonds insbesondere für höhere Steuern bei Besserverdienern…
    Wenn die Deutschen mit ihren Partnern gleichzögen, würde das Aufkommen aus Steuern und Abgaben um 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen…
    Nach Schätzungen des Fonds liegt der unter Einnahmegesichtspunkten ideale Spitzensteuersatz bei 55 bis 70 Prozent. Derzeit werden in Deutschland inklusive Reichensteuer maximal 45 Prozent fällig….
    Quelle: Zeit.de

    Dazu: IMF eyes tax potential of the world’s super-rich
    US budget crisis should not deflect attention from the fact the rich need to help economies balance the books..
    First, it supports the idea of a financial activities tax, which would be levied on the wages and profits of financial institutions. This would be the equivalent of levying VAT on financial services, which are currently exempt. It is the fund’s alternative to the financial transaction tax.
    Second, the IMF thinks it is time to do something about an international tax system that allows companies such as Google and Starbucks to pay little corporate tax. The fund says they can do this because the global tax order is mind-bogglingly complex and outdated. Instead of a race to the bottom where countries compete with each other to offer the lowest rate of corporate tax, it urges co-operation…
    Finally, the fund comes out in favour of having a long hard look at whether those on the highest incomes should pay more. In some countries, the US in particular, the IMF research suggests the rich are substantially under-taxed.
    Over the past quarter of a century or so, tax systems have tended to become regressive due to the increased reliance on indirect taxes, which weigh more heavily on the less well-off. Despite that trend, income tax is still progressive because the rich pay a large proportion of revenue from that source. The top 10% of earners account for 30%-50% of all revenue from personal income tax and social contributions, with the top 1% accounting on average for 8%.
    Quelle 1: The Guardian
    Quelle 2: Fiscal Monitor Oct. 13 – Taxing Times- World Economic und Financial Surveys [PDF – 4.8 MB]

    Anmerkung WL: Doch Steuergerechtigkeit und gerechte Verteilung der Lasten scheint für die SPD in den Koalitionsverhandlungen kein Thema mehr zu sein.
    Siehe auch „Die Gerechtigkeitslücke im Steuersystem – Das deutsche Steuersystem entlastet zwar Familien im Vergleich zu Singles. Aber deswegen ist es noch lange nicht gerecht, wie Zahlen des Industrieländerklubs OECD zeigen.“

  6. Steuervermeidung nicht durch internationales Recht gedeckt
    In einem Feature des L4BB-Netzwerkes wird die weit verbreitete Behauptung in Zweifel gezogen, dass internationale Gesellschaften, die ausgeklügelte Mechanismen zur Steuervermeidung nutzen, nicht illegal handeln. Eine gängige Argumentation in diesem Zusammenhang wird insbesondere von Wirtschaftsanwält_innen vorgebracht, ohne deren Expertise Großunternehmen nicht in der Lage wären, systematisch Steuerschlupflöcher für den Schutz ihrer Profite vor dem Zugriff der Steuerbehörden nutzen. Sie lautet, als Dienstleister sei ihr Mandat grundsätzlich darauf begründet die Steuerlast ihrer Klient_innen innerhalb rechtlicher Parameter zu reduzieren.
    Die Autorin des Features, Adrienne Margolis, zieht hingegen andere juristische Betrachtungsweisen heran, die das Gegenteil nahelegen. Einerseits verweist sie auf die Möglichkeit, die technische Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung aufzugeben zu Gunsten einer weiteren Definition von „tax abuse“, also dem Missbrauch von Steuerbefreiungen.
    Zum anderen bezieht sie sich auf Erkenntnisse des International Bar Association’s Human Rights Institute, die derzeit mit einer Task Force Illegale Finanzströme, Armut und Menschenrechte in einen Kontext stellen. (…) Der Bericht der Task Force findet Anhaltspunkt dafür, dass der Missbrauch von Steuersparmöglichkeiten einen Verstoß gegen die Menschenrechte nach internationalem Recht darstellt.
    Quelle: blog steuergerechtigkeit
  7. Der “Aktive Staat” als Produktivkraft: Kein Kostenfaktor!
    „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. So steht es im Grundgesetz. Als robuster Sozialstaat muss er auch zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen. Eine wichtige und zentrale Aufgabe! Fakt ist: Die Lebensverhältnisse driften immer weiter auseinander.
    Immer mehr Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Der Jubel über die sinkende Arbeitslosigkeit geht seit Jahren einher mit einer Ausweitung des Niedriglohnsektors. Die meisten Löhne aus prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen müssen vom Staat aufgestockt werden. Ein dauerhaft niedriger Lohn bildet die Grundlage für zukünftige Altersarmut. Angst um die Rente und der Run in Immobilienwerte spiegeln das sinkende Vertrauen der Bevölkerung in einen funktionierenden Sozialstaat wieder. Wachstumskräfte im Binnenmarkt werden so nur zögerlich aktiviert.
    Die Bundesrepublik ist auf dem Weg zu einem Gewährleistungsstaat, der nur noch das Nötigste tut und ansonsten den Märkten und dem Wettbewerb freien Lauf lässt. Der Staat beraubt sich seiner eigenen Handlungsfähigkeit, lebt von der Substanz und vernachlässigt sträflich wichtige Zukunftsinvestitionen. Der Sozialstaat im Besonderen wird als Kostenfaktor, unproduktiv und teuer, diskreditiert. Das ist die Lesart der vergangenen Jahrzehnte.
    Quelle: DGB Klartext
  8. Staatsgeheimnis Bankenrettung
    Ein Eurostaat nach dem anderen sieht sich gezwungen, seine Banken mit gigantischen Summen zu stützen, um damit die Verluste auszugleichen, die den Geldhäusern aus faulen Krediten entstanden sind. Aber wohin gehen die Milliarden, mit denen derzeit die einen die anderen retten?
    Quelle: Rundfunk Berlin-Brandenburg
  9. Lohndumping
    1. Dumping per Werkvertrag
      Die Arbeitgeber nutzen Leiharbeit und zunehmend Werkverträge nicht nur in Supermärkten und Schlachthöfen, sondern auch in der Industrie, um Flexibilitätsspielräume auszuweiten, Kündigungsschutz zu unterlaufen und Personalkosten zu senken…
      Seit die Tariflöhne von Leiharbeitern steigen, werden immer öfter abhängig Beschäftigte als Werkvertragler zu niedrigen Löhnen beschäftigt.[2] In Deutschland arbeiten inzwischen 6,5 Millionen Menschen zu Niedriglöhnen. 1,4 Millionen davon müssen zusätzlich Sozialleistungen als so genannte »Aufstocker« beziehen. Laut Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verdient ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland weniger als 9,54 Euro brutto in der Stunde, die als Niedriglohnschwelle gelten. Damit ist die Geringverdienerquote höher als in Staaten wie Zypern, Bulgarien oder Polen. Besonders betroffen von den niedrigen Gehältern sind Frauen, Jüngere, Ausländer, Teilzeitkräfte und Arbeitnehmer in Kleinbetrieben…
      Die Länderkammer verabschiedete im September einen »Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen«.[6] Dazu sollen Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie im Betriebsverfassungsgesetz vorgenommen werden mit dem Ziel schärferer gesetzlicher Regelungen für Werkverträge und eine klar geregelte Mitbestimmung für Betriebsräte.
      Dagegen laufen die Wirtschaftsverbände Sturm…
      …nicht sanktionsbewährte Appelle an den Gesetzgeber zu richten, wird auch in einer großen Koalition, in der sich die SPD legitimieren muss, keine annähernd hinreichende Initiative sein…
      Quelle: Sozialismus aktuell
    2. PIN MAIL AG – 14 Jahre ohne Lohnerhöhung
      Große Beteiligung an Warnstreiks: Die Zusteller/innen in Berlin fordern 11,5 Prozent mehr Lohn…
      Ausgehend von den sehr niedrigen Löhnen der Zusteller/innen bedeutet das in Euro allerdings weniger, als die Prozentzahl vermuten lässt. Bisher verdienen die 700 Zusteller/innen der Pin AG bei einer 40-Stunden-Woche zwischen 1380 und 1430 Euro brutto monatlich. “Sie haben seit Bestehen des Unternehmens keine Erhöhung bekommen”, berichtet ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper – also seit 14 Jahren nicht. In diesem Zeitraum sind die Lebenshaltungskosten in Berlin allerdings um mehr als 20 Prozent gestiegen.
      Nur während der rund zwei Jahre, als ein gesetzlicher Mindestlohn für die privaten Postdienstleistungen galt, erhielten die Beschäftigten 9,80 Euro pro Stunde. Damit war im Jahr 2010 Schluss: Die Konkurrenten der Deutschen Post – allen voran die Pin AG – klagten gegen den Mindestlohn und gewannen. Die Pin AG senkte den Lohn prompt wieder. Damals ging auch das Vorgängerunternehmen Pin Group in die Insolvenz und ist jetzt als Pin Mail AG tätig. Heute gehört das Unternehmen jeweils zur Hälfte der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und TNT, dem einstigen Konkurrenten unter den Postdienstleistern. Seit der Postmindestlohn gekippt wurde, bemüht sich ver.di, mit der Geschäftsleitung einen Haustarifvertrag abzuschließen.
      Quelle: ver.di Publik

      Anmerkung C.R.: Es ist leider kein Einzelphänomen, sondern eine weit verbreitete Praxis, dass Belegschaften keine Lohnerhöhungen erhalten. Ein wesentlicher Umstand, der zu dieser realen Lohnsenkung beträgt, ist die Tatsache, dass viele Unternehmen nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband und somit nicht tarifgebunden sind.
      In Osnabrück ist dieses Phänomen z.B. in der Callcenter-Branche zu beobachten: Ein Unternehmen vergrößert sich seit etwa zehn Jahren u.a. mittels Werbung, kann sogar neue Filialen an anderen Standorten errichten und zahlt seit Unternehmensgründung dieselben Einstiegsgehälter.

    3. Unterwerfung als Freiheit
      Die wissenschaftliche Disziplin »Human Resources« bestimmt die Personalpolitik der Konzerne. Angestellte werden zum Unternehmer in Sachen eigener Arbeitskraft erklärt
      Die »Ich AG« aus dem Hartz-Gesetz II schien vielen recht kurios: Arbeitslose sollten ein Unternehmen gründen und mit Hilfe eines Zuschusses vom Jobcenter Selbständige werden. Sie wurden auch als Selbst-Unternehmer oder Selbst-Arbeitgeber bezeichnet. Damit sollte die Arbeitslosigkeit bekämpft und es sollte dem Bedarf an kostengünstigen Dienstleistungen entsprochen werden. Die Maßnahme wurde 2006, zwei Jahre nach ihrer Einführung, erfolglos abgebrochen. (…)
      Trotzdem beherrscht der Grundgedanke der sogenannten Ich-AG das »moderne Personalmanagement«. Er ist das Leitprinzip einer globalen wissenschaftlichen Disziplin und einer Unternehmenspraxis: Human Resources (HR). Thomas Sattelberger, langjähriger Personalchef der Deutschen Telekom, »Leitwolf« der deutschen HR-Szene, hat bereits 1999 die Initiative »Wege zur Selbst-GmbH« gegründet. Die Mitgliederliste spiegelt das Who is Who der deutschen Wirtschaft wider: Deutsche Bank, Telekom, Bayer, Otto. Die Initiative versteht sich als »das innovative Netzwerk von Personalprofis: Unternehmer im System Arbeit«.
      HR geht davon aus, daß die Beschäftigten selbst und jeder für sich Unternehmer sind/ist, Arbeitsunternehmer. Dafür sind nicht nur die fachlichen und überfachlichen Qualifikationen wichtig, sondern die »grundsätzlichen Einstellungen und Haltungen« der Persönlichkeit. Hier fehle es bei den Beschäftigten bisher an der »richtigen Einstellung«. Motto: Unternehmen brauchen den ganzen Menschen. Was ist aber mit »grundsätzlich« gemeint, was mit der »richtigen« Einstellung? Die HR-Vertreter wagen es nicht, offen auszusprechen, worum es ihnen geht, nämlich um den Profit der Privateigentümer und die Privilegien des Leitungspersonals.
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung unseres Lesers J.E.-F.: Guter Artikel, der darauf hinweist wie sich die Herrschaftsseite bereits perfektioniert hat und schon seit Schröders Kanzlerschaft die Kontrolle über Hochschulen und ThinkTanks übernimmt.
      Zum Glück gibt es noch Attac, wo auch wissenschaftlich tragfähige Gegenansichten ausgearbeitet und in die Öffentlichkeit gebracht werden.

  10. Die Berliner Schneckenpost
    Briefe an einen Fahrradladen in Moabit waren elf Tage unterwegs. Die Post erklärt das mit Personalmangel. Auch in anderen Bezirken gibt es Beschwerden über die Zustellung. Laut Gewerkschaft Verdi ist die Arbeitsbelastung für die Briefträger stark gestiegen…
    Der Fall in Moabit sei extrem, sagen andere Mitarbeiter der Post. Ein bis zwei Tage Verspätung wegen eines erkrankten Zustellers seien vorstellbar. Aber nicht elf Tage. Denn eigentlich müsse die Post AG auf Personalausfälle reagieren können.
    Bei der Gewerkschaft Verdi wiederum melden sich Zusteller, die über schlecht organisierte Arbeitsabläufe und Stress klagen. Die Arbeitsbelastung der Postmitarbeiter sei in der Vergangenheit stark gestiegen, die Zustellbezirke seien vergrößert worden, sagt Lutz Kämmerer von Verdi. Hier mache sich der Spardruck im Unternehmen bemerkbar. Dass Postsendungen liegen bleiben, werde dann teilweise in Kauf genommen…
    Quelle: Berliner Zeitung
  11. Klaedens Wechsel zu Daimler wird Justizfall
    Der Wechsel des scheidenden Staatsministers im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, zum Automobilkonzern Daimler hat ein juristisches Nachspiel. Nach Informationen des “Spiegel” prüft die Berliner Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Offenbar liegt eine Strafanzeige vor, in der von Klaeden Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit seinem Wechsel zu Daimler vorgeworfen wird.
    Die Strafanzeige, so zitiert das Magazin einen Staatsanwaltschaftssprecher, sei von einer “Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag eines nicht benannten Mandanten” erstattet worden. Jetzt wird geprüft, ob sich daraus der Anfangsverdacht einer Straftat ergibt. Die Ermittlungen könnten aber frühestens am 22. Oktober eingeleitet werden, da von Klaeden als Bundestagsabgeordneter bis dahin immun ist.
    Quelle: Die Welt
  12. Bankenkriminalität
    1. Hypo Group Alpe Adria: Ermittler wittert “größten Kriminalfall Europas” seit 1945
      Die Hypo Group Alpe Adria entwickelt sich für Österreich und Bayern zum Milliardengrab. Der Chefermittler hält die Klagenfurter Skandalbank gar für einen Hort des organisierten Verbrechens – sie habe mit Schwerstkriminellen, Geheimdienstlern und bestechlichen Politikern kooperiert.
      Der Fall der Hypo Group Alpe Adria ist nach den Worten des internen Chefermittlers Christian Böhler “der größte Kriminalfall Europas nach dem Zweiten Weltkrieg”. Ermittlungen in dieser Dimension habe es bisher nicht gegeben. “Wir haben mit unseren 15 Mitarbeitern allein 6,5 Millionen elektronischer Dokumente zu sichten”, sagte Böhler der Wiener Tageszeitung “Der Standard”. Die Banker der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) hätten in Südosteuropa oft mit Schwerstkriminellen, Geheimdienstlern, Militärs und hochrangigen, bestechlichen Politikern kooperiert. “Kleine Provinzbanker, die sich mit solchen Leuten ins Bett legen, müssen mit Problemen rechnen”, sagte der Chefermittler dem Blatt.
      Die kriselnde HGAA hatte sich mit Geschäften auf dem Balkan verspekuliert. Die BayernLB hatte die Hypo 2007 gekauft und nach Milliardenverlusten 2009 an Österreich zurückgegeben, wo sie notverstaatlicht wurde. Dem österreichischen Steuerzahler droht die Zahlung von mehreren Milliarden Euro an weiteren Rettungsgeldern.
      Quelle: Spiegel Online
    2. JPMorgan soll 13 Milliarden Dollar Strafe zahlen
      Mit einer Zahlung von 13 Milliarden Dollar (9,5 Milliarden Euro) will die US-Großbank JPMorgan Chase offenbar einen Schlussstrich unter Ermittlungen wegen umstrittener Hypothekengeschäfte ziehen. Auf diese vorläufige Summe habe sich das Institut mit dem US-Justizministerium geeinigt, berichtete die “New York Times” am Samstag in ihrer Onlineausgabe unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Personen.
      Die Vereinbarung soll am Freitag bei einem Telefonat von US-Justizminister Eric Holder mit führenden Vertretern der Bank geschlossen worden sein. Damit könnten mehrere Streitigkeiten zwischen JPMorgan Chase und dem US-Justizministerium sowie dem Bundesstaat New York beigelegt werden. Allein das US-Justizministerium führt gegen JPMorgan mehr als ein halbes Dutzend Ermittlungsverfahren – etwa wegen mangelnder Informationen von Investoren beim Verkauf von Hypothekenkrediten oder wegen der Beteiligung an der Manipulation des Libor-Zinssatzes.
      Quelle: stern.de
  13. Arbeitsmarkt: Thüringen überschüttet gestrandete Spanier mit Hilfe
    Sie waren in Thüringen gestrandet, ohne Arbeit, in desolaten Unterkünften. Jetzt ergießt sich über die 128 Spanier von Erfurt eine Fülle von Jobangeboten. Mehr als die Hälfte hat bereits eine Stelle. Doch wer nicht ganz unten anfangen will, hat es schwer. (…)
    Es sind Leute wie Hannelore Neher, die Mitarbeiter brauchen. Die Besitzerin des Quality Hotels am Tierpark in Gotha hat bereits zwei Spanier als Azubis eingestellt, nun will sie noch einmal zwei dazunehmen. “Hoch motiviert” seien ihre neuen Arbeitskräfte, sagt Neher: “Denen ist geholfen, und mir ist geholfen.” Schließlich finden Thüringens Hotel- und Gastronomiebetriebe kaum noch junges einheimisches Personal. Thüringens Geburtenraten sind seit der Wiedervereinigung eingebrochen, viele junge Familien ziehen weg – und die Arbeit im Gastgewerbe gilt als unattraktiv.
    Da kommen die Spanier gerade recht. “Unsere Betriebe haben bereits 40 Praktikums- und Ausbildungsverträge abgeschlossen”, sagt Dirk Ellinger, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Thüringen. “Zwischen 20 und 25 könnten noch in den nächsten Tagen dazu kommen.” Das finanzielle Risiko für die Betriebe ist überschaubar: Hotelbesitzerin Neher etwa zahlt ihren neuen Azubis im Monat nur 525 Euro. Die Zentrale Arbeitsvermittlung (ZAV) des Bundes, die mit ihrem Programm “The Job of my Life” um Arbeitskräfte aus Südeuropa buhlt, stockt das Gehalt der Südeuropäer mit Fördermitteln auf 818 Euro auf.
    Den Job ihres Lebens finden aber nur wenige der Gestrandeten. Die meisten müssen wohl erst einmal als Tellerwäscher, Küchenhelfer oder Zimmerreiniger anfangen – obwohl sie teilweise ganz andere Berufsausbildungen oder Studiengänge abgeschlossen haben. Und wer nicht in die Gastronomie oder Altenpflege will, für den wird es schwer, in Thüringen die passende Stelle zu kriegen. Zumal es bei vielen noch mit dem Deutsch hapert.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: 525 Euro Gehalt, die – natürlich, vom wem sonst! – vom Steuerzahler auf eine Existenzsicherung unterste Sohle aufgestockt werden; damit ist klar, was für Fachkräfte gesucht sind: ganz, ganz billige. Bei über 100.000 Arbeitslosen und Unterbeschäftigten alleine in Thüringen ist die Behauptung eines Arbeitskräftemangels einfach lächerlich.

  14. DBG und Militärpolitik: Entspanntes Verhältnis
    Die Führung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) forciert die Verankerung der militärpolitischen Doktrin der Bundesregierung in den Gewerkschaften. Jüngster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein für kommende Woche in Berlin angekündigter “Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop” des DGB, zu dem fast ausschließlich Befürworter der deutschen Kriegspolitik als Referenten geladen sind. Unter den Vortragenden findet sich beispielsweise ein Vertreter des beim Vorstand der Industriegewerkschaft Metall angesiedelten “Arbeitskreises Wehrtechnik und Arbeitsplätze”. Das Gremium hat in der Vergangenheit immer wieder den Umbau der Bundeswehr zur weltweit agierenden Interventionsarmee und die Ausweitung der deutschen Rüstungsexporte unterstützt. Auf der Rednerliste stehen außerdem Mitarbeiter offizieller militärpolitischer Beraterstäbe. Mittlerweile hat sich energischer Protest gegen die Veranstaltung formiert. Die Kritiker bezeichnen diese offen als “Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung”.
    Quelle: german-foreign-policy.com
  15. Aufrüstung
    1. Schützenpanzer Puma hat „gravierende Mängel“
      Auf den Schützenpanzer Puma wartet die Bundeswehr nun schon seit sechs Jahren. Und sie wird noch länger warten müssen. Das erklärte Thomas de Maizière am Freitag in Berlin.
      Der neue Schützenpanzer vom Typ „Puma“ kann wegen zahlreicher Mängel derzeit nicht an die Bundeswehr ausgeliefert werden. Es gebe bislang „keine Grundlage für die Übernahme in die Nutzung“, sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière am Freitag in Berlin. Es gebe unter anderem Probleme mit der Elektronik, der Software, den Sichtmöglichkeiten für die Fahrer sowie mit dem Gewicht. Zusammen mit den Herstellerfirmen Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann solle nun an Nachbesserungen gearbeitet werden. Wann eine Lieferung des Panzers erfolgen könne, sei derzeit unklar.
      Der „Puma“ soll den 1971 eingeführten Schützenpanzer Marder ablösen. Die Auslieferung an die Bundeswehr soll eigentlich 2014 beginnen. Bis 2020 will die Bundeswehr 350 Exemplare beschaffen.
      Quelle: Focus Online

      Anmerkung C.R.: Die Pannenserie unter Bundesverteidigungsministers de Maizière möchte offenbar kein Ende nehmen. Ob er der neuen Bundesregierung angehören wird, kann bezweifelt werden.

    2. Video: US-Drohnen über der Oberpfalz
      Über 800 Kilo schwer, eine Spannweite von rund 10 Metern, ausgerüstet mit einer Kamera – Drohnen der US-Armee sollen in Zukunft zwischen den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels hin- und herfliegen.
      Quelle: BR
    3. Militärtechnik: Experten werfen US-Regierung Entwicklung neuer Atomwaffen vor
      Die USA investieren viele Milliarden Dollar in ihr Atomwaffen-Arsenal. Ein Forscherverband kritisiert jetzt rasant steigende Kosten – und wirft Washington vor, unter dem Deckmantel der Modernisierung neue Waffen zu entwickeln. Die sollen auch in Deutschland stationiert werden.
      Über nukleare Abrüstung hat Barack Obama schon viel geredet. In seiner Prager Ansprache 2009 entwarf er, frei nach dem Motto “Yes, we can!”, die Vision einer Welt ohne Atomwaffen. In seiner Berliner Rede im Sommer dieses Jahres war er dann schon wesentlich bescheidener: Die Zahl der amerikanischen Atomwaffen könnte um ein Drittel sinken, gesetzt den Fall, die Russen spielten bei den Verhandlungen mit.
      Doch die Realität sieht anders aus, wie Kritiker jetzt erneut bemängeln. Der US-Forscherverband Union of Concerned Scientists (UCS) hat einen umfangreichen Bericht über die Modernisierung des amerikanischen Atomwaffen-Arsenals vorgestellt. Von Abrüstung ist darin nicht besonders viel zu erkennen. Darüber hinaus werfen die Wissenschaftler der US-Regierung vor, über die reine Instandhaltung ihrer Atomwaffen hinauszugehen und praktisch neue Waffensysteme zu entwickeln.
      Die Regierung in Washington steht schon lange vor einem Dilemma: Die letzte US-Atomwaffe wurde 1990 entwickelt und basiert auf der Technologie der siebziger Jahre. Seit 1992 haben die USA ihre unterirdischen Bombentests gestoppt und sind seitdem auf Computersimulationen angewiesen. Zugleich aber altert das Arsenal. Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Waffen zu gewährleisten, sind ungeheure Investitionen notwendig. Denn noch immer verfügen die USA über rund 7700 Atomsprengköpfe, von denen 2150 aktiv sind.
      Quelle: Spiegel Online
  16. US-Haushaltspolitik
    1. USA: Vom Gesetzgeber zum Krieger
      Jene republikanischen Abgeordneten, die auf die Idee gekommen waren, zwei Routineabstimmungen über den nächsten Zwischenhaushalt und eine Anhebung der Schuldenobergrenze an die Bedingung zu knüpfen, die verhasste Gesundheitsreform zu stoppen, haben tatsächlich die USA zum Gespött der Welt gemacht – und dem eigenen Land einen wirtschaftlichen Schaden zugefügt, der nach vorläufigen Berechnungen bei rund 24 Milliarden Dollar liegt. Dass diese gewählten Tea-Party-Leute dazu überhaupt die Möglichkeit haben, liegt am politischen System. Das hat inzwischen nicht mehr viel mit dem Anspruch zu tun, eine der ältesten Demokratien zu organisieren, sondern erweist sich immer öfter als dysfunktional. – Mickey Edwards, republikanischer Abgeordneter zwischen 1977 und 1993, sagt, die heutigen Republikaner fühlten sich gar nicht als Gesetzgeber (die Aufgabe des Kongresses), sondern als Krieger für die republikanische Sache. Und das heißt, spätestens seit Newt Gingrichs “konservativer Revolution” von 1994: Schlag Demokraten und Linksliberale, wo immer du sie findest. Im Parlament bedeutet diese Polarisierung, alle Schutzvorkehrungen für die Minderheitsrechte zur Blockade zu verwenden. Der berühmte “Filibuster” des Senats etwa: Die Geschäftsordnung sieht vor, dass nur mit mindestens 60 der 100 Stimmen beschlossen werden kann, eine Debatte zu beenden und zur Abstimmung zu schreiten. Ergebnis heute: Wer 41 Stimmen hat, bildet eine Sperrminorität und kann verhindern, dass die Mehrheit ein Gesetz verabschiedet. Kam der “Filibuster” früher nur ausnahmsweise zum Einsatz – ist er heute die Regel. Im Ergebnis heißt das: Jeder kann fast alles blockieren, aber niemand kann etwas durchsetzen. Bedeutsame Reformen waren in den USA schon immer schwer zu erreichen. Inzwischen klappt nicht einmal mehr das Routinegeschäft.
      Quelle: taz
    2. Paul Krugman: Der angerichtete Schaden
      Die Verwaltung läuft wieder, und wir sind nicht in Zahlungsverzug geraten. Alles wieder im Lot, nicht wahr?
      Nicht wirklich. Erstens hat der Kongress nur für eine vorübergehende Lösung gestimmt, und es ist durchaus möglich, dass wir in ein paar Monaten wieder genau das Gleiche erleben. Sie sagen vielleicht, die Republikaner müssten wahnwitzig sein, eine neuerliche Konfrontation zu provozieren. Aber es war Wahnwitz, diese hier zu provozieren, und warum sollte man annehmen, sie hätten etwas dazugelernt?
      Darüber hinaus aber muss man aber ganz klar sehen, dass der durch Blockierung und Erpressung entstandene wirtschaftliche Schaden nicht erst mit der Stilllegung der Verwaltung durch die GOP begonnen hat. Nein, das ist ein kontinuierlicher Prozess, der auf die republikanische Übernahme des Repräsentantenhauses im Jahre 2010 zurückgeht. Und der Schaden ist groß: Die Arbeitslosigkeit in Amerika wäre bedeutend niedriger, hätte die Mehrheit im Repräsentantenhaus den Aufschwung nicht so stark untergraben.
      Quelle: New York Times
    3. 10 Reasons Why the Tea Party is So Unpopular
      Now that the federal government has reopened and its debt limit raised, the Tea Party is more unpopular with Americans than ever—including among moderate Republicans—polls are finding, with analysts asking if the Tea Party is part of the GOP at all.
      “The Tea Party is less popular than ever, with even many Republicans now viewing the movement negatively. Overall, nearly half of the public (49 percent) has an unfavorable opinion of the Tea Party, while 30 percent have a favorable opinion,” the Pew Research Center For People And The Press said in its latest poll and report [3].
      “For Republicans, the decline is steepest among those who describe themselves as moderate or liberal. Today, only about a quarter (27 percent) of moderate and liberal Republicans have a favorable opinion of the Tea Party movement, down 19 points from June,” Pew said [4], after surveying 1,500 adults over 18 across the country between Oct. 9 and 13. “Yet the Tea Party’s ratings have also declined among conservative Republicans, from 74 percent favorable in June to 65 percent now.”
      Since the standoff ended, there’s been no shortage of media reports [5] about the Republican Party tearing itself apart—with rightwingers accusing leaders in Congress of “surrender” and finger pointing at usual targets such as the media’s supposedly liberal bias. Tea Party leaders such as former South Carolina Sen. Jim DeMint, now president of the Heritage Foundation, vowed in a Wall Street Journal column [6] Friday that the fight to destroy the Affordable Care Act will continue. Meanwhile, another Tea Party darling, Kentucky’s Sen. Rand Paul, is AWOL in this fracas, perhaps nursing his 2016 presidential bid.
      But no one should think that the Tea Party’s latest failures will make them go away. This faction, as epitomized by Texas Sen. Ted Cruz declaring that the shutdown was a victory, is unapologetic, arrogant and proud of it. As Pew notes, Tea Partiers share 10 beliefs and causes that make most Americans cringe—not just Democrats but millions of moderate and liberal Republicans. Let’s look at those views and values, according to Pew [7].
      Quelle: AlterNet
    4. 4 in 5 in USA face near-poverty, no work
      Four out of 5 U.S. adults struggle with joblessness, near-poverty or reliance on welfare for at least parts of their lives, a sign of deteriorating economic security and an elusive American dream.
      Survey data exclusive to The Associated Press points to an increasingly globalized U.S. economy, the widening gap between rich and poor, and the loss of good-paying manufacturing jobs as reasons for the trend.
      The findings come as President Obama tries to renew his administration’s emphasis on the economy, saying in recent speeches that his highest priority is to “rebuild ladders of opportunity” and reverse income inequality.
      As nonwhites approach a numerical majority in the U.S., one question is how public programs to lift the disadvantaged should be best focused — on the affirmative action that historically has tried to eliminate the racial barriers seen as the major impediment to economic equality, or simply on improving socioeconomic status for all, regardless of race.
      Hardship is particularly growing among whites, based on several measures. Pessimism among that racial group about their families’ economic futures has climbed to the highest point since at least 1987. In the most recent AP-GfK poll, 63% of whites called the economy “poor.”
      Quelle: USA today
  17. Fast-Food Giants Make Billions While Their Workers Use Billions In Welfare Benefits
    Two new studies profile the worst employers in America.
    Wages at America’s fast-food chains are so low that millions of employees have been receiving at least $7 billion a year in welfare benefits between 2007 and 2011, according to a new study by University of California and University of Illinois labor economists.
    “Our research estimates the public cost of low wages—low wage jobs in the fast food industry,” said Ken Jacobs, chair of the U.C. Berkeley Center for Labor Research and Education. “We specifically focus on the core, frontline fast-food workforce. These are people you are most likely to see when you walk into a fast-food restaurant.”
    “The median wage for these workers is $8.65 an hour,” Jacobs said Tuesday. “Only 13 percent have health benefits through their employer. The combination of low wages, meager benefits and often part-time hours means that many of the families of fast-food workers must rely on taxpayer-funded safety net programs to make ends meet.”
    But the billions in taxpayer subsidies is only half of the story, the labor economists said, because a companion report, also released Tuesday, found that the 10 largest fast-food chains made more than $15 billion in profits and shareholder give-backs in 2012—revealing the industry could afford to pay living wages.
    The 10 biggest chains earned $7.44 billion in profits in 2012, National Employment Law Project (NELP) found. The 10 chains, with 2.25 million workers, account for “nearly 60 percent, or $3.8 billion, of the almost $7 billion in public costs associated with their low-wage, no-benefit business model,” it said. These corporate-run franchises granted “more than $53 million in compensation to their highest-paid executives and an additional $7.7 billion in dividends and buybacks to shareholders.”
    The 10 largest fast-food chains are McDonald’s, Yum Brands (Pizza Hut, Taco Bell, KFC), Subway, Burger King, Wendy’s, Dunkin’ Donuts, Dairy Queen, Little Cesar’s, Sonic, and Domino’s.
    Quelle: AlterNet
  18. Orwell 2.0
    1. Am idealen Gefängnis bauen
      Die Botschaft ist eindeutig: Die Geheimdienste wissen alles. Aber was folgt daraus für die Überwachten – Durchschnittsbürger wie Terroristen?
      „America knows everything“ – Amerika weiß alles. Das bekommt Johannes Niederhauser von einem US-Grenzbeamten ins Gesicht gesagt. Der junge Hobbymusiker und gelegentliche Autor für das Vice-Magazin hatte nachgefragt, woher der Beamte bestimmte Informationen über ihn habe. Am Flughafen in Minneapolis wurde er nach eigenen Angaben über mehrere Stunden verhört – und dann nach Europa abgeschoben.
      Wenigstens ist er nicht in einem kenternden Boot auf hoher See sich selbst überlassen worden. So kann Niederhauser sich über seine vergleichbar privilegierte Ausgangssituation noch freuen und dann ein wenig fluchen über die Unbequemlichkeit eines verwehrten Grenzübertritts. Dass aber ein beliebiger Grenzposten persönlichste Daten (darunter mutmaßlich den Inhalt privater Emails) anscheinend auf Knopfdruck abrufen kann, darüber sollte Niederhauser sich ernsthaft Sorgen machen.
      Totale Überwachung hat nämlich nicht nur den praktischen Auftrag Daten zu sammeln und auszuwerten. Darüber hinaus sendet ihre Existenz alleine auch eine Botschaft. „America knows everything“ – das ist die Botschaft der NSA an den Rest der Welt. Ob deutsche Sicherheitsbehörden sich nur bescheidener geben oder tatsächlich signifikant weniger wissen als ihre amerikanischen Partnerdienste wissen wir nicht.
      Überhaupt wissen wir sehr wenig. Andy Müller-Maguhn (CCC), der den Spiegel in Bezug auf die Snowdenfiles berät, schätzt ein, dass „etwa 5 %“ des Materials bisher veröffentlicht seien. Er verweist auf eine Webseite, die halbernst vorrechnet, dass bei der aktuellen Publikationsgeschwindigkeit vom Guardian et al noch gut 26 Jahre bis zur kompletten Offenlegung vergehen würden.
      Quelle: taz.de
    2. Greenwald-Kritiker – Manche nennen es Journalismus
      Der Umgang mancher Journalisten mit ihrem Kollegen Glenn Greenwald, dem Kontaktmann des NSA-Enthüllers Edward Snowden, offenbart eine tiefe Krise der Medien: Deren ökonomisch gefährdete Grundlage zerstören sie auch noch inhaltlich…
      Seltsam an der Sache ist nun nicht, dass sich ein Medienstar unserer Zeit einen neuen Arbeitgeber sucht, seltsam ist auch nicht, dass im Jahr 2013 ein Philantrop, Aktivist und Carnegie unserer Tage auf die Idee kommt, selbst etwas zu tun, wo er einen institutionellen Mangel beobachtet.
      Seltsam ist eher die schauprozesshafte Panik, mit der Teile, immerhin liberale Teile der englischen und amerikanischen Medien einen Kollegen verfolgen, der, wie es die BBC-Frau mehr feindlich als anerkennend sagte, “verantwortlich”, “responsible” ist für die Snowden-Enthüllungen.
      Wie ist denn dieses Gift in die Köpfe von Journalisten gedrungen?
      Wie können sie in einem freien Land tatsächlich solche Orwell-Sätze schreiben, dass der Staat schon wissen wird, was gut für uns ist?
      Ist das nur die Angst um die eigene Position, die Angst vor der medialen Herausforderung durch “das Internet”?
      Reicht das als Erklärung etwa für den klebrigen Populismus von Kirsty Wark, die sich zur Sprecherin der von ihr vermuteten schweigenden Mehrheit der Briten machte, die sich doch “durchaus sicher fühlen”, so sagte sie es, durch die Spionage von NSA und GCHQ?
      Was ist los mit einem Journalismus, der die Grundlagen, die ökonomisch gefährdet sind, inhaltlich gleich selbst zerstört?
      Quelle: Spiegel Online
  19. The Military-Industrial Pundits: Conflicts of Interest Exposed for TV Guests Who Urged Syrian War
    New research shows many so-called experts who appeared on television making the case for U.S. strikes on Syria had undisclosed ties to military contractors. A new report by the Public Accountability Initiative identifies 22 commentators with industry ties. While they appeared on television or were quoted as experts 111 times, their links to military firms were disclosed only 13 of those times. The report focuses largely on Stephen Hadley, who served as national security adviser to President George W. Bush. During the debate on Syria, he appeared on CNN, MSNBC, Fox News and Bloomberg TV. None of these stations informed viewers that Hadley currently serves as a director of the weapons manufacturer Raytheon that makes Tomahawk cruise missiles widely touted as the weapon of choice for bombing Syria. He also owns over 11,000 shares of Raytheon stock, which traded at all-time highs during the Syria debate. We speak to Kevin Connor of the Public Accountability Initiative, a co-author of the report.
    Quelle: Democracy Now!
  20. Euro-Krisenländer
    1. Griechenland: Ein Herz für Reeder
      Athen befindet sich erneut im Clinch mit der Troika. Wer kontrolliert die Prüfer?
      Etwas anders als sonst gibt sich die Regierung Samaras diesmal entschlossen, sich nicht allen Forderungen der Troika zu unterwefen. So genannte horizontale Maßnahmen, sprich das planlose Kürzen von Löhnen und Renten bei gleichzeitiger Erhöhung von Kopfsteuern, schließt Samaras kategorisch aus. Er weiß allerdings, dass unter den gegebenen Umständen sonst seine Parlamentsmehrheit in Gefahr wäre. Schließlich zeigen die endgültigen Wirtschaftszahlen für 2012, dass die Rezession mit dem Rettungsplan der Troika erneut 6,4 Prozent betrug. Samaras spielt offen mit der Androhung von Neuwahlen, was den Koalitionspartner PASOK bereits in Alarm versetzt hat. (…)
      Seit 2011 hatte das Finanzministerium sukzessive die Heizölbesteuerung angehoben. Vorgebliches Ziel war es, den Schwarzhandel einzudämmen. Das Öl für die Schifffahrt ließ man jedoch unangetastet. An die offensichtlich ebenfalls am Schmuggel verdienenden Raffinerien trauten sich weder Regierung noch Troika ran (Morddrohung wegen eines Berichts über Dieselschmuggel). Weiterhin bekommen auch die ohnehin von Einkommenssteuern verschonten Reeder ihren Kraftstoff steuerfrei, während die Bürger für einen Liter Heizöl den Preis für Diesel zahlen müssen.
      Quelle: Telepolis
    2. Andalusien: Enteignung zugunsten verschuldeter Familien
      Andalusiens “Gesetz zur sozialen Nutzung von Wohnraum” führt erstmals zu einer Enteignung auf Zeit. Das soll überschuldete Familien bei Wohnungsverlust vor ihren Gläubigern schützen. Statt die Familie, die mit ihren Ratenzahlungen in Rückstand geriet, auf die Straße zu setzen, wurde der Besitzer der Wohnung in der Stadt Huelva enteignet. Der Besitzer ist ein Spekulationsfonds, der unsichere Kreditverträge von Spaniens größter Sparkasse, der katalanischen Caixa, aufgekauft hatte. “Es wäre eigentlich die Aufgabe der Zentralregierung gewesen, für Gerechtigkeit zu sorgen und ein Gesetz zu erlassen, das Schuldenfreiheit bei Rückgabe der Wohnung ermöglicht”, verteidigt die Präsidentin der andalusischen Autonomieregierung, Susana Díaz Pacheco, die Enteignung. Wer die Wohnung verliert, dem wird von seinen Schulden nur ein Schätzwert abgezogen. Bleibt ein Rest, was dank der geplatzten Spekulationsblase meist zutrifft, muss dieser weiter abbezahlt werden. Landesweit 400.000 Zwangsräumungen zählen die Betroffenenorganisationen seit Beginn der Krise 2007. Die Opfer sitzen auf der Straße und sind trotzdem hoch verschuldet. Die Konservativen unter Mariano Rajoy, die in Madrid regieren, haben daran bisher nichts Wesentliches geändert. – Es könnte dem Wohnungsmarkt und den Banken schaden, fürchtet die EU. Zuletzt erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der EU-Kommission, die Troika aus Kommission, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds werde prüfen, wieweit das Gesetz mit der Bankenrettung vereinbar sei.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: “Wir befinden uns im Jahre 2013 n.Chr. Ganz Europa ist von der Troika besetzt… Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Iberern bevölkerter Landstrich hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. … ” Fortune und Gottes Segen!

  21. Russland für Russen
    Zumindest für die ehemalige Hauptstadt der Sowjetunion lässt sich konstatieren, was auf den ersten Blick wie ein Paradox erscheint: Rechtsextreme Denkweisen waren im Bewusstsein der russischen Bevölkerung kaum jemals so fest verankert wie heute. Gleichzeitig befindet sich die rechte Szene nach wiederholten Spaltungsprozessen in einer tiefen Krise. Anders als in vielen europäischen Staaten ist in Russland vorerst nicht mit einer erstarkenden parlamentarischen Präsenz extrem rechter Parteien zu rechnen. Seit der ersten Präsidentschaft von Wladimir Putin hat sich der Handlungsspielraum für die extreme Rechte im politischen Mainstream auf ein Minimum reduziert. Die Zulassungen zu Wahlen erhielten nur wenige ausgewählte Parteien. Unter den derzeit knapp über 70 registrierten Parteien ist das extrem rechte Spektrum jedenfalls fast nicht vertreten, wenngleich sich einzelne, nicht explizit der Rechten zugehörige Parteien durch nationalpatriotische Inhalte hervortun. Wie sich an der großen Zustimmung zu homophoben Gesetzen und der eifrigen Gesetztätigkeit in der Duma zur Durchsetzung der systematischen Ausgrenzung von MigrantInnen messen lässt, finden sich faschistoide Elemente zumindest bei einzelnen VertreterInnen aller etablierter Parteien.
    Die relative Stärke der extremen Rechten bleibt bislang auf die ‚Straße’ beschränkt. Im vergangenen Sommer eskalierte die ohnehin weit verbreitete fremdenfeindliche Stimmung in einem solchen Maß, dass innerhalb kürzester Zeit bei Umfragen zumindest in der russischen Hauptstadt die Folgen von Migration als dringlichstes Problem benannt wurden. Alle anderen seit Jahren an der Spitze stehenden Themen wie Korruption, Verkehrskollaps und kommunale Wohnungswirtschaft wurden auf untere Ränge verwiesen. Bereits seit Herbst 2012 organisieren AktivistInnen der »Russkije«, die »Liga zur Verteidigung Moskaus« und allen voran die »Swetlaja Rus«-Razzien an Wohnorten von MigrantInnen – gelegentlich sogar unter Beteiligung der Migrationsbehörde, die jedoch Kontakte zu rechten Organisationen bestreitet. Auf dieser Welle gründete sich mit dem »Schild Moskaus« eine Gruppierung, die personelle Überschneidungen mit ultrarechten Fußballhooligans und, was ebenfalls in der rechten Szene nicht untypisch ist, kremlnahen Jugendorganisationen aufweist. – Rassistisch motivierte Gewalt gehört schon seit vielen Jahren zum russischen Alltag. Allein seit Jahresbeginn wurden mindestens 15 Menschen ermordet. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher ausfallen, denn häufig können die genauen Hintergründe und Täter selbst in Mordfällen nicht eindeutig ermittelt werden. Weniger folgenreiche Übergriffe kommen meist gar nicht erst zur Anzeige.
    Quelle: iz3w

    Anmerkung Orlando Pascheit: Leider ist es so, dass von Athen über London bis Moskau Ausgrenzung ein probates Mittel ist, von den strukturellen Mängeln aktueller Politik abzulenken. Wenn dann wie in obigem Artikel in Moskau Migration vor Themen wie Korruption, Verkehrskollaps und kommunale Wohnungswirtschaft als dringlichstes Problem genannt wird, ist diese Strategie erfolgreich aufgegangen. In Moskau war die Reaktion der Regierung auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen letzten Sonntag in Birjuljowo-West, einem Trabantenviertel Moskaus, die selbst die berüchtigte Bereitschafts-Einheit Omon nicht in den Griff bekam, nicht etwa ein verstärktes Vorgehen gegen russische Neonazis, sondern eine öffentlichkeitswirksame Großrazzia gegen Migranten. Etwa 1200 überwiegend aus dem Kaukasus stammende Gastarbeiter wurden vorübergehend festgenommen.
    Man darf wohl jetzt schon voraussagen, dass auch bei uns die Migrationswellen aus Bulgarien und Rumänien in die sozialen Brennpunkte unserer von Bund und Ländern im Stich gelassenen Kommunen bald auf die wenigen in der Kriminalstatistik aufgefallenen Sinti und Roma reduziert werden – derzeitige Sprachregelung: Armutsmigranten. Unter den Industrieländern der Alt-EU fällt derzeit insbesondere die Regierung Großbritanniens auf. Premierminister David Cameron erklärte am 11. Oktober in einer Rede vor dem Institute of Government in London die Einwanderungszahlen bis 2015 auf unter 100.000 Personen zu reduzieren. Die britische Innenministerin Theresa May hat gleichzeitig das entsprechende Gesetzesvorhaben vorgestellt. Straffällig gewordene Ausländer sollen leichter ausgewiesen werden können. Vor allem aber werden Maßnahmen gegen Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung verschärft: Wohnungsbesitzer sollen prüfen, ob potenzielle Mieter eine Aufenthaltsgenehmigung haben. Ärzte sollen ebenfalls prüfen, ob ausländische Patienten ein gültiges Visum haben. Banken sowie Führerscheinbehörden sollen die Aufenthaltsgenehmigungen von Kunden und Antragstellern prüfen. Wer das nicht tut, dem drohen Geldstrafen. Diese Politik treibt recht seltsamen Blüten, über die man lachen könnte, wenn nicht eine fremdenfeindliche Atmosphäre eben dadurch verstärkt würde. So kam es im Sommer zum Probeeinsatz von Lieferwagen, auf denen illegale Einwanderer in großen Buchstaben zur Ausreise aufgefordert wurden. Die sogenannten „Go-Home-Vans“, die durch Londoner Stadtteile mit einem hohen Anteil illegaler Einwanderer geschickt wurden, könnten demnächst im ganzen Land zum Einsatz kommen.

  22. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler, Die nationalen Trauerfestspielwochen
    Aufhören, Herr Becker, aufhören!
    Obwohl, die Idee ist eigentlich super: die Feiertage der schlechten Laune. Die nationalen Trauerfestspielwochen
    Und damit sich der allgemeinen Miesepimpelei auch wirklich keiner entziehen kann, laufen gleichzeitig im Fernsehen auf allen Programmen nur die Wiederholungen der erschütterndsten TV-Dramen der letzten Jahre.
    Im Ersten nichts Neues.
    Mit dem Zweiten sieht man schwärzer.
    Zum Dritten geht es in den Keller.
    Und dann rund um die Uhr nur so Themen wie Zwangsprostitution, Kindesmissbrauch und Massentierhaltung. Bis Weihnachten nur Depressions-Themenwochen. Hölle auf Erden, Tod auf Rezept, Teufel in allen entsetzlichen Details. Und natürlich sämtliche Talkshows auf thematischem Halbmast.
    „Extrem schlecht gelaunte Menschen bei Maischberger.“
    Untertitel: „Ich kann Eure Visagen nicht mehr sehen.“
    Mit Arnulf Baring, Boris Becker, Friedrich März, Erika Steinbach und Cindy aus Marzahn verkleidet als Sarah Wagenknecht.
    Quelle: WDR


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

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