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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 19. November 2013 um 9:24 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Koalitionsverhandlungen
  2. Orwell 2.0
  3. Europa spart sich eine Agenda 2010
  4. Münchhausen-Check: Nahles und die Reichensteuer
  5. Mindestlohn
  6. Freihandelsabkommen
  7. Warum Bitcoins so erfolgreich sind
  8. Paul Krugman: A Permanent Slump? – Eine Dauerkrise?
  9. Ausgequetscht – Finanzinvestor übernimmt Heinz Ketchup
  10. Dilemmata der Rüstungsindustrie
  11. Die Schönheit des Protests
  12. Chinas Wanderarbeiter: Die Verlierer des Booms in China
  13. Pressefreiheit in Bayern? Staatsgewalt gegen Lokalreporter
  14. Wie ein Focus-Chefredakteur Barrierefreiheit lächerlich macht
  15. Kapitalismus ist die Krise

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Koalitionsverhandlungen
    1. Union und SPD einigen sich auf Frauenquote
      Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf eine Frauenquote geeinigt: Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen müssten ab 2016 einen weiblichen Anteil von mindestens 30 Prozent aufweisen, teilte die SPD-Unterhändlerin in der zuständigen Arbeitsgruppe, Manuela Schwesig, am frühen Montagmorgen in Berlin mit. Weiter heftig gestritten wird über das Betreuungsgeld sowie über die Finanzierung von Pflege und Krankenkassen.
      Nach dem Durchbruch bei der Frauenquote sprach Unions-Unterhändlerin Annette Widmann-Mauz (CDU) von einer „vernünftigen Regelung im Sinne der Frauen“. Für Vorstände und obere Managementebenen ist eine sogenannte gesetzliche Flexi-Quote vorgesehen. Die börsennotierten Unternehmen müssten demnach selbst „verbindliche Zielgrößen“ für einen höheren Frauenanteil festlegen, teilten beide Unterhändlerinnen mit. Schwesig sprach von einem „wichtigen Signal, um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern“.
      Quelle: Focus

      Anmerkung JK: Was für ein gewaltiger gesellschaftlicher Fortschritt: Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen müssten ab 2016 einen weiblichen Anteil von mindestens 30 Prozent aufweisen. Welche Interessen vertritt die SPD eigentlich noch? Dieses Thema ist doch ein reines Luxusproblem der Oberschicht. Den Frauen, die etwa für Hungerlöhne bei Lidl oder Netto an den Kassen sitzen hilft das ungeheuer. Das, was wirklich helfen würde ein echter Mindestlohn wird dagegen auf den St. Nimmerleinstag verschoben.

      Anmerkung JB (Vorsicht: Ironie): Ein großer Tag für die deutschen Frauen! Auch meine Frau – von Beruf Krankenschwester – war gestern ganz aus dem Häuschen. Endlich haben sie und ihre Kolleginnen eine „echte“ Chance, in den Aufsichtsrat der privaten Krankenhausgesellschaft zu kommen, für die sie zu Jahr für Jahr schlechteren Arbeitsbedingungen tätig sind. Diese großartige zivilisatorische Errungenschaft lässt die ganzen Nullrunden, Überstunden und die physische wie psychische Überbelastung durch den Personalabbau glatt vergessen und dürfte vor allem die jüngeren und alleinerziehenden Kolleginnen, die Job und Kind nicht unter einen Hut bekommen, wahnsinnig freuen. Wer sagt denn, dass man unter dem Schlagwort „Gleichberechtigung“ keine marktkonforme Politik betreiben könnte? Schön, dass die designierten Großkoalitionäre sich auf diese wegweisend wichtige Reform zuerst einigen konnten.

      Dazu auf den NachDenkSeiten: Jens Berger – Quotensturm im Genderwasserglas

    2. Seehofer hat keine Angst vor Neuwahlen
      CSU-Chef Seehofer warnt die Sozialdemokraten vor überzogenen Forderungen. Zwar wolle seine Partei die Koalition mit CDU und SPD – aber “nicht um den Preis, dass unsere Kernaussagen beschädigt werden”.
      In der Schlussphase der Koalitionsgespräche in Berlin droht CSU-Chef Horst Seehofer der SPD indirekt mit Neuwahlen. Seine Partei werde nicht um jeden Preis in ein Regierungsbündnis mit CDU und SPD eintreten, sagte er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Montag im CSU-Parteivorstand in München. Teilnehmern zufolge hatte er Neuwahlen als ein mögliches Szenario genannt und erklärt, dass ihm davor nicht bang sei.
      Seehofer bestätigte der SZ am Montag: “Erstens: Wir wollen eine stabile Regierung mit Angela Merkel. Zweitens: Wir wollen das in einer großen Koalition. Drittens: Wir wollen dies nicht um den Preis, dass unser politisches Profil und unsere Kernaussagen des Wahlkampfes beschädigt oder zerstört werden.”
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung JK: Seehofer muss sich nicht sorgen, dass sein „politisches Profil“ und seine „Kernaussagen des Wahlkampfes beschädigt oder zerstört werden”, dies mit ihrem politischen Profil und ihren Wahlkampfaussagen zu tun, ist ja die Rolle der SPD in den Koalitionsverhandlungen.
      Die Frage ist dabei ob man bezüglich Neuwahlen den Dingen nicht einfach ihren Gang lassen sollte? Sicher besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei Neuwahlen Merkel und die Union die absolute Mehrheit erringen, und dass die neoliberale Austeritätspolitk verschärft fortgesetzt wird, inklusive einer Agenda 2020. Es mag zynisch klingen aber vielleicht muss alles noch schlechter werden, damit es irgendwann besser wird? Damit die Menschen endlich begreifen, dass Mutti sie eigentlich verachtet und ausschließlich die Interessen der herrschenden Eliten vertritt.

    3. Hessen: SPD lässt die Basis mitentscheiden
      Die Sondierungsgespräche in Hessen sind beendet. Die hessische SPD-Führung kündigt nach Beratungen des Parteirats an, dass die Basis mitentscheiden soll, mit wem die Partei Koalitionsverhandlungen aufnimmt. […]
      In den Versammlungen soll es um die Frage gehen, ob die Sozialdemokraten für eine große Koalition oder für ein rot-grün-rotes Bündnis zur Verfügung stehen oder ob sie in die Opposition gehen. Die theoretischen Optionen einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP sowie einer rot-grünen Minderheitsregierung legte das SPD-Gremium zu den Akten. Eine Minderheitsregierung hielten weder die Grünen noch die SPD für wünschenswert, sagte Schäfer-Gümbel. Eine Ampel scheitere daran, dass sie „bisher“ von der FDP ausgeschlossen werde.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
  2. Orwell 2.0
    1. Der Subtext der Eliten zur NSA-Affäre
      Edward Snowden traf die mutige Entscheidung, sein altes Leben aufzugeben, um der Welt verdeutlichen zu können, wie unerträglich die Diskrepanz zwischen der von den USA propagierten und exportierten Freiheitsstory auf der einen Seite und des von ihnen zunehmend verwirklichten Anspruchs auf Totalüberwachung der Handlungen und Gedanken der Menschen dieser Welt auf der anderen Seite geworden ist.
      Nun möchte man ja eigentlich erwarten, dass eine rasch wachsende Anzahl von Menschen vermeintlich „befreundeter“ Länder begänne, die bürgerlichen Falscherzählungen von den real existierenden Demokratien westlicher Prägung in Zweifel zu ziehen. Diese Erzählungen, die ihnen nahe legen, dass sie sich in einem Staatswesen befänden, dessen Aufgabe die Optimierung des Gemeinwohls oder gar die Gewährleistung der Menschenwürde sei. Diese Erzählungen, die ihnen verkünden, dass all jenes, was aus ihrer alltäglichen Benutzeroberfläche von Supermarkteinkauf, Bürojob, Geburtstagsfeier und Autowäsche heraus so seltsam beunruhigend wirken mag (z.B. der staaliche Aufbau rechtsterroristischer Strukturen, die massenhaften Drohnenmorde oder Panzerlieferungen an brutale Diktaturen1 ), doch nur ein notwendiges Übel zur „Landesverteidigung“ und „Aufrechterhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ sei. Ein Übel, das sie doch einfach ausblenden mögen, um es in die vertrauensvollen Hände der Optimierer des Gemeinwohls samt deren Hilfspersonals zu legen, die diese verantwortungsvolle Aufgabe für ihren „Souverän“, „das Volk“, mit stoischer Geisteshaltung übernehmen.
      Quelle: Maskenfall
    2. US-Beamte überprüfen Reisende in Deutschland
      Am Frankfurter Flughafen arbeitet nicht nur der Zoll. Auch der Secret Service und das US-Heimatschutzministeriums sind an deutschen Flug- und Seehäfen aktiv. Sie entscheiden, wer ins Flugzeug steigen darf, welcher Container auf welches Schiff geladen wird – und im Zweifel nehmen sie offenbar sogar Menschen fest.
      Die US-Beamten tauchen meist ohne Vorankündigung auf. Plötzlich stehen sie neben den Stewardessen und zeigen auf jemanden: Dieser Fluggast solle lieber nicht an Bord gehen. Offiziell geben die Männer vom amerikanischen Grenzschutz an deutschen Flughäfen nur Tipps, wer gefährlich ist. Faktisch entscheiden sie, wer nach Amerika fliegen darf und wer nicht. Sie sind Teil der Truppe von Agenten und Sicherheitsleuten, die in Deutschland dauerhaft stationiert sind.
      Neben CIA und NSA operieren hierzulande mehr als 50 Mitarbeiter des Secret Service, des US-Heimatschutzministeriums, der US-Einwanderungs- und Transportbehörden. Sie genießen diplomatische Immunität und haben Befugnisse, die denen deutscher Polizisten und Zöllner nahekommen. Sie entscheiden, wer ins Flugzeug steigen darf, welcher Container auf welches Schiff geladen wird – und im Zweifel nehmen sie offenbar sogar Menschen fest. Wie im Fall Aleksandr S.
      Quelle: SZ

      Anmerkung JK: Das wird ja immer toller. Man kann nur wieder Jakob Augstein zitieren: Merkel ist die Hausmeisterin Washingtons, das Deutschland offenbar nicht mehr Bedeutung einräumt als die eines Vasallenstaates. Nur um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, natürlich ist die Souveränität Deutschlands nicht erst seit Merkel eingeschränkt, sie ist es seit Gründung der Bundesrepublik. Auch die Souveränität anderer europäischer Länder war oder ist den USA keinen Pfifferling wert. Beispiel Italien, dort hatte der CIA in den Zeiten des kalten Krieges und in Kooperation mit den alten faschistischen Eliten für den Fall einer parlamentarischen Mehrheit der Kommunisten, bereits fix und fertige Putschpläne in der Schublade.
      Was Merkel aber vorzuwerfen ist, dass sie mit ihrer Politik einer Agenda 2010 für ganz Europa, die EU-Partnerstaaten gegen Deutschland aufbringt und so eine europäische Solidarität gegen die USA wirksam verhindert. Aber vielleicht ist genau das ihr Job?

  3. Europa spart sich eine Agenda 2010
    Nachdem sich die Große Koalition in Berlin offenbar endgültig von Gemeinschaftsanleihen, den Eurobonds, verabschiedet hat, droht nun auch einer umstrittenen Initiative von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Aus: Für die sogenannten Reformverträge, mit denen sich alle Euroländer auf Strukturreformen nach dem Vorbild der Agenda 2010 verpflichten sollen, ist kein Geld da. Merkel hatte die neuartigen Verträge vor einem Jahr aus dem Hut gezaubert, um angeblich reformunwilligen Eurostaaten wie Frankreich oder Italien Beine zu machen. Frankreichs Staatspräsident François Hollande hatte nach langem Zögern zugestimmt, aber finanzielle Anreize gefordert. Zuletzt hatte der Sozialist dafür eine gemeinsame Arbeitslosenkasse der 17 Euroländer ins Gespräch gebracht. EU-Kommission und Europaparlament setzten Expertengruppen ein, die das Projekt vorbereiten sollten. Doch nun kommt das Aus – zumindest vorläufig: Wie Experten aus Kommission und Ministerrat übereinstimmend berichten, ist die Arbeitslosenkasse in Brüssel kein Thema mehr. Denn zum einen möchte Merkel Frankreich und andere Euroländer erst einmal dazu bringen, ihre Reformverträge durchzuwinken. Im Dezember wolle man sich auf die wichtigsten “Features” dieser Verträge einigen, heißt es in Brüssel. Zum anderen ist schlicht kein Geld da. Schon das EU-Budget für 2014 bis 2020, das das Europaparlament am heutigen Dienstag nach monatelangem Streit durchwinken will, ist auf Kante genäht. Bisher ist offenbar kein EU-Staat bereit, Extrageld für einen Euro-Soli lockerzumachen. – Damit droht der Großen Koalition ihre erste Pleite in der Europapolitik. Im Europakapitel des vorläufigen Koalitionsvertrags sprechen sich CDU/CSU und SPD nämlich einhellig für Merkels Reformverträge aus. Nach den Krisenländern im Süden sollten nun alle Eurostaaten auf Sozialabbau und schrankenlosen Wettbewerb verpflichtet werden.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es irritiert, dass die “taz” bereits jetzt so selbstverständlich von der Großen Koalition spricht. Könnte es nicht sein, dass eine Mehrheit der SPD-Mitglieder in der Europafrage das Gefasel um Strukturreformen leid ist und zumindest konkrete Vorschläge hören will. Geschweige denn, dass die von Deutschland und der Troika durchgesetzte extreme und unintelligente Sparpolitik von einer Mehrheit nicht nur als unsozial, sondern als wirkungslos bzw. als kontraproduktiv angesehen werden könnte. Manch einer würde vielleicht erfahren wollen, was für Reduzierung der Schuldenlast in den Krisenländern getan werden kann. Oder was daran ist, dass doch die Steuerzahler künftig für marode Banken einspringen sollen (Monitor vom 7.11.2013).

  4. Münchhausen-Check: Nahles und die Reichensteuer
    SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles plädiert wieder für Steuererhöhungen. Die SPIEGEL-Dokumentation macht den Faktencheck: Werden Deutschlands Reiche immer reicher, und zahlen sie zugleich immer weniger Steuern?
    Ein zentrales Thema des SPD-Wahlprogramms war die Forderung nach einer “gerechten Steuerpolitik”. Denn, so der Befund, nie seien weniger Menschen in Deutschland wohlhabender gewesen, und nie hätten diese “geringere Beiträge zum Gemeinwohl tragen müssen”. (…)
    Fern aller Fachsimpelei über Tarifverläufe und Spitzensteuersätze erkennt man schnell: Wer viel verdient, zahlt in der Regel auch viel Steuern. Oder: Die Besserverdienenden tragen den größten Teil der Last an der Einkommensteuer.
    Aber wie hat sich diese Last im Zeitablauf verändert?
    Eine andere Betrachtungsweise legt nämlich nahe, wie der Berliner Finanzwissenschaftler Giacomo Corneo meint, dass die Reichen womöglich zu leicht davonkommen.
    In einer im “German Economic Journal” vom Mai 2013 veröffentlichten Studie haben Corneo, Stefan Bach (DIW) und Viktor Steiner (FU Berlin) die Entwicklung der Einkommensteuerbelastung verschiedener Einkommensgruppen empirisch analysiert.
    Dabei geht es nicht um die von der Öffentlichkeit oft falsch verstandenen Spitzensteuersätze, sondern um die aus den Finanzamtsdaten errechneten tatsächlich erhobenen Durchschnittssteuersätze.
    Die Datenbasis bildeten die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1992 bis 2005. Neuere Daten lagen noch nicht vor. Die Ergebnisse sind dennoch interessant: (…)
    Nach 2005 hat es zwei wichtige Änderungen gegebenen: Einmal wurde eine Erhöhung des Einkommensteuertarifs um drei Punkte wirksam, und zwar für zu versteuernde Einkommen über 250.000 Euro (Ledige) bzw. 500.000 Euro (Verheiratete). Hier beträgt der Spitzensteuersteuersatz nunmehr 45 Prozent. Zum anderen wurde die Belastung von Kapitalerträgen insgesamt deutlich gesenkt. Beide Maßnahmen wirken in entgegengesetzte Richtungen. Daher gehen die Berliner Forscher nicht davon aus, dass sich das von ihnen erstellte Bild wesentlich geändert hat.
    Fazit: Während sich die Vermögen im allerobersten Bereich konzentrieren, nahm dort die Einkommensteuerbelastung im Zeitverlauf überdurchschnittlich ab.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Gratulation. Wäre natürlich schön, wenn der Spiegel im Hinterkopf behalten würde, dass eine Umverteilung bei Vermögen und Einkommen stattgefunden hat und dass eine verbesserte Umverteilungswirkung unseres Steuer- und Abgabensystems anzustreben wäre.

  5. Mindestlohn
    1. IAQ widerspricht Sachverständigenrat: Gut gemachter Mindestlohn hilft
      Ob ein Mindestlohn tatsächlich der Beschäftigung schadet oder nicht, hängt vom Umfeld ab. Er kann auch die Wirtschaft ankurbeln, weil Konsum und Produktivität steigen. In Unternehmen mit guter Ausbildung und effizienter Arbeitsorganisation sind höhere Entgelte möglich als in einem innovationschwachen Umfeld. „Die Behauptung der Mehrheit des Sachverständigenrates, dass ein Mindestlohn meist der Beschäftigung schade, gibt den Stand der internationalen Forschung nicht angemessen wieder“, kritisiert das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).
      Neuere Studien kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne der Beschäftigung nicht schaden. Und einige ältere Studien, die negative Wirkungen auf die Beschäftigung signalisierten, konnten inzwischen mit verfeinerten Methoden widerlegt werden. Ideale Bedingungen scheinen in Dänemark vorzuliegen, wo trotz eines Mindestlohns von über 14 Euro pro Stunde die Beschäftigungsquote höher liegt als in den USA oder Deutschland. „In Ländern mit weniger innovativen Unternehmen und einem schlechteren Bildungsniveau könnte ein so hoher Mindestlohn allerdings zu Beschäftigungsverlusten führen“ räumen die IAQ-Forscher Prof. Dr. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf im aktuellen IAQ-Report ein. Ihre im Internet verfügbare Publikation fasst u.a. die theoretische Debatte zu Mindestlöhnen, Ergebnisse von neueren empirischen Untersuchungen und von Evaluationen zu den deutschen Branchenmindestlöhnen zusammen.
      Quelle 1: IAQ Report
      Quelle 2: Pressemitteilung IAQ [PDF – 12 KB]
    2. Union und SPD finden Kommission für Mindestlohn
      Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales von Union und SPD hat sich nach Informationen der “Welt” auf die Gestalt der Kommission geeinigt, die den Mindestlohn in Deutschland festlegen soll. Demnach soll die Kommission aus je drei Gewerkschaftern und Arbeitergebervertretern zusammengesetzt sein. Dazu können die Gruppen je einen Wissenschaftler berufen, der beratende Funktion hat. Der Vorsitzende soll aus der Runde der sechs bestimmt werden. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet das Los. Wie die “Welt” aus Koalitionskreisen erfuhr, wollte die SPD ursprünglich das Bundesarbeitsministerium mit der Entscheidung für einen Vorsitzenden betrauen. Dies lehnte die Union als Einmischung der Politik ab. Man verständigte sich dann auf die von der Union vorgeschlagene Los-Lösung. Die Union rückte ihrerseits von der Forderung nach einer größeren Kommission ab. Sie wollte je sieben Mitglieder von Arbeitgebern und Gewerkschaften.
      Quelle: WELT

      Anmerkung Orlando Pascheit: Nun haben die Mitglieder der SPD endlich die Möglichkeit sich in einer Hauptsache ein Bild zu machen und vielleicht bereits zu entscheiden, ob sie diesen Kompromiss akzeptieren können. Sigmar Gabriel hatte gerade noch auf dem SPD-Parteitag in Leipzig explizit einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro und die doppelte Staatsbürgerschaft als Bedingungen für ein Regierungsbündnis genannt. Allerdings ist die Einstiegshöhe des Mindestlohns und der Einstiegstermin nach letzter Beschlusslage noch nicht geklärt. Weiterhin soll der Einfluss der von Spartengewerkschaften etwa für Lokführer oder Piloten eingeschränkt werden (!). Union und SPD habe beschlossen, dass in jedem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten soll, was den Wünschen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Arbeitgeber entspricht (ein Thema für sich). Natürlich sind noch etliche Details zu regeln wie z.B. das Auslaufen alter Tarifverträge.
      Zurück zum Mindestlohn. In einer Sache besteht wohl Klarheit: Die Schaffung einer Kommission, die in der Folge jährlich über die Höhe des Mindestlohns entscheidet. Ursula von der Leyen musste keine große Überzeugungsarbeit leisten, da Andrea Nahles sich bereits für eine Kommission nach britischem Muster ausgesprochen hatte. Ob sich Frau Nahles darüber im Klaren ist, dass die Gewerkschaften es in der Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr geschafft haben, eine Lohnentwicklung entlang des Anstiegs der Produktivität plus einer moderaten Inflation zu realisieren.

      Quelle: WeitwinkelSubjektiv

      Da die Arbeitgeber sich daran gewöhnt haben, den Produktivitätsfortschritt zu ihren Gunsten abzuschöpfen, dürfte sich in der Mindestlohnkommission dauerhaft eine Pattsituation ergeben und das Los entscheiden. Wie lächerlich! Und wie bezeichnend für eine Politik, der der Kampf um den ausgeuferten Niedriglohnbereich herzlich egal ist. Hautsache man findet eine Kompromissformel.
      Warum das britische Modell so beispielhaft sein soll, erschließt sich dem normal Sterblichen allerdings nicht. Laut Eurostat bewegt sich der britische Mindestlohn als Anteil des Mittelwerts des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes auf den hinteren Rängen in Europa, vor allem im Vergleich zu den hoch entwickelten Volkswirtschaften.

      Betrachtet man die letzte Erhöhung im Oktober, so wurde der britische Mindestlohn um 1,9% angehoben. Die Inflationsrate lag allerdings bei 2,2%. Auch Deutschland läuft Gefahr, die realen Lebenshaltungskosten zu ignorieren. Oder sollen in die 8,50 Euro die Preissteigerungen bei Strom und Lebensmitteln bereits eingepreist sein.

  6. Freihandelsabkommen
    1. TTIP-Abkommen zwischen EU und USA: Wie die Gentech-Lobby Freihandelsgespräche ausnutzt
      Essen ohne Gentechnik ist für Verbraucher in der EU leicht zu erkennen. Doch die Agrar-Konzerne versuchen, solche Regelungen in den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen auszuhebeln. Die Lobby ist Teil des diplomatischen Systems der USA – Verbraucherschützer bleiben außen vor. Industriekritische NGOs fühlen sich bisher nicht richtig ernst genommen. Dagegen ist der US-Handelsvertreter (Office of the United States Trade Representative, USTR), der für Barack Obama verhandelt, ein zuverlässiger Verbündeter der Agrarkonzerne. Sein Team nimmt deren Kritik gegen Europas Regeln für gentechnisch modifiziertes Essen mit in die Verhandlungen. Über ein intransparentes System von “Beratern” haben Lobbyisten zudem direkten Zugriff auf die Verhandlungsdokumente. Vor der Öffentlichkeit werden sie geheim gehalten. So bleibt der aktuelle Stand im Dunkeln: Wird die EU ihre Zwangskennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel fallenlassen – im Namen des Freihandels? Wohin bewegen sich die Verhandlungen? Verbraucherschützerin St. Louis weiß es nicht. Von einem Treffen mit dem USTR berichtet sie: “Wir haben sehr konkrete Fragen gestellt und sehr allgemeine Antworten bekommen.”
      Quelle: SZ
    2. USA und EU nicht handelseinig
      Die zweite Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA zu einem Freihandelsabkommen ist in Brüssel abgeschlossen worden. Noch sind alle Fragen offen. Datenschutz wurde vorerst ausgeklammert.
      Offiziell erfährt man sowieso nichts, denn die Verhandlungen über die “Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft” (TTIP) laufen im Geheimen ab. Alle Unterlagen tragen einen Geheimstempel. In Europa werden die Papiere nur ausgewählten Abgeordneten im Europäischen Parlament zugänglich gemacht. In den USA haben rund 600 Personen Einsicht. Das sind Vertreter von Lobbygruppen, Wirtschaftsverbänden und Kongressabgeordnete, die vom Handelsbeauftragten regelmäßig konsultiert werden müssen. Globalisierungsgegner von der Gruppe Attac oder auch von Greenpeace kritisieren die Geheimniskrämerei und fordern mehr Transparenz. Das Verhandlungsmandat, dem die EU-Kommission folgt, ist aber inzwischen anonym im Internet aufgetaucht. In Brüssel haben die Unterhändler einer Gruppe von 400 unterschiedlichen Interessenvertretern zugehört. Deren Anregungen sollen in die Gespräche einfließen. Wie und in welcher Form, ist vertraulich. Auch der Chef-Unterhändler der Europäischen Union, Ignacio Garcia Bercero, blieb vor der Presse zum Verlauf der Verhandlungen vage: “Ich glaube, wir konnten einen weiteren Schritt machen. Wir haben Gemeinsamkeiten ausmachen können und werden uns in den folgenden Runden wirklich mit Texten beschäftigen können.”
      Quelle: Deutsche Welle

      Anmerkung JK: Es ist in der Tat zu fragen weshalb die Verhandlungen im Geheimen, jenseits jeder demokratischen Kontrolle, geführt werden?

      Dazu: Attac fordert sofortigen Abbruch der Geheimverhandlungen
      Das globalisierungskritische Netzwerk Attac fordert einen sofortigen Abbruch der aktuell laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen EU-USA. „Diese geheimen Verhandlungen der EU-Kommission entmachten die Parlamente. Ohne Informationen und Einfluss sollen sie abwarten, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. So wird Demokratie zur Farce“, kritisiert Alexandra Strickner von Attac Österreich.
      “Das scheinbar harmlose ‘Anpassen von Standards’ ist die beste Gelegenheit für Konzernlobbys um Gesetze zum Schutz von KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und Umwelt loszuwerden. Errungenschaften des VerbraucherInnen-, Gesundheits-, Klima- und Tierschutzes stehen genauso auf dem Prüfstand wie das europäische Arbeits- und Sozialrecht. Die versprochenen Wohlfahrtsgewinne entpuppen sich bei genauer Betrachtung als billige PR-Kampagne, um die wahren Interessen zu verschleiern“, kritisiert Strickner.
      Das Abkommen gefährdet unter anderem die bisherigen – ohnehin unzureichenden – Bemühungen Banken und Finanzmärkte stärker zu regulieren. Da sie als „Handelshemmnisse“ gelten, könnten sie auf Druck der Finanzlobbys verhindert oder sogar rückgängig gemacht werden. Dies betrifft etwaig nötige Kapitalverkehrskontrollen, eine angemessene Besteuerung des Finanzsektors oder effektive Antigeldwäschevorschriften.
      Quelle: attac

    3. A Global Ban on Left-Wing Politics
      The purpose of the Transatlantic Trade and Investment Partnership is to remove the regulatory differences between the US and European nations. I mentioned it a couple of weeks ago. But I left out the most important issue: the remarkable ability it would grant big business to sue the living daylights out of governments which try to defend their citizens. It would allow a secretive panel of corporate lawyers to overrule the will of parliament and destroy our legal protections. Yet the defenders of our sovereignty say nothing.
      The mechanism is called investor-state dispute settlement. It’s already being used in many parts of the world to kill regulations protecting people and the living planet.
      The Australian government, after massive debates in and out of parliament, decided that cigarettes should be sold in plain packets, marked only with shocking health warnings. The decision was validated by the Australian supreme court. But, using a trade agreement Australia struck with Hong Kong, the tobacco company Philip Morris has asked an offshore tribunal to award it a vast sum in compensation for the loss of what it calls its intellectual property.
      During its financial crisis, and in response to public anger over rocketing charges, Argentina imposed a freeze on people’s energy and water bills (does this sound familiar?). It was sued by the international utility companies whose vast bills had prompted the government to act. For this and other such crimes, it has been forced to pay out over a billion dollars in compensation.
      Quelle: monbiot.com
    4. A transatlantic corporate bill of rights
      Quelle: Seattle to Brussels Network [PDF – 465 KB]
  7. Warum Bitcoins so erfolgreich sind
    Von der Schmuddelecke ins Portfolio traditioneller Investoren: Bitcoins haben in den vergangenen Wochen deutlich an Wert zugelegt. Nun liegt der Kurs der virtuellen Währung erstmals über 600 US-Dollar. Wo liegen die Gründe für den Erfolg? […]
    Dennoch überrascht der aktuelle Anstieg des Bitcoin-Kurses. Am Montag war die Währung erstmals mehr als 600 Dollar wert. Noch im Oktober hatte der Kurs unter 100 Dollar gelegen. Bei Euro oder Dollar finden Ökonomen meist recht einfache Erklärungen für Kursveränderungen. Neue Konjunkturdaten etwa, oder ein Eingriff der Notenbanken. Im Fall der Bitcoins ist das nicht so, hier hat keine Zentralbank Einfluss auf die Geldmenge. Die digitale Währung wird in einem komplizierten technischen Verfahren hergestellt und an privaten Tauschbörsen gehandelt.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung JB: So, so, zwischen den Zeilen behauptet die SZ, Ökonomen hätten keine Erklärung für die blasenartige Kursentwicklung der Bitcoins. Damit trägt die SZ genau zu dem Hype bei, der für die Spekulationsblase verantwortlich ist. Da Bitcoins – vereinfacht gesagt – nur in sehr, sehr geringem Maße geschöpft werden können, ist die Menge konstant. Wenn immer mehr Spekulanten ihr Interesse an Bitcoins entdecken, steigt nach der simplen ökonomischen Regel von Angebot und Nachfrage natürlich der Preis. Lustigerweise disqualifiziert dies Bitcoins für den eigentlich gedachten Zweck, ein alternatives universales Tauschmittel zu sein. Solange der Boom anhält und der Preis fortwährend steigt, hat niemand Interesse, seine Bitcoins loszuwerden – sei es durch Handel oder durch Verkauf. Dadurch sinkt wiederum das verfügbare Angebot, was wiederum den Preis steigen lässt. Das Alles hat nichts Magisches oder Mystisches, sondern ist eine ganz klassische Finanzblase, wie es schon tausende gab. Und wie bei jeder Blase, bereichern sich diejenigen, die schon früh dabei waren an denen, die spät einsteigen und schlussendlich beim Platzen der Blase die Verluste tragen. Von einer renommierten Zeitung wie der SZ hätte ich eigentlich erwartet, dass sie ihre Leser vor diesem Risiko warnt.

  8. Paul Krugman: A Permanent Slump? – Eine Dauerkrise?
    Wenn man etwas länger mit Währungspolitikern zusammen ist, hört man immer wieder das Wort “Normalisierung”. Die meisten, wenn auch nicht alle dieser Politiker sehen ein, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Sparmaßnahmen ist, dass die Kreditbedingungen locker und die Zinsen niedrig bleiben müssen. Aber die Herren in den dunklen Anzügen sehnen den Tag herbei, an dem sie wieder ihrer normalen Beschäftigung nachgehen können, nämlich die Bowle wegzuschnappen, immer wenn die Party gerade in Schwung kommt.
    Was aber, wenn die Welt, so wie wir sie aus den letzten fünf Jahren kennen, die neue Normalität ist? Was, wenn krisenähnliche Bedingungen sich langfristig halten, und das nicht nur ein oder zwei Jahre lang, sondern auf Jahrzehnte hinaus?
    Quelle: New York Times
  9. Ausgequetscht – Finanzinvestor übernimmt Heinz Ketchup
    Heinz hat sich in den vergangenen Monaten zum Musterbeispiel entwickelt, was mit Unternehmen passiert, die von Finanzinvestoren übernommen werden. Am Valentinstag, dem 14. Februar, hatte der legendäre 83-jährige Investor Warren Buffett gemeinsam mit der Private-Equity-Firma 3G Capital verkündet, dass er das 1869 gegründete und seither stets unabhängige Unternehmen übernimmt.
    Buffett und seine Firma Berkshire Hathaway ist für langfristig angelegte Investments bekannt, er trimmt seine zugekauften Firmen eher sanft auf Rendite. 3G dagegen, ein Finanzinvestor aus Brasilien, gilt als harter Sanierer. …
    23,3 Milliarden Dollar – mehr als das Zwanzigfache des Jahresgewinns – haben Buffett und 3G für Heinz bezahlt und das Unternehmen von der Börse genommen. Beide Investoren halten heute 50 Prozent der Anteile, allerdings hat Buffett den Brasilianern die Führung überlassen, sie sind für das laufende Geschäft zuständig. Einen Teil des Kaufpreises trägt Heinz selbst als Schuldenlast in Höhe von 12,6 Milliarden Dollar. Jetzt muss der Ketchup-Konzern sparen, um die Gewinne zu steigern und den Kaufpreis hereinzuverdienen – so wie Management-Wechsel ist das eine sehr typische Konsequenz von Übernahmen durch Finanzinvestoren.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  10. Dilemmata der Rüstungsindustrie
    Mit der Lieferung einer dreistelligen Zahl von Panzern an Indonesien bestätigt der deutsche Rheinmetall-Konzern erneut ein hochumstrittenes Rüstungsgeschäft. Der Deal wird kritisiert, weil der Einsatz der Panzer zur Repression im Innern nicht ausgeschlossen werden kann und die in Indonesien verbreitete Armut den Kauf von Kriegsgerät nicht als vordringlich erscheinen lässt. Dennoch entspricht er voll und ganz der erklärten Strategie von Rheinmetall, die vorsieht, die wegen der Haushaltskürzungen in den EU- und NATO-Staaten ausbleibenden Aufträge durch Ausfuhren in Länder außerhalb Europas zu kompensieren. Als Zielländer werden vor allem die arabischen Diktaturen in Mittelost und Staaten der Asien-Pazifik-Region genannt. Rheinmetall berichtet, mehr als drei Viertel der Rekordaufträge, die man in den ersten neun Monaten dieses Jahres habe verzeichnen können, seien von außerhalb Europas gekommen. Experten warnen, der stark steigende Exportdruck führe zu langfristig höchst riskanten Zugeständnissen wie zur Preisgabe von Know-how an die Empfänger von Kriegsgerät oder zum Aufbau von Rüstungsfabriken in Staaten, die nicht als völlig zuverlässig gelten könnten. Das könne sich in Zukunft rächen. (…)
    Zwei Schwerpunkte lassen sich dabei deutlich erkennen: der Mittlere Osten und die Asien-Pazifik-Region. Im Mittleren Osten beliefert Rheinmetall – ganz wie zahlreiche weitere deutsche Waffenschmieden – vor allem die Diktaturen der Arabischen Halbinsel. Deren Erdölreichtum gestattet teure Käufe; sie bilden zudem ein prowestliches Gegengewicht gegen Iran.[4] Die desolate Menschenrechtslage spielt für Berlin und die deutsche Industrie dabei keine Rolle. Dieses Jahr erhielt Rheinmetall unter anderem einen Auftrag aus Qatar im Wert von fast einer halben Milliarde Euro. In der Asien-Pazifik-Region bedienen deutsche Rüstungskonzerne diejenigen Staaten, von denen Berlin hofft, sie gegen China in Stellung bringen zu können.[5] Neben dem aktuellen Indonesien-Deal hat Rheinmetall vor kurzem ein 1,1-Milliarden-Euro-Geschäft mit Australien vereinbart. Das Land will von Rheinmetall insgesamt gut 2.500 geschützte und ungeschützte mittlere und schwere Logistikfahrzeuge kaufen.
    Quelle: german-foreign-policy.com
  11. Die Schönheit des Protests
    Die chilenischen Studentenaufstände wirken bis in kleine Fischerorte wie Puchuncaví. Das wird auch die Gewinnerin der Präsidentschaftswahl am Sonntag beschäftigen.
    Die chilenische Studentenbewegung hat 2011 mit ihren Protesten gegen das privatisierte Bildungssystem das Land aufgerüttelte. Sie tut es immer noch, erst Ende Oktober wieder, als Tausende in Santiago de Chile auf die Straße gingen. Doch um das ganze Ausmaß dieser Veränderung zu spüren, muss man in Kleinstädte wie Puchuncaví fahren. …
    In den entlegensten Winkeln des schmalen südamerikanischen Landes wächst der Widerstand. Als ob er in zwei Generationen überwintert hat, um auf die dritte überzuspringen.
    Auf eine Generation, die nicht in der Diktatur großgeworden ist. Stolz sind viele Ältere auf Chiles Straßen heute auf diese Jugend, auf ihre Schönheit. Nicht auf die offensichtliche der eloquenten Studentensprecherin und Kommunistin Camila Vallejo, die 2011 das Titelbild des Economist schmückte.
    Quelle: taz

    Dazu auch: Comandante Camila will ins Parlament
    Chiles Studentenführer haben mit ihrem Protest das Land wachgerüttelt. Jetzt streben sie in die Politik, allen voran die Kommunistin Camila Vallejo. Einen Erfolg können sie und ihre Mitstreiter bereits verbuchen.
    Quelle: SPIEGEL Online

  12. Chinas Wanderarbeiter: Die Verlierer des Booms in China
    Mehr als 260 Millionen Wanderarbeiter schuften in den Städten der Volksrepublik China. Sie sind die Erschaffer des Booms – und seine Verlierer. Wegen des veralteten Meldesystems haben die Wanderarbeiter kaum Rechte.
    Als China sich in den 1980ern auf Geheiß von Deng Xiaoping öffnete, sahen viele Bauern, die von der Hand in den Mund lebten, ihre Chance. An der Ostküste des Landes entstanden Fabriken und Städte, wo die Arbeit nicht auszugehen schien. Chinas Appetit auf Arbeiter war unersättlich wie auch der Wunsch der Menschen nach einem besseren Leben.
    Gefährliche Jobs? Oft keine Verträge? Zerrissene Familien? Sie nahmen alles hin. Es gab ja bis zu 3000 Yuan im Monat, wenn man bis zum Umfallen schuftete, auf dem Bau, in Fabriken, bei Reichen zu Hause. Fast 250 Euro, für viele ein Vermögen.
    Mehr als 15 Millionen Bauern waren 1987 auf Wanderschaft gegangen. Heute sind es mehr als 260 Millionen Menschen, wie Chinas Nationale Statistikbehörde für 2012 errechnete. Es ist ein Drittel der weltweiten Binnenmigration. Massen, die sich auf den Weg machen, mit Massen an Problemen für sich und den Staat. Doch Chinas Regierung wagt sich nur zögerlich an Reformen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  13. Pressefreiheit in Bayern? Staatsgewalt gegen Lokalreporter
    Quelle: BR Mediathek
  14. Wie ein Focus-Chefredakteur Barrierefreiheit lächerlich macht
    Der Angriff von „Focus Money“-Chefredakteur Frank Pöpsel auf den grünen Fraktionschef Anton Hofreiter ist menschenverachtend.
    Leichte Sprache“ ist ein Beitrag zu Barrierefreiheit, den der neue Fraktionschef der Grünen, Dr. Anton Hofreiter, leistet – nicht jeder Politiker macht das…
    „Focus Money“-Chefredakteur Frank Pöpsel hat sich über diesen Text lustig gemacht – und offenbart damit, dass auch viele Journalisten in ihrer eigenen Welt der Verachtung, Unwissenheit und trotzdem Besserwisserei leben; „Sprache Sechs, Grammatik Sechs, Interpunktion Sechs“ lautet Pöpsels Urteil über Hofreiters Text. Nachzulesen im jüngsten Editorial des Wirtschaftsmagazins aus dem Hause Burda.
    Nun hat Hofreiter geantwortet – ROLLINGPLANET dokumentiert seine ebenso engagierte wie souveräne Entgegnung…
    Quelle: Rollingplanet
  15. Kapitalismus ist die Krise
    Mit scharfer Kritik an Banken und anderen Akteuren des Finanzsektors haben rund 35 Aktivisten am frühen Montagmorgen am Messegelände die Proteste gegen die „Euro Finance Week“ eingeläutet. Weitere Protestaktionen sind geplant. Polizei und Veranstalter reagieren gelassen. […]
    Auf Transparenten waren Slogans wie „Banken und Konzerne global besteuern“ oder „Kapitalismus ist die Krise“ zu lesen. Bis Donnerstag tauschen sich auf dem weltgrößten Branchentreffen in Frankfurt hochrangige Vertreter von Banken, Versicherungen und Regierungen über die Lage an den internationalen Finanzmärkte aus – linke Bündnisse wie Attac oder NoTroika wollen das nicht ohne Proteste geschehen lassen.
    Die Aktionswoche, zu der sie bis Freitag aufrufen, stellt zugleich einen Auftakt für das Wochenende dar: Ab Freitag wollen mehr als 300 Aktivisten aus ganz Europa im alten Studierendenhaus am Unicampus Bockenheim die Blockupy-Proteste für 2014 vorbereiten. Das Blockupy-Bündnis, das bereits zweimal Massenproteste in Frankfurt organisiert und sich dabei stets auf die Finanzwirtschaft konzentriert hat, will im nächsten Jahr unter anderem die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes stören.
    Quelle: Frankfurter Rundschau


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