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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Juli 2014 um 9:05 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (HR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Orwell 2.0
  2. Georg Schramm über den Krieg Reich gegen Arm
  3. Slavoj Žižek – How capital captured politics
  4. „Wenn es ernst wird, müssen wir lügen!“
  5. Ukraine-Konflikt: Poroschenko droht Separatisten mit Vergeltung
  6. Italien und Frankreich unter der Knute
  7. HSH Nordbank AG Prozess: Freispruch und Ohrfeigen für die Angeklagten
  8. Paul Krugman: Who Wants a Depression? – Wer will denn eine Depression?
  9. Unbedingt hören
  10. Krieg gegen den Blitztransfer
  11. Kritik an Wirtschaftsförderung wegen Werbung mit niedrigen Löhnen
  12. „ZDFzoom: Patienten im Abseits“ über das kranke deutsche Krankenhaussystem
  13. „Die Israelis versuchen, uns zu erpressen“
  14. Rechtsstaatliche Grüße aus Luxemburg. Ihr EuGH
  15. Geprüft, gezögert – und unterschrieben
  16. Schröder muss es aushalten
  17. Sieg bei Fußball-WM – “Niederlage des deutschen Sportjournalismus”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Orwell 2.0
    1. Spionageverdacht: Geheimdienst-Kontrolleure melden Cyberangriffe auf ihre Handys
      Ihre Telefone tragen Spuren rätselhafter Angriffe: Die Mitarbeiterin eines NSA-kritischen Politikers hat auf ihrem Handy Manipulationen bemerkt. Nach SPIEGEL-Informationen ist auch der CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss betroffen.
      Quelle: Spiegel Online
    2. Mehr als ein Dutzend US-Spione in Ministerien?
      Die Affäre um US-Spionage in Deutschland nimmt offenbar immer größere Dimensionen an. Wie die “Bild am Sonntag” schreibt, hat der US-Geheimdienst CIA in deutschen Ministerien mehr als ein Dutzend Quellen. Im Visier stünden dabei die vier Bundesministerien Verteidigung, Wirtschaft, Inneres und Entwicklung, heißt es unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise.
      Dem Zeitungsbericht zufolge sollen viele der Spione bereits seit Jahren für den amerikanischen Geheimdienst schnüffeln.
      Quelle: mdr
    3. Bundesanwaltschaft: Mutmaßlicher US-Spion wird psychologisch untersucht
      Der mutmaßliche US-Spion ist festgenommen – nun will die Bundesanwaltschaft seinen mentalen Zustand von einem Psychologen analysieren lassen. Bei dem Mann liegt offenbar eine Behinderung vor.
      Die Bundesanwaltschaft lässt die Persönlichkeitsstruktur des mutmaßlichen Maulwurfs beim Bundesnachrichtendienst (BND) durch ein Gutachten einschätzen. Nach SPIEGEL-Recherchen leidet der mutmaßliche Spion der Amerikaner seit einem Impfschaden, den er im Alter von einem Jahr in der DDR erlitten hat, an einer Behinderung. Der 31-jährige Markus R. hatte laut seinem eigenen Geständnis über zwei Jahre immer wieder geheime BND-Dokumente an den amerikanischen Nachrichtendienst weitergegeben. Anfang Juni wurde er festgenommen.
      Angeregt hatte das Gutachten der Anwalt des Verdächtigen, der aus dem Großraum München stammt. Sein Mandant mache den Eindruck, nicht die “Qualitäten und die Persönlichkeitsstruktur mitzubringen, die man mit einer Spionageaktivität gewöhnlich in Verbindung bringt”, erklärte sein Rechtsanwalt Klaus Schroth. Mit dem Gutachten soll nun der mentale Zustand des mutmaßlichen Spitzels geklärt werden. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JB: So, so – und warum arbeiten dann bitte „geistig Behinderte“, die „nicht die Qualitäten und die Persönlichkeitsstruktur mitzubringen, die man mit einer Spionageaktivität gewöhnlich in Verbindung bringt“ für den BND? Das stinkt doch wieder einmal zum Himmel.

    4. Noch nicht auf Augenhöhe (II)
      Angesichts neuer Enthüllungen über die Aktivitäten von US-Geheimdiensten in der Bundesrepublik fordern deutsche Politiker eine weitere Aufrüstung des Bundesnachrichtendienstes (BND). Wie am Wochenende berichtet wurde, sollen mehr als ein Dutzend Mitarbeiter deutscher Bundesministerien als Informanten für die CIA tätig sein. Experten heben hervor, das sei nicht neu; bislang sei aber gewöhnlich der “Mantel des Schweigens” über derlei Aktivitäten gebreitet worden. Allerdings verschärfe sich gegenwärtig die Konkurrenz zwischen Washington und Berlin: Während die Bundesrepublik – “als Führungsmacht in Europa” – von den USA zunehmend als Rivalin wahrgenommen werde, strebe Deutschland “auf Augenhöhe” mit den Vereinigten Staaten, erläutert der Historiker Josef Foschepoth. Dementsprechend dringen deutsche Politiker und Medien energisch auf Parität: “Die Supermacht” habe “offenbar immer noch Schwierigkeiten zu begreifen, dass sie es nicht mehr mit einem teilsouveränen Staat unter ihrer Fuchtel zu tun hat”, heißt es in einer führenden, klar transatlantisch orientierten deutschen Zeitung. Das müsse sich ändern.
      Quelle: German Foreign Policy
    5. Warum wir die Deutschen ausspionieren müssen
      In Berlin ist die Empörung über CIA-Spione groß, in Amerika sieht man die Dinge anders. Für den amerikanischen Journalisten James Kirchick ist es absolut richtig, dass ein Land mit so engen Verbindungen zu Russland und Iran ausspioniert wird. (…)
      Anstatt über die Angaben, ob NSA und CIA in Deutschland spionieren, ihren Mund zu halten, haben sich amerikanische Beamte nach allen Seiten entschuldigt, während sie gleichzeitig alle Schuld auf sich nahmen. Obama hat Merkel gesagt, dass er nicht gewusst habe, was seine eigenen Geheimdienste taten, und wenn er es gewusst hätte, so hätte er sie davon abgehalten, das Handy abzuhören. Obama-Berater John Podesta sagte, dass „einige Angaben darüber, wer das Ziel der Überwachung sei, sich tatsächlich der Kenntnis für jeden auf einem gewissen politischen Level entzogen.“
      Auch die Präsidentschaftsanwärterin Hillary Clinton bezeichnete es als „absolut falsch“, dass die NSA Merkel ausspioniert habe. Trotzdem gab sie den Deutschen einiges zu schlucken, als sie in einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte: „Die Vereinigten Staaten können niemals in ein No-Spy-Abkommen mit irgendeinem Land eintreten – nicht mit Euch, nicht mit Großbritannien, nicht mit Kanada.“
      Man kann über das Ausmaß streiten, in dem die NSA befähigt sein sollte, die telefonischen Metadaten amerikanischer Bürger zu überwachen, (und ob sie überhaupt befähigt sein sollte). Aber es gibt keine Gesetze und keine Regulierungen darüber, wie Informationsbeschaffung im Ausland abläuft – selbst unter Partnern. […]
      Die Amerikaner müssen sich nicht dafür entschuldigen, in Deutschland spioniert zu haben. Im Gegenteil: nach den Enthüllungen in dieser Woche sollten die Deutschen tief in sich gehen und sich fragen, warum Washington nicht das Bedürfnis hatte, es viel früher zu tun.
      Quelle: FAZ

      passend dazu: Audio: Denison: “Die USA werden weiter spionieren”
      Deutschland reagiert in der Spionage-Affäre und weist CIA-Vertreter aus. Doch die USA werden weiter spionieren, sagte Andrew Denison von Transatlantic Networks auf NDR Info.
      Quelle: NDR.de

    6. “Deutschland wird Angriffsziel der US-Dienste bleiben”
      Josef Foschepoth hat sich eingehend mit der US-Spionage in der Bundesrepublik befasst. Im SZ.de-Interview nennt der Geschichts-Professor die Aufregung der Regierung Merkel über die US-Spionage “unsinnig” und erklärt, was Berlin offensichtlich in Washington erreichen will.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung H.R.: Die Ausführungen von Foschepoth zum Thema sind höchst interessant und plausibel. Es ist nicht auszuschließen, dass seine Vermutungen die wahren Absichten der Bundesregierung sind: Erhalt eines ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat und Aufnahme in die „Spionage Allianz“. Ein Konflikt mit den USA müsste auch wegen dieser Zielsetzung -neben der Verpflichtung zur Geheimhaltung, die sich aus dem Zusatzabkommen des Nato-Truppenstatuts ergibt- vermieden werden.
      Zurecht hat Albrecht Müller kürzlich geschrieben: Vieles spricht dafür, dass die Ausweisung des CIA-Chefs ein inszenierter Theaterdonner ist.

  2. Georg Schramm über den Krieg Reich gegen Arm
    Georg Schramm referierte auf einer Veranstaltung der GLS Bank im Juni 2014 über den Konflikt des 21. Jahrhunderts: Den Krieg der Reichen gegen die Armen.
    Quelle: YouTube
  3. Slavoj Žižek – How capital captured politics
    WikiLeaks has shown us that western democracies are now ruled by market forces that debase the very notion of freedom
    In May, an international trade agreement was signed that effectively serves as a kind of legal backbone for the restructuring of world markets. While the Trade in Services Agreement (Tisa) negotiations were not censored outright, they were barely mentioned in our media. This marginalisation and secrecy was in stark contrast to the global historical importance of what was agreed upon.
    In June, WikiLeaks made public the secret draft text of the agreement. It covers 50 countries and most of the world’s trade in services.
    It sets rules that would assist the expansion of financial multinationals into other nations by preventing regulatory barriers. It prohibits more regulation of financial services, despite the fact that the 2007-08 financial meltdown is generally perceived as resulting from a lack of regulation. Furthermore, the US is particularly keen on boosting cross-border data flow, including traffic of personal and financial data. Despite all this, we heard little about it.
    Quelle: The Guardian
  4. „Wenn es ernst wird, müssen wir lügen!“
    Letzte Woche stellte sich der frühere Ministerpräsident Luxemburgs, einstige Chef der Euro-Gruppe und aktuelle Kandidat des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, Jean Claude-Juncker, meiner Fraktion vor.
    Ich hätte ihm gerne einige Fragen gestellt, bin aber aufgrund der Kürze der Zeit und der guten Sitte in meiner Fraktion zunächst allen Sprechern der nationalen Delegationen das Wort zu erteilen, nicht zum Zug gekommen. Ich habe die Sitzung zudem gegen Ende wegen eines anderen Termins verlassen müssen. Daher übermittel ich Euch die Fragen, die ich Herrn Juncker gerne gestellt hätte.
    Juncker spielt den mitfühlenden Konservativen. So hat er unter anderem den deutschen Niedriglohnsektor kritisiert und erhält auch von SPD und Grünen Zuspruch, weil er eine stärkere wirtschaftspolitische Koordination sowie Euro-Bonds fordert (die gemeinsame Haftung der Euro Staaten für Staatsschulden an den Kapitalmärkten). Die Vorliebe für eine „Euro-Regierung“ überrascht nicht, da Vertreter der kleinen, offenen Benelux-Volkswirtschaften von der europäischen Integration profitieren. Die kleinen Nachbarstaaten Deutschlands und Frankreichs erhalten über die europäischen Institutionen ein stärkeres Gewicht. Belgien und Luxemburg sind nicht ohne Grund Sitz wichtiger EU-Institutionen wegen der Scharnierfunktion zwischen den großen Spielern Deutschland und Frankreich.
    Die Wahrheit ist aber immer konkret. Herr Juncker ist meines Erachtens nicht geeignet die EU aus ihrer ökonomischen und politischen Krise zu führen. Dies wurde auch im Hearing mit meiner Fraktion deutlich. Juncker ist als ehemaliger Regierungschef einer Steueroase der falsche Präsident.
    Quelle: Fabio De Masi
  5. Ukraine-Konflikt: Poroschenko droht Separatisten mit Vergeltung
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den prorussischen Separatisten drastische Vergeltung für einen Raketenwerfer-Angriff auf die Regierungstruppen angedroht. Für jeden getöteten ukrainischen Soldaten würden die Rebellen mit Hunderten ihrer Leute zahlen, teilte Poroschenko auf seiner Internetseite mit. Kein einziger “Terrorist” werde seiner Verantwortung entgehen.
    Bei dem Angriff in der Ostukraine im Raum Luhansk sollen nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums mindestens 30 Soldaten und Grenzschützer getötet worden sein. Eine Antwort auf den “terroristischen Akt” werde nicht lange auf sich warten lassen, kündigte ein Ministeriumsberater an. Die Separatisten bezeichnete er als “blutrünstigen Abschaum”.
    Auf Bildern waren nach der Attacke völlig zerstörte Panzer und tiefe Bombentrichter zu sehen. Die Führung in Kiew sprach von einem der verlustreichsten Tage für die Armee seit Beginn der Kämpfe Mitte April.
    Quelle: Spiegel Online

    Passend dazu: IMF pushes Ukraine to ‘voluntarily commit suicide’
    Western support will allow more IMF and European lending to prop the Ukrainian currency so the Ukrainian oligarchs can move their money safely to British and US banks, economist and author Michael Hudson told RT’s Truthseeker.
    Quelle: RT

  6. Italien und Frankreich unter der Knute
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schlägt vor, den Stabilitätspakt „flexibler“ zu handhaben. Länder sollen mehr Zeit zum Schuldenabbau erhalten. Das klingt zunächst gut. Doch bei genauerem Hinschauen wird klar: Gabriel will per Stabilitätspakt bloß den Druck auf Frankreich und Italien erhöhen, Reformen à la Agenda 2010 durchzusetzen.
    Die italienische und die französische Regierung fordern mehr Flexibilität bei der Auslegung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. „Alle Spielräume“ des Pakts sollen genutzt werden, um ein „großes Investitionsprogramm“ in Europa zu starten, so Frankreichs Präsident Francois Hollande. Schützenhilfe erhalten sie von SPD-Wirtschaftsminister Gabriel: Defizit-Sündern müsse mehr Zeit zum Schuldenabbau zugestanden werden, sagte er.
    Tatsächlich lässt der Stabi-Pakt heute schon einiges an Flexibilität zu. So wurden Frankreich zwei Extra-Jahre zugestanden, um seine Neuverschuldung vorschriftsgemäß zu senken. Insofern fordert Gabriel bloß das, was längst Praxis ist. Mehr – leider – nicht.
    Wichtiger aber ist die Begründung des Wirtschaftsministers für seinen Vorstoß: Die Flexibilität beim Sparen sollen nur jene Länder erhalten, die „Reformen“ umsetzen. Und was er damit meint, stellt er auch noch klar: „Echte Reformen gegen mehr Zeit beim Defizitabbau – dass eine solche Formel große Erfolge hervorbringen kann, zeigt die Agenda 2010 in Deutschland.“
    Was von Frankreich und Italien gefordert wird, zeigt das Lob, das der Agenda 2010 gezollt wird: Sie „brachte neue Flexibilität, verschob das Machtgleichgewicht zu Gunsten der Arbeitgeber und brachte eine lange Periode der Lohnmoderation“, wirbt die Investmentbank Berenberg.
    Tatsächlich hat insbesondere Frankreich ein Problem: Seine Firmen verlieren Weltmarktanteile. Frankreich bilanziert wachsende Defizite im Außenhandel: Zum Start der Währungsunion verzeichnete es noch einen Leistungsbilanzüberschuss von 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung, derzeit steht ein Minus von zwei Prozent zu Buche.
    Das hängt durchaus mit der Agenda 2010 zusammen! Durch die deutsche Lohndrücker-Politik wurden die deutschen Exportwaren billiger, gleichzeitig fehlte das Geld für Importe. Ergebnis waren die deutschen Exportüberschüsse auf der einen Seite. Die andere Seite der Medaille waren die Defizite – nicht nur in Frankreich, sondern auch in Italien, Griechenland, Portugal, Spanien… Diese Defizite waren letztlich der Grund für die Euro-Schuldenkrise.
    Gabriel und der Rest der Regierungsmannschaft sieht das anders: Für sie ist Deutschland schuldlos, die Probleme der Südeuropäer dagegen sind hausgemacht. Sie sollen sich jetzt reformieren, nach dem Vorbild Deutschlands. Griechenland, Spanien und Portugal sind schon mit Arbeitsmarktreformen vorgeprescht. Ergebnis: Zwischen 2010 und 2013 sanken die realen Löhne in Griechenland um 24 Prozent, in Portugal um acht und in Spanien um sieben Prozent. Das Ergebnis ist Deflation.
    Die durch deutschen Druck verbilligten Spanier und Portugiesen werden nun zu harten Wettbewerbern für Frankreich und Italien. Die sollen sich nun dem Europa-weiten Wettlauf nach unten anschließen. Als „Belohnung“ verspricht ihnen der SPD-Wirtschaftsminister ein bisschen mehr Zeit beim Schuldenabbau. Aber nur, wenn sie ihre Arbeitnehmer ärmer machen, sonst nicht: „Es reicht nicht, Reformen nur anzukündigen“, drohte Gabriel. „Nur wenn sie wie in Deutschland auch durchgezogen werden, gibt der Stabilitätspakt Flexibilität.“
    Ein „großes Investitionsprogramm“, wie es Gabriel gemeinsam mit den anderen sozialdemokratischen EU-Regierungschefs fordert, ist zwar nicht schlecht, wird das Problem der Euro-Zone aber auch nicht lösen. Denn mehr Investitionen gerade im Energiebereich laufen nur auf ein Förderprogramm für den Investitionsgüter-Exportchampion Deutschland hinaus. Um der Euro-Zone ein stabiles Fundament zu geben, braucht es letztlich höhere Löhne und höhere Nachfrage in Deutschland und damit ein Ausgleich der Außenhandelsungleichgewichte.
    Quelle: Michael Schlecht via Saarkurier
  7. HSH Nordbank AG Prozess: Freispruch und Ohrfeigen für die Angeklagten
    Die Angeklagten werden freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. So erfreulich das Urteil für die Angeklagten war, so unerfreulich war die Urteilsbegründung der Kammer für das Sextett Berger, Nonnenmacher, Friedrich, Visker, Strauss und Rieck…
    Die deutliche Worte fanden die Richter über den Ablauf des Omega 55-Projektes: »sinnlos, nutzlos, wertlos«. Hier sei mit einem »Advokatentrick« gearbeitet worden. »Förmlich fehlerhaft« war die Dokumentation, der Vorstand habe sich »formell unzureichend informiert« usw. Das waren Ohrfeigen für den Vorstand….
    Wie kommt man da raus aus dem Begründungsschlamassel, den man sich selber eingebrockt hat? Man relativiert den Pflichtverstoß, den man zweifelsfrei festgestellt hat, und argumentiert folgendermaßen: Untreue sei nur bei »gravierenden« Pflichtverstößen, die außerdem »evident« sein müssen, gegeben. Aber was ist »evident«? Jedenfalls kam in der weiteren Begründung heraus, dass niemand hätte ahnen können, dass sich die Krise im Oktober 2008 (Lehman Pleite) derart zuspitzen würde. Das Gericht urteilte »in dubio pro libertate«
    Quelle: Sozialismus
  8. Paul Krugman: Who Wants a Depression? – Wer will denn eine Depression?
    Eine Erfahrung, die wir in den letzten paar Jahren leider machen mussten, ist die, dass die Wirtschaftswissenschaften bedeutend politischer sind, als man sich eigentlich eingestehen wollte. Sieh mal einer an, sagen Sie jetzt vielleicht. Aber vor der Finanzkrise glaubten viele Wirtschaftler wirklich – wie zu einem gewissen Grad auch ich – dass es immerhin bei einigen wichtigen Themen einen relativ breiten fachlichen Konsens gibt.
    Das traf besonders auf die Geldpolitik zu. Vor noch gar nicht so vielen Jahren erklärte die George W.Bush-Administration, aus der Rezession von 2001 und dem darauf folgenden Aufschwung habe man gelernt, dass “aggressive Geldpolitik eine Rezession verkürzen und abschwächen kann”. Dann sollte doch sicherlich ein parteiübergreifender Konsens zugunsten einer noch etwas aggressiveren Geldpolitik möglich sein, damit die so viel schlimmere Krise von 2007 bis 2009 überwunden wird, nicht wahr?
    Quelle: New York Times
  9. Unbedingt hören
    In den USA und Europa ist Thomas Pikettys Analyse “Das Kapital im 21. Jahrhundert” ein Bestseller. Für den Rest der Welt, zumal für die ehemaligen Kolonialgebiete, ist die hier verhandelte Ungleichheit jedoch ein alter Hut, erklärt Chandran Nair, Gründer und Direktor des Global Institute for Tomorrow (Gift) in Hongkong. Dirk Domin liest “Die Mutter allen Kapitals”, Chandran Nairs Fundamentalkritik an den westlichen Wirtschaftsdebatten.
    Quelle: le monde diplomatique [Audio – mp3]
  10. Krieg gegen den Blitztransfer
    Sogenannte Hochfrequenzhändler ziehen immer mehr Geld aus den Märkten, und alle schauen zu. Der Amerikaner Michael Lewis eine Sammelklage gegen alle US-Börsen eingereicht
    In den 90er Jahren hatten die US-amerikanischen Mediziner ihren Kampf gegen die Tabakindustrie eigentlich schon aufgegeben, dann aber trat der Anwalt Michael Lewis mit einer völlig neuen Strategie auf den Plan: Er wollte die Tabaklobby im Namen ganzer US-Bundesstaaten und ihrer Gesundheitssysteme belangen und verklagte im Jahr 1994 im Namen des Staates Mississippi 13 Zigarettenhersteller auf die Behandlungskosten von Erkrankungen, die durch Tabak ausgelöst worden sind. 38 weitere Staaten schlossen sich ihm an, sodass Big Tobacco, derart unter Druck gesetzt, sich zur Zahlung von sage und schreibe 368,5 Milliarden Dollar bereit erklärte. Eine spektakuläre Niederlage, ein Meilenstein in der Geschichte der Rechtsprechung. Seither ist Michael Lewis eine Art Legende. (…)
    Lewis las in den nächsten Wochen also alles, was er über den Hochfrequenzhandel (HFT) finden konnte. Ihm wurde klar: Die Märkte unterstanden keiner menschlichen Kontrolle mehr, sie wurden längst von superschnellen Maschinen beherrscht, die mithilfe komplexer Algorithmen gegeneinander kämpften. Das uns vertraute Bild von Männern, die auf dem hektischen Börsenparkett wild mit ihren Armen wedelten, war Geschichte. Der Aktienhandel wurde von Computern abgewickelt, und auch diese Algorithmen waren nicht mehr von Finanz- oder IT-Fachleuten erstellt worden, sondern von Quantenphysikern, Klimaforschern und spekulativen Mathematikern.
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung H.R.: Anders als in den USA sind Sammelklagen in Deutschland nicht möglich. Hierzulande wird jeder einzelne Fall bearbeitet, falls es zu einer Klage kommen sollte.

  11. Kritik an Wirtschaftsförderung wegen Werbung mit niedrigen Löhnen
    Die Wirtschaftsförderung Sachsen ist in die Kritik geraten. Grund ist, dass sie mit Niedriglöhnen wirbt, um Investoren in den Freistaat zu locken. Auf der Homepage der Wirtschaftsförderung heißt es: “Dank flexibler Tarifmodelle, einem moderaten Lohnniveau (25,6 Prozent unter deutschem Durchschnitt) und hoher Arbeitsproduktivität ist Sachsen aus Kostengesichtspunkten in jedem Fall erste Wahl.” Bei einer Landtagssitzung ließ die Opposition am 27. September 2012 kein gutes Haar daran. Eine solche Förderung sei zynisch, kein Vorteil für Sachsen, sondern eher ein Grund zum Schämen, lautete ihr Vorwurf. (…)
    Bei der Debatte ging es um Altersarmut in Sachsen. Nach Angaben der SPD ist schon heute jeder fünfte Rentner im Freistaat davon betroffen. Von Altersarmut spricht man dann, wenn Senioren ihren Bedarf aus Leistungen gesetzlicher und privater Versorgungssysteme nicht mehr decken können. In Deutschland gilt man schon mit einem Einkommen von 856 als armutsgefährdet. Wer 2011 in Sachsen in Rente ging, bekam durchschnittlich 866,64 Euro (Männer) beziehungsweise 674,09 Euro (Frauen) netto. (…)
    Die CDU-Fraktion wies die Kritik an der Wirtschaftsförderung zurück. Ihr sozialpolitischer Sprecher Alexander Krauß sagte: “Es sind ordentliche Jobs entstanden. Die Rentenkassen sind voll.” Gleichwohl gebe es künftig ein Problem mit der Rentenversicherung, räumte Krauß ein. Die SPD habe es aber bislang auch nicht geschafft, ein richtiges Konzept einzubringen.
    Quelle: MDR
  12. „ZDFzoom: Patienten im Abseits“ über das kranke deutsche Krankenhaussystem
    Kaum eine Berufsgruppe hat ein besseres Image als Ärzte. Doch die “Halbgötter in Weiß” klagen über extreme Arbeitsdichte, absurde Bürokratie und eine profitorientierte Medizin, die sich immer weiter vom Menschen entfernt. Was ist los in deutschen Krankenhäusern? Was treibt Ärzte ans Limit? „ZDFzoom“ beschäftigt sich am Mittwoch, 2. Juli 2014, 22.45 Uhr, in der Dokumentation „Patienten im Abseits – Wenn in der Klinik nur die Rendite zählt“ mit diesen Fragen. Die Autorinnen Valerie Henschel und Sarah Zierul blicken hinter die Krankenhauspforten und begegnen Ärzten, Klinikleitern, Aussteigern und Gesundheitsexperten aus dem In- und Ausland. Sie erfahren, wie in Deutschland mit Fallpauschalen abgerechnet wird und warum so viele Kliniken fast pleite sind. Der Film gibt ungewohnte Einblicke in den Alltag deutscher Kliniken und macht deutlich, woran unser Krankenhaussystem krankt. „ZDFzoom“ besucht eine Klinik im Schwarzwald, die auf Sucht- und Burnout-Patienten spezialisiert ist: Erstaunlich viele der Patienten dort sind Ärzte, die selbst bis vor kurzem in Krankenhäusern gearbeitet haben. Sie fühlen sich ausgebrannt, überlastet und dem Arbeitsdruck nicht mehr gewachsen. “Es gibt Untersuchungen die sagen, rund die Hälfte der Ärzte hat schon mal mit dem Gedanken gespielt, sich das Leben zu nehmen”, berichtet der Klinikleiter. Andere betäuben sich während der Arbeit mit Medikamenten und Drogen, um den Anforderungen standhalten zu können. Viele wandern aber auch ins benachbarte Ausland ab – und das, obwohl in Deutschland schon jetzt Ärzte fehlen. Mediziner, die Hilfe brauchen oder zum Risiko für Patienten und sich selbst werden – wie kann es so weit kommen?
    Quelle: ZDF Presseportal

    Dazu: Video – ZDFzoom: Patienten im Abseits
    Was ist los in deutschen Krankenhäusern? Was treibt Ärzte ans Limit? Die Autorinnen Valerie Henschel und Sarah Zierul begeben sich für ZDFzoom auf Spurensuche.
    Quelle: ZDF zoom

  13. „Die Israelis versuchen, uns zu erpressen“
    Über die künstliche Wassernot in Palästina – Interview mit dem Leiter der palästinensischen Wasserbehörde, SHADDAD ATTILI, 9. Juli 2014
    Quelle: Hintergrund
  14. Rechtsstaatliche Grüße aus Luxemburg. Ihr EuGH
    Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Sprachtest vor dem Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer hat die Frage offengelassen, ob dieses seit 2007 praktizierte Gesetz überhaupt mit der Grundrechtcharta der Union in Einklang steht. Weil der Ehemann der Klägerin Türke ist und in Deutschland arbeitet, darf man seiner Frau den Nachzug nicht erschweren, die Assoziationsvereinbarungen zwischen Brüssel und Ankara verbieten das. Auf die Frage der Grundrechtsverträglichkeit solcher Regelungen kam es nicht mehr an.
    Immerhin: “Auch wenn man davon ausgeht, dass die von der deutschen Regierung angeführten Gründe – die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen und die Förderung der Integration – zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können”, schreibt das Gericht – das dies offenbar nicht annimmt – gehe so ein Sprachzwang vor der Einreise “über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der fehlende Nachweis des Erwerbs hinreichender Sprachkenntnisse automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung führt, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden”.
    Quelle: Migazin

    Anmerkung H.R.: Es könnte vermutet werden, dieser Text sei eine Satire: Das ist jedoch nicht der Fall.

  15. Geprüft, gezögert – und unterschrieben
    Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken hat Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz über die Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten passieren lassen. Die Bedenken seien nicht so durchgreifend, dass sie Gauck an einer Ausfertigung gehindert hätten, teilte das Bundespräsidialamt mit.
    Damit können die Diäten wie geplant in zwei Stufen steigen: rückwirkend zum 1. Juli von bisher 8252 auf 8667 Euro im Monat und Anfang kommenden Jahres auf 9082 Euro. Gauck hatte das Gesetz intensiv auf Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Abgeordnetenentschädigung geprüft, so das Präsidialamt. Dass der Bundespräsident ein Gesetz stoppt, ist sehr selten.
    Nähere Angaben über die Bedenken wollte die Sprecherin des Bundespräsidenten nicht machen. Während sich etwa die Linke und die FDP an der Höhe der Anhebung bis 2015 gestört hatten, standen bei anderen Kritikern ein geplanter Automatismus und Zuschläge im Fokus.
    Quelle: tagesschau.de
  16. Schröder muss es aushalten
    Axel Springer gewinnt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Der Verlag darf den Gazprom-Job von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Neuwahlen des Bundestages 2005 in Verbindung bringen.
    Vor gut zehn Jahren rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deutsche Gerichte im Caroline-Urteil für zu viel Pressefreiheit bei der Promi-Berichterstattung. Diesmal ist es andersherum. Der Straßburger Gerichtshof beanstandet, bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht sei die Medienfreiheit der Menschenrechtskonvention verletzt worden. Ausgerechnet in einem hochpolitischen Fall. (…)
    Das Gericht weist auf die Rolle der Presse als watchdog hin. Dazu gehöre die Verbreitung von Informationen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse. Der Zeitung könne nicht abverlangt werden, jeden Politiker-Kommentar systematisch auf dessen Substanz zu untersuchen. Eine solche Verpflichtung würde die Rolle der Presse in der öffentlichen Debatte ernstlich behindern.
    Quelle: Süddeutsche.de

    Anmerkung H.R.: Die NachDenkSeiten haben sich seinerzeit ebenfalls mit den möglichen Motiven insbesondere Gerhard Schröders für diese vorgezogenen Neuwahl auseinandergesetzt. Das kann hier nachverfolgt werden: Ein Befreiungsschlag für die neoliberale Ideologie – und für Schröder persönlich:

    Warum macht Schröder das?
    Ich bin ratlos. Rational kann ich mir diesen Vorgang nur erklären, wenn ich unterstelle, dass Gerhard Schröder in die neoliberale Bewegung eingebunden ist und seit längerem deren Interesse und nicht mehr die Interessen der SPD und der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Hinweise, die diese Vermutung entkräften, nehme ich von Herzen gern entgegen.“

    sowie
    danke, gerd!“ – meint Gazprom:

    „… und der Sprecher der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, Stephan Hilsberg, wundert sich. Er sagte dem “Kölner Stadtanzeiger”: “Da zieht jemand persönlichen Nutzen aus seinen eigenen politischen Entscheidungen.” Schröder habe Gazprom den Weg geebnet. “So entsteht der Eindruck, dass jemand durch sein politisches Handeln im Nachhinein Geld verdient.” Das meldet SpiegelOnline.
    Ich wundere mich nur darüber, dass sich SPD-Abgeordnete wundern. Das Neuwahlbegehren von Gerhard Schröder konnte man nur verstehen, wenn man miteinbezieht, was jetzt offenbar wird. In den NachDenkSeiten hatten wir das nie anders gesehen.
    Als Schröder am 22. Mai Neuwahlen forderte, war für ihn schon klar, dass er nach den Neuwahlen nicht mehr Kanzler sein würde. (…) Er wollte die Bankrotterklärung seiner Politik vermeiden und die Reformpolitik – in welcher Konstellation und unter welcher Führung auch immer – in die nächsten vier Jahre retten. Ihm persönlich kam es auf den guten Abgang an. Wie der Abgeordnete Hilsberg vermutet, kannte er seine spätere berufliche Tätigkeit zum Zeitpunkt des Neuwahlbegehrens schon. Es ist naiv, anderes zu unterstellen. Die SPD und ihre neue Führung ist so naiv.“

    Und noch ein sinngemäßer Satz könnte sich durch diese Entscheidung des EGMR bestätigen: Wer mit dem Fahrstuhl des Springer-Konzerns nach oben fährt, kann mit ihm auch wieder runter kommen.

  17. Sieg bei Fußball-WM – “Niederlage des deutschen Sportjournalismus”
    Kulturtheoretiker Theweleit: Löws Mannschaft als “Gegenbild” zur deutschen Außenpolitik
    Für den Schriftsteller und Kulturtheoretiker Klaus Theweleit hat der Gewinn der Weltmeisterschaft durch die DFB-Elf nichts mit deutschen Tugenden zu tun. Die deutschen Tugenden gebe es nicht mehr, wenn es sie denn überhaupt jemals gegeben habe….
    Quelle: Deutschlandradio [Audio – mp3]


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