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Titel: Familienfreundliche Unternehmen oder unternehmerfreundliche Familienpolitik?

Datum: 2. Mai 2004 um 12:02 Uhr
Rubrik: Familienpolitik, INSM, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft
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Ein neues, geradezu groteskes Beispiel, wie sich die Politik freiwillig der Lobbyarbeit der Unternehmerverbände und ihrer Vorfeldorganisationen ausliefert, ist die von Familienministerin Renate Schmidt angestoßene „Allianz für Familie – Balance für Familie und Arbeitswelt“. In dieser „Allianz“ finden sich neben den Unternehmensverbandsvertretern Dieter Hundt (BDA) und Ludwig Georg Braun (DIHT) gleich noch drei „Botschafter“ der von Gesamtmetall gegründeten und mit Millionenbeträgen finanzierten „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, nämlich Siegmar Mosdorf, Roland Berger und Dominique Döttling.

Dass schlechte und interessengesteuerte Beratung der Politik zu schlechter und interessengesteuerter Politik führt, die von der Mehrheit der Bevölkerung weder verstanden noch akzeptiert wird, haben wir auf dieser Homepage immer wieder thematisiert und belegt.
(Siehe z.B. “Die Revolution von oben” von Markus Grill im Stern vom 17.12.03 in der Rubrik “Andere interessante Beiträge” oder im “Kritischen Tagbuch” etwa “Kampagnen, Konvente, Klüngel” vom 06.02.04 oder “Beratungsseilschaften” vom 27.01.04).
Obwohl das Beratungsunwesen in der Politik zunehmend in die Kritik gerät und obwohl die aus dem Arbeitgeberlager mit Millionen gespeisten Kampagnen zur Systemveränderung alles andere als sozialdemokratische Ziele verfolgen, hat die sozialdemokratische Familienministerin Renate Schmidt zusammen mit der Vorsitzenden der Bertelsmann Stiftung, Liz Mohn, eine “Allianz für Familie” initiiert, mit der die Wirtschaft umfassend an einer modernen Familienpolitik beteiligt werden soll. (siehe www.fr-aktuell.de/doku)

Nun wäre es aller Ehren wert, die Wirtschaft von den betriebs- und volkswirtschaftlichen Vorteilen familienfreundlicher Unternehmenspolitik zu überzeugen. Die jetzt geschmiedete Allianz lässt jedoch das Gegenteil befürchten. Niemand könnte etwas dagegen einwenden, den “Stier bei den Hörnern zu fassen” und bei Unternehmern und Managern über eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und für eine familienfreundliche Unternehmenskultur zu werben.
Allein die Auswahl der überwiegende Zahl der Mitglieder der von Ministerin Schmidt angestoßenen Allianz lässt jedoch befürchten, dass das Ergebnis nicht etwa ein familienfreundliche Unternehmenspolitik sondern eine unternehmerfreundliche Familienpolitik sein wird.

Die Mitinitiatorin der Allianz, Liz Mohn, ist Vorsitzende ihrer eigenen Bertelsmann Stiftung, deren Hauptanliegen ist, öffentliche Institutionen oder bisher politische Zuständigkeitsbereiche an die marktgesetzlichen “Sachzwänge” anzupassen. Die Bertelsmann Stiftung bekennt sich zwar zur “sozialen Verpflichtung des Eigentums”, versteht darunter aber vor allem die demokratisch nicht legitimierte Einmischung des großen Geldes in die Politik unter privatnütziger Zielsetzung. So betreibt etwa das von der Stiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) seit Jahren eine Kampagne für die Einführung von Studiengebühren und für unternehmensorientierte Hochschul- und Wissenschaftsstrukturen.
Die Bertelsmann Stiftung stellt selbstlos den “Schreibtisch” für die Allianz in Gütersloh.

Die Moderation der Allianz soll Siegmar Mosdorf, ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär und heutiger Partner der Communications & Network Consulting (CNC), eine international tätige Unternehmensberatung, die auf “politische Kommunikation” spezialisiert ist. Mosdorf ist “Botschafter” der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM)

Wie in kaum einem anderen Politikberatungsgremium, ob bei Stoiber oder bei Schröder, darf natürlich der “Chefberater” der “Deutschland AG” Roland Berger fehlen, auch er “Botschafter” der INSM.

Ludwig Georg Braun vom DIHT hat sich familienpolitisch in letzter Zeit dadurch besonders qualifiziert, dass er seine Mitgliedsunternehmen ermunterte in Billig-Lohn-Länder abzuwandern, um dadurch von Politik und Gewerkschaften “familienfreundliche” längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne abzupressen.

Die geschäftsführende Gesellschafterin der Döttlling & Partner Beratungsgesellschaft mbH, Dominique Döttling ,ist nicht nur ehemalige Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren, sie ist gleichfalls “Botschafterin” der INSM und dazu auch noch in der Kampagne “Marke Deutschland” aktiv.

Die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen des Vorstandsmitglieds der Volkswagen AG, Peter Hartz, haben die politische Diskussion des letzten Jahres mehr bestimmt als alle politischen Parteien zusammen. Auf seine familienpolitischen Versprechungen darf man gespannt sein.

Wo Dieter Hundt als Präsident der Arbeitgeberverbände (BDA) familienpolitisch verortet ist, ergibt sich aus seiner Funktion.

Christina Licci, Vorstandsvorsitzende der Citibank in Deutschland wurde von der Wirtschaftswoche zur Managerin des Jahres 2003 gekürt. Sie hat laut ZDF “unsere besten” “keine Familie” und “kaum Zeit” und ist damit familienpolitisch bestens ausgewiesen.

Warnfried Dettling, ehemaliger Planungschef der CDU und ehemaliger Ministerialdirektor im Familienministerium unter Kohl, ist heute als Publizist engagierter Vertreter der “Modernisierung” und des Modells der Eigenverantwortung gegen den überholten betreuenden Sozialstaat.

Als Alibi-Aushängeschilder sind der Allianz noch beigestellt:

Jutta Limbach, ehemalige Bundesverfassungsrichterin und heute Präsidentin des Goethe-Institus, die allerdings mit dem “Konvent für Deutschland” in Verbindung gebracht wird (Siehe “Kampagnen, Konvente, Klüngel”, Beitrag des Deutschlandradios vom 1.2.04).

Hubertus Schmoldt (IG BCE) und der Bundesvorsitzende des DGB, Michael Sommer.

Wissenschaftlicher Rat soll von Hans Bertram, Professor für Mikrosoziologie an der Humboldt-Universität in Berlin, kommen, der sich u.a. als Fachmann für die Neugestaltung der Familie, orientiert am amerikanischen Modell, ausgewiesen hat.

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass diese “Allianz” vor allem Vorschläge zu einer unternehmensfreundlichen Familienpolitik machen dürfte. Das wäre nicht schlimm, denn auch Interessenvertreter dürfen ihre Positionen formulieren. Leider haben wir aber die Erfahrung machen müssen, dass die Empfehlungen solcher “Beratungs-“Gremien anschließend die politische “Agenda” bestimmen.


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