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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 15. November 2013 um 15:14 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Die globale Elite fürchtet den Aufstand der Massen
  2. Der Fall Wulff und die Öffentlichkeit
  3. Wolfgang Münchau – Die Spur des Geldes: Warum uns Angela Merkel die niedrigen Zinsen beschert
  4. “Weiter so” bremst Wachstum und Jobs
  5. Spät kommt ihr, aber ihr kommt – Die EU-Kommission beginnt allmählich zu begreifen, was ihre Rolle in der Eurokrise ist
  6. Lasst uns den Exportüberschuss doch Importdefizit nennen
  7. Mindestlohn
  8. EU-Defizitverfahren auch gegen Österreich
  9. Irland verlässt den Rettungsschirm: Zum Erfolg geprügelt
  10. Ungleichheit zwischen Arm und Reich nimmt zu, die soziale Mobilität wird immer geringer
  11. Die teuerste Ampel der Welt
  12. Luxury and lies
  13. Auf der Zielgeraden
  14. Klatsche für die SPD-Spitze
  15. Chilling-Effects
  16. Die Reden der Königin

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die globale Elite fürchtet den Aufstand der Massen
    Eine Umfrage des Weltwirtschaftsforums belegt: Die Eliten fürchten sich weltweit vor neuem sozialem Sprengstoff. Vor allem die hohen Arbeitslosenzahlen und wachsende Ungleichheiten gelten als Gefahr. […]
    Die globale Elite fürchtet zunehmende soziale Spannungen in der Welt. Die anhaltend hohe strukturelle Arbeitslosigkeit in vielen Volkswirtschaften, Armut und eine wachsende wirtschaftliche Ungleichheit in vielen Regionen gelten globalen Entscheidern als die größten Herausforderungen in den kommenden Monaten.
    Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums unter rund 1500 Entscheidern. Das Weltwirtschaftsforum ist vor allem bekannt für sein jährliches Treffen im schweizerischen Davos, auf dem sich führende Manager, Politiker und Intellektuelle treffen.
    Hartnäckige strukturelle Arbeitslosigkeit gilt den Eliten in vielen Teilen der Welt als das drängendste politische Problem unserer Zeit. […]
    Ganz besonders in Europa bereiten der Entscheider-Elite soziale Verwerfungen große Sorgen. Jeder Fünfte glaubt, dass die hohe Arbeitslosigkeit in Europa die größte Herausforderung im kommenden Jahr sein wird. Ebenso viele fürchten, dass die europäische Wirtschaft auch 2014 um Wachstum ringen wird – was wiederum soziale Spannungen verschärfen könnte.
    Quelle: WELT
  2. Der Fall Wulff und die Öffentlichkeit
    Christian Wulff ist als Bundespräsident gescheitert. In den letzten Tagen seiner Amtszeit waren die Medien voll mit Berichten über seine Verbindungen zu Unternehmen, über vermeintliche Vorteilsannahme und die Finanzierung seines Privathauses. Formal juristisch ist von den Vorwürfen nur wenig übrig geblieben. Doch für einen Bundespräsidenten gelten besondere Maßstäbe. […]
    In der NDR Info Redezeit begrüßt Moderatorin Gabriele Heise als Gäste:
    Jens Berger
    Freier Journalist und politischer Blogger
    Prof. Dr. Bernhard Pörksen
    Medienwissenschaftler an der Uni Tübingen
    Dietmar Riemer
    Leiter des NDR-Hörfunkstudios in Berlin
    Quelle: NDR Info
  3. Wolfgang Münchau – Die Spur des Geldes: Warum uns Angela Merkel die niedrigen Zinsen beschert
    Deutsche Anleger klagen über die niedrigen Zinsen – sie sollten sich bei der Bundesregierung beschweren, nicht bei der Europäischen Zentralbank. Die Enteignung der Sparer ist eine direkte Folge von Angela Merkels Politik in der Euro-Krise. […]
    Jedem Warenstrom steht ein Finanzstrom gegenüber. Wer die Debatte über Ungleichgewichte führen möchte, kommt an den Finanzströmen nicht vorbei. Wer sich also auf die Spur des Geldes macht, entsprechend dem Titel dieser Kolumnenserie, kommt auf eine Fährte, die in Berlin anfängt und in Frankfurt am Main endet. […]
    Die Kombination aus starkem Euro und erzwungener Anpassungsrezession in den Krisenländern hat einen deflationären Druck erzeugt. Das hat dazu geführt, dass die EZB ihr Inflationsziel mittelfristig nicht erreichen wird. Was in der empörten deutschen Diskussion nicht verstanden wird, ist, dass eine Zentralbank ihr Inflationsziel in beide Richtungen verfehlen kann. Dank Angela Merkels Krisenpolitik muss die EZB jetzt also mehr Inflation erzeugen.
    Wenn Sie sich über die Enteignung der deutschen Sparer beschweren wollen, dann bitte in Berlin bei der Bundesregierung, nicht in Frankfurt am Main bei der EZB. Die Enteignung ist kein Bug im System, sondern ein Feature.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Alles richtig, nur warum benutzt auch der ansonsten so kritische Münchau den Begriff „Enteignung“? Nur weil die Sparer vorübergehend mal auf Sichteinlagen nur einen Zinssatz anbekommen, der marginal unter der ebenfalls sehr geringen Inflationsrate liegt, ist das doch keine Enteignung. Es gibt nun einmal keinen Anspruch auf hohe Zinsen auf die Ersparnisse. Auch das ist kein Bug, sondern ein Feature der Marktwirtschaft. Wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, geht der Preis in den Keller. Und das gilt nicht nur für Kartoffeln, sondern auch für Geld. Wenn der Staat die vermeintliche „Enteignung“ stoppen will, hat er zwei Möglichkeiten – er kann die Nachfrage nach Geld ankurbeln und er kann das Angebot an Geld kappen. Letzteres wäre beispielsweise über eine Vermögensabgabe zu machen. Aber das wäre dann ja auch wieder eine „Enteignung“.

  4. “Weiter so” bremst Wachstum und Jobs
    Eine erfolgversprechende Wachstumsstrategie sollte anders aussehen als die Wirtschaftspolitik der Vergangenheit. Deren dominante Angebotsorientierung hat eher geschadet als genutzt, zeigt das IMK.
    Die neue Bundesregierung muss die Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik für die kommende Legislaturperiode definieren. Lohnt es sich, die Strategie der vergangenen 15 Jahre fortzusetzen? Das IMK kommt in einer neuen Studie zu dem Ergebnis: Diese Wirtschaftspolitik, die in der “Agenda 2010” gipfelte, hat Wachstum und Beschäftigung eher behindert als beflügelt. Isolierte positive Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und bei den Exporten wurden durch gravierende gesamtwirtschaftliche Nachteile überlagert, weil die Strukturreformen die Nachfrage im Inland über lange Zeit gelähmt haben. Eine alternative Wirtschaftspolitik, die weniger Druck auf Lohnentwicklung, soziale Sicherung und Staatstätigkeit ausgeübt hätte, wäre erfolgreicher gewesen, ergeben Simulationsrechnungen mit dem IMK-Konjunkturmodell: Wirtschaftswachstum und Beschäftigung hätten stärker zugelegt als tatsächlich geschehen.

    Deutschland: Löhne lange schwach

    Quelle: Böckler Impuls

  5. Spät kommt ihr, aber ihr kommt – Die EU-Kommission beginnt allmählich zu begreifen, was ihre Rolle in der Eurokrise ist
    Olli Rehn, der Kommissar, der in Brüssel zuständig ist für Wirtschaft und Finanzen, ist lange Zeit nicht aufgefallen durch mutige Äußerungen zur Eurokrise, sondern hat in der Regel das nachgebetet, was Mainstream war, also Sparen und Kürzen auf Teufel komm raus. Umso bemerkenswerter ist es, dass ausgerechnet dieser Kommissar jetzt doch auf den immer schneller fahrenden Zug der Deutschland-Kritik aufspringt und die ganze Kommission am Mittwoch bekanntgegeben hat, dass sie in Sachen makroökonomische Ungleichgewichte ein Überprüfungsverfahren gegen Deutschland in Gang gesetzt hat.
    Quelle: Flassbeck Economics
  6. Lasst uns den Exportüberschuss doch Importdefizit nennen
    Alle paar Monate wiederholt sich die Diskussion über den deutschen Leistungsbilanzüberschuss, der auf die Exportstärke zurückgeführt wird.
    In Deutschland, so das Wall Street Journal, herrsche ein breiter Konsens darüber, dass Handelsüberschüsse ein Zeichen für eine gesunde Wirtschaft und internationale Wettbewerbsfähigkeit sind. Dieser Konsens ist verkehrt.
    Ein breiter Konsens führt nämlich nicht dazu, dass diese Position richtig wird: Die deutschen Überschüsse müssen logischerweise an anderen Stellen zu finanziellen Defiziten, also Schulden, führen, es sei denn, die Produkte wurden unentgeltlich überlassen oder die für den Erwerb gemachten Schulden werden erlassen. Die Finanzierung der Defizite erledigen wir gleich mit, indem deutsche Unternehmen, Banken, Privatpersonen und der deutsche Staat Kredite an die Defizitländer geben und die Steuerzahler kollektiv dafür haften. Die Zinsen für die Defizite erhöhen den deutschen Leistungsbilanzüberschuss weiter.
    Quelle: Carta
  7. Mindestlohn
    1. Mit 8,50 Euro im europäischen Mittelfeld
      Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde würde Deutschland keinen europäischen Spitzenplatz einnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle WSI-Untersuchung.
      Deutschland läge mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro noch deutlich unterhalb des Mindestlohnniveaus in anderen westeuropäischen Staaten. Dies gilt erst recht, wenn man die entsprechende Kaufkraft des Mindestlohns berücksichtigt, wie eine Analyse des WSI-Mindestlohnexperten Thorsten Schulten zeigt. Auch gemessen am Medianlohn, dem mittleren Stundenlohn, den Beschäftigte erhalten, “stellen 8,50 Euro keineswegs einen ungewöhnlich hohen Wert da”, betont Schulten.
      Insgesamt 21 EU-Staaten verfügen über einen gesetzlichen Mindestlohn. In fünf dieser Staaten liegt er oberhalb von 8,50 Euro. Hierzu gehören Luxemburg mit einem Spitzenwert von 11,10 Euro sowie Belgien, die Niederlande und Frankreich mit Werten zwischen 9,07 und 9,43 Euro. Selbst im krisengeplagten Irland liegt der Mindestlohn mit 8,65 Euro noch oberhalb der in Deutschland derzeit diskutierten Marke.

      Deutschland: Mindestlohn im EU-Vergleich

      Quelle: Böckler Impuls

    2. Deutschland steht schlecht da
      Ein gesetzlicher Mindestlohn in der Größenordnung von 8,50 Euro würde das deutsche Lohngefüge erheblich verändern: Der bislang größte Niedriglohnsektor in der EU würde kleiner und die Lohnspreizung Richtung europäisches Normalmaß zurückgehen.
      Es liegt an der der Größe des deutschen Niedriglohnsektors: Ein flächendeckender Mindestlohn zwischen acht und neun Euro hätte weit reichende Folgen, wie eine aktuelle Eurofound-Studie deutlich macht. Die Forscher haben potenzielle Effekte eines europäischen Mindestlohns in Höhe von 60 Prozent des mittleren Verdienstes im jeweiligen Land untersucht. In Deutschland entspräche das einem Mindestlohn von über neun Euro pro Stunde – und fast ein Viertel der Beschäftigten hätte Anspruch auf bessere Bezahlung. In keinem anderen Land würde ein so großer Teil der Beschäftigten profitieren: Großbritannien käme auf 19 Prozent der Arbeitnehmer, die Niederlande auf knapp 14 und Frankreich auf 12 Prozent.

      Niedriglöhne in Deutschland besonders niedrig

      Quelle: Böckler Impuls

  8. EU-Defizitverfahren auch gegen Österreich
    Insgesamt 16 EU-Länder weisen derzeit ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits auf. Unter ihnen ist auch Österreich. Nach Informationen der EU-Kommission vom Freitag fallen außerdem Belgien, Zypern, Frankreich, Griechenland, Irland, Malta, Niederlande, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Dänemark, Polen und Großbritannien in diese Gruppe der Defizitsünder.
    Kein Defizitverfahren und damit eine Art weiße Budgetweste haben derzeit zwölf Staaten. Dies sind Estland, Finnland, Deutschland, Italien, Luxemburg, Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Lettland, Litauen, Rumänien und Schweden. Allerdings hat die EU-Kommission darauf hingewiesen, dass drei dieser Staaten – Kroatien, Finnland und Litauen – ein Defizitverfahren drohen könnte.
    Quelle: derStandard.at
  9. Irland verlässt den Rettungsschirm: Zum Erfolg geprügelt
    In jeder guten TV-Serie gibt es eine klare Rollenverteilung zwischen Gut und Böse, in der europäischen Politik verhält es sich derzeit ganz ähnlich. Griechenland gilt als reformunfähig und träge, Irland dagegen ist zum Liebkind Europas avanciert. […]
    Doch für solches Selbstlob gibt es keinen Grund. Zum Besseren gewendet hat sich das Blatt für Irland nämlich nur an den Finanzmärkten. Die Regierung gilt als verlässlich, die Europäische Zentralbank gibt dem Land mit ihrer lockeren Geldpolitik zusätzliche Rückendeckung, weshalb der Staat zu vernünftigen Konditionen an Geld kommt.
    In der Realwirtschaft hingegen haben der Sparkurs und die Rezession der vergangenen drei Jahre tiefe Spuren hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit stieg von vier auf 13,7 Prozent. Die Staatsverschuldung hat sich mehr als verfünffacht und liegt nun bei 123 Prozent der Wirtschaftsleistung. Wegen der Gehaltskürzungen stagniert der Inlandskonsum. Weil zuletzt sogar die Exporte schwächelten, wird die irische Wirtschaft 2013 sogar neuerlich schrumpfen. Wer vom Erfolgsmodell Irland schwärmt, sollte die vielen Opfer von Europas Antikrisenpolitik nicht ausblenden.
    Quelle: derStandard.at
  10. Ungleichheit zwischen Arm und Reich nimmt zu, die soziale Mobilität wird immer geringer
    Hieß es noch vor einem Jahr vom Deutschen Institut für Wirtschaft, dass die Ungleichheit leicht abgenommen habe, so hat sich der leichte Trend schon wieder umgekehrt […]
    Und was die Ungleichheit der Markteinkommen betrifft, so stieg es beim reichsten Zehntel 2011 weiter an, während beim ärmsten Zehntel ein Rückgang zu verzeichnen war. Entsprechend wurde der Gini-Koeffizient auch wieder größer und erreicht fast wieder den Wert von 2005. Seit 2000 erzielte das reichste Zehntel, vermutlich vornehmlich durch Kapitalgewinne, überdurchschnittliche Einkommenszuwächse bis 2011 von 13 Prozent. Die Gewinne und Dividenden sind ebenso angestiegen wie die Aktienkurse. Auch das reichste achte und neunte Zehntel wurde noch reicher, während das Einkommen der Mittelschickt im fünften bis siebten Zehntel stagnierte, sank es im ersten bis vierten Zehntel um bis zu 5 Prozent. Das Armutsrisiko ist zwar gesunken, das DIW konstatiert aber eine zunehmende Polarisierung der Einkommen.
    Quelle: Telepolis
  11. Die teuerste Ampel der Welt
    Entwicklungshilfe ist nicht per se “gut”. Anhand vieler Beispiele lässt sich erkennen, dass die entwicklungspolitische Zusammenarbeit längst zu einem der härtesten Geschäfte weltweit geworden ist. Geberländer, staatliche und nichtstaatliche Hilfsorganisationen ringen um ihren Anteil und grasen die ärmsten Länder regelrecht nach lukrativen Aufträgen ab. Ein Beispiel für unsinnige Entwicklungshilfe dokumentiert Ghafoor Zamani in seinem Film “Die teuerste Ampel der Welt”.
    Quelle: AussenGedanken
  12. Luxury and lies
    Getting to the top of the corporate ladder is hard work. But once there, chief executives can at least console themselves with the perks of the rich and powerful. An afternoon glugging Armand de Brignac on your yacht can make a lifetime of climbing the greasy pole seem worthwhile. And while it may not be very seemly, some businessmen believe that appearances count. “Maintain an elegant address even if you have to live in the attic,” Aristotle Onasis, a shipping magnate, once advised potential business titans.
    Quelle: The Economist
  13. Auf der Zielgeraden
    Er wurde belächelt und zog den Zorn der Menge auf sich. Nun ist Sigmar Gabriel der mächtigste Sozialdemokrat der Republik. Über seinen Wandel zum Machtpolitiker […]
    Es ist gut möglich, dass Sigmar Gabriel seine Wandlung zum austauschbaren Polit-Pragmatiker als Fortschritt empfindet. Dass er wirklich glaubt, die Große Koalition sei die einzig mögliche Konsequenz aus seinem Satz: „Mehr als jede andere Partei in Deutschland zeigt die SPD seit 150 Jahren, dass sie verantwortungsbewusst mit unserem Land und den Menschen umgeht.“ Vielleicht hat er nicht gelesen, was demgegenüber Egon Bahr unter Verantwortung versteht: Wenn es für die rot-grünen Ziele keine Mehrheit gebe, „dann muss das Interesse des Staates über dem der Partei stehen, und wir gehen eben noch mal in die Opposition“. Möglich ist natürlich auch, dass Gabriel die Große Koalition als Durchgangsstation zur eigenen Kanzlerschaft mit rot-rot-grüner Mehrheit versteht. Sollte das so sein, dann müsste er – am besten als Fraktionsvorsitzender und nicht als Merkels Vizekanzler – genau jetzt beginnen, dieses Bündnis für spätestens 2017 vorzubereiten. Hätte er den Mut dazu, dann hätte er sich doch noch als der im besten Sinne eigenwillige Kopf erwiesen, der er einst zum Leidwesen der angepassten Polittechnokraten war. Er dürfte sich nur nicht das Maul verbieten lassen.
    Quelle: Der Freitag
  14. Klatsche für die SPD-Spitze
    Die SPD-Basis verpasst ihrer Parteiführung beim Bundesparteitag einen herben Dämpfer: insbesondere Generalsekretärin Andrea Nahles und SPD-Vize Olaf Scholz erhalten miserable Wahlergebnisse. […]
    „So hättet ihr mit Andrea nicht umgehen dürfen“, beschimpfte SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks von der Bühne der Leipziger Messehalle herab die Delegierten. Denn wieder war es die Generalsekretärin Nahles, die das schlechteste Ergebnis aller Kandidaten des Vormittags einfuhr. Schon bei ihrer ersten Wahl vor vier Jahren in Dresden hatte sie lediglich 72 Prozent erhalten, 2011 waren es dann knapp 70 Prozent. Die Delegierten weisen ihr offenbar einen großen Teil der Verantwortung zu, dass die Kampagne zur Bundestagswahl nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte. Hendricks selbst wurde mit 80 Prozent als Schatzmeisterin bestätigt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. Chilling-Effects
    Die Schere im Kopf – Die Rechercheergebnisse einer amerikanischen Umfrage zeigen, dass die Überwachung durch die NSA zur Selbstzensur bei Autoren führt […]
    Die ernüchternden Ergebnisse der Umfrage liegen nun in Form eines 26-seitigen Berichts vor. Chilling-Effects ist der erste Teil einer breit angelegten Untersuchung der schädlichen Auswirkungen von Überwachung – insbesondere der NSA – auf demokratische Gesellschaftsstrukturen am Beispiel einzelner Personengruppen.
    Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild: 73% der Befragten sind der Meinung, dass die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung noch nie so fundamental infrage gestellt worden seien, wie durch die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit. Die Autoren sind nicht nur mehrheitlich besorgt, vielmehr geben sie ganz offen zu damit begonnen zu haben, sich mit ihren Äußerungen den Gegebenheiten anzupassen. Die Schere im Kopf ist Selbstzensur.
    Quelle: Der Freitag
  16. Die Reden der Königin
    Wenn Angela Merkel ihre Video-Botschaft sendet, hat das Volk Pause. Die Kanzlerin spricht, wann sie will und nur über das, was ihr beliebt. […]
    Um Journalismus vorzugaukeln, folgt das Format einem Frage-Antwort-Schema, wie jeder es aus dem Fernsehen oder der Zeitung kennt. Das wirkt besser als eine lapidare Rede. Doch nur scheinbar werden der Kanzlerin Fragen gestellt. Faktisch liefern die Interviewer (gerne handverlesene junge Leute, Kategorie „adrett“) nur Stichworte für Ihre Majestät. Ohnehin klingen die Fragen so gestelzt, dass klar ist: hier schreibt der kanzlerische Hofstaat vor. […]
    Während andere noch diskutieren, ob die Politik auf ARD und ZDF zu viel Einfluss hat, macht die Kanzlerin schon Staatsfunk par excellence. Ja, die Bürger haben das Recht, zu erfahren, was ihre Kanzlerin denkt. Aber sie haben deren Gedanken nicht widerspruchsfrei hinzunehmen. Nicht mal eine Kommentarfunktion hat der Podcast, öffentlich einsehbares Feedback ist technisch ausgeschlossen. Es geht nur um eins: die eigene Botschaft kontrolliert und kritikbefreit zu vermitteln.
    Würde Merkel auf einer offenen Bühne reden, könnte ihr Volk sie wenigstens auspfeifen. Würde sie sich gar in Pressekonferenzen oder Interviews äußern, müsste sie mit kritischen Nachfragen rechnen und würde mit Themen konfrontiert, über die sie nicht sprechen will.
    Quelle: The European


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