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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. Februar 2014 um 9:29 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ukraine
  2. “Unfairer Vorteil”: Außenministerium kritisiert deutschen Exportüberschuss
  3. Orwell 2.0
  4. Reallöhne 2013 noch stärker gesunken als erwartet, Nominallöhne extrem schwach mit schlimmen Folgen für den Euro
  5. Folgen der Sparpolitik: Säuglingssterblichkeit in Griechenland steigt um 43 Prozent
  6. Can the Internet democratise capitalism?
  7. Irre! Kommt der Mindestlohn, verdienen Deutschlands Abgeordnete noch mehr
  8. Barking vs. Biting: Understanding the German Constitutional Court’s OMT reference … and its implications for EU Reform
  9. Paul Krugman: The Stimulus Tragedy – Die Tragödie des Stimulus-Pakets
  10. Abbruch der Gespräche: Islands Regierung verzichtet auf EU-Beitritt
  11. Flughafen-Streik: Von 16 Euro die Stunde können andere Berufe nur träumen
  12. Jobcenter der Zukunft
  13. Rechtsfreier Raum
  14. Stuttgart 21: Deutschlandradio manipuliert bei Berichterstattung zur Bürgerbewegung
  15. Kontrolle nach Hautfarbe – Wie der Staat Minderheiten schikaniert
  16. Erklärung des BdWi zum aktuellen Richtungskampf um die Hochschulreform

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ukraine
    1. Wie der Westen jetzt der Ukraine helfen muss
      Die Ukraine steht vor dem Staatsbankrott, unberechenbar, instabil und gefährlich. Die Flucht nach Westen würde das Land zerreißen. Alle Seiten müssen nun politisches Fingerspitzengefühl zeigen. […]
      Die Aufgabe ist schwierig: Die Wirtschaft des 46-Millionen-Einwohner-Landes beruht nach wie vor auf einer starken Landwirtschaft, es mangelt aber an Energie und Bodenschätzen. Es geht um nicht weniger als eine wahrhaftige Wende: aus nach-sowjetischer Stagnation in eine neue Dynamik und womöglich zu einem selbsttragenden Wachstum. Das erfordert zuerst Staatskunst im Innern, dann aber vor allem politische sowie wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung von außen. […]
      Der Westen zahlt jetzt den Preis dafür, dass er sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion um das Schicksal der Ukraine und den fälligen Ausgleich mit Russland zu wenig gekümmert hat. Dem russischen Anspruch auf privilegierte Beziehungen zum “Nahen Ausland” setzte der Westen die These entgegen, Interessensphären seien altes Denken und die nunmehr souveränen Staaten Zwischeneuropas hätten schließlich selbst um Aufnahme gebeten. […]
      Und natürlich braucht die Ukraine schnell eine legitime Regierungsgewalt, also Neuwahlen mit praktischen Fristen für Präsidentenamt und Parlament und die Bestätigung der Verfassung von 2004, die Janukowitsch sich nach Bedarf zurechtgebogen hatte. Ob dabei Julia Timoschenko, Vitali Klitschko oder andere Oppositionspolitiker den Preis der Führung davontragen, ist erst einmal von zweitrangiger Bedeutung. Gegen Julia Timoschenko spricht ihre Vergangenheit als Gas-Königin und das Debakel, das sie einst als Regierungschefin anrichtete; allerdings hat sie den Nimbus der Märtyrerin. Klitschko hat Weltruhm, aber nicht als Staatsmann, sondern als Sportler. Das zeigte er erst kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Emotion ist seine Stärke, nicht die Schlüsselrolle im Großen Spiel der Politik.
      Quelle: WELT

      Anmerkung JB: Dieser Artikel ist natürlich zu kritisieren, jedoch auch interessant, weil der Autor Michael Stürmer als einer der einflussreichsten „Falken“ in den deutschen Medien gilt und bestens mit der deutschen und transatlantischen Sicherheits-Community vernetzt ist. Erstaunlicherweise tritt Stürmer auf die Bremse und plädiert für eine stärkere Einbeziehung Russlands. Dies spricht für die These des „Zauberlehrlings“. Das Programm zum Sturz Janukowitschs ist dem Westen vollends aus dem Ruder gelaufen. Mit einer plumpen und unbedachten Außenpolitik haben EU/USA/Deutschland einen Konflikt angeheizt, für den sie überhaupt keine erfolgsversprechende Lösung anbieten können. Und nun ist ihnen ihr eigener Erfolg unheimlich. So haben schon Kriege begonnen. Was wir heute erleben dürfen, ist das genau Gegenteil zu Willy Brandts behutsam vorgehender Politik eines Wandels durch Annäherung. Die momentane Außenpolitik erinnert eher an die brachiale Hau-Ruck-Politik von Kaiser Wilhelm II. Und das im Jahr, in dem sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal jährt.

    2. Putin straft, Europa lockt
      Julija Timoschenko ist frei, Wiktor Janukowitsch abgesetzt, doch das ist erst der Beginn: Die Ukraine steht vor riesigen Problemen, dem Land droht die Staatspleite. Russland streicht zugesagtes Geld, die USA, der IWF und die EU bieten Hilfe an. […]
      So ist das Land in akuter Finanznot: Russland hatte Kiew zwar Nothilfen von 15 Milliarden Dollar zugesagt, umgerechnet etwa 11 Milliarden Euro. Doch nach einer ersten Auszahlung setzte Moskau die weiteren Tranchen aus. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s hatte Freitag vorausgesagt, das Land werde in die Pleite stürzen, sollte Russland seine Hilfe stoppen. Kiew muss noch diesem Jahr 13 Milliarden Dollar an seine Gläubiger zurückzahlen.
      Eigentlich wollte Russland aktuell für zwei Milliarden Dollar ukrainische Anleihen kaufen. “Letze Woche haben wir darüber gesprochen. Aber seitdem hat sich die politische Lage dramatisch geändert. Jetzt müssen wir warten, bis es eine neue Regierung gibt”, sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow. Zugleich rückte Russland erstmals öffentlich von Janukowitsch ab. Die jüngsten Ereignisse zeigten den Machtverlust des Staatschefs, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexej Puschkow: “Ein trauriges Ende für einen Präsidenten.”
      Der Ukraine finanziell beispringen könnte der Internationale Währungsfonds. Dessen Chefin Christine Lagarde sagte: “Wenn die ukrainischen Behörden sich an den IWF wenden, sei es mit der Bitte um Beratung, sei es wegen Diskussionen über finanzielle Hilfen, gekoppelt an Wirtschaftsreformen, stehen wir selbstverständlich bereit.” Der IWF müsse natürlich legitime Gesprächspartner haben.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JB: SPIEGEL Online ist mal wieder in Höchstform. Dass Russland seine milliardenschweren Anleihenkaufprogramme erst einmal auf Eis gelegt hat, ist angesichts der politischen Turbulenzen absolut verständlich. Alles andere wäre dem russischen Steuerzahler auch kaum zu vermitteln. Was das mit einer „Strafe“ zu tun hat, weiß wohl nur der SPIEGEL. Auch wird hier wieder unzulässig personalisiert. Sobald der russische Staat, oder genauer die Russische Föderation, eine politische Maßnahme beschließt, die dem SPIEGEL nicht in den Kram passt, dann war es „Putin“. Auf der anderen Seite steht nicht EU-Kommissar Rehn, sondern „Europa“. Die Botschaft: Russland ist eine Diktatur, Europa demokratisch. Fragt sich nur, wer von beiden Akteuren demokratisch legitimiert ist? Putin, der vom russischen Volk gewählt wurde? Oder Rehn, der von den europäischen Regierungschefs ernannt wurde und weder vom Volk noch einem Parlament gewählt wurde?
      Für die Oppositionellen vom Maidan könnte es schon bald ein böses Erwachen geben. Selbstverständlich sind die „Hilfen“ von EU und IWF an konkrete „Reformen“ gekoppelt. „Reformen“, die ganz sicher nicht im Sinne der Demonstranten auf dem Maidan sind. Griechenland lässt grüßen.

    3. “Ihr dürft jetzt nicht aufhören”
      Wenige Stunden nach ihrer Freilassung hat die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew zur Fortsetzung der Proteste aufgerufen. “Kämpft bis zum Ende”, rief sie den mehr als 100.000 Menschen zu, die sich versammelt hatten. “Ihr müsst bleiben bis zum Ende, bis Politiker gewählt sind, die das Vertrauen verdienen. Wir müssen es vollenden. Ihr habt ein neues Land verdient”, betonte Timoschenko. Immer wieder warnte sie davor, den Maidan zu räumen.
      Wie in einer Bewerbungsrede für das Präsidentenamt warb Timoschenko zugleich um Vertrauen. “Ich werde die Garantin dafür sein, dass Euch niemand verrät und niemand Hinterzimmerabsprachen trifft”, sagte sie. Bereits bei ihrer Ankunft in Kiew hatte sie deutlich gemacht, dass sie bei Neuwahlen für das Präsidentenamt kandidieren wolle. (…)
      Die Reaktionen auf die Rede unter den Demonstranten waren gemischt: Während viele die Ansprache begrüßten, pfiffen andere. Das spiegelt Timoschenkos Status wider: Die 53-Jährige ist eine der schillerndsten, aber auch umstrittensten Figuren der Ukraine. Die machtbewusste Politikerin war eine der Führerinnen der Orangenen Revolution von 2004.
      Bevor Timoschenko politisch breit in Erscheinung trat, war sie erfolgreiche Unternehmerin. Ihr Vermögen wurde 2007 auf mehrere hundert Millionen Dollar geschätzt, die sie im Energiesektor verdiente. In diesem Zusammenhang gab es mehrfach Ermittlungen gegen Timoschenko. 2011 war sie wegen angeblichen Amtsmissbrauchs festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte dies stets als politisch motiviert bezeichne
      Quelle: Tagesschau.de

      Anmerkung JB: Dieser Bericht ist einer der wenigen Berichte in den deutschen Medien, der zumindest darauf hinweist, dass Timoschenko auf dem Maidan keinesfalls als „Oppositionsführerin“ gefeiert wurde. Wer sich ihre Rede im Livestream angeschaut hat, kommt zu einem noch härteren Urteil. Als Timoschenko – Showgirl wie eh und je – mit „brüchiger“ Stimme, blass und ungeschminkt im Rollstuhl sitzend ihre ersten Worte sprach, wurde sie in der Tat mit einem ordentlichen Höflichkeitsapplaus empfangen, der jedoch in keinem Vergleich zu dem frenetischen Jubel steht, mit denen andere Aktivisten begrüßt wurden. Während ihrer Rede wurde sie mehrfach von großen Teilen des Publikums ausgepfiffen und als sie ihre Rede beendete, blieb der Maidan ungewöhnlich still. Hier wurde keine „Oppositionsführerin“ gekürt, ganz im Gegenteil. Erstaunlich, dass man davon in den allermeisten Berichten deutscher Medien nichts erfahren hat.

  2. “Unfairer Vorteil”: Außenministerium kritisiert deutschen Exportüberschuss
    Das Auswärtige Amt schließt sich der europäischen Kritik am hohen deutschen Exportüberschuss an und fordert, zu dessen Abbau die Binnennachfrage anzukurbeln. “Genau wie die Defizitländer in der Pflicht stehen, ihre Situation zu verbessern, gibt es auch eine Verpflichtung für die sogenannten Überschussländer wie Deutschland”, sagte der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD).
    Roth kritisierte: “Durch den ausufernden Niedriglohnsektor in Deutschland, durch die Zunahme von prekärer Beschäftigung haben wir uns einen unfairen Vorteil gegenüber unseren Partnerländern verschafft. Der muss perspektivisch beseitigt werden.” Die Abmilderung der Leistungsungleichgewichte in der Europäischen Union sei “nicht nur eine Aufgabe der Defizitländer, sondern auch eine Aufgabe von Deutschland”.
    Die Aussagen sind beachtlich, weil die Bundesregierung Kritik am deutschen Handelsüberschuss bislang stets zurückgewiesen hatte…
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Eine Stimme der Vernunft im anhaltenden Irrsinn, interessanterweise gerade aus dem Ministerium des Agenda-2010-Consigliere Steinmeier, der für die hier kritisierte Politik maßgeblich mitverantwortlich ist. Nur verstehe ich nicht das Wort “Vorteil” – in Lohndumping-Deutschland haben vielleicht die Unternehmen Vorteile, aber die Arbeitnehmer – für mich “Deutschland” – doch erhebliche Nachteile.

  3. Orwell 2.0
    1. Debatte im Bundestag: Aus Vorratsdatenspeicherung wird Private Vorsorgespeicherung
      Gestern gab es einen kleinen Überblick, wie es um die aktuelle Debatte zur Vorratsdatenspeicherung steht. Heute wurde das Thema im Bundestag besprochen. Den Auftakt machte Konstantin von Notz von Bündnis90/Die Grünen und führte aus, dass die Vorratsdatenspeicherung “maßlos, weitestgehend nutzlos und unverhältnismäßig” sei – und damit abzulehnen. Es habe seitens der SPD nur einen kurzen “bürgerrechtlichern Sturm im Wasserglas” gegeben, aber mittlerweile sei Justizminister Maas eingeknickt. Besonders stellte Notz heraus, dass die VDS im Angesicht des Überwachungsskandals indiskutabel ist und es sicher dazu kommen werde, dass eine etwaige Umsetzung vom Bundesgerichtshof wieder als verfassunswidrig deklariert werde:
      Bon Voyage bei der Umsetzung einer deutschen Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht, wo Richterinnen und Richter aus Angst vor Überwachung nur noch mit Stift und Papier in Besprechungen gehen.
      Dem zu erwartenden Kinderpornoargument versuchte er vorsorglich entgegenzusetzen, dass es auch andere Maßnahmen als die VDS gebe und diese endlich umgesetzt werden müssten.
      Volker Ullrich von CDU/CSU warf Grünen und Linken daraufhin vor, dass sie mit der Sprache und der Angst spielten und fälschlicherweise die VDS im Zusammenhang mit der NSA erwähnten. Es gehe darum, “Daten bei Providern, die sowieso da sind, zur Aufklärung von Straftaten gegen wichtigste Rechtsgüter zu nutzen” und den bestmöglichen Datenschutz für diese Daten zu gewährleisten, unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Das erinnert stark an den Artikel von Thomas Heilmann, der Ende Januar bei der Zeit erschienen ist, und in dem versucht wurde, VDS als neuen Datenschutz darzustellen.Dann spielt Ullrich selbst mit der Sprache und will die VDS umbenennen in: private Vorsorgespeicherung.
      Quelle: Netzpolitik.org
    2. Bundesrat will präventive Spionage erlauben
      Telefone abhören, Räume verwanzen und in Computer eindringen: All dies soll dem Schweizer Nachrichtendienst erlaubt sein – auch wenn keine Straftat vorliegt. Zudem soll er wie die NSA das Internet anzapfen dürfen.
      Das Parlament muss entscheiden, ob der Nachrichtendienst künftig präventiv Telefone anzapfen darf. Der Bundesrat hat die Botschaft zum neuen Nachrichtendienstgesetz an die eidgenössischen Räte geleitet.
      Grosse Änderungen brachte die Regierung nach der Vernehmlassung nicht an: Nach ihrem Willen soll der Nachrichtendienst künftig präventiv Telefongespräche abhören, private Räume verwanzen oder in Computer eindringen dürfen. (…)
      Vor sechs Jahren ist der Bundesrat mit ähnlichen Vorschlägen im Parlament gescheitert. Damals ging der Mehrheit der geplante «Lauschangriff» zu weit.
      Inzwischen halten viele die Gesetzesänderungen für nötig, trotz der Diskussionen um die Überwachungstätigkeiten des US-Geheimdienstes NSA. In der Vernehmlassungen waren die Vorschläge des Bundesrates mehrheitlich auf Zustimmung gestossen.
      Quelle: Tages Anzeiger
    3. Bundeswehr: Abhörstationen können auch Handydaten abgreifen
      Wie das Bundeswehr-Journal berichtet, hat die Bundeswehr im Oktober 2013 einen sogenannten MoGeFA-Systemdemonstrator von Plath erworben. Die Abkürzung MoGeFA steht für “Mobiles Geschütztes Fernmeldeaufklärungssystem”. Konkret handelt es sich um ein System, das laut Hersteller mit großer Bandbreite und hoher Scangeschwindigkeit Kommunikationsdaten aller wichtigen Frequenzbereiche mitschneiden kann. Selbst hohe Datenaufkommen sollen sich durch automatisierte Verfahren schnell auswerten lassen. Derzeit ist das System in Daun stationiert. Laut Netzpolitik.org will die Bundeswehr diese MoGeFA-Systeme ab 2016 in größeren Stückzahlen beschaffen.
      Vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele wurde am Mittwoch dieser Woche im Bundestag die Frage aufgeworfen, ob es neben der erwünschten Erfassung militärisch relevanter Daten auch dazu kommen könne, dass zivile Kommunikationsdaten mitgeschnitten wird und ob ein Datenschutzbeauftragter in das Projekt involviert sei. Laut Verteidigungsministerium sei es zwar nicht gewünscht, aber durchaus möglich, zivile Daten als unerwünschten Beifang zu erfassen.
      Eine konkrete Auskunft, wie mit diesen Daten umgegangen werden soll, konnte der Vertreter des Verteidigungsministeriums nicht geben. Die Weitergabe an Dritte sei ihm zufolge jedenfalls nicht beabsichtigt. Ein Datenschutzbeauftrager scheint bisher in das Projekt nicht involviert zu sein.
      Quelle: heise online
  4. Reallöhne 2013 noch stärker gesunken als erwartet, Nominallöhne extrem schwach mit schlimmen Folgen für den Euro
    Die Nominallöhne (die hier in einer Kopfbetrachtung eingehen, bei der auch Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte enthalten sind) sind mit 1,3 Prozent Zuwachs 2013 – mit Ausnahme des Rezessionsjahres 2009, da waren es nur 0,1 Prozent wegen des extrem starken Anstiegs der Kurzarbeit – so schwach gestiegen wie zuvor nur in den Jahren 2003 bis 2006 und 1996 bis 1999….

    Der Index der Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde (blaue Linie), der in Hinblick auf die Kostensituation der Unternehmen aussagekräftiger ist, befindet sich ebenfalls auf dem Weg nach unten und liegt im vergangenen Jahr trotz des Ausreißers im ersten Quartal im Jahresdurchschnitt unter zwei Prozent. Man kann an der Abbildung übrigens gut erkennen, wie brutal vor allem in den Jahren 2005 und 2006 die Löhne nach unten gedrückt wurden, um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
    Und das passiert im Jahr fünf der Eurokrise, die ursächlich auf das deutsche Lohndumping zurückzuführen ist.
    Quelle: Flassbeck Economics

  5. Folgen der Sparpolitik: Säuglingssterblichkeit in Griechenland steigt um 43 Prozent
    Mehr Totgeburten, HIV-Neuinfektionen, Tuberkulose- und Depressionsfälle sowie Suizide: Der drastische Sparkurs in Griechenland hat einer Studie zufolge verheerende Auswirkungen. Eine Hilfsorganisation spricht von einer vollständigen Verletzung der Menschenwürde…
    “Griechenlands Gesundheitskrise: Von der Sparpolitik zur Realitätsverweigerung” haben die Forscher der britischen Universitäten Cambridge, Oxford und London ihre Studie betitelt, die im Medizinjournal “The Lancet” veröffentlicht wurde.
    In der Tat ergibt die Auswertung offizieller Umfragen und Statistiken sowohl der griechischen Regierung als auch der EU-Kommission ein erschreckendes Bild: Demnach hat die drastische Sparpolitik während der seit sechs Jahren andauernden Krise in Griechenland verheerende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Folgen, die von der Regierung in Athen und internationalen Krisenmanagern wider besseren Wissens bestritten werden, wie die Forscher feststellen (hier die Studie im PDF-Format [PDF – 288 KB]).
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Man fragt sich wie viele Meldungen dieser Art es noch braucht damit auch die Masse der Menschen erkennt, dass es sich beim Neoliberalismus um eine menschenverachtende Ideologie handelt?

    Anmerkung C.R.: Wir in Deutschland sollten jedoch nicht mit dem Zeigefinger auf andere zeigen. Es gibt zu diesem Thema hierzulande genug Probleme, die seit Jahren bekannt sind:
    “Hartz IV” reduziert die Lebenserwartung, dies ist staatspolitisch uneingestanden erwünscht!
    Zynisch könnte hinzugefügt werden: Dieses Phänomen ist erfolgreich exportiert und übertroffen worden.

  6. Can the Internet democratise capitalism?
    “Candour demands that even the most enthusiastic apologists of contemporary Western democracies admit that the latter come much closer to Aristotle’s definition of oligarchy than to his depiction of democracy. There simply is not, at least according to Aristotle, enough Demos in our Democracy today. Put differently, even though Socrates would not have been poisoned by the British or French Parliaments for smuggling subversive ideas into the mind of the young (protected, thankfully, by an impressive panoply of juridical authority), our electorates (‘We, the People’ in the language of the American Constitution) exercise no power over daily life which might be comparable to that of Athenian citizens. Moreover, there is a deep sense in which the power actually exercised (by both citizens and their elected representatives) has been declining steadily with every twist and turn of our recent political history.”
    Quelle: Yanis Varoufakis
  7. Irre! Kommt der Mindestlohn, verdienen Deutschlands Abgeordnete noch mehr
    Der gesetzliche Mindestlohn soll 2015 greifen. Davon könnten auch die Abgeordneten finanziell profitieren. Der Grund: Die Diäten werden künftig entsprechend der Lohnentwicklung steigen. Dieser Sondereffekt beschert den Parlamentariern unter Umständen ein ordentliches Diäten-Plus. […]
    Sie legen nahe, dass sich die turnusgemäße Diätenerhöhung im Jahr 2016 um mindestens 2,8 Prozentpunkte zusätzlich erhöhen wird, wenn vom 1. Januar 2015 an der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde greift. Das liegt daran, dass die Abgeordnetenbezüge künftig entsprechend der durchschnittlichen Lohnentwicklung aller Arbeitnehmer steigen sollen und diese statistische Größe wiederum auch vom Mindestlohn beeinflusst wird.
    Quelle: Focus

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Anscheinend ist kein “Argument” zu blöde, um nicht gegen den Mindestlohn ins Feld geführt zu werden.
    Im Übrigen wäre es eine zusätzliche Erhöhung des Durchschnittslohns in Deutschland um 2,8 oder mehr Prozent äußerst wünschenswert und längst überfällig; leider ist zu befürchten, daß die Erhöhung deutlich niedriger ausfällt.

  8. Barking vs. Biting: Understanding the German Constitutional Court’s OMT reference … and its implications for EU Reform
    In short, even if the CJEU does not agree with the GFCC’s limiting interpretation of the OMT program (in para. 4d), the Court says that the German government and parliament will nevertheless be under a duty to “legitimise the assumption of powers” claimed by the ECB and ratified by the CJEU. Or, if “this is not feasible or wanted,” then they must “pursue [a] reversal … with legal or political means” and “to take adequate precautions to ensure that the domestic effects remain as limited as possible.” Either way, the likely fall-out of Friday’s OMT reference is that the German government will find itself, whether it wanted to be or not, clearly aligned with the project of EU reform and treaty change.
    Quelle: eutopia law

    Anmerkung unseres Lesers E.J: M.E. der bislang fundierteste Kommentar zur Entscheidung des BVerfG über das OMT-Programm der EZB. Die sog. Vorlagefragen an den Europäischen Gerichtshof sind rethorisch, weil die gewünschte Antwort schon feststeht. Bejaht der EuGH nicht die erheblichen Einschränkungen, die das BVerfG verlangt, droht eine abweichende Entscheidung nur für Deutschland, mit der Verpflichtung für die deutsche Bundesregierung, entweder auf eine kompetenzerweiternde Änderung der EU-Verträge zu Gunsten der EZB hinzuwirken oder das OMT-Programm politisch und juristisch zu bekämpfen und seine Auswirkungen auf Deutschland möglichst zu begrenzen. Da ersteres einem politischen Wunder gleichkäme, bedeutet der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unter dem Strich eine erhebliche Verschärfung der politischen Auseinandersetzung über die Zukunft des Euro und Europas. Der Autor sieht das womöglich optimistischer: Hoffentlich behält er Recht.

  9. Paul Krugman: The Stimulus Tragedy – Die Tragödie des Stimulus-Pakets
    Fünf Jahre sind vergangen, seit Präsident Obama den American Recovery and Investment Act unterzeichnet hat – das „Stimulus-Paket“. Mit der Zeit ist deutlich geworden, dass das Gesetz sehr viel Gutes bewirkt hat. Es hat dazu beigetragen, dem wirtschaftlichen Absturz ein Ende zu bereiten; Millionen Jobs hat es geschaffen oder erhalten; Und es hat uns ein bedeutendes Vermächtnis öffentlicher und privater Investitionen hinterlassen.
    Gleichzeitig war es politisch ein Desaster. Und eine Folge dieses politischen Desasters – die Meinung nämlich, das Stimulus-Paket sei ein Fehlschlag gewesen – hängt der Wirtschaftspolitik immer noch an.
    Beginnen wir mit den positiven Auswirkungen des Stimulus-Pakets.
    Quelle: New York Times
  10. Abbruch der Gespräche: Islands Regierung verzichtet auf EU-Beitritt
    Island in der EU? Nein, danke! Die Regierung in Reykjavík hat die Beitrittsverhandlungen ausgesetzt und will die Kandidatur des Inselstaats zurückziehen. Die Bewohner des Landes würden darüber am liebsten in einem Referendum abstimmen.
    Quelle: SPIEGEL Online
  11. Flughafen-Streik: Von 16 Euro die Stunde können andere Berufe nur träumen
    Mit Warnstreiks legen die Sicherheitsleute heute den Frankfurter Flughafen lahm. Ver.di fordert eine Lohnerhöhung von 37 Prozent – auf bis zu 16 Euro pro Stunde. Davon können andere Branchen nur träumen.
    Die Lohn-Forderungen der Gewerkschaft Ver.di für das Sicherheitspersonal am Frankfurter Flughafen stellt dürften vielen Arbeitnehmern happig erscheinen: Ein Plus von 37 Prozent, ein Sprung von 11,70 Euro auf 16 Euro. Das ist fast doppelt so viel, wie der geplante bundesweite Mindestlohn.
    11,70 Euro sind für viele Angestellte eine fürstliche Summe, zumal die sogenannten Luftsicherheitsassistenten, die die Fluggäste vor dem Gate kontrollieren, keine berufsbezogene Ausbildung absolvieren müssen. Das Luftsicherheitsgesetz schreibt lediglich mehrere Fortbildungen vor. Ein Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport erklärt, generell könne eine solche Stelle jeder bekommen, der vorher bewiesen habe, dass er zuverlässig und dem Arbeitsalltag gewachsen ist – zum Beispiel durch eine Berufsausbildung oder mehrjährige Berufserfahrung.
    Quelle: Focus

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Hetze gegen Gewerkschaften und Lohnforderungen wird hier in einer Art “Neiddiskussion” gegen an angefacht: nur weil schon so viele Menschen im unterbezahlt im Niedriglohnsektor arbeiten, sollen es auch alle anderen tun?)Was wäre denn der gerechte Lohn für einen FOCUS-Propaganda-Schreiber, der wohl weniger durch eine “berufsbezogene Qualifikation” als durch seine arbeitgeberfreundliche Haltung brilliert?
    Besonders asozial ist der Satz …
    “11,70 Euro sind für viele Angestellte eine fürstliche Summe, zumal die sogenannten Luftsicherheitsassistenten, die die Fluggäste vor dem Gate kontrollieren, keine berufsbezogene Ausbildung absolvieren müssen.”
    … 11,70 Euro – im Schichtdienst!! -, mit denen man z. B. in einer teuren Stadt wie Frankfurt gerade so über die Runden kommt, sind wohl für niemanden ein “fürstliches” Gehalt – und außerdem ist der Beruf des Flugsicherheitskontrolleurs verantwortungsvoll und wichtig. Lächerlich wird die FOCUS-“Argumentation”, wenn erwähnt wird, daß die Luftsicherheitsassistenten sehr wohl eine Berufsausbildung und/oder in mehrjähriger Berufserfahrung ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben müssen, die Voraussetzungen für den Beruf also keinesfalls nahe Null sind.

  12. Jobcenter der Zukunft
    Entwicklungsnotwendigkeiten der Jobcenter aus Sicht der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer. Stellungnahme des Bundesnetzwerks Jobcenter
    Wichtig ist auch zu erkennen, dass die Arbeit in Jobcentern außerordentlich anspruchsvoll und fordernd ist. Nur besonders qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Aufgaben des SGB II gut und rechtssicher erfüllen. Das erfordert gute Ausbildung, eine leistungsgerechte Vergütung und vor allem langfristige Entwicklungsperspektiven für die Betroffenen. Fehlt es daran, werden die Jobcenter schnell zu „Durchlauferhitzern“ mit hohen Fluktuationsquoten, zunehmend demotiviertem Personal, nachlassender Dienstleistungsqualität, schlechtem Image und entsprechend geringer Attraktivität für leistungsfähige und leistungsbereite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dadurch kann ein Teufelskreis von schlechten Arbeitsbedingungen, sinkender Leistungsfähigkeit und schlechtem Ansehen entstehen, der zu einer massiven Destabilisierung des Systems insgesamt führt. Solche Entwicklung führen nicht zu einem neuen Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau, sondern es entsteht ein Abwärtssog, in den alle hineingerissen werden – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kunden und nicht zuletzt auch die Träger der Grundsicherung, die bei einer sinkenden Effizienz des Systems u.a. steigende Finanzierungslasten tragen müssen. Qualitativ gut ausgestatte Jobcenter sind kein Luxus, den man sich nur bei guter Haushaltslage leisten mag, sondern geradezu die Voraussetzung für die Verhinderung eines unkontrollierten Ausgabenwachstums im Bereich der sozialen
    Sicherung.
    Quelle: Harald Thomé [PDF – 183 KB]

    Anmerkung C.R.: An vieles haben die Jobcenter-Geschäftsführer gedacht. Einen ganz wesentlichen Umstand zur Verbesserung der Situation von Erwerbslosen und Jobcenter-Mitarbeiterschaft haben sie (Absicht oder Zufall?) jedoch nicht einmal erwähnt:
    Die Anzahl der offenen (Ausbildungs-)Stellen in Relation zur Bewerberzahl;
    3.178.501 Bewerberprofile sowie 719.518 Stellen und 268.861 Ausbildungsstellen (Stand 21.02.2014; aus: arbeitsagentur.de).

  13. Rechtsfreier Raum
    Bundesregierung berät über Hartz-IV-Verschärfungen. Sozialrechtler fordert Opposition und Verbände zur Gegenwehr auf
    Massenhaft fehlerhafte Bescheide und juristische Marathonkämpfe um lebensnotwendige Kleinstbeträge: Hartz IV bleibt ein Rechtsdesaster. Derweil sich die Bundestagsabgeordneten am Freitag eine Diätenerhöhung um 830 auf 9082 Euro pro Monat genehmigten, bereitet die Regierung weitere Härten für Bezieher von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung vor (jW berichtete). 24 von 120 Änderungsvorschlägen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter dem Titel »Rechtsvereinfachungen im Zweiten Sozialgesetzbuch« fanden am Mittwoch bei einem ersten »Fachgespräch« im Bundestag bereits Anklang. Der Referent für Erwerbslosen- und Sozialrecht, Harald Thomé, rechnet damit, daß die Gesetzesnovelle im Herbst beschlossen wird. Er hat die »bejubelten« Punkte geprüft, das Ergebnis sei »erschreckend«.
    Quelle: junge Welt

    Passend dazu: Unter dem Begriff „Rechtsvereinfachung“ werden eine Vielzahl von SGB II-Änderungen und Verschärfungen diskutiert, dazu eine Stellungnahme von Harald Thomé zu den Konsenspunkten der AG
    Im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe werden derzeit SGB II Gesetzesänderungen vorbereitet. Insgesamt gibt es 120 Vorschläge zur Änderung, bei bisher 24 Vorschlägen hat sich ein Konsens aller Beteiligten rausgebildet. Im Rahmen eines Fachgespräches im Bundestag vom 19. Feb. habe ich dazu ein Papier geschrieben in dem ich diese Rechtsänderungen mal einer genaueren Prüfung unterzogen habe, was das für Folgen für die Leistungsberechtigten hat.
    Das Ergebnis ist erschreckend, unter dem verharmlosenden Titel der „Rechtsvereinfachung“ soll das SGB II-Recht deutlich verschärft werden und zunehmend ein Hart IV-Sonderrecht etabliert werden.
    Die Jobcenter entwickeln sic zunehmend zu Sonderrechtszonen und zu „Gefahrenzonen“ für Erwerbslose. Es wird Zeit sich dieser Entwicklung entgegenzustellen und jetzt die öffentliche Debatte über die SGB II – Gesetzesänderungen zu beginnen. Das bedeutet Kritik an den Überlegungen, aber auch Einbringen von eigenen Forderungen. Ich möchte die Verbände und Aktiven zur Aufnahme der Debatte aufrufen und ermutigen. Nach gut Informierten Kreisen sollen die SGB II-Änderungen Richtung Herbst durchgeführt werden.
    Meine Stellungnahme gibt es hier [PDF – 177 KB].
    Hier noch der Zwischenbericht: ASMK – AG, auf den sich meine Stellungnahme bezieht [PDF – 429 KB].
    Quelle: Tacheles e.V.

    Anmerkung C.R.: Die Thomé-Newsletter enthalten viele interessante Hinweise und Informationen, die auch für Nicht-Erwerbslose durchaus von Interesse sein können.

  14. Stuttgart 21: Deutschlandradio manipuliert bei Berichterstattung zur Bürgerbewegung
    Im Länderreport von Deutschlandradio Kultur gab es gestern, am 21.02.2014 einen Bericht, der sich mit der Bürgerbewegung gegen Stuttgart21 beschäftigte. Michael Brandt berichtet darin vom Ausstieg der Grünen, des VCD, des BUND und von ProBahn aus dem Aktionsbündnis und analysiert die Veränderung innerhalb des Protests gegen Stuttgart 21. Doch leider geriet der Bericht äußerst einseitig und sollte ganz offensichtlich dem Zuhörer suggerieren, dass die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 sich »radikalisiere« und ihr Ende gekommen sei. Um diesen Eindruck zu untermauern, schreckte der öffentlich-rechtliche Sender selbst vor offensichtlicher und sehr dreister Manipulation von O-Tönen nicht zurück. (Ein Kommentar von Zwuckelmann.) (…)
    Der unwissende Zuhörer gewinnt also abermals den Eindruck, dass die Tausend Montagsdemonstranten inzwischen ein radikaler, verbohrter Haufen geworden wären, die vor vernünftigen, gemäßigten Gegnern keinen Respekt mehr hätten. Selbst ihre eigenen Leute brüllten sie inzwischen nieder. Doch hier manipuliert das Deutschlandradio in einer Art und Weise, wie man es ihm nicht zugetraut hätte. Denn die eingespielten Lügenpack-Rufe (hier ab Minute 13:50) gab es bei dieser 208. Montagsdemo, auf der Peter Conradi seit langem einmal wieder aufgetreten ist und auf die sich die Zitate beziehen, gar nicht. Das heißt, die Radioredakteure haben von einer anderen Montagsdemo die Aufzeichnungen der Lügenpack-Rufe, die in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden sein müssen, in diesen Bericht montiert, um bewusst falsche Aussagen mit O-Tönen zu untermauern. Dieses Vorgehen kann man nicht anders als Betrug und bewusste Täuschung nennen. Wer sich davon überzeugen mag, dass es keinerlei Lügenpack-Rufe gab, sondern im Gegenteil großen Applaus, sehe sich die Rede von Peter Conradi auf der 208. Montagsdemo hier an.
    Am Schluss kann man sich nur fragen, was Brandt mit diesem Beitrag bezweckt. Denn er sagt selbst, dass sich alle Befürchtungen der Gegner bewahrheitet hätten: der Kostendeckel sei gesprengt, der ursprüngliche Zeitplan sei deutlich verschoben, das Mineralwasser bereite der Bahn doch größere Probleme, die Leistungsfähigkeit würde zunehmend in Frage gestellt. Damit zeigt Brandt doch gerade, dass es Gründe genug gibt, auch heute noch gegen Stuttgart 21 zu protestieren. Aber anstatt sich über so unerschrockenes bürgerschaftliches Engagement zu freuen und alles dafür zu tun, dass die Lügen der Bahn weiterhin an die Öffentlichkeit kommen, kompromittiert er den Protest und schreckt dabei sogar vor dreister Manipulation nicht zurück.
    Quelle: cams21
  15. Kontrolle nach Hautfarbe – Wie der Staat Minderheiten schikaniert
    Georg Restle: „Stellen Sie sich vor, Sie müssten bei jeder Zugfahrt und bei jedem Gang durch einen Bahnhof damit rechnen, von der Polizei angehalten, an die Wand gestellt und durchsucht zu werden, als seien Sie ein Schwerverbrecher. Wenn Sie das für absurd halten, dann wahrscheinlich nur deshalb, weil Sie weiß sind und wie ein Mitteleuropäer aussehen. Ansonsten droht Ihnen nämlich genau das: Immer wieder Kontrollen und peinlichste Befragungen – und das mitten in der Öffentlichkeit. Racial profiling nennt sich das, anders gesagt: polizeilicher Rassismus. Und der ist alles andere als ein Hirngespinst, wie Ihnen jetzt Peter Onneken und Isabel Schayani zeigen.“
    Kontrolliert, manchmal sogar an die Wand gestellt. Ohne Verdacht. Das kennen die meisten Deutschen nicht. Passiert aber jeden Tag tausendfach in Deutschland – nur eben so gut wie keinem Weißen.
    Quelle: Das Erste.de

    Anmerkung C.R.: Alltägliche Diskriminierung und Rassismus erleben zu viele Menschen auch in zahlreichen anderen Lebensbereichen: Zum Beispiel bei Ausländerbehörden, auf dem Wohnungsmarkt und wenn es um das Erhalten von Sozialleistungen geht.

    Passend dazu: Urteil des Bundesgerichts: “Drecksasylant” ist für Schweizer Richter keine Rassendiskriminierung
    Die Ausdrücke “Sauausländer” und “Drecksasylant” sind nicht diskriminierend – so hat das Schweizer Bundesgericht in Lausanne geurteilt. Die Richter gaben damit einem Polizisten recht, der einen algerischen Asylbewerber beschimpft hatte. (…)
    Aufgrund dieser Äußerungen wurde der Polizist von der Basler Justiz wegen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Mann wehrte sich gegen diesen Schuldspruch. Nun hat das Schweizer Bundesgericht in Lausanne geurteilt, dass die genannten Ausdrücke nicht diskriminierend seien, sondern nur eine Beschimpfung darstellten. (…)
    Die “Neue Zürcher Zeitung” schlussfolgert: “Wer einen dunkelhäutigen Mann als ‘schwarze Sau’ tituliert, begeht demnach einen rassistischen Angriff, wer denselben Mann als ‘Drecksnigerianer’ bezeichnet, nicht.”
    Außerdem urteilte das Gericht in Lausanne, dass Begriffe wie “Sau” oder “Dreck” im deutschen Sprachraum seit jeher häufig verwendet würden, um jemanden zu beleidigen. Sie würden daher als bloße Beschimpfung, nicht aber als Angriff auf die Menschenwürde empfunden.
    Die Entscheidung des Bundesgerichts dürfte die Diskussion über die Behandlung von Ausländern in der Schweiz weiter anheizen. Das Land war international in die Kritik geraten, nachdem sich die Wähler in einem Referendum mehrheitlich dafür aussprachen, die Einwanderung aus dem EU-Ausland zu begrenzen.
    Quelle: Spiegel Online

  16. Erklärung des BdWi zum aktuellen Richtungskampf um die Hochschulreform
    Derzeit ist ein heftiger, bundesweit mit großer Lautstärke geführter Streit um einige Landeshochschulgesetznovellen entbrannt. Diese Novellen sind vom verbalen politischen Anspruch getragen, alternative Entwicklungswege zur “unternehmerischen Hochschule”, die sich etappenweise seit Ende der 90er Jahre als hochschulpolitisches Leitbild in den meisten Bundesländern durchgesetzt hat, zumindest zu probieren. Die Gegner dieser Initiativen bestimmen derzeit die mediale Öffentlichkeit in ihren Versuchen, dieses der Betriebswirtschaftslehre entstammende Leitbild verbissen zu verteidigen. Das Ganze hat Formen eines Glaubenskrieges angenommen. Zugleich zeigen die Inkonsequenzen der vorliegenden Novellen auch: Die unternehmerische Hochschule lässt sich nicht halb abschaffen, sondern nur vollständig. Das gelingt nicht, wenn man ihre zentralen autokratischen Strukturen weitgehend unangetastet lässt, indem man ihnen lediglich etwas staatlichen Dirigismus beimengt sowie ein wenig Mitbestimmung zulässt, ohne die akademische Selbstverwaltung und Gruppenvertretung gegenüber Hochschulleitung und Hochschulrat substantiell zu stärken. Das sind die wesentlichen Mängel etwa des Referentenentwurfes zum Hochschulzukunftsgesetz (HZG) in Nordrhein-Westfalen.
    Auseinandersetzungen wie diese prägen derzeit eine ganze Reihe von Bundesländern. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die hegemoniale Vormachtstellung des Prinzips unternehmerische Hochschule ideologisch erschöpft ist, in einer spezifischen politischen Gemengelage, dessen Grundlagen aber weiterhin die praktische Gestaltung von Hochschulgesetzentwürfen bestimmen können.
    Quelle: Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)


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