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Titel: Hinweise des Tages (2)

Datum: 13. Juli 2007 um 15:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Joseph E. Stiglitz: Asienkrise zehn Jahre später
    Die beiden wichtigsten Lektionen aus der Krise wurden nicht aufgenommen. Die erste lautet, dass die Liberalisierung der Kapitalmärkte – das Öffnen der Finanzmärkte von Entwicklungsländern für Wellen von kurzfristigem, „heißem“ Geld – gefährlich ist. Es war kein Zufall, dass die einzigen beiden großen Entwicklungsländer, die von einer Krise verschont blieben, Indien und China waren. Beide hatten sich gegen eine Liberalisierung der Kapitalmärkte gesträubt. Dennoch stehen heute beide unter Druck, ihre Kapitalmärkte zu liberalisieren.
    Die zweite Lektion lautet, dass in einer stark integrierten Welt ein glaubwürdiges internationales Finanzinstitut gebraucht wird, um die „Verkehrsvorschriften“ so zu entwerfen, dass die globale Stabilität gestärkt und das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern gefördert wird.
    Quelle: Projec Syndicate
  2. “Die Dollarschwäche ist ein Luxusproblem”
    Der Euro hat erstmals die Marke von 1,38 Dollar erreicht – und macht damit die Exporte in die USA immer teurer. Kein Grund zur Sorge für die deutsche Wirtschaft, sagen Experten. Sie raten zur Gelassenheit – jedenfalls, solange der Höhenflug nicht ewig anhält.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Die Referenzkurse Euro zu US-Dollar stiegen seit 2001 – von rd. 0,90 Euro – auf heute 1,38 Dollar, das hat Deutschland nicht gehindert seine Stellung als Exportweltmeister auszubauen. Diese riesigen Schwankungen seien ein „Luxusproblem“, aber wenn es um Lohnsteigerungen geht, dann sind wenige Prozentpunkte das Ende der Wettbewerbsfähigkeit.

  3. Paul de Grauwe: Die Geldmenge – ein nutzloser Kompass für die EZB
    Die Geldmenge M3 sendet weiter Fehlsignale. Die Gründe sind einfach zu verstehen. Deshalb sollte die EZB endlich den Blick von der Geldmenge abwenden.
    Die Wachstumsrate der Geldmenge liefert nicht die richtigen Signale zu dem, worum sich die Zentralbank kümmert. Im Gegenteil, in einer Welt ständiger Finanzinnovationen wird die Zentralbank dadurch ständig irritiert, es wird Lärm und Rauch erzeugt, wo keiner sein sollte.
    Es ist an der Zeit, dass die EZB aufhört, sich über eine Variable Gedanken zu machen, die in der Vergangenheit keine nützliche Rolle gespielt hat und auch künftig keine spielen wird.
    Quelle: FTD
  4. Stephan Schulmeister: Kleines Organon des Finanzkapitalismus
    Welche Bedeutung haben die Geschäfte auf Finanzmärkten im Vergleich zu realwirtschaftlichen Transaktionen?
    Welche Spekulationstechniken und Akteure trieben den Handel mit Finanzderivaten auf das 40fache des BIP der Industrieländer?
    Die Instabilität von Aktienkursen, Rohstoffpreisen und Wechselkursen erhöht die Unsicherheit realwirtschaftlicher Aktivitäten. Gleichzeitig stieg in den letzten 25 Jahren die Rendite von Finanzveranlagung und –spekulation. Folge: Es wurden nur mehr solche Realinvestitionen getätigt, welche ebenso hohe Renditen versprachen (plus einer Risikoprämie). Die dadurch verursachte Dämpfung der Realkapitalbildung hat Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung langfristig anwachsen lassen.
    Quelle: Dreiteilige Serie im „Standard“ vom 24., 26. und 27. Mai 2006 [PDF – 76 KB]
  5. Vorschriften zum automatischen Kontenabruf verstoßen teilweise gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz
    Laut Verfassungsgericht dürfen Behörden weiterhin heimlich Kontodaten abfragen, um Steuerhinterziehung oder Sozialhilfemissbrauch zu verhindern.
    Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass § 93 Abs. 8 AO, der die Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt, an einem Bestimmtheitsmangel leidet. Die Norm legt den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt fest. Im Übrigen aber ist die Eingriffsermächtigung des § 93 Abs. 8 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere genügt sie – soweit der Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
    Quelle: Bundesverfassungsgericht

    Anmerkung: Finanzämter, Sozial- und Strafverfolgungsbehörden dürfen also weiter Auskünfte etwa über Bankkonten, Bausparverträge und Wertpapierdepots bei Banken anfordern, wenn der Verdacht der Steuerhinterziehung oder des Sozialleistungsbetrugs besteht. Und das, ohne den Betroffenen zuvor darüber informieren zu müssen.
    Wir halten zwar die Entwicklung hin zum Schnüffelstaat für höchst bedenklich, aber wenigstens verlangt Bundesverfassungsgericht beim schnüffeln eine Gleichbehandlung des Missbrauchs von Sozialleistungen mit den Steuerhinterziehungen. Der Unterschied besteht allerdings noch darin, dass Steuerhinterzieher ihr Geld ins Ausland bringen können.

  6. Köhler in den Kinderschuhen
    Wenn Bundespräsident Horst Köhler ins schlechter gestellte Ausland reist, mahnt er gerne einen energischen Kampf gegen die Korruption an. Trotzdem nahm der Präsident im selbigen Ausland neulich einen korruptionsverdächtigen Unternehmer in seine Delegation auf – aus Deutschland.
    Quelle: stern.de
  7. Report München führt Zuschauer in die Irre
    Am Montag lief bei Report München (ARD) ein Beitrag von Günter Ederer, der anlässlich des Live Earth-Konzerts die Klimaschutzkampagne von Al Gore und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wie Germanwatch kritisiert. Günter Ederer (bekannt auch für seine Märchen-Filme zum Sozialstaat, teilweise gefördert durch die Arbeitgeber-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) lässt dabei zweimal Fred Singer zu Wort kommen. Dieser gehört zu den bekanntesten sogenannten „Klimaskeptikern“ (Klimawandelskeptiker wäre eigentlich genauer) und hat enge Verbindungen zur Ölindustrie.
    Quelle: LobbyControl
  8. Norman Solomon: Ein Blutiger Medien-Spiegel
    Vielen der prominentesten US-Journalisten wäre es am liebsten, wir würden vergessen, was sie vor etwas mehr als vier Jahren gesagt und geschrieben haben, weil sie den Einmarsch im Irak vorantreiben wollten. Heute schleichen diese Leute wie die Katze um den heißen Brei, wenn es um ihre Rolle beim Hochjubeln des Krieges und beim Abdrängen kritischer Stimmen an den Rand der Medien geht.
    Quelle: zmag.de
  9. Weniger Geld für Studenten
    Erstmals seit Jahren sinkt die Zahl der vom Bund geförderten Studenten. Berlin möchte daran erst im nächsten Jahr etwas ändern – zu spät, sagen Gewerkschaft und Studentenwerk.
    Quelle: taz


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