NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Von der Freiheit der Wissenschaft zur „unternehmerischen Hochschule“

Datum: 13. Juni 2007 um 16:00 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft
Verantwortlich:

Kein anderes Land mache „Freiheit mit dieser Konsequenz zur Grundlage seiner Hochschulpolitik“, rühmt Innovationsminister Pinkwart das nordrhein-westfälische Hochschul-„Freiheits“-Gesetz. Stellt man die Kantsche Frage, für wen und wozu die „neue“ Freiheit dienlich ist, so wird man feststellen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschenden und Studierenden in der „unternehmerischen Hochschule“ – gemessen an ihren bisherigen Forschungs- und Lernfreiheiten – wesentlich „unfreier“ sein werden. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und die in Angelegenheiten der Wissenschaft gewährte Autonomie werden in der „unternehmerischen Hochschule“ der Freiheit des Wettbewerbs und damit den anonymen Zwängen der Konkurrenz auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt unterworfen: Konkurrenz um die Einwerbung von Studiengebühren als privates Investment in ein Studium. Ein Referat von Wolfgang Lieb auf einer Veranstaltung der GEW an der Universität Regensburg am 13. Juni 2007.

Seit dem Sputnik-Schock Ende der fünfziger Jahre, spätestens jedoch seit der 1964 von Georg Picht in seinem aufrüttelnden Buch konstatierten „Bildungskatastrophe“ entwickelte sich in Deutschland ein Konsens in der Politik, in fast allen gesellschaftlichen Gruppen und Parteien bis hin zur FDP, an den Hochschulen, bei den Gerichten, wonach Bildung und speziell ein Studium ein öffentliches, gemeinnütziges Gut sein sollte, dessen Förderung eine öffentliche Aufgabe sei. Dieser Konsens hat seit Anfang der siebziger Jahre zur völligen Abschaffung sämtlicher damals noch üblichen Studiengelder geführt. Es fand eine breit angelegte Bildungswerbung statt, die Ausbildungsförderung wurde reformiert. Deutschland erlebte eine Phase der Bildungsexpansion.

Noch 30 Jahre später, im Jahre 2000 verständigten sich die Wissenschaftsminister der Länder im thüringischen Meiningen einstimmig darauf, dass ein Erststudium gebührenfrei sein soll. Und sogar noch 2002 gab es eine Mehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat für eine gesetzliche Regelung der Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz.

Seit Mitte der neunziger Jahre hat allerdings eine gegenläufige Bewegung an Stärke gewonnen. Angestoßen etwa vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der Bertelsmann-Stiftung oder dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – dem wissenschaftspolitischen Arm der Wirtschaft – und danach unterstützt von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bis hin zum Jahresgutachten des „Sachverständigenrats“ 2004/2005. Eine ökonomische Betrachtungsweise eines Studiums gewinnt an Einfluss.

Zunehmend wird eine wissenschaftliche Ausbildung als eine private „Investition“ betrachtet, die Nutzen, Produktivität und vor allem das Einkommen des Akademikers erhöht und bei der es auf eine möglichst hohe „private Bildungsrendite“ ankommt. So wird etwa in nahezu allen Begründungen für die Einführung von Studiengebühren der Blick auf den „ökonomischen Gehalt“ eines Hochschulstudium verengt.
Bei einer solchen „ökonomistischen“ Betrachtung eines Studiums gelangt man dann zu der Schlussfolgerung, dass für eine privatnützige Ausbildung von den Studierenden eben auch ein „Preis“ zu verlangen ist.

Eine möglichst hohe wissenschaftliche Qualifizierung eines möglichst großen Teils der Arbeitsbevölkerung wurde nicht mehr überwiegend als Fundament für die technologische Innovation und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und als Element des wissenschaftlichen Fortschritts und der demokratischen Teilhabe und der kulturellen Entwicklung der Gesellschaft verstanden, sondern als eine private Investition in das persönliche „Humankapital“, die zukünftig durch eine höheres berufliches Einkommen eine private „Bildungsrendite“ abwirft.

Dieser „Paradigmenwechsel“ – wie der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg das zu Recht nennt – weg von einem Hochschulstudium als einem gemeinnützigen „Kollektivgut“ hin zu einem Studium als marktfähiges Gut hat inzwischen in der Mehrheit der Köpfe jedenfalls der gesellschaftlichen Machteliten stattgefunden.

Der Paradigmenwechsel findet in der Politik darin seinen Ausdruck , dass die Mehrheit der Länderregierungen – anders als noch beim Meininger Kompromiss der Kultusministerkonferenz im Frühjahr 2000 – nunmehr entschlossen ist, Studiengebühren einzuführen oder schon eingeführt hat und die restlichen Länder dürften sich bald anschließen, angeblich um wettbewerbsfähig zu bleiben – so etwa die hessische Begründung – und um nicht von „Studiengebührenflüchtlingen“ aus Ländern mit Studiengebühren überrollt zu werden.

Die seit über zehn Jahren andauernde Kampagne für die Studiengebühren ist kein isoliertes Phänomen, darin spiegelt sich ein seit einem viertel Jahrhundert vorangetriebener Wandel des gesellschaftlichen und ökonomischen Leitbildes in Deutschland wieder.
Schon Ende der siebziger Jahre – politisch markiert durch den Bruch der sozial-liberalen Koalition im Jahr 1982 – setzte sich mehr und mehr ein von der neoklassischen, angebotsorientierten ökonomischen Lehre geprägtes, zunächst nur auf die Wirtschaft bezogenes, zunehmend aber auch die Politik und die Öffentliche Meinung beeinflussendes „libertäres“ (Thomas Meyer) Leitbild durch.

Angestoßen von den Wirtschaftsverbänden und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – und beraten vor allem vom Bertelsmann Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) setzte sich eine ökonomische, genauer müsste man sagen, eine betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise nicht nur des Studiums sondern auch des gesamten Hochschulwesens durch. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung nannte diesen Prozess eine „Verbetriebswirtschaftlichung“ des bildungspolitischen Denkens.

Seit Jahren wird die Propagandatrommel mit den immer gleichen Parolen gerührt:

  • Angesichts der überforderten öffentlichen Kassen bedürfe es eines höheren privaten Anteils an der Finanzierung der Hochschulen.
  • Durch Studiengebühren entstehe ein „nachfrage- und preisorientierter Steuerungseffekt“ auf die Hochschulen. Der zahlende „Kunde“ Student werde durch seine pekuniäre Nachfragemacht „König“.
  • Studiengebühren schafften mehr Wettbewerb unter den Hochschulen um die Gebühreneinnahmen und verbesserten dadurch die Qualität des Studienangebots.
  • Die höhere Kostenbeteiligung der Studierenden führe zu „effizienterem Studierverhalten und damit zu kürzeren Studienzeiten“.

Alle diese Argumente sind nicht nur bildungspolitisch, sondern dazu auch noch – wie ich an einigen wenigen Beispielen zeigen werde – in ihrer vorgeschobenen ökonomischen Begründung falsch, aber, was noch schlimmer ist, sie führen Hochschulen und Studierende in eine für die Gesellschaft und die Betroffenen schädliche Richtung.
Lassen wir uns einmal für einen kurzen Augenblick auf das eindimensionale Weltbild dieser Betriebswirte ein, die das bildungspolitische Denken usurpiert haben.
Der ökonomische Kurzschluss fängt schon damit an, dass die elementare ökonomische Grundregel, wonach ein höherer Preis die Nachfrage senkt, regelmäßig ausgeklammert wird.
Dass diese Regel aber greift, beweist der jüngste Rückgang der Erstsemesterzahlen in Nordrhein-Westfalen um 5,3 % und in Niedersachsen um rund zwei Prozent nach der Einführung von Studiengebühren. Zum Start des Sommersemesters – dem zweiten Semester mit Studiengebühren – ist die Zahl der Studierenden an der größten nordrhein-westfälischen Universität zu Köln erneut um 5.000 Studierende gesunken. An der benachbarten Uni Bonn ging die Zahl der Studierenden seit Einführung von Studiengebühren um 7.000 zurück. Das entspricht einem Rückgang von ca. 25 Prozent.
Selbst die gebührenfreundliche „Zeit“ titelt am 9. November 2006: „Die abschreckende Wirkung der Studiengebühren ist kein Hirngespinst.“
Die Studentenwerke in Niedersachsen verzeichnen nach Einführung der Studiengebühr einen Einbruch bei den Bafög-Anträgen um mehr als 8%.
Ein höherer Preis dämpft also nicht nur die Nachfrage ganz allgemein, er trifft vor allem diejenigen Studierenden aus solchen Bevölkerungsgruppen, die nicht zu den Besserverdienenden gehören. Der empirische Beweis dafür ist längst geliefert:
Die Erhöhung des Anteils der Studierenden pro Altersjahrgang von 28 auf 35 Prozent seit der Verbesserung des BaföG im Jahre 1999 ist ein deutlicher Hinweis, dass die Kosten eines Studiums eine echte Bildungsbarriere sind.
Nach der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks gelingt von 100 Kindern hoher sozialer Herkunft 84 der Übergang in die gymnasiale Oberstufe und 74 nehmen ein Studium auf. Von 100 Kindern unterer sozialer Herkunft gelingt nur 33 der Übergang in eine weiterführende Schule und nur noch 8 überwinden die Schwelle zu einem Studium.
Nach meiner Meinung ist die derzeitige Verteilung von Bildungschancen, bei der fast 90 von Hundert aller Studierenden aus Elternhäusern mit mittlerem und höherem Einkommen kommen, schon heute weder volkswirtschaftlich vertretbar noch sozial verträglich, sondern ein „sozial unerträglicher“ bildungspolitischer Skandal.

Eine bildungspolitische Maßnahme, die nicht dazu beiträgt, diesen skandalösen Zustand zu überwinden, sondern ihn – wie die Studiengebühr – eher verschlimmert, kann deshalb beim besten Willen nicht mit dem Begriff der „sozialen Verträglichkeit“ verknüpft werden – wie das mit beliebigen Begründungen regelmäßig geschieht.

In der gängigen Argumentation für die Einführung von Studiengebühren wird komplett vor die Denkklammer gezogen oder systematisch verschwiegen, warum die öffentlichen Kassen eigentlich so knapp und warum die Hochschulen unterfinanziert sind.
Dass das etwas mit dem grassierenden „Steuersenkungswahn“ (Rudolf Hickel) vor allem bei den Unternehmens- und kapitalbezogenen Steuern zu tun haben könnte, unterliegt geradezu einem Denkverbot. Dass die ungefähr 60 Milliarden, mit denen allein die Regierung Schröder die Unternehmen steuerlich entlastete, kaum als Investivkapital in Deutschland angelegt wurden und schon gar keine Arbeitsplätze schufen, wird nicht zur Kenntnis genommen, und dass – jetzt einmal volkswirtschaftlich betrachtet – Investitionen in „Humankapital“ – wie selbst die wirtschaftsfreundliche OECD meint – viel produktiver und zukunftsträchtiger wären, ist allenfalls ein Versatzstück für Sonntagsreden unserer Politiker.
Man vergleiche nur einmal ein paar ganz aktuelle Zahlen: Da wurde Ende Mai eine weitere Unternehmenssteuerreform mit einem Bruttoentlastungsvolumen von 30 Milliarden und einer Nettoentlastung von mindestens 5 Milliarden beschlossen – vermutlich liegt das Steuergeschenk an die Unternehmen sogar erheblich höher.
Aber noch drei Monate zuvor erklärte Forschungsministerin Schavan, dass für eine Erhöhung der seit 2001 unveränderten BaföG-Sätze kein Geld da sei.
Wie es um die in aller Munde geführten politischen „Priorität für die Bildung“ in der Wirklichkeit aussieht, zeigt ein Zahlenvergleich des jüngsten Steuergeschenks für Kapital- und Personalgesellschaften mit dem viel bejubelten sog. Hochschulpakt 2020:
Nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes summieren sich die öffentlichen Ausgaben für die Hochschulbildung auf insgesamt rund 11 Milliarden und inklusive Transferleistungen – also etwa dem BaföG und Kindergeld – auf rund vierzehneinhalb Milliarden Euro im Jahr.
Über diese Summe hinaus bietet nun der Bund im Hochschulpakt gerade mal 565 Millionen über 4 Jahre bis zum Jahre 2010 an. Die Länder sollen diesen Betrag verdoppeln. Gerade mal etwas über 300 Millionen wollen also Bund und Länder jährlich zusätzlich beitragen, um den zu erwarteten Anstieg der Studierendenzahlen um 40 Prozent von 1,9 Millionen auf 2,7 Millionen zu bewältigen.
Zur Förderung des Investivkapitals verzichtet man also jährlich auf weit über 5 Milliarden, zur Förderung des „Humankapitals“ hat man gerade mal rund 300 Millionen pro Jahr zusätzlich zur Verfügung.

Aber lassen wir uns noch ein wenig weiter auf die pseudoökonomischen Begründungen für Studiengebühren ein:

  • Dass es unter den Bedingungen eines knappen Angebots und eines Nachfrageüberhangs nach Studienplätzen (der sich im immer schärfer werdenden „numerus clausus“ ausdrückt) nach der ökonomischen Lehre erst einmal zu einem höheren Preis kommen würde und noch lange nicht zu einem Qualitätswettbewerb, lernt man als Betriebswirt schon im ersten Semester.
    Statt eines nachfrageorientierten Steuerungseffektes in Richtung auf eine bessere Lehre, dürfte es eher zu einer Fehlsteuerung des Hochschulsystems und der Hochschulausbildung kommen:
  • Studiengebühren verzerren nämlich den Wettbewerb zwischen den Hochschulen noch stärker zugunsten großer Hochschulen in Ballungsräumen und zugunsten von solchen Hochschulen, die auf Grund der Attraktivität der Hochschulstädte einen Standortvorteil haben. Wie sollten kleinere Hochschulen mit viel weniger Studierenden und damit erheblich geringeren Studiengebühreneinnahmen wie etwa Siegen oder Greifswald, um nicht von Regensburg zu sprechen, mit den großen Unis in Köln, Berlin oder München mithalten können.

    Es kommt unter den Hochschulen wie in der Fußballbundesliga zu einer Art Bayern-München-Effekt. Der Unterschied zwischen Fußball und Studium besteht allerdings darin, dass im Fußball bei einem Abstieg von Mannschaften nur die Fans etwa von Aachen oder Mainz leiden, bei den Hochschulen aber die Masse der Studierenden, die nicht an einer sog. Spitzenhochschule studieren können, benachteiligt werden.
    Studiengebühren werden auf Dauer zu einer Hierarchisierung der Hochschullandschaft mit unterschiedlicher Qualität der Hochschulen führen.
    Deutschlands Hochschulwesen hat aber seine besondere Stärke in der Breite der wissenschaftlichen Ausbildung bei hoher und vergleichbarer Qualität der Hochschulen. Dieser auch international anerkannte Vorteil unseres Hochschulwesens wird also unwiederbringlich verspielt.

  • Und wird der „Kunde“ Student wirklich „König“?
    Wie wenig die Anhänger eines „nachfrageorientierten Steuerungseffekts“ ihrer eigenen Propaganda wirklich trauen, zeigt sich am deutlichsten darin, dass die allermeisten Studiengebührenbefürworter die Forderung nach einer Studiengebühr mit einem Auswahlrecht der Hochschule verknüpfen. Das ökonomische Grundprinzip einer Kundensteuerung, nämlich der freie Marktzugang des Kunden, wird also gleich wieder außer Kraft gesetzt.
    Nicht der „Nachfrager“ Student, sondern der „Anbieter“ Hochschule sucht sich seine ihm passenden Kunden aus.
    Wer steuert da eigentlich wen, der „Kunde“ Student den Anbieter oder der Anbieter Hochschule den „Kunden“ Student?
  • Studiengebühren dürften darüber hinaus auch noch zu einer Fehlsteuerung der Ausbildungsangebote und damit der wissenschaftlichen Ressourcen insgesamt führen, hin zu solchen Studien und Wissenschaftsdisziplinen, die viel nachgefragt werden, weil sie sich „auszahlen“, also einen hohen und schnellen „return of investment“ erwarten lassen.
    Die Hochschulen werden – der betriebswirtschaftlichen Vernunft folgend – möglichst viele „billige“ Studiengänge anbieten. Diese Tendenz zeigt sich in der Wirklichkeit der privaten Hochschulen in Deutschland: die meisten bieten allenfalls Fächer wie Betriebswirtschaftlehre, Marketing oder bestenfalls noch Jura an, keine einzige aber die erheblich teureren Ingenieur- oder Naturwissenschaften.
    Ein Medizinstudiengang an einer staatlichen Hochschule kostet 28.000 Euro pro Jahr, ein BWL-Studiengang 1.990 Euro. Auch jemand der nicht betriebswirtschaftlich geschult ist, kann sich leicht ausrechnen, mit welchem Studienangebot bei gleicher Gebühr pro Student eine Hochschule mehr Gewinn erzielen kann.
  • Studiengebühren beeinflussen nicht zuletzt die Studienmotivation: Wird ein Studium zu einer privaten Investition in das persönliche „Humankapital“, dann wird das Investitionskalkül bei der Wahl des Studienfaches zu einem bestimmenden Motiv. D.h. eine möglichst geringe Verschuldung bei geringem beruflichem Risiko und hoher Einkommenserwartung wird für die Wahl des Studienfaches immer wichtiger gegenüber einer Entscheidung für ein Studium nach Leistung und fachlichem Interesse oder auch persönlicher Neigung und vor allem auch nach gesellschaftlichem Bedarf.
  • Und schließlich noch zur Behauptung Studiengebühren wirkten studienzeitverkürzend: Wer das behauptet, der sollte sich einmal vor Augen halten, dass schon derzeit zwei Drittel aller Studierenden neben dem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen.

Einer der Täuschungstricks der Studiengebührenbefürworter besteht darin, dass sie suggerieren, ein Studium ohne Gebühr sei kostenlos.
Dazu einmal die Zahlen: Die öffentlichen Durchschnittskosten pro Studienplatz liegen nach Angaben des statistischen Bundesamtes bei etwas über 7.000 Euro pro Jahr. Die privaten Kosten für ein Studienjahr liegen jedoch deutlich darüber, nämlich bei etwa neuneinhalb tausend Euro. Das entgangene Einkommen, also die sog. Opportunitätskosten noch nicht einmal eingerechnet.
Wir haben also längst eine ausgeglichene Lastenverteilung zwischen öffentlichen und privaten Kosten. Durch die Studiengebühr wird diese Verteilung nur noch mehr zu Lasten der privaten Haushalte verschoben.
Studiengebühren sind zumal für das schmale Budget eines Studierenden ein erheblicher zusätzlicher Kostenfaktor. Sie zwingen noch mehr Studierende zu noch längerer Erwerbsarbeit neben dem Studium und wirken dadurch eher studienzeitverlängernd.
In Österreich jobben nach Angaben des Wiener Professors Kolland seit Einführung der Gebühr die Studierenden um 10% mehr.
Es würde mir ein großes Vergnügen bereiten, die Betriebswirte mit ihren eigenen betriebswirtschaftlichen Propagandafloskeln im Detail zu widerlegen. Das muss ich mir heute ersparen. Sie können das aber in allen Details in meiner Netzzeitung, die NachDenkSeiten nachlesen.
Obwohl die vorherrschende ökonomische Argumentation für die Studiengebühr, selbst wenn man sie nur an ihrem eigenen Rationalitätsanspruch überprüft, sich von vorne bis hinten als Scheinargumentation, sprich als Ideologie entpuppt, haben sich das CHE und seine Verbündeten in der Wissenschaftspolitik politisch durchgesetzt: In neun Ländern ist die Einführung von Studiengebühren Gesetz oder wird Gesetz.
Sicher, Bertelsmann und sein CHE standen bei dieser Kampagne für den Wechsel des Leitbilds nicht allein, da waren die Arbeitgeberverbände, da war die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, da war der „BürgerKonvent“ , der BDI und der BDA, der Konvent für Deutschland, die „Stiftung Markwirtschaft“, der „Kronberger Kreis“, die Initiative „Deutschland packt`s an“, die „Aktionsgemeinschaft Deutschland“ und wie die zahllos gewordenen, vom großen Geld finanzierten PR- und Lobbyorganisationen für einen marktradikalen gesellschaftlichen Systemwechsel auch alle heißen mögen.
Aber keine dieser Institutionen war politisch so wirkmächtig wie die Bertelsmann Stiftung.
Ich will an dieser Stelle kein Ko-Referat zu Thomas Barth halten, der in dieser Vortragsreihe vor kurzem über das System Bertelsmann referiert hat.
Deshalb hier nur so viel:
Die Bertelsmann Stiftung ist – entgegen dem Anschein, den sie zu erwecken versucht – keine gesellschaftspolitisch neutrale Einrichtung zu uneigennützigen Zwecken.
Man kann dem Firmenpatriarchen Reinhard Mohn nicht einmal vorwerfen, dass er mit seiner „Mission“ hinter dem Berg hält. Jeder kann sie auf der Website der Bertelsmann Stiftung oder in Mohns Buch „Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers“ nachlesen. Mohn legte in zahlreichen anderen Schriften seine Weltanschauung dar.

Mohn und mit ihm die Bertelsmann Stiftung vertreten eine Art deutschen Sonderweg in die wirtschaftsliberal globalisierte Welt, der auf eine korporatistische Unternehmenskultur setzt, den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt betrachtet und eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument an die Stelle von Mitbestimmung und demokratischer Gestaltung setzen will. Und immer geht es deshalb auch um ein Zurückdrängen des Staates, eine Verringerung der Staatsquote und – als Mittel dazu – um die Senkung der Steuerlast.
„Es ist ein Segen, dass uns das Geld ausgeht. Anders kriegen wir das notwendige Umdenken nicht in Gang“, meinte Mohn schon 1996 in einem Stern-Interview.
Und im Hinblick auf diese Mission ist die Stiftung – wie der Tagesspiegel schrieb – eine „Macht ohne Mandat“. Etwas vorsichtiger, muss man zumindest von einer Machtbeeinflussung und einem Vorantreiben des gesellschaftlichen Umbaus ohne demokratische Kontrolle sprechen.
Unter dem Pathos der „Gemeinwohlverpflichtung“ oder „Wir helfen der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen für die Zukunft zu finden“ (so Reinhard Mohn) gibt es kaum ein politisches Feld von Bedeutung, wo die Bertelsmann Stiftung mit ihren Handreichungen nicht ihre Lösungsangebote macht:
Von der so genannten „Reformpolitik“ (also etwa der Agenda 2010 oder den Hartz-Gesetzen), über die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme, etwa der Rentenversicherung, die Kommunal-, die Gesundheits-, die Finanz-, vor allem auch die Schul-, bis hin zur Außen- und Verteidigungspolitik oder zum Bibliothekswesen und dem Wissensportal www.wissen.de oder bis zum Familiengipfel, vom Bundespräsidenten, über die Bundeskanzler Schröder und Merkel und den Bundes- und vor allem Landesministerien, bis hin zur Kommunal- oder Finanzverwaltung, überall bietet die Stiftung ihre jeweiligen „Lösungen für die Zukunft“ an.
Und was noch entscheidender ist, diese Lösungskonzepte werden auf allen Ebenen, von zahllosen öffentlichen oder halböffentlichen Institutionen, von Regierungen und Parlamenten und von fast allen Parteien von der FDP, über die CDU oder die SPD bis zu den Grünen im Sinne des herrschenden Modernisierungsdenkens begierig aufgegriffen.
Nicht zuletzt werden die Botschaften über die zum Bertelsmann-Konzern gehörenden meinungsprägenden Medien verkündet.
RTL Television, Super RTL, VOX oder N -TV in Deutschland gehören zum Konzern. Das Bertelsmann Zeitschriften-Imperium beherrscht die Kioske: Der Verlag Gruner + Jahr gehört zu 74,9% der Bertelsmann AG. Gruner + Jahr ist wiederum mit einer Sperrminorität von 25,25% am Spiegelverlag beteiligt. Stern, GEO, Capital, Brigitte, das manager-magazin, die Financial Times Deutschland sind nur einige wenige der Titel, die unter der Regie des Mutterkonzerns stehen.
Die unabhängige „Die Zeit“ ist Medienpartner des CHE bei den Hochschulrankings.
Und natürlich greift der Spiegel mit seinem Uni-Spiegel die Argumente aus dem Haus seines Anteilseigners Bertelsmann besonders gerne auf. Der Stern kann sowieso nicht anders.

Besonders engagiert ist die Bertelsmann Stiftung auf dem Feld der Hochschulpolitik. Hochschulen werden von Reinhard Mohn – richtigerweise – als „Schlüssel zur Gesellschaftsreform“ angesehen wird.
Mohn war einer der Gründungsväter und bis vor wenigen Jahren der Hauptsponsor der 1983 gegründeten ersten deutschen Privaten Universität Witten-Herdecke. Sie sollte „Stachel im Fleisch“ der staatlichen Hochschulen sein. Doch trotz großer Namen aus der Wirtschaft litt die Privatuni permanent unter Geldnot, so dass sie 1993 pleite gegangen wäre, hätte ihr nicht das Land Nordrhein-Westfalen unter die Arme gegriffen und pro Studierendem mehr Geld eingesetzt als pro Kopf an den staatlichen Hochschulen.
Witten-Herdecke steht derzeit einmal mehr vor der Insolvenz, die Privat-Uni verbucht ein Defizit von 12 Millionen Euro bei einem Gesamtjahresbudget von 36 Millionen und braucht dringend neue Finanzpartner. Derzeit kann man in den Zeitungen lesen, dass der Gesundheitskonzern SRH und die Software AG-Stiftung die Uni übernehmen wollen.

Reinhard Mohn hat offenbar im Laufe der Zeit erkannt, dass der Weg zur Reform des Hochschulsystems über die Gründung privater Hochschulen nicht erfolgversprechend ist, weil sich nicht genug private Geldgeber finden lassen. Viel effizienter erschien ihm daher mehr und mehr der Weg, die weitgehend staatlich finanzierten Hochschulen wie private Unternehmen in den Wettbewerb zu schicken und über die Konkurrenz um Studiengebühren und ergänzende private oder auch öffentliche Drittmittel das Hochschulsystem steuern zu lassen.

Die richtige Erkenntnis einerseits, dass Hochschulen ein Schlüssel zur Zukunft und die Aussichtlosigkeit andererseits, dass private Hochschulen angesichts der immer noch hohen Qualität der öffentlichen Hochschulen in Deutschland jemals zu einem Erfolgsmodell werden könnten, haben Reinhard Mohn wohl veranlasst 1994 das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zu gründen.
Klugerweise nahm das CHE die damals ohne jeden Apparat und ohne großen institutionellen Einfluss auf die Hochschulpolitik agierende, aber umso standesbewusstere Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit ins Boot. So veröffentlichten das CHE und die HRK ihre hochschulrefomerischen Lösungskonzepte unter einem gemeinsamen Kopfbogen und so verschaffte sich Bertelsmann ein einigermaßen unverdächtiges Entree in die Hochschulen vor allem über die Hochschulleitungen.

Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) firmiert als eine private und als gemeinnützig anerkannte GmbH, die von der Bertelsmann-Stiftung mit jährlich etwa zwei Millionen Euro finanziert wird. Nach eigener Darstellung handelt es sich beim „CHE“ um eine unabhängige »Denkfabrik«. Wie anschließend noch zu belegen sein wird, hat sich sein Leiter, Detlef Müller-Böling, inzwischen zum „informellen“ Bildungsminister der Republik aufgeschwungen.

Müller-Böling ist Professor für Betriebswirtschaftslehre – nicht etwa für Erziehungswissenschaft oder wenigstens Bildungsökonomie –, und das ist charakteristisch für die Perspektive des CHE: Es geht weniger um Bildung als vielmehr um die Übertragung betriebswirtschaftlicher Strukturen und Steuerungsinstrumente auf die Hochschulen und um die Einführung einer (die staatlichen Zuschüsse) ergänzenden privaten Bildungsfinanzierung.
Dementsprechend hat sich das CHE von Anfang an als „Sturmtrupp“ ( so Thomas Barth) für das Bezahlstudium verstanden.

Das CHE hat sich als der bislang antriebsstärkste „Reformmotor“ der Bertelsmann Stiftung erwiesen. „In ihrer Projektarbeit folgt die Bertelsmann Stiftung der Überzeugung des Stifters Reinhard Mohn, dass die Prinzipien unternehmerischen Handelns zum Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft beitragen können“, kann man dort im Internetauftritt nachlesen.
Überall wo sich Bertelsmann einmischt geht es um die Mission von weniger Staat, mehr Wettbewerb, um unternehmerische Leitungsstrukturen und um mehr betriebswirtschaftliche Effizienz als Qualitätskriterium.

Die Methoden, die Bertelsmann und das CHE für ihre „Überzeugungsarbeit“ einsetzen sind im Großen und Ganzen immer dieselben: Es sind Rankings und Benchmarks und Umfragen, die zunächst von den eigenen Medien verbreitet und dann von den anderen aufgegriffen werden.
So veranstaltet die Stiftung seit Jahren z.B. ein sog. Standort-Ranking und regelmäßig landet Deutschland als Schlusslicht. Und regelmäßig ist die Schlussfolgerung, Deutschland braucht weniger Staat, eine Senkung der Staatsquote, einen Umbau des Sozialstaats, niedrigere Löhne und vor allem niedrigere Lohnnebenkosten, Deregulierung und vor allem weniger Kündigungsschutz. Nur so könne Deutschland aus der Misere herauskommen.
Bertelsmann produziert auch einen sog. „Transformation Index“ (BTI) in dem die Staaten der Welt am Ziel der (Zitat) „marktwirtschaftlichen Demokratie“ gemessen werden.

Der Direktor der UN Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) Heiner Flassbeck meint dazu: Solche Benchmarks sind in der Ökonomie extrem simple Verfahren: Man hat ein regional begrenztes Problem vor Augen, etwa die Arbeitslosigkeit in Deutschland, und sucht nun in anderen Regionen, wo dieses Problem in geringerem Maße auftritt, nach möglichst vielen Indikatoren, die anzeigen könnten, warum es dort besser geht. Das muss nicht falsch sein, wenn der Vergleich der einzelnen Benchmarks im Lichte einer Theorie, auf kausale und funktionale Zusammenhänge überprüft würde.
Doch um Letzteres geht es beim Benchmarking gerade nicht. Es geht um die weitgehend theorielose Aneinanderreihung möglichst vieler miteinander verbundener oder auch unverbundener Befunde. Zitat Flassbeck: „Was als „Schwachstellenanalyse“ ausgegeben wird, ist ein wildes Sammelsurium von Daten, Vorurteilen und Voreingenommenheiten, die sich in massiven Widersprüchen niederschlagen.“
Einer dieser – von den Autoren meist unterschlagenen – Widersprüche ist, zum Beispiel, dass die ökonomisch relativ erfolgreichen skandinavischen Staaten mit ihren höchsten Staatsquoten eigentlich die „marktwirtschaftliche Demokratie“ à la Bertelsmann längst erdrosselt haben müssten.

Selbst das Ifo-Institut des ziemlich marktradikalen Professor Hans-Werner Sinn hat in einer Studie nachgewiesen, dass solche „Studien“ kaum etwas darüber aussagen, wie gut oder schlecht es tatsächlich um die Wachstumsaussichten in den bewerteten Staaten steht.

Überall dort, wo kein Markt besteht und damit das Steuerungsinstrument des Wettbewerbs nicht funktioniert, also vor allem im öffentlichen Sektor, etwa in den Verwaltungen, in der Schule oder bei Hochschulen, musste die Bertelsmann Stiftung wettbewerbliche Steuerungsinstrumente erst noch einführen. Auch da dienen als Fiktion für den Marktwettbewerb Rankings und Benchmarks.

Das CHE hat so in Deutschland die Hochschulrankings hoffähig gemacht.

Inzwischen veranstaltet Bertelsmann mit über 280 Hochschulen in Deutschland, Östereich und der Schweiz das größte Hochschulranking im deutschsprachigen Raum und seit geraumer Zeit wird jedes Jahr ein Drittel der gesamten Fächerpalette neu gerankt.
Zusätzlich zum Hochschulranking gibt es noch ein CHE-ForschungsRanking, ein CHE-LänderRanking und sogar noch ein CHE-AlumniRanking. Wie schon erwähnt, dienen als vermeintlich neutrale Medienpartner die bürgerlich-liberale Hamburger „Zeit“ und vorher der als links-liberal geltende „Stern“.

Da Wettbewerb und Konkurrenz nach der Grundphilosophie der Stiftung das beste und effizienteste Steuerungsinstrument ist, muss mit Ranglisten auch dort ein Wettbewerb fingiert und inszeniert werden wo – wie etwa bei den Hochschulen – gar kein Markt existiert. Darüber hinaus – und das ist das eigentliche Steuerungsinstrument – wird durch die Vergleiche nicht etwa nur eine Selbsteinschätzung der einzelnen Hochschule ermöglicht sondern zugleich ein Konformitäts- und Anpassungsdruck auf alle Hochschulen ausgeübt

Aus den Rankings sollen sich Qualitätsvergleiche ergeben und wer am besten abschneidet soll nach den Vorstellungen der Veranstalter solcher Rankings die Qualitätsmaßstäbe vorgeben. Das Ziel ist, dass sich die schlechter Platzierten im Wettbewerb an den besser Platzierten messen und dadurch eine angebliche Qualitätskonkurrenz zur „Entfesselung“ der Hochschulen angestoßen wird.

Man kann nun lange über die Sinnhaftigkeit von Benchmarks oder Rankings streiten. Über eine Tatsache führt nichts hinweg: Wie bei allen Vergleichsmessungen, geht es bei Rankings darum, dass Qualität quantifiziert werden muss. Oder anders: Man muss Qualität in Quantitäten ausdrücken, denn nur so lässt sich vergleichen und messen.
Bei den Rankings im Jahre 2006 wurden etwa gemessen:

  • Die Drittmittel pro Wissenschaftler
  • Die Drittmittel pro Professor
  • Die Publikationen pro Professor
  • Die Publikationen pro Wissenschaftler
  • Die Zitationen pro Publikation
  • Die Promotionen pro Professor
  • Die (durch methodisch fragwürdige Umfragen) erhobene Lehr- und die Forschungsreputation

Zudem hat man dann noch Studierende oder Personalchefs nach ihrem Urteil über den Arbeitsmarkt- Praxisbezug der Lehre gefragt, darüber hinaus wurden die Studienorganisation, nach der Betreuung, nach dem Kontakt zu Lehrenden abgefragt. Vergleichsmaßstäbe waren ferner die Zahl der Lehrevaluationen, das Angebot an E-Learning, an AV-Medien oder bei der IT-Infrastruktur und ähnliche Ausstattungskategorien.
Wie sollte eigentlich ein Studierender den Arbeitsmarkt- oder Praxisbezug seines Studiums beurteilen können und warum wurde nicht ein einziges Mal nach der wissenschaftlichen Qualität der Lehre gefragt?
Fragen Sie doch einfach einmal an Ihrer Hochschule nach, wie diese Daten erhoben worden und wie sie zustande gekommen sind und vor allem ob ihre Hochschule eine Kontrolle darüber hatte, ob Vergleichbares verglichen worden ist.

Ich will nun nicht bestreiten, dass manche dieser erhobenen Daten eine gewisse Aussagekraft besitzen, wer allerdings den verobjektivierenden Eindruck erwecken will, mit solche Umfragen und Zahlenangaben sei etwas über die Qualität von Forschung oder über die Qualität des Studiums oder gar etwas über die hoffentlich damit verbundene Bildung ausgesagt, der täuscht sich und andere.
Ist eine Lehrveranstaltung besser oder schlechter, weil dort E-Learning oder AV-Medien eingesetzt werden, wird der der Lehrstoff didaktisch besser aufbereitet weil die IT-Infraststrukur besser ist? So begrüßenswert solche Ausstattungen auch sein mögen.
Rankings sollen Objektivität vorspiegeln und deshalb heben sich solche Evaluierungen ganz bewusst von der Urteilsfähigkeit der Scientific Community, der Fachkollegen untereinander oder der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden ab.

Die Fetischisierung der Rangliste sei Ausdruck und Symptom einer „spezifischen Erscheinungsform von Unbildung“, nämlich mangelnder Urteilskraft, schreibt der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann in seinem Buch „Theorie der Unbildung“. „Tatsächlich ersetzt jede Reihung ein qualifiziertes Urteil, da sie besessen ist von der falschen Vorstellung, Urteilen hieße Quantifizieren“, meint Liessmann.
Nun muss man den neuhumanistischen Bildungsbegriff des Philosophen nicht teilen, aber Recht hat Liessman, wenn er schreibt, dass der Gedanke des Vergleichens und der Reihung in Verbindung mit dem Paradigma betriebswirtschaftlichen Denkens steht, das den Betriebsablauf von Hochschulen eher mit dem von Unternehmen vergleicht.

Geradezu ein Musterbeispiel für die „Verbetriebswirtschaftlichung“ des bildungspolitischen Denkens ist die seit über 10 Jahren andauernde Kampagne des CHE für die Einführung von Studiengebühren.
Das CHE arbeitet wie die anderen meist als gemeinnützige zivilgesellschaftliche Stiftungen organisierte PR-Agenturen nach dem gleichen Stil. Man erstellt eine Studie oder macht eine Umfrage und schafft so einen Medien-Event und die Mainstream-Medien plappern die Ergebnisse unkritisch wie Papageien nach.
Das sogar dann, wenn jedem nur einigermaßen aufmerksamen Leser erkennbar wird, dass die Meldung einen manipulativen Charakter hat. So publizierte das CHE im Dezember 2003 eine Umfrage unter der Überschrift: „Studierende mehrheitlich für Studiengebühren“. Der Haken an dieser Umfrage war nur, dass die Studierenden lediglich nach verschiedenen Gebührenmodellen gefragt wurden und die Befragten daraus das für sie akzeptabelste Modell ankreuzen sollten. Die Grundfrage, ob die befragten Studierenden überhaupt für oder gegen Studiengebühren sind, wurde gar nicht erst gestellt. Dennoch: Die Überschrift schaffte es in die Schlagzeilen und wurde von den Gebührenbefürwortern natürlich genüsslich zitiert.

Wenn man so argumentiert wie ich, wird einem von Vielen, die die Bertelsmann Stiftung nach wie vor als ein dem Gemeinwohl verpflichtetes Unternehmen betrachten und die das eine oder andere Projekt für durchaus hilfreich halten, vorgehalten, man sei ein „Verschwörungstheoretiker“.
Lassen Sie mich deshalb einmal konkret belegen, wie eine solche „Verschwörung“ abläuft:
Die Entstehungsgeschichte des „Hochschulfreiheitsgesetzes“ in Nordrhein-Westfalen ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Politik und der Staat aus ihrer Verantwortung für ein zentrales Feld der Zukunftsgestaltung zurück ziehen und dem Druck einer privaten Lobbyorganisationen nachgeben und sich zur verlängerten Werkbank des „Centrums für Hochschulentwicklung“ degradieren lassen.

Schaut man nämlich einmal genauer hin, woher das dort in Gesetzesform gegossene Konzept vom Rückzug des Staates zugunsten einer unternehmerischen Hochschule stammt, so stößt man auf die sog. „Governance Struktur“ des „New Public Management“- Modells das vom bertelsmannschen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und dem „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“ seit geraumer Zeit der Politik angedient, um nicht zu sagen aufgenötigt wird.

Das lässt sich beim nordrhein-westfälischen „Hochschulfreiheitsgesetz“ sogar schwarz auf weiß belegen:
Ende 2005 veröffentlichte der Gütersloher Think-Tank – so wörtlich – „Zehn CHE-Anforderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz für Nordrhein-Westfalen“.
In diesem Anforderungen finden sich teilweise sogar bis in den Wortlaut hinein die Formulierungen wieder, die der nordrhein-westfälische Innovationsminister Pinkwart, ohne jede politische Debatte in seiner Partei, geschweige denn im Landtag kurze Zeit später auf einer Pressekonferenz am 25. Januar 2006 als seine eigenen „Eckpunkte des geplanten Hochschulfreiheitsgesetzes“ vorstellte.
Die Identität beider Papiere (Sie können das alles schwarz auf weiß im Internet nachlesen) ließe sich an vielen Stellen belegen (hier nur zwei Beispiele):

  • In den CHE-Anforderungen heißt es: “Es geht dabei insbesondere um die Möglichkeit einer Stärkung der körperschaftlichen Seite der Hochschulen bei gleichzeitiger Minderung ihrer Eigenschaft als staatlicher Einrichtung.”
    Bei Pinkwart heißt es: “Die Hochschulen werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbständigt und sind künftig keine staatlichen Einrichtungen mehr.”
  • Oder zum Hochschulrat (also dem Künftigen Aufsichtsrat mit Fachaufsicht):
    Wortlaut CHE: “In verschiedenen Bundesländern ist bereits ein Modell eingeführt worden, in dem die Kompetenzen vom Staat auf einen Hochschulrat übertragen worden sind, wobei die Wahl des Rektorats und die Verabschiedung der Grundordnung unabdingbar dazu gehören. Der Hochschulrat muss hierdurch zu einem insbesondere in strategischen Fragen wichtigen Entscheidungsorgan werden. Die Mitglieder sollten extern bestellt werden.”
    Wortlaut Pinkwart: “Der Hochschulrat tritt als neues Organ an die Stelle des Kuratoriums und besteht mindestens zur Hälfte aus Mitgliedern von außerhalb der Hochschule…Der Hochschulrat entscheidet über die strategische Ausrichtung der Hochschule und nimmt die Fachaufsicht war. Er beschließt über den Hochschulentwicklungsplan und die von den Hochschulen mit dem Land ausgehandelten Zielvereinbarung.”

Damit aber noch nicht genug:
Zwei Tage nach Pinkwarts Pressekonferenz meldet sich der Leiter des CHE, Detlef Müller-Böling zu Wort und erteilt dem Minister Zensuren:
Das CHE begrüßt natürlich die Eckpunkte für ein NRW-„Hochschulfreiheitsgesetz“, sieht aber noch „Entwicklungspotentiale“, heißt es in den CHE-News vom 27. Januar.
Das CHE bewerte Pinkwarts Eckpunkte „überwiegend positiv“. „In einigen Punkten erscheinen Modifikationen sinnvoll und der eine oder andere Punkt, der sich in den Eckpunkten bislang nicht findet, kann in dem Gesetz ja durchaus noch angesprochen werden.“
In dieser Tonlage fährt das Zeugnis des CHE, das sich jeder aus dem Internet holen kann, fort: Pinkwart „trägt Rechnung“, „richtig ist“, Pinkwart „sollte“ usw. usf.
Mit Verlaub, hier drückt sich eine Anmaßung einer durch nichts als durch das nötige Geld legitimierten privaten Interessensgruppe gegenüber dem Staat, der Regierung und dem Parlament aus, die nach demokratischen Maßstäben eigentlich nicht mehr hinnehmbar sein sollte. Die Politik wird geradezu zum Befehlsempfänger von Bertelsmann degradiert.

Damit aber immer noch nicht genug:
Das nordrhein-westfälische „Hochschulfreiheitsgesetz“ wurde nicht nur am Schreibtisch des CHE entworfen, nach seiner Verabschiedung soll es nun auch noch bei seiner Umsetzung von den gleichen „unabhängigen Experten“ des CHE begleitet werden, um damit eine (Zitat des NRW-Wissenschaftsministeriums) “möglichst hohe Qualität bei der Umsetzung zu sichern“.
Nachdem sich also schon der Staat dem Einfluss dieser privaten Lobbyorganisation preisgegeben hat, sollen sich nun auch noch die Hochschulen selbst dem Regime des CHE unterordnen.

Das hätte ich mir früher einmal als Staatssekretär erlauben sollen, nämlich die Hochschulen bei der Umsetzung eines Gesetzes zum „Erfolg“ zu führen. Der Untergang der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und damit der Epoche der Aufklärung wäre von den Hochschulen beschworen worden.

Aber wenn nun einer der mächtigsten und politisch einflussreichsten Konzerne den Hochschulen sagt, was sie zu tun haben, dann scheint das von den Hochschulen ganz selbstverständlich und ohne Murren hingenommen zu werden.
Mir fällt dazu nur noch ein: Die nordrhein-westfälischen Hochschulen nehmen ihre ihnen angeblich durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ zugestandene Freiheit dadurch wahr, dass sie freiwillig auf diese Freiheit verzichten.

Im Mittelalter beherrschten die Kirche und die Monarchen die Wissenschaft und die Universitäten, im 21. Jahrhundert soll es wohl Bertelsmann sein. Eine neue Epoche der Aufklärung und eine politische Freiheitsbewegung für die Unabhängigkeit und Freiheit er Wissenschaft sind leider nicht in Sicht.

Wer nun meint, Düsseldorf sei eben nicht so weit weg von Gütersloh und es sei doch ganz schön, dass sich ein nordrhein-westfälischer Think-Tank um Landesangelegenheiten kümmert, der verharmlost die Situation.
Das CHE bewertete in gleicher Weise das neue Hochschulgesetz in Sachsen und auch anderswo.

Das CHE ist quasi in das Kompetenzvakuum eines fehlenden Bundeshochschulministeriums gestoßen und füllt die in unserer Verfassung nicht vorgesehene Rolle eines Bundeshochschulministeriums aus – ein informelles Ministerium, das allerdings nicht dem Parlament sondern nur der Bertelsmann Stiftung rechenschaftspflichtig ist. Der Autor des Buches „Hinter der Fassade des Medienimperiums“ Frank Böckelmann, nennt das „eine Privatisierung der Politik“.

Es ist allerdings eine Privatisierung der Politik auf öffentliche Kosten, denn immerhin hat sich die Familie Mohn durch die Gründung der Stiftung, die ihr allerdings immer noch das Sagen über die Kapitalanteile am Konzern erhält, riesige Summen an einer möglicherweise anfallenden Erbschaft – oder Schenkungssteuern erspart und zweitens sind die Dividenden, die an die „gemeinnützige“ Stiftung abgeführt werden, steuerbegünstigt.
Natürlich ist es nach wie vor richtig, dass Bertelsmann die Gesetze nicht selber verabschiedet, sondern dass diese meist von der Exekutive eingebracht und vom Parlament verabschiedet werden. Aber über die personellen Netzwerke wird der Bertelsmannsche „Reformmotor“ zur eigenständigen politischen Antriebskraft, der auch außerhalb der Parlamente eine Art Eliten-Konsens schafft – und dabei nebenbei auch noch ein positives Image für den Bertelsmann-Konzern schafft.
Unter dem Zwang der leeren öffentlichen Kassen und unter dem beschönigenden Etikett eines „zivilgesellschaftlichen Engagements“ greift der Staat die „gemeinnützigen“ Dienstleistungen privater Think-Tanks nur allzu gerne auf. Ja noch mehr, er zieht sich aus seiner Verantwortung immer mehr zurück und überlässt wichtige gesellschaftliche Bereiche wie etwa die Bildung oder die Hochschule gleich ganz den Selbsthilfekräften bürgerschaftlichen Engagements.
Aus dieser Staats- und Gesellschaftsvorstellung speist sich die Idee von der „selbständigen Schule“ oder der „Entlassung“ der Hochschule aus der staatlichen Verantwortung, wie das etwa mit dem „Hochschulfreiheitsgesetz“ in Nordrhein-Westfalen geschehen ist.
„Der anonyme Wohlfahrtsstaat hat ausgedient, an seine Stelle tritt der soziale Staat, der vom bürgerschaftlichen Engagement und vom solidarischen Verhalten aller lebt. Dass möglichst viele verantwortungsvoll ihr Können in den Dienst der Gemeinschaft stellen, das macht diesen Staat auf Dauer lebensfähig“, das schrieb Liz Mohn vor kurzem (5.12.06) in einem Gastkommentar zum „Tag des Ehrenamtes“ in der Financial Times Deutschland.
Und wie wir gerade die letzten Tage lesen konnten, will Finanzminister Steinbrück dieses zivilgesellschaftliche Engagement in Zukunft noch stärker steuerlich privilegieren.

Die Rollenverteilung der gesellschaftlichen Gruppen bei ihrem „Dienst an der Gemeinschaft“ ergibt sich dabei ziemlich naturwüchsig daraus, was eben jeder einzelne mit seinem bürgerschaftlichen Engagement zu leisten vermag. Diejenigen, die nicht so viel Geld und Vermögen haben, machen Sozialarbeit, also Altenpflege oder Übungsleiter im Sportverein, die Vermögenden vergeben Forschungsaufträge oder Stiftungslehrstühle oder sie stiften gleich ganze Denkfabriken und prägen damit den Gang der Wissenschaft oder den gesellschaftlichen Diskurs und bestimmen so die gesellschaftliche und die politische Weiterentwicklung.

So hat sich inzwischen eine private institutionelle Macht des Reichtums herausgebildet, die, wie bei Bertelsmann streng hierarchisch organisiert, ihren Einfluss über das gesamte politische System ausdehnt und die demokratisch legitimierte Machtverteilung zwischen Parteien, Parlamenten und Exekutive unterwandert und gleichzeitig die öffentliche Meinung prägt.
Diese „zivilgesellschaftliche“ Macht ist stützt sich ausschließlich auf Reichtum und Vermögen und die Mohns gehören nach der Forbes-Rangliste zu den 250 reichsten Leuten auf der Welt. Sie stützt sich darauf, dass eben zum Beispiel der Bertelsmann-Konzern und seine Stiftung mehr Geld hat als jede andere private und staatliche Institution, Expertisen und Gutachten erstellen zu lassen, Kongresse zu veranstalten, wissenschaftliche Studien zu erstellen, um die Mission ihres Stifters zu verbreiten. Demokratisch legitimierte Macht im Staate wird so mehr und mehr durch Wirtschaftsmacht zurückgedrängt, ja sogar teilweise schon ersetzt.

Dieser Weg in diese Art von Zivilgesellschaft befördert nicht nur die ohnehin bestehende extreme materielle Ungleichheit zwischen Arm und Reich, sondern dieser Weg schließt – anders als das im Modell des Mehrheitsprinzip in der Demokratie vorgesehen ist – vor allem die große Mehrheit der weniger wohlhabenden Bevölkerung mehr und mehr von der politischen Teilhabe und der Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Zukunft aus.
Aus Souffleuren der Macht werden die tatsächlichen Machthaber.

Dieser schleichende Systemwechsel vom demokratischen Wohlfahrtsstaat zu einer Art Timokratie, also der Herrschaft des Geldes, wird mit dem Pathos von „mehr Freiheit“ vorangetrieben. Bezeichnenderweise trägt z.B. das neue nordrhein-westfälische Hochschulgesetz den Titel Hochschul-„Freiheits“-gesetz“.
Kaum ein anderer Begriff wurde jedoch in der Menschheitsgeschichte so unterschiedlich gebraucht und ist so missbraucht worden, wie der Freiheitsbegriff.
Man sollte also, wenn von „Freiheit“ die Rede ist, immer nach der von Immanuel Kant herausgearbeiteten Unterscheidung zwischen „positiver“ und „negativer“ Freiheit fragen. Also die Fragen stellen: „Freiheit zu was“ und „Freiheit von was oder der Freiheit von wem“.

Kein anderes Land mache (Zitat) „Freiheit mit dieser Konsequenz zur Grundlage seiner Hochschulpolitik“, rühmt Innovationsminister Pinkwart sein Hochchul-„Freiheits“- Gesetz.
Stellt man einmal die Kantsche Frage, für wen und wozu die „neue“ Freiheit dienlich ist, so wird man feststellen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschenden und Studierenden gemessen an ihren früheren Forschungs- und Lernfreiheiten und verglichen mit ihren bisherigen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten wesentlich „unfreier“ sein werden als mit der – durchaus nicht optimalen – früheren akademischen Selbstverwaltung.

  • In der selbstverwalteten Gruppenuniversität entschied (vor allem) die Gemeinschaft der Lehrenden und (in Studienangelegenheiten mit einer Drittelparität) auch der Studierenden – jedenfalls der Satzung und dem Anspruch nach – nach forschungs- und lehrrelevanten Maximen und Interessen über Forschung und Lehre und – mit zunehmend flexibilisierten Haushalten – auch über die Verteilung der Ressourcen.
    Der Staat legte den Finanzrahmen fest und führte im Wesentlichen nur eine Rechts- und Finanzaufsicht.
  • In der „unternehmerischen“ Hochschule soll nicht mehr aufgrund von „Entscheidungen in den Gremien“ (in denen nach Pinkwarts Vorurteil natürlich nur blockiert wurde und „demotivierende Bedingungen“ herrschten), sondern es muss nach den Gesetzen des „Wettbewerbs“ und der „Konkurrenz“ auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt gehandelt werden.
    Nicht nur die Universität selbst soll „unternehmerisch“ agieren, sondern auch die Lehrenden und Forschenden sollen zu (Zitat Pinkwart) „Unternehmern innerhalb der unternehmerischen Hochschule“ werden.
    Bei Entscheidungen unter Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck sind natürlich ausgiebige Diskussionen in Selbstverwaltungsgremien nur, wie Pinkwart sagt, „bürokratische Hürden“ und „Hemmnisse“ die es „aus dem Weg zu räumen“ gilt.

Die Hochschule im Wettbewerb bedarf, so Pinkwart, „klare, handlungsfähige und starke Leitungsstrukturen“, oder wie der Minister meint „ein modernes Management“, das rasche Entscheidungen treffen und umsetzen kann.

Horizontale, „bottom-up“-Strukturen demokratischer oder kooperativer Interessenvertretung müssen in diesem neuen Leitbild der Hochschulen von vertikalen, „top-down“-Entscheidungsbefugnissen abgelöst werden.
Während der Rektor einer Hochschule früher der „primus inter pares“ war, braucht die „unternehmerische“ Hochschule – laut Pinkwart – wie ein auf „den Zukunftsmärkten“ agierendes Unternehmen ein „professionelles Management“ mit effizienten Entscheidungsbefugnissen und rascher Entscheidungskraft. Eine Hochschulleitung die von der Spitze aus in alle Bereiche des Unternehmens – als (Zitat) „Arbeitgeber und Dienstherr“ des „Personals“ (ehemals Hochschullehrer genannt) und bis hinein in die „Ausbildungsverhältnisse“ (ehemals Studium genannt) durchentscheiden kann.

Man braucht dazu sozusagen einen Chief Executive Officer als Präsidenten, gegen dessen Stimme keine Entscheidung getroffen werden kann. (§ 15 Abs. 2 Ziff. 3 HFG)
Die Qualität einer Hochschule bestimmt sich nicht mehr aus ihrer wissenschaftlichen Anerkennung innerhalb der Scientific Community und einem anspruchsvollen wissenschaftlichen Studium, sondern in der „unternehmerischen“ Hochschule erweist sich Qualität in der (Zitat) „Konkurrenz mit ihresgleichen“.
Dabei soll die einzelne Hochschule (Zitat) „das Ziel Qualität auf unterschiedlichen Wegen zu verfolgen. Die eine Hochschule wird sich auf ihre Rolle als Ausbilder und F&E-Partner in ihrer Region konzentrieren. Eine andere Hochschule wird sich an starken europäischen Mitbewerbern um technologische Leitprojekte orientieren und mit dem Anspruch antreten, in der internationalen Liga der Spitzenforschung mitzuspielen“. (Zitat Ende)

Die Zielvorstellung von Innovationsminister Pinkwart entspricht also in etwa dem amerikanischen Hochschulsystem mit einer hierarchisch tief gestaffelten Hochschullandschaft mit einigen wenigen Spitzenuniversitäten mit Ausbildungsangeboten für den Nachwuchs der Upper Class und der großen Masse von Hochschulen ganz unterschiedlicher Qualität für die große Masse der Studierenden.
Diese Trennung von „Spreu“ und „Weizen“ wird übrigens noch verschärft, in dem die Masse der Studierenden in verschulte Bachelor-Studiengänge gedrängt werden und nur noch eine quotenmäßig festgelegte, kleine Gruppe zu einem Masterstudium mit wissenschaftlichem Anspruch zugelassen wird.

Damit den Gesetzen des Wettbewerbs gefolgt werden kann, müssen – dem Glaubensbekenntnis des Markt- und Wettbewerbsliberalismus entsprechend – der Staat oder die Politik aus dem Marktgeschehen möglichst weitgehend herausgehalten werden.
Das Parlament ist allenfalls noch der Zahlmeister, der (Zitat) „Zuschüsse“(!) gewährt.
An Stelle des Ministeriums oder des Parlaments als rahmensteuernde Aufsichtsorgane wird der „unternehmerischen“ Hochschule, wie bei einem in Form einer Aktiengesellschaft konstituierten Wirtschaftsunternehmen, künftig eine Art Aufsichtsrat dem Management der Hochschule als „Fachaufsicht“ gegenübergestellt.

Dieser sog. Hochschulrat „besteht mindestens zur Hälfte aus Mitgliedern, die von außen kommen; der Vorsitzende kommt in jedem Fall von außen.“

(Vorschläge zur Besetzung des Hochschulrates macht ein Auswahlgremium aus zwei (!) Vertretern/innen des Senates, zwei Vertretern/innen des bisherigen Hochschulrates und einem/er Vertreter/in des Landes mit zwei Stimmen. Es entwickelt einen Listenvorschlag, der vom Senat bestätigt werden muss und der letztinstanzlichen Zustimmung durch das Ministerium bedarf, das den Rat für eine Amtszeit von 5 Jahren ernennt.)

Pinkwart meint mit einem förmlichen Auswahlverfahren – bei dem die Vertreter der Hochschule allerdings in der Minderheit sind – sei „die demokratische Legitimation der Hochschulratsmitglieder gesichert“.
Was Pinkwart verschweigt ist, dass der Hochschulrat in seinen Handlungen und Entscheidungen über die fünfjährige Amtszeit keiner irgendwie legitimierten Instanz und schon gar nicht einer demokratisch legitimierten Autorität rechenschaftspflichtig ist.

Die Hochschulratsmitglieder entscheiden über das Geld der Steuerzahler nach ihren persönlichen oder ihren politischen oder gesellschaftspolitischen Interessen und Grundhaltungen.
Man stelle sich einmal umgekehrt den Aufstand der Wirtschaft vor, wenn per Gesetz entschieden würde, im Aufsichtsrat eines Unternehmens müsste eine Mehrheit von externen Wissenschaftlern oder beliebiger Repräsentanten der Gesellschaft das Sagen haben.

Der Hochschulrat hat eine bisher bei körperschaftlich organisierten und selbstverwalteten Hochschulen nicht gekannte „Fachaufsicht“!

Laut § 21 HFG konzentrieren sich die wichtigsten Machtkompetenzen einer Hochschule im Hochschulrat:

Er wählt die Mitglieder des Präsidiums.
Er stimmt dem Hochschulentwicklungsplan zu.
Er stimmt dem Wirtschaftsplan und dem Plan zur unternehmerischen Hochschulbetätigung zu.
Er nimmt zum Rechenschaftsbericht des Präsidiums Stellung.
Er nimmt Stellung zu Angelegenheiten der Forschung, Kunst, Lehre und des Studiums, die die gesamte Hochschule oder zentrale Einrichtungen betreffen oder von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Er entlastet das Präsidium.

Am Wichtigsten ist dabei die Wahl und die Entlastung der Hochschulleitung durch den Hochschulrat. Müller-Böling, der Chef des Bertelsmann CHE, hat die Bedeutung dieser Bestimmung in dankenswerter Offenheit begründet:

Nur durch die Wahl des Präsidiums durch den Hochschulrat „erhält die Hochschulleitung gegenüber den hochschulinternen Gremien die Unabhängigkeit, die sie für ein effektives und effizientes Management benötigt.“

Ich bin selbst Mitglied in einem Hochschulrat einer deutschen Hochschule und habe so Erfahrungen mit einem solchen „Aufsichtsrat“ sammeln können:
Mit der überwiegenden Mehrheit meiner Hochschulratsmitglieder bin ich zur festen Überzeugung gekommen: Ein ehrenamtlicher und dazu noch mehrheitlich extern besetzter Hochschulrat ist mit den ihm per Gesetz übertragenen Kompetenzen schlicht überfordert.
Die jeweiligen Entscheidungen leiten sich allenfalls aus dem jeweils persönlichen Vorurteil oder Interessensbezug ab oder man folgt lieber gleich dem Vorschlag des Präsidenten.

In der überwiegenden Zahl der zu treffenden Entscheidungen hat das hauptamtliche Präsidium einen nicht einholbaren Informationsvorsprung und kennt die möglichen Handlungsoptionen erheblich besser als jedenfalls die externen Mitglieder des Hochschulrates.
Aus Bayern höre ich und vor allem die Hochschulratsmitglieder in Österreich – wo es flächendeckend Hochschulräte gibt – können ein Lied darüber singen: Viele Präsidenten entwickeln sich zu Alleinherrschern bzw. zu patriarchalischen Unternehmerpersönlichkeiten.
Im wirklichen Leben sieht das nämlich so aus, dass vor entscheidenden Sitzungen des Hochschulrats der Präsident versucht, dessen Vorsitzenden in Vorgesprächen auf seine Seite zu ziehen und der Vorschlag des Präsidenten wird dann im Hochschulrat „durchgewinkt“. So kann der Präsident jeden Widerstand oder jeden seiner Position entgegenstehenden Beschluss der hochschulinternen Gremien aushebeln.

Pinkwarts Vorstellung ist die: Der Hochschulrat „nimmt (Zitat) Impulse aus Wirtschaft und Gesellschaft auf und vermittelt in dieser Weise als „Transmissionsriemen“ das erforderliche Beratungswissen für die Entscheidungen der Hochschulleitungen“.
De facto gibt es jedoch fast überall, wo sich Hochschulräte konstituiert haben, solche „Impulse“ vor allem aus der Wirtschaft, meist der Groß- und Finanzwirtschaft, der IHKs oder bestenfalls noch örtlicher Unternehmer.

Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur einmal zu „googeln“ und den Suchbegriff Hochschulrat für die Hochschulen, die schon einen solchen haben, einzugeben.
Weil sie gerade zur Elite-Universität gekürt wurde nehmen wir die Ludwig-Maximilians-Universität in München als Beispiel. Der dortige Hochschulrat setzt sich wie folgt zusammen:

Vorsitzender ist

  • der Großverleger Hubert Burda,

Mitglieder sind weiter:

  • Der Vorsitzende des Vorstands der Münchner Rück,
  • ein Vertreter der McKinsey & Company-Wirtschaftsberatergesellschaft,
  • der Sprecher des Vorstands der HypoVereinsbank AG,
  • der Vorsitzender des Vorstands des Energiekonzerns E.ON AG,

dazu kommen dann noch ein paar Prominente, wie etwa Jutta Limbach vom Goethe-Institut, die Geschäftsführerin einer Literaturhandlung oder der Herzog Franz von Bayern.

Nicht ganz so wirtschaftslastig ist der Hochschulrat Ihrer Hochschule in Regensburg besetzt.

Ihm gehört der Rektor der Hochschule Prof. Dr. Alf Zimmer an. Darüberhinaus kommen aber immerhin drei der sieben übrigen Hochschulratsmitglieder aus der Wirtschaft, nämlich

  • Ernst Baumann, Vorstandsmitglied der BMW AG,
  • Dr. Pia Krone, von der Krone Management & Technologie GmbH & Co.KG Berlin. Das Ehepaar Klaus und Pia Krone hat sich vor allem durch ihre Sponsorentätigkeit öffentlich hervorgetan, u.a. stifteten sie einen Lehrstuhl für Existenzgründungen an der FH Potsdam.
  • Dr. Johann Vielberth aus Regensburg, Geschäftsführer der Dr. Vielberth Verwaltungsgesellschaft mbH, Vorsitzender des Stiftungsrates und Ehrensenator der Uni Regensburg. Vielberths Firma koordiniert Management- und Dienstleistungsfunktionen für die Entwicklung anspruchsvoller Gewerbestandorte. Die FAZ zählt ihn zu den”Innovationsführern” der Immobilienbranche und so lag es nahe, dass er etwa den Aufbau eines Instituts für Immobilienwirtschaft an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät förderte.

Dem Hochschulrat gehören weiter an:

  • Prof. Dr. Heini Murer, Direktor des Physiologischen Instituts der Universität Zürich und Prorektor für Forschung, ein überzeugter Anhänger der Schwerpunktbildung an Hochschulen und einer wettbewerbsorientierten Mittelverteilung.
  • Dr. Jeanne Rubner, Alumna der Uni Regensburg, außenpolitische Redakteurin Süddeutsche Zeitung früher einmal verantwortlich für die inzwischen eingestellte Hochschulseite der SZ.
  • Prof. Dr. Rudolf Schieffer, Präsident der Monumanta Germaniae Historica. Er soll wohl etwas vom Geist der Ludwig-Maximilans-Universität München nach Regensburg wehen lassen.
  • Prof. Dr. Wilhelm Vossenkuhl, München, Professor für Philosophie an der LMU München, bekannt durch BR-alpha, dem Wissenschaftskanal des bayerischen Fernsehens. Multi-Hochschulrat in Bayreuth, Kassel und Regensburg. Vossenkuhl sollte als Rektor die Fusion der Universitäten Duisburg und Essen organisieren. Er sagte jedoch ab, nachdem die Uni Essen gegen die Fusion klagte.

Wenn Sie die bisher eingesetzten Hochschulräte in ihrer Zusammensetzung einmal durchgehen, müsste man bei den meisten Hochschulen mit Hochschulräten ehrlicherweise statt von einer „unternehmerischen“ eher von einer von Unternehmensführern gesteuerten oder wesentlich bestimmten Hochschule sprechen.
Jedenfalls sucht man Vertreter anderer gesellschaftlich relevanten Gruppen, etwa der Kirchen, der Sozialverbände, der Kulturschaffenden oder gar der Gewerkschaften vergeblich.

Die Eingangsfrage, für wen und wozu das neue „Hochschulfreiheitsgesetz“ mehr Freiheit bringt, lässt sich – wenn man einmal die Freiheitsrhetorik hinterfragt – ziemlich eindeutig beantworten:

  • Die Hochschulen werden statt den Gesetzen des demokratischen Gesetzgebers, den anonymen Gesetzen des Wettbewerbs unterstellt. Den angeblich objektiven Zwängen des Wettbewerbs kann und darf sich kein Mitglied der Hochschule, ob Forschender, Lehrender oder Studierender mehr entziehen.
  • Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und die sich selbstverwaltenden Strukturen der in Angelegenheiten der Wissenschaft autonomen Hochschule werden durch die Entlassung der „unternehmerischen“ Hochschule in die Freiheit des Wettbewerbs im Sinne Schumpeters „schöpferisch zerstört“ und Freiheit wird als die Freiheit zur Durchsetzung auf dem Ausbildungs- und Wissensmarkt umdefiniert.
  • Die horizontalen Strukturen von Interessenvertretung und akademischer Selbstverwaltung und kooperative Hochschulleitungen werden durch eine neuartige zentralistische Aufsichtsrat-Management-Direktionsstruktur ersetzt. Die Hochschulen gleichen sich so auch formal dem Leitbild gewerblicher Unternehmen an.
  • Die „unternehmerische“ Hochschule wird über den beaufsichtigenden externen Hochschulrat und vor allem durch dessen Zusammensetzung zur wesentlich von Vertretern der Wirtschaft gesteuerten Hochschule mit dem Auftrag zur Kooperation und zur Zusammenführung von Wissenschaft und Wirtschaft.

Und sollte sich eine Hochschule immer noch die Freiheit nehmen, sich den Zwängen des Hochschulfreiheitsgesetzes mit seiner wettbewerblichen Steuerung zu entziehen, hängt über ihr das Damoklesschwert der „Zielvereinbarung“.

(Das sind Vereinbarungen (mit bisher unvorstellbarem Detaillierungsgrad) zwischen der Hochschulleitung und dem Ministerium (d.h. wiederum ohne parlamentarische Einflussmöglichkeit) „für mehrere Jahre über strategische Entwicklungsziele sowie konkrete Leistungsziele“. (§ 6 Abs. 2 HFG). )

Danach kann der Minister mit Geld als „goldenem Zügel“ die Hochschule „anreizen“ die gewünschten Ziele zu erreichen, d.h. „ein Teil des Landeszuschusses an die Hochschulen (kann) nach Maßgabe der Zielerreichung zur Verfügung gestellt werden“.

Und wenn der Geldanreiz dann immer noch nicht zum gewünschten Verhalten der Hochschule führt, dann gilt der alte Mafiabrauch, entweder wir einigen uns oder der Minister erzwingt das von ihm vorgegebenen Verhalten:

In § 6 Abs. 3 HFG heißt es: Wenn und soweit eine Ziel- und Leistungsvereinbarung nicht zustande kommt, kann das Ministerium nach Anhörung der Hochschule und im Benehmen mit dem Hochschulrat Zielvorgaben zu den von der Hochschule zu erbringenden Leistungen festlegen.
Das erinnert an den zynischen Ausspruch von Al Capone: „Mit einem freundlichen Wort und einer Pistole in der Hand erreicht man mehr als mit einem freundlichen Wort allein.“

Fazit: Die nordrhein-westfälischen Hochschulen können ihre ihnen angeblich durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ zugestandene Freiheit entweder durch den (freiwilligen) Verzicht auf Freiheit durch Unterwerfung unter die Wettbewerbszwänge wahrnehmen
oder sie werden vom Minister zu diesem Verzicht auf Freiheit gezwungen.

Man könnte und müsste die Frage Freiheit „wozu“ und „für wen“ auch auf anderen Feldern der zeitgeistigen Hochschulreformen stellen:
Etwa:
Bedeuten die im Gefolge des Bologna-Prozesses eingeführten gestuften Bachelor-Masterstudiengänge ein Mehr oder ein Weniger an Studienfreiheit?
Schafft das Auswahlrecht der Hochschulen oder bringt eine festgelegte Übergangsquote von den Bachelor- zu den Masterstudiengängen mehr Studienfreiheit?
Bringt der Evaluierungswahn bei Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung nicht erheblich mehr bürokratischen Aufwand auf allen Ebenen der Hochschule und behindert er nicht vielmehr die Freiheit von Forschung und Lehre?
Wird durch die Wettbewerbshochschule nicht die „universitas litterarum“ (d.h. die Stätte der Gesamtheit des Wissens) zerstört – oder anders, werden solche Wissenschaften die im Wettbewerb um die Mitteleinwerbung nicht unmittelbar ökonomisch verwertbares Wissen produzieren und nur Verluste oder Abschreibungen erbringen, also die Geisteswissenschaften insgesamt, wenn nicht aus den Hochschulen ganz verdrängt so zumindest an den Rand gedrängt?
Bringen Exzellenzinitiativen mit dem Zwang zur Selbstvermarktung nicht eher eine maximale Anpassung an den vorherrschenden wissenschaftlichen Mainstream als mehr Anstrengungen bei der eigentlichen Aufgabe der Wissenschaft, nämlich die Suche nach Wahrheit?
Sie sehen es bleibt noch viel Raum zur Diskussion mit Ihnen und darauf freue ich mich und bedanke mich für Ihre geduldige Aufmerksamkeit für das lange Referat, das ich Ihnen zugemutet habe.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2405