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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 7. März 2014 um 9:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ukraine
  2. Professor Bernd Lucke und die Europhobie (Teil 2)
  3. Gekommen, um Mut zu machen
  4. Kritische Lage der Gemeinschaftswährung: Einstimmen auf “après l’Euro”
  5. IG-Metall-Chef Detlef Wetzel: „Freihandelsabkommen sofort stoppen“
  6. Paul Krugman: The Inflation Obsession – Die Inflationsbesessenheit
  7. Schuldenexporteur Deutschland
  8. Bund will Zuschuss kürzen – Weniger Geld für die Krankenkassen
  9. Armut ist nicht gottgegeben
  10. Kommunales Eigentum: 42 Milliarden Euro Substanzverlust seit 2003 – Investitionsrückstand allein 2013 um 4,5 Milliarden gewachsen
  11. Schmiergeldzahlungen bei Rüstungsdeals – Mit die Hand aufgehalten
  12. Es gibt ein Rassismusproblem
  13. NRW-Hochschulgesetz: An die Leine genommen
  14. Wissen(schaft) ist Macht
  15. Bürger fordern transparente Politik
  16. Heikle Praktika

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ukraine
    1. Krim-Referendum vorverlegt – Kiew will die Krim-Regierung absetzen
      Ürsprünglich hatte das Krim-Parlament beschlossen, die Abstimmung der Krim-Bewohner parallel zur Präsidentschaftswahl am 25. Mai zu organisieren. Letzte Woche, am 1. März wurden das geplante Referendum auf 30. März vorverlegt. Die nun erneute Vorverlegung auf 16. März spielt den pro-russischen Kräften auf der Krim in die Hände.
      Die neue ukrainische Staatsführung ergreift Maßnahmen zur Auflösung des regionalen Parlaments auf der Halbinsel Krim. Ein entsprechendes Verfahren werde vom Parlament in Kiew eingeleitet, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Donnerstag in einer Fernsehansprache.
      Die EU hält das vom Krim-Parlament angesetzte Referendum über einen Beitritt der Halbinsel zu Russland für “illegal”, wie Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Sondergipfel in Brüssel mitteilte. Merkel sagte am Donnerstagabend, die geplante Volksabstimmung sei “nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar”.
      Quelle: Format.at

      Anmerkung WL: Formal haben Merkel und Obama Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass ein nur auf die die autonome Republik Krim bezogene Volksabstimmung gegen die ukrainische Verfassung verstößt. Danach sind solche Referenden, die das Staatsgebiet betreffen nur in der gesamten Ukraine zulässig. Sie müssen sich allerdings auch fragen lassen, ob die „Übergangsregierung“ in der Ukraine, mit der die EU und die USA offenbar ganz selbstverständlich zusammenarbeiten, legal an die Macht gekommen ist. Entsprach die Absetzung des Präsidenten Janukowisch dem in der geltenden Verfassung dafür vorgesehenen Verfahren?

    2. Münchhausen-Check: Putin und der legitime Präsident der Ukraine
      Der einzig legitime Präsident der Ukraine “ist juristisch gesehen zweifelsohne Janukowitsch”, sagt Russlands Staatschef Wladimir Putin. Die SPIEGEL-Dokumentation macht den Faktencheck: Hat Putin “juristisch gesehen” recht? […]
      Die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach Artikel 111 sind gegeben, wenn ein Fall von “Hochverrat” oder eines anderen Verbrechens vorliegt. Dann muss auf Antrag des Parlaments eine Untersuchungskommission gebildet und auch das Verfassungsgericht zur Prüfung eingeschaltet werden. Erst wenn solche Prüfverfahren die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung als gegeben erachten, kann die Rada mit einer Dreiviertelmehrheit den Präsidenten seines Amtes entheben.
      Doch solch ein Amtsenthebungsverfahren nach Artikel 111 gab es am Samstag, 22. Februar, nicht. So beruft sich die Resolution der Rada vom 23. Februar auch nicht auf Artikel 111, sondern auf Artikel 112. Dieser aber besagt lediglich, dass im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Präsidentschaft nach Gründen der Artikel 108 bis 111 (Tod, Rücktritt, Krankheit, Amtsenthebung) die Amtsbefugnisse bis zur Wahl eines neuen Präsidenten auf den Vorsitzenden des Parlaments übergehen.
      Der in der Resolution genannte Amtsenthebungsgrund, nämlich der, dass sich Janukowitsch von der Ausübung der Macht “selbst zurückgezogen” habe, aber ist in den hier einschlägigen Artikeln 108 bis 111 der Verfassung nicht enthalten. […]
      Fazit: Betrachtet man den Präsidentschaftswechsel in der Ukraine “rein juristisch”, hat Putin recht. Eine andere Frage ist, inwieweit diese Sicht in revolutionären Zeiten politisch maßgeblich ist – und es ist eine noch andere, ob Putin einen glaubwürdigen Anwalt des Rechtsstaats abgibt.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JB: Zum Fazit von SPON: Wer sich die Pressekonferenz von Putin einmal anschaut, wird man feststellen (ab 7:50), dass Putin mehrfach explizit erwähnt, dass er ausschließlich juristisch argumentiert. Dass dabei die „normative Kraft des Fakitischen“ keine Rolle spielen kann, ist klar.

      Vollständige Pressekonferenz zur Ukraine des russischen Präsidenten in Video mit deutscher Übersetzung:


      Quelle: RT via YouTube

    3. Gouverneure: Timoschenkos Leute sind entweder Oligarchen – oder Faschisten
      Bei der Besetzung der Regionalverwaltungen – noch deutlicher als bei der Regierungsbildung – macht die Vaterlandspartei von Deutschlands Lieblingsoligarchin ganze Arbeit: 10 von 21 Chefs darf Svoboda, die Bruderpartei der NPD stellen, und auch 2 der reichsten sehr ehrenwerten Kollegen der Gasprinzessin werden Gouverneur. Diejenigen, die tatsächlich wegen demokratischer Anliegen auf dem Maidan waren sehen nun ihre Erwartungen…sagen wir mal: Unerfüllt.
      Quelle: ND
    4. Putin, Hitler und die Clinton
      Im Zuge der Krim-Krise hat die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton den russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Nähe von Adolf Hitler gerückt. Nach diesem Paukenschlag relativiert die mögliche US-Präsidentschaftskandidatin ihre Aussagen – und rät dennoch, aus der Geschichte zu lernen.
      Das soll sie dem Zeitungsbericht (hier der Originalartikel) zufolge mit folgenden Worten gemacht haben: “Wenn einem das bekannt vorkommt, es ist das, was Hitler damals in den 30er Jahren tat. Hitler sagte stets, die ethnischen Deutschen, die Deutschen per Abstammung, die in Gebieten wie der Tschechoslowakei oder Rumänien waren, werden nicht richtig behandelt. Ich muss mein Volk beschützen.”
      Quelle: SZ

      Dazu: Litauens Präsidentin vergleicht Putin mit Stalin
      “Ich sehe nicht nur die Rückkehr des Sowjetstils, sondern sogar des Stalin-Stils.“ …
      Sie verwies darauf, dass die Sowjetunion vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in andere Länder mit dem Argument einmarschiert sei, es gelte ihre Staatsbürger dort zu schützen. “Die Sprache, die Rhetorik und das Verhalten waren damals nahezu identisch mit heute“, sagte die Politikerin…
      Grybauskaite forderte eine “stärker sichtbare Militärpräsenz“ der Nato in der Region – “nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Baltikum“.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung WL: An Clintons Verweis auf Hitler und an Grybauskaites Vergleich mit Stalin kann man ablesen, wie primitiv und zugleich agitatorisch westliche Politiker die Krise in der Ukraine betrachten und welches Freund-Feindschema hier aufgebaut werden soll. Hier werden Aggressionen geschürt, die irrationaler sind als im „Kalten Krieg“.

    5. Julia Timoschenko und Vitali Klitschko heute zusammen am Spitzentreffen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in Dublin.

      Julia Timoschenko und Vitali Klitschko

      Quelle: Blick.ch

      Anmerkung JB: Warum muss ich bei diesem Bild nur immer an Hänsel und Gretel denken?

    6. Ukraine-Konflikt: Wir sind die Guten
      „Auf nach Kiew“, „Der Westen muss Putin Grenzen setzen“, „Appeasement hilft nicht weiter“: In deutschen Zeitungen wird wieder gehetzt. Die großen Medien hierzulande ergreifen Partei – und zwar von seltenen Ausnahmen abgesehen dieselbe. Viele Journalisten scheinen mental unfähig zu professioneller Neutralität. Sie denken in Schemen von Freund und Feind, von Wir und Die, von Schwarz und Weiß. Viele Journalisten glauben selbst so sehr an ihre verzerrten Darstellungen, dass sie wichtige Entwicklungen nicht verstehen. Die Berichte und Kommentare zum Konflikt in der Ukraine zeigen das überdeutlich.
      Quelle: NovoArgumente Online
  2. Professor Bernd Lucke und die Europhobie (Teil 2)
    Gegen eine Demokratisierung der Entscheidungen auf europäischer Ebene ist grundsätzlich nichts einzuwenden, sie wäre in vielerlei Hinsicht begrüßenswert. Nur fragen wir uns, was dabei herauskommt, wenn Politiker wie Bernd Lucke Einfluss erhielten, die sich als fachlich kompetent präsentieren und auch von manchen so wahrgenommen werden, obwohl sie sich, wie hier gezeigt, entweder nicht auskennen oder bewusst Vorurteile schüren und offenbar nichts Konkretes zur Lösung der Eurokrise beizutragen haben.
    Quelle: flassbeck-economics

    dazu: Professor Bernd Lucke und die Europhobie (Teil 1)

  3. Gekommen, um Mut zu machen
    Bundespräsident Gauck kommt mit vielen guten Worten nach Griechenland. Er will dem krisengeplagten Volk Mut machen, und er will Verantwortung für Naziverbrechen anerkennen. Das reicht den Gastgebern aber nicht. Sie wollen finanzielle Entschädigung.
    Es sollte kein ganz einfacher Besuch werden, das war dem Gast schon vor der Anreise klar. Ganz ohne kritische Worte, das wussten auch die Gastgeber, würde es nicht abgehen, wenn ein deutscher Präsident einen griechischen trifft. […]
    Mitten in der schwersten Krise der griechischen Nachkriegsgeschichte will Gauck dem überschuldeten Land Mut machen, den Reformprozess durchzuhalten. Die Emissäre der EU-Troika sind im Land, bald werden sie ihren Bericht vorlegen, ob Griechenlands Wirtschaft auf dem Weg der Besserung ist. Anzeichen gibt es, doch die Folgen des Sparkurses bleiben dramatisch.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Man muss schon weit nach unten scrollen, um den Bericht, der doch eigentlich brandaktuell ist und erst gestern Abend online gestellt wurde, überhaupt zu finden. Überschrift und Artikel passen auf den ersten Blick ganz gut zusammen. Aber vielleicht ist Constanze von Bullion während des Verfassens ihrer Zeilen dann irgendwann klar geworden, dass Vieles, was der Bundespräsident Gauck seinen Gastgebern zumutet, an Zynismus kaum noch zu überbieten ist. Mehr als 50 Prozent der jungen Menschen in Griechenland sind ohne Arbeit oder “wer mit einer Gehaltskürzung von einem Drittel davon kommt, ist ein Glückspilz!” kann man da lesen. Zahlen, die mal eben so hingeschrieben werden und die den Eindruck erwecken wollen, als sei die alltägliche griechische Katastrophe schon normal.
    Sind wir schon so abgestumpft, dass uns derartige Nachrichten kalt lassen? Oder sind wir einfach nur falsch informiert und von der Politik und den Medien manipuliert?

  4. Kritische Lage der Gemeinschaftswährung: Einstimmen auf “après l’Euro”
    Dem erleichterten Urteil, die Euro-Krise sei praktisch überwunden, stehen kritische Stimmen gegenüber. Mike Shedlock, Berater der Sitka Pacific Capital Management, erwähnt den wieder gestiegenen Anteil von Staatsanleihen in den Bankbilanzen, der bei steigenden Zinsen zum Problem werde. Das Freiburger Centrum für Europäische Politik weist auf Basis seines CEP-Default-Indexes warnend darauf hin, dass die Auslöser der Euro-Krise fortbestehen und die Erosion der Kreditfähigkeit von Euro-Staaten, auch nordischen, anhält. Angesichts der ungelösten Probleme bewertet Jean-Marc Vittori, Kommentator des französischen Wirtschaftsblattes «Les Echos», die Überlebenschancen des Euro auf unter 50%. Im Grunde sei nichts geregelt, die Euro-Zone bleibe gefangen im Teufelskreis zu hoher Schulden und zu geringen Wachstums. Gerettet worden seien die Banken und Unternehmen – auf Kosten der Bevölkerung, denn jeder achte Bewohner der Euro-Zone im arbeitsfähigen Alter sei arbeitslos. Die Skepsis gegenüber der EU und dem Euro wachse, wie beispielsweise Umfragen in Frankreich zeigten. Europa, gemeint ist die europapolitische Elite, habe sich gegen die Völker gestellt. Da die Chancen einer Vertiefung und Solidarisierung in der Union gering seien, bliebe keine andere Wahl, als die Euro-Zone zu demontieren und sich auf die Zeit nach dem Euro, auf «après l’Euro», einzustellen. Im Dezember sei das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Euro-Zone noch immer 3% niedriger als Anfang 2008 gewesen, betont Kevin Hjortshøj O’Rourke, Wirtschaftshistoriker an der Universität Oxford, im Magazin «Finance and Development» des Internationalen Währungsfonds IMF. In einigen Ländern sei der Einbruch noch deutlich heftiger ausgefallen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die NZZ gibt die Position des Wirtschaftshistorikers Kevin Hjortshøj O’Rourke nicht ganz korrekt wieder. O’Rourke empfiehlt nicht einfach den “Rückbau der Währungsunion”, sondern sieht durchaus als Alternative: “jump forward to a federal political Europe.” Die Abschaffung des Euro führe zweifellos zu einer großen Krise. Diese sei nicht wünschenswert. Welche Möglichkeit wir auch immer ergreifen würden, wir sollten es demokratisch tun und nicht länger warten. Auf den neuesten Stand bezüglich der griechischen Volkswirtschaft bringt Sie Yanis Varoufakis mit seinem Paper “What you should know about Greece’s present state of affairs – an update” [PDF – 1.1 MB]. Die erwähnte Lancet-Studie, “Greece’s health crisis: from austerity to denialism”, finden Sie hier [PDF – 290 KB].

  5. IG-Metall-Chef Detlef Wetzel: „Freihandelsabkommen sofort stoppen“
    Die genauen Inhalte werden von einer kleinen Gruppe im Hinterzimmer verhandelt. Deshalb wollen wir, dass dieses Thema endlich in einer breiten Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient. Die Diskussion ist weder so richtig in den Parteien angekommen, noch in den Gewerkschaften oder bei den Arbeitgebern. Zweitens halten wir das Abkommen für gefährlich: Es hat keinen erkennbaren Nutzen, würde aber viel Schaden anrichten. Die Verhandlungen müssen gestoppt werden…
    Solche Prognosen sind doch Kaffeesatzleserei. Kein Mensch kann aus den geplanten Maßnahmen exakte Wachstumsziffern über Jahrzehnte herausrechnen. Zumal bei der Bertelsmann-Studie unseriöserweise nur Zuwächse berechnet wurden, mögliche Negativeffekte aber nicht.
    Hinzu kommt, dass dem Freihandel schon früher enorme Wachstumswirkungen angedichtet wurden – gehalten hat er die Versprechen nie. Aber selbst wenn die Prognosen zuträfen – der Zuwachs wäre lächerlich gering.
    Quelle: FR
  6. Paul Krugman: The Inflation Obsession – Die Inflationsbesessenheit
    Egal, ob man in den letzten fünf Jahren CNBC verfolgt, die Meinungsseiten des Wall Street Journal gelesen, oder, na ja, prominenten konservativen Wirtschaftlern zugehört hat, immer herrschte da der Alarmzustand wegen der galoppierenden Inflation, die jetzt jeden Tag kommen könnte. Was sie nie tat.
    Woher diese Versessenheit auf die Inflation kommt? Zunächst einmal unterschieden die Inflationsbesessenen nicht zwischen grundlegender Inflation und kurzfristigen Schwankungen der Zahlen in den Schlagzeilen, die hauptsächlich auf den volatilen Energie- und Lebensmittelpreisen beruhen. Besonders die Benzinpreise haben jedes Jahr starken Einfluss auf die Inflation, und wenn die Preise an den Zapfsäulen steigen, gibt es immer wieder düstere Warnungen, aber solche Werte sagen ja nun gar nichts über eine künftige Inflation aus.
    Auch verstanden sie nicht, dass das Drucken von Geld in einer Wirtschaftsflaute nicht inflationär ist. Das hätte ich ihnen sagen können, was ich ja auch getan habe. Vielleicht war es ja sogar noch fast verständlich, dass sie das 2008 oder Anfang 2009 nicht einsehen konnten.
    Nun ist es aber so, dass die Inflationsbesessenheit immer weiter ging, Jahr für Jahr, sogar dann noch, als die Geschehnisse die angeblichen Rechtfertigungen widerlegten. Und das zeigt doch, dass es sich hier um mehr als nur schlechte Analyse handelt. Ganz grundsätzlich geht es hier um Politik.
    Ziemlich deutlich wird das, wenn man sich ansieht, wer diese Inflationsbesesssenen sind. Es gibt zwar ein paar Konservative, die glauben, die Fed solle mehr und nicht weniger tun, aber die haben nur wenig oder gar keinen wirklichen Einfluss. Im Großen und Ganzen haben wir die Situation, dass die Mehrheit der Konservativen inflationsbesessen ist, und dass fast alle Inflationsbesessenen konservativ sind.
    Warum das so ist?
    Quelle: New York Times
  7. Schuldenexporteur Deutschland
    Lange duldete der Handelsweltmeister keine Nestbeschmutzung. Unter Druck der EU ändert sich nun die Tonlage der Regierung in der Exportdebatte. Sie sollte mehr tun, damit sich Deutsche öfter Autos von den Franzosen oder Urlaub bei den Griechen leisten können – und nicht nur deren Schulden in die Höhe treiben.
    Jedes Jahr im Februar sorgt eine Meldung aus Wiesbaden unter Deutschlands Spitzenpolitikern und Großkommentatoren für erste zarte Frühlingsgefühle. Das Statistische Bundesamt gibt dann bekannt, wie viele Waren und Dienstleistungen deutsche Unternehmen und Bürger im Jahr zuvor im Ausland ver- und gekauft haben. Ist nichts Größeres schiefgelaufen, erklingt der immer gleiche Jubelruf: Deutschland ist Handelsweltmeister!
    Handelsweltmeister. Das klingt wie Fußballweltmeister, wie Eurovisionssieger, das ist Balsam für die Seele eines Landes, das sein politisches Selbstbewusstsein immer noch überwiegend aus seiner schieren ökonomischen Wucht bezieht. Kein Wunder also, dass jede Kritik an dem enormen Missverhältnis zwischen deutschen Im- und Exporten, wie sie etwa die EU-Kommission nun übt, beinahe hysterisch als Neid, Gemeinheit oder Nestbeschmutzung gegeißelt wird.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Noch vor ein paar Monaten wäre die Schlagzeile “Schuldenexporteuer Deutschland” undenkbar gewesen. Setzt etwa tatsächlich ein Umdenken ein? Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Daher wird am Ende des Artikels in einem Satz auch sicherheitshalber gleich darauf hingewiesen, dass die vorzeitige Rente natürlich fehl am Platz ist.

  8. Bund will Zuschuss kürzen – Weniger Geld für die Krankenkassen
    Der Bund will im Jahr 2015 seine Zahlungen an die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) kürzen. Das hat das Gesundheitsministerium bestätigt. Statt der im Gesetz festgeschriebenen 14 Milliarden Euro werden 2015 nur 11,5 Milliarden Euro als Bundeszuschuss dem Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt…
    Die Politik hatte den Bundeszuschuss eingeführt, um die versicherungsfremden Leistungen, wie die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten, stärker über Steuermittel zu finanzieren. Gesundheitsminister Hermann Gröhe versichert, dass die Zahlungen ab 2017 zurückfließen werden, da er mit Finanzminister Wolfgang Schäuble eine Erhöhung des Bundeszuschusses auf 14,5 Milliarden Euro ab 2017 verabredet habe.
    Schäuble will mit der Kürzung erreichen, für 2015 einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen zu können. Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben derzeit eine Liquiditätsreserve von 30 Milliarden Euro.
    “Dies ist ein sehr solides Polster”, bestätigt der Gesundheitsminister. Man könne sich deshalb leisten, zur Haushaltskonsolidierung beizutragen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung WL: „Man“ könne es sich leisten, zur Haushaltskonsolidierung beizutragen. Diese oder dieser „man“ sind niemand anders als die gesetzliche Krankenversicherten. In den Koalitionsverhandlungen schloss die CDU eine Steuererhöhung für Besserverdienende kategorisch aus, aber den gesetzlich Krankenversicherten darf in die Tasche gegriffen werden, um versicherungsfremde Leistungen – also z.B. Mitversicherung von Kindern oder Mutterschaftsgeld, d.h. Leistungen für die Allgemeinheit – zu finanzieren. Siehe die Kritik des „Paritätischen Gesamtverbandes“, des DGB.

  9. Armut ist nicht gottgegeben
    Der Staat hat verlernt, dass Not nicht einfach nur arm, sondern auch leistungswillig machen kann. Der Staat hat verlernt, dass er nicht der mildtätige Vater ist, sondern der Helfer derer, die den Aufstieg aus eigener Kraft trotz allen Bemühens nicht schaffen. Dieser Staat will allen helfen, und er wird Deutschland deshalb allmählich in ein industrielles Ostelbien verwandeln – ein Land, das stabil ist, aber nicht mehr kreativ; ein Land, das nicht gottergeben ist, wohl aber schicksalsergeben.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.S.: Es handelt sich hier um ein Paradebeispiel einer falschen, rechtsreaktionären Gesellschaftsanalyse.
    Krauel behauptet, dass sozusagen der gesellschaftliche Flaschenhals, der verhindert, dass es den Menschen, insbesondere den Armen, besser geht, die Faulheit und moralische Verdorbenheit der Armen selber ist.
    Er bietet ein Beispiel für Arme aus der Unterschicht, die es nach oben geschafft haben und sich vor anderen durch diesen Flaschenhals gezwungen haben. Auf die Idee, dass dafür andere Menschen auf dieser Passage scheitern mussten, kommt er nicht. Flaschenhälse haben es nun einmal so an sich, den Durchlass zu limitieren.
    Aber die gesellschaftliche Wahrheit ist eine ganz andere: Der wirkliche Flaschenhals in unserer Gesellschaft befindet sich in den Köpfen der Machteliten mit ihrem beschränkt betriebswirtschaftlichen Denken.
    Die Manager führen keine Investitionen mehr durch, da diese aus ihrer individuellen Perspektive nicht vorteilhaft erscheinen. Politiker sparen. Die Führungsriege in allen Positionen hält sich mit Ausgaben zurück um dadurch die individuelle Position dem Nachbarn gegenüber zu verbessern, aber die allgemeine Sparsamkeit in der Gesellschaft, macht die Gesellschaft kaputt und lässt sie verarmen.
    In Wahrheit muss nicht gespart werden und es gibt den Flaschenhals des knappen Geldkapitals gar nicht. Der Autor macht sich darüber lustig, dass Geld ja nicht vom Himmel falle. In Wirklichkeit ist die Vorstellung von vom Himmel fallendem Geld aber richtiger als die einer durch den Staat determinierten Geldmenge. Auch gibt es fast unendliche Geldmengen auf den Konten der Reichen.
    Auch auf dem Bereich des Realkapitals gibt es nur sehr wenige wirkliche Knappheiten. Letztendlich sind alle Maschinen aus „Dreck“ gemacht und Dreck gibt es nun einmal wie Sand am Meer. Ausnahme sind hier vielleicht die seltenen Erden und in Zukunft auch fossile Energieträger. So bedürfte es gerade auf diesem Gebieten beherzter Zukunftsinvestitionen, die aber im allgemeinen Sparwahnsinn unter die Räder kommen.
    Bedingt werden die ausbleibenden Investitionen durch unzureichenden Konsum und mangelnde Nachfrage. Die sich immer weiter auftuende Schere zwischen Arm und Reich sorgt dafür, dass die Produkte in den Schaufenstern liegen bleiben und sich Investitionen für Unternehmen gar nicht mehr lohnen.
    Es gibt bei unseren Eliten einen tief verwurzelten Glauben, dass die Bevölkerung geschunden und geknechtet werden muss und Schmerzen erleiden muss, damit es wieder aufwärts gehen kann.
    Gespeist wird dieser Glauben aus der Überzeugung der eigenen Überlegenheit, der keine Zweifel daran aufkommen lässt, dass die eigene Position auch durch Zufall oder anfänglich glückliche Umstände erreicht worden sein könnte.
    Manchmal gewinnt man den Eindruck, diese Menschen wollten die gesamte Gesellschaft in einen großen Zirkus Maximus umwandeln.
    Überleben und sich durchsetzen werden dann nur die Besten (oder Brutalsten) und der soziale Überlebenskampf der unteren Schichten dient nur der Selbstbestätigung der Herrschenden.
    Und vielleicht auch zu deren Belustigung?

  10. Kommunales Eigentum: 42 Milliarden Euro Substanzverlust seit 2003 – Investitionsrückstand allein 2013 um 4,5 Milliarden gewachsen
    Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben auch 2013 wieder massiv von ihrer Substanz gezehrt. Die Abschreibungen auf kommunale Bauten, Infrastruktureinrichtungen, Maschinen und den sonstigen Kapitalstock lagen im vergangenen Jahr um knapp 4,5 Milliarden Euro höher als die Investitionen der Kommunen. Damit setzte sich der Wertverlust beim kommunalen Eigentum im 11. Jahr in Folge fort. Seit 2003 haben die Abschreibungen die Investitionen um insgesamt 42 Milliarden Euro übertroffen. Das zeigen neue Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
    “Viele Kommunen müssen offensichtlich weiter auf Verschleiß fahren, da gibt es keine Trendwende”, erklärt IMK-Forscherin Dr. Katja Rietzler. Die Expertin für öffentliche Finanzen hat die kommunale Abschreibungs- und Investitionsbilanz auf Basis der aktuellsten Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) kalkuliert. Ihr längerfristiger Vergleich zeigt: Der Wertverlust im vergangenen Jahr war der dritthöchste seit 2003. Die positive Entwicklung der Gemeindefinanzen – im vergangenen Jahr wiesen die deutschen Städte und Gemeinden in der VGR einen Einnahmeüberschuss von 3,5 Milliarden Euro aus – gebe offensichtlich nur einen Teil der Realität wieder, warnt die Forscherin: “Die Kommunen insgesamt haben nicht genug Spielraum, um auch nur die Abschreibungen auszugleichen. Gleichzeitig wissen wir, dass sich finanzstarke und finanzschwache Städte und Gemeinden immer weiter auseinanderentwickeln. In den ärmeren Kommunen dürfte der Investitionsrückstand also besonders drastisch wachsen.”
    Quelle: Pressemitteilung IMK auf idw
  11. Schmiergeldzahlungen bei Rüstungsdeals – Mit die Hand aufgehalten
    Es geht um Millionen: Deutsche Manager sollen sich nach SZ-Informationen an Schmiergeldzahlungen bei Rüstungsdeals in Griechenland bereichert haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Den korrupten Mitarbeitern droht Haft.
    Erst gab es Verhaftungen und Schmiergeld-Geständnisse in Griechenland, nun folgt ein Strafverfahren in Deutschland. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen frühere Manager des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und des Vorgängerunternehmens Wegmann wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Die Beschuldigten sollen beim 196 Millionen Euro teuren Verkauf von Panzerhaubitzen (PzH 2000) an den griechischen Staat nicht nur in Korruptionsdelikte verwickelt gewesen sein, sondern vor rund zehn Jahren auch noch persönlich die Hand aufgehalten haben. Der Verdacht der Strafverfolger: Ein erheblicher Teil des Geldes, das bei KMW für die Bestechung von Amtsträgern in Athen abgezweigt worden sei, soll als sogenanntes Kick-Back an Konzernmanager zurückgeflossen sein. Dem deutschen Fiskus soll das aber verschwiegen worden sein. Steuerhinterziehung kann mehr als zehn Jahre lang verfolgt werden, Korruption hingegen nur fünf Jahre.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  12. Es gibt ein Rassismusproblem
    Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnt vor zunehmender Hetze und Gewalt gegen Asylbewerber. “Ich fürchte, dass wir demnächst Wahlkämpfe auf dem Rücken von Flüchtlingen erleben”, sagte er am Mittwoch auf einem Pressetermin in Berlin. Thierse äußerte sich besorgt über vermehrte Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Politik müsse rechtsextreme Instrumentalisierungen von Bürgerängsten “klar ausgrenzen”. Zuvor hatte die taz über Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) berichtet, das im letzten Jahr 58 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zählte – mehr als eine Verdoppelung zum Vorjahr, als es noch 24 waren. Und es geht weiter: Laut der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) gab es in diesem Jahr bereits 24 Übergriffe, darunter 12 Brandstiftungen und 7 tätliche Attacken. “Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder Unterkünfte brennen”, warnte Timo Reinfrank von der AAS. – AAS und Pro Asyl wollen nun bundesweit 100.000 Broschüren verteilen, die Kommunen Argumente für die Aufnahme von Flüchtlingen liefern.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Jetzt müssen schon den “Kommunen Argumente für die Aufnahme von Flüchtlingen” geliefert werden. Als ob den Kommunen Argumente für Menschlichkeit abhanden gekommen wären. Im Übrigen sind Hetze und Gewalt gegenüber jedem Mitmenschen egal aus welchen Gründen zu verurteilen. – Die vom BKA genannten Zahlen dürften zu niedrig sein, da das BKA solche Attacken in einem definitorisch engem Rahmen bewertet. Das Internetportal „Monitoring Agitation Against Refugees in Germany“ zählt fast doppelt so viele Angriffe oder rassistische Aktionen gegen Asylbewerberheime als die offizielle BKA Statistik.

  13. NRW-Hochschulgesetz: An die Leine genommen
    Sie ist Wissenschaftsministerin in NRW und will Unis stärker kontrollieren. Er ist Präsident aller Rektoren – und will sich das nicht gefallen lassen. Ein Streitgespräch.
    DIE ZEIT: Frau Schulze, als Wissenschaftsministerin sollen Sie Forschung und Lehre fördern – stattdessen führen Sie mit den Hochschulen Krieg. Aus Ärger über Ihren Entwurf für ein neues Hochschulgesetz haben die Unis Ihnen die Zusammenarbeit aufgekündigt. Die Bildungsrepublik fragt sich: Was ist da los in Nordrhein-Westfalen?
    Svenja Schulze: Wir befinden uns in der Auseinandersetzung um ein Gesetz. Seit zweieinhalb Jahren reden wir mit allen Gruppen über die Veränderungen, die wir mit dem neuen Gesetz vornehmen müssen. Das ist ein normaler demokratischer Prozess – und kein Krieg…
    Schulze: Im Augenblick hat das Land so gut wie keinen Einfluss auf die Hochschulplanung. Als Ministerin muss ich aber an die Interessen des Landes denken. Ich kann es nicht jeder Hochschule überlassen, mit öffentlichem Geld ihre Interessen zu verfolgen. Als Land sind uns die Hände gebunden, wenn es etwa darum geht, die Vielfalt der kleinen Fächer zu erhalten. Wenn eine Universität beispielsweise beschließen würde, das einzige Studienangebot in den Agrarwissenschaften zu schließen, dann kann ich nichts machen. Das geht nicht.
    Hippler: Aber solche Pläne gibt es doch gar nicht!
    Schulze: Ein anderes Beispiel: Wir haben kaum Möglichkeiten, die Hochschulen dazu zu bewegen, neue Studienplätze in bestimmten Fächern zu schaffen. Nehmen Sie die Berufsschullehrer, die wir für unser duales System händeringend suchen. Für eine einzelne Hochschule besteht wenig Anreiz, sich darum besonders zu kümmern. Deshalb müssen wir die Ausbildung dieser Lehrer.
    Quelle: Die Zeit.de

    Anmerkung WL: Bitte lesen Sie sich dieses Streitgespräch einmal in Ruhe durch und prüfen Sie die sachliche Substanz der Argumente der Wissenschaftsministerin und des Vorsitzenden der Rektorenkonferenz. Hippler hat kein einziges sachliches Argument das tragen würde. Seine Einwände basieren durchgängig auf einem irrationalen (ideologischen) „Misstrauen“ gegenüber dem Staat und dem demokratischen Gesetzgeber. Der Vorsitzende der Rektoren reitet auf dem Kampfbegriff der „staatlichen Kontrolle“ herum, scheint aber den Gesetzentwurf bis heute nicht studiert zu haben, sonst hätte er erkennen müssen, dass die vorgesehene Regelung freiheitsverbürgender ist als das geltende Gesetz.
    Interessant ist auch, wie die ach so journalistischen Interviewer der Zeit nahezu durchgängig Partei für die Rektoren ergreift. Das geht mit der Überschrift („An die Leine genommen“) schon los und im Untertitel weiter (NRW „will Unis stärker kontrollieren“) und kulminiert schließlich in der Feststellung die Ministerin „führe mit den Hochschulen Krieg“ bzw. Sie habe die Zusammenarbeit abgebrochen, wo doch die Landesrektoren einen Eklat auslösten und sich vor Weihnachten kollektiv weigerten die Leistungsvereinbarungen für die Jahre 2014/2015 zu unterzeichnen.
    Die Zeit-Interviewerin Marion Schmidt hatte von Anfang an für die Hochschulleiter/innen Partei ergriffen. Zu ihrem Beitrag „Rückkehr zur Planwirtschaft“ vom 3. Dezember 2013 siehe noch einmal „Pawlowsche Reflexe aufgrund ideologischer Konditionierung“.

  14. Wissen(schaft) ist Macht
    Die Kritik am Referentenentwurf eines Hochschulzukunftsgesetzes für NRW hat geradezu hysterische Züge angenommen. Im Kern gehet es dabei vor allem um eines: Macht.
    Es geht um die Vermachtung der veröffentlichten Meinung im Sinne der konservativen Wortführer. Es geht um die Entmachtung der Kritiker der „unternehmerischen“ Hochschule, die kaum noch zu Wort kommen Und es geht um eine neue Machtverteilung in den Hochschulen. Was soll genaue sich verändern? Das überraschende Ergebnis: nicht viel.
    Quelle: Ein Beitrag von Wolfgang Lieb in der nds, die Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft PDF Ausgabe S. 11ff. zum Download
  15. Bürger fordern transparente Politik
    Das Bündnis „NRW blickt durch“ nimmt dem Landtag Arbeit ab. Die Initiative aus dem Bund der Steuerzahler NRW, Mehr Demokratie und der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland hat … einen Entwurf für ein Transparenzgesetz an Landtagspräsidentin Carina Goedecke (SPD) übergeben. Der Entwurf wurde mit Hilfe von Bürgern im Internet entwickelt. „Wir wollen damit die Parlamentsdebatte über die Offenlegung von Verwaltungsdaten voran bringen“, sagte Alexander Trennheuser vom Transparenzbündnis.
    Ein Transparenzgesetz soll Verwaltungen verpflichten, Verträge zur Daseinsvorsorge, Gutachten, Statistiken, Verwaltungsvorschriften und ähnliche Daten offenzulegen. Bislang können Bürger zwar auf Antrag Einsicht in Akten und Dokumenten nehmen. Doch in der Realität ist das oft umständlich, teuer und nicht immer erfolgreich. „Mehr Transparenz bedeutet auch mehr Kontrolle und das wird sich bei Steuergeldverschwendung, Baukostenskandale und Korruption positiv auswirken“, erklärte Heinz Wirz vom Bund der Steuerzahler NRW. Auch die Informationsbeschaffung von Journalisten und Wirtschaftsunternehmen werde erleichtert. Mehr Transparenz stärke aber auch das Vertrauen in Politik und Verwaltung und mache diese moderner und bürgerfreundlicher.
    Die Notwendigkeit von mehr Transparenz zeigt sich nach Meinung von Wirz aktuell bei der Debatte über das von der Landesregierung angestrebte Hochschulzukunftsgesetz. Darin geht es auch um die Offenlegung von Forschungsaufträgen, die an Universitäten in Nordrhein-Westfalen vergeben werden. Drittmittel tragen in NRW rund eine Milliarde Euro zur Hochschulfinanzierung bei. Davon stammen etwa 20 Prozent aus Unternehmen. Die Veröffentlichung von Informationen hierzu ist im Landtag umstritten. „Unser Transparenzgesetz-Entwurf sieht vor, den Bürgern solche Daten zugänglich zu machen“, erklärte Wirz….
    SPD und Grüne haben die Verabschiedung eines Transparenzgesetzes in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Auch FDP und Piraten befürworten ein solches Gesetz.
    Quelle: Transparency International

    Dazu: GEW: Rektorengehälter sind keine Privatsache – Wer Transparenz fordert, führt keine Neiddebatte
    Wer Transparenz der Hochschulen einfordert, führt keine Neiddebatte. Er fordert Rechenschaft über sechs Milliarden Euro Steuergelder. Vor mehr als zehn Jahren formulierte Gerhard Cromme (Chef der damaligen Kodex-Kommission für Corporate Governance) im Gespräch mit der F.A.Z: “Gehaltsfragen wurden in Deutschland bislang als Persönlichkeitsrecht angesehen. Dieser Zug ist abgefahren.”
    Bei den Gehältern von Rektoren und Kanzlern handelt es sich um Einkommen in öffentlichen Führungsämtern und um die Verwendung von öffentlichen Mitteln, mit denen die Hochschulen und ihr Spitzenpersonal, aber auch das gesamte wissenschaftliche und Verwaltungspersonal finanziert werden.
    Es komme bei den Hochschulbeschäftigten nicht gut an, so die GEW-Landesvorsitzende, dass Rektoren innerhalb von acht Jahren im Geheimen Gehaltserhöhungen zwischen 40% und 70% ausgehandelt haben, während die Gehaltssteigerungen im Öffentlichen Dienst im gleichen Zeitraum unter Einbeziehung der Tariferhöhung vom letzten Jahr keine 16% ausmachten.
    Der Maßstab für Transparenz in öffentlichen Führungsämtern gelte, so Schäfer abschließend, an staatlich finanzierten Hochschulen ebenso selbstverständlich wie in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, ob für Bürgermeister oder für Sparkassendirektoren.
    Quelle: GEW NRW

  16. Heikle Praktika
    Es geht in die Endrunde beim Mindestlohn. Bis Ostern will Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) den Gesetzentwurf fürs Kabinett fertig haben. Nahles will nur Auszubildende und Praktikanten während einer Ausbildung von der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ausnehmen. Ansonsten sollen die 8,50 Euro brutto als Mindestlohn in tariflosen Bereichen bereits ab 2015, flächendeckend dann ab 2017 kommen. Es ist ein Experiment, dessen Nebenwirkungen nicht vorhersehbar sind. Die Debatte um Ausnahmen dient jetzt auch dazu, diese Unsicherheit einzuhegen.
    In Großbritannien etwa gilt für junge Leute ein niedrigerer Mindestlohn. So etwas fordern auch hiesige Wirtschaftsverbände. Aber das wäre Altersdiskriminierung und europarechtlich nicht haltbar. Man stelle sich nur vor, 21-jährige, die ihr Studium mit Nebenjobs finanzieren, würden mit geringeren „Jugendlöhnen“ abgespeist. Das funktioniert nicht.
    Etwas anders sieht es bei den Regelungen für Praktikanten aus. Für Praktika nach einer Berufsausbildung oder nach Studienabschluss soll in Deutschland ab 2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde gelten. Ein Praktikant in Vollzeit müsste damit fast 1 400 Euro brutto bekommen. In der Kreativbranche ist das zu viel. Praktika in diesen Bereichen würden dann möglicherweise nur noch als unbezahlte „Freiwilligenarbeit“ angeboten. Dafür gilt kein Mindestlohn. Der Schuss ginge nach hinten los.
    Quelle: taz

    Anmerkung JB: Liebe taz, ja, ein Mindestlohn wird auch Euch etwas kosten, da er hoffentlich auch für Praktikanten gilt. Das – mit Verlaub – dumme Argument, dass es sich irgendeine Branche nicht leisten kann, ihre Mitarbeiter ordentlich zu bezahlen, ist derart abgedroschen, dass man gar nicht glauben maG, dass nun auch die taz auf diesen Zug springt. Und das gilt auch und insbesondere für die „Kreativbranche“. Wenn alle(!) Anbieter ihren Praktikanten 8,50 Euro bezahlen müssen, steigen die Preise bei allen(!) Anbietern. Das hat auch die taz bei anderen Branchen durchaus eingesehen, nur im eigenen Haus sollen diese volkswirtschaftlichen Regeln plötzlich nicht gelten? Sicher, die taz ist – anders als andere Medienhäuser – sicher nicht auf Rendite getrimmt. Aber auch „die Guten“ sollten ihre Mitarbeiter ordentlich bezahlen. Traurig ist an diesem Artikel vor allem, dass die taz sich offenbar überhaupt nicht von arbeitgebernahen Publikationen unterscheidet, die auch immer dann laut aufjaulen, wenn es ihnen oder ihren Geldgebern an den Geldbeutel gehen soll. Schade taz, damit macht Ihr Euch unglaubwürdig.


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