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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Oktober 2007 um 8:57 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Kein Wunder aus Nürnberg
    Dieses Land ist reich an Legenden. Das Märchen von den vermeintlich segensreichen Wirkungen der Agenda 2010 ist eine davon. Der Zauber verliert seine Faszination, wenn wir einen Blick in den Maschinenraum unserer Wirtschaft werfen. Im letzten Aufschwung – 1998 bis 2000 – erreichte der Wachstumsmotor die gleiche Drehzahl wie heute. Damals schufen die Unternehmen trotz eines verkrusteten Arbeitsmarktes, überbordender Bürokratie und einer drückenden Steuer- und Abgabenlast mehr als 1,3 Mio. Arbeitsplätze. Doppelt so viele wie heute. Von Dierk Hirschel, DGB-Chefökonom.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung AM: Wie meist von Dierk Hirschel ein hilfreicher Beitrag für das Gespräch mit anderen. Wir möchten Sie bitten, dies zu tun, weil in der jetzigen Debatte entschieden wird, ob es in der nächsten Runde mit den Reformen so weitergeht wie bisher. Es muss klar sein, dass diese gescheitert sind und dass sie nahezu nichts zu der wirtschaftlichen Belebung, so sie denn überhaupt angemessen da ist, beigetragen haben.

  2. Krach um die Privatrente
    Viele Lebensversicherer zahlen dem Kunden weniger als versprochen. Immer mehr Verbraucher wehren sich dagegen und ziehen vor Gericht. Das neue Recht stärkt ihre Position. […] Deshalb kam es im Gefolge der Kapitalmarktkrise der Jahre 2000 bis 2003 bei den meisten privaten Rentenversicherungen zu drastischen Kürzungen.
    Wer sich im Jahre 2000 eine Rente gegen Einmalzahlung kaufte, musste seither bei vielen Gesellschaften mit Reduzierungen der monatlichen Zahlungen rechnen. Rund 20 Prozent waren keine Seltenheit. “Die tatsächlichen Leistungen fallen erheblich zurück”, sagt van Bühren. “Viele Versicherungsnehmer klagen, weil die in Aussicht gestellte Rente gekürzt wurde.” Die Materie sei äußerst kompliziert, so van Bühren. “Nicht alle Fachanwälte können die Berechnungen überprüfen”, gibt er zu.
    Quelle: FTD

    Kommentar AM: Die wirklichen Renditen in der Privatvorsorge zum Beispiel über Riester-Verträge liegen häufig auch deshalb weit unter den formal versprochenen, weil häufig bei den Angaben über monatliche Renten bei Eintritt in das Rentenalter oder bei Angaben über die Kapitalisierung die Kosten, also die Provisionen und Verwaltungsgebühren zum Beispiel, nicht abgezogen sind.
    Umso erstaunlicher ist es dann, dass ein wahrer Propagandist der Privatvorsorge wie Bernd W. Klöcker, der dies auch aus eigenem Interesse tut, zu einer Sendung wie der von Sandra Maischberger eingeladen wird. Ich habe diese Sendung nicht gesehen. Nach den Mails unserer Leser zu urteilen, muss es eine Zumutung gewesen sein.

    Hier der Link, leider ohne Texte: DasErste
    Aber hier das Video: DasErste

  3. OECD: Deutsche Arbeitnehmer hoch belastet
    Was viele Bundesbürger immer wieder beklagen, wird jetzt von offizieller Seite bestätigt. Laut einer OECD-Statistik ist die Belastung der deutschen Arbeitnehmer durch Sozialabgaben im internationalen Vergleich überproportional hoch. Die OECD-Experten sehen hier ein Versäumnis der Politik.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Vermutlich ist es nahezu sinnlos, gegen die Vorstellung anzugehen, wenn man die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme auf Steuern umstellen würde, hätte man wirklich und nachhaltig ein Problem gelöst. So einfach ist das nicht. Auch Steuern sind volkswirtschaftlich betrachtet eine Belastung für Arbeitnehmer und Unternehmer. Und je nachdem, welche Steuer zur Finanzierung bisheriger durch Beiträge finanzierter Leistungen herangezogen wird, fällt das Urteil verschieden aus. Wenn ich einen Beitrag zur Rentenversicherung durch eine Mehrwertsteuer-Erhöhung ersetze, hat dies andere Konsequenzen, als wenn ich den Spitzensteuersatz erhöhe oder die Gewerbekapitalsteuer oder die Vermögensteuer wieder einführe. Wenn mit einer Mehrwertsteuererhöhung die Reduzierung zum Beispiel des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung finanziert werden soll, dann bringt es eine geringfügige Entlastung der Arbeitnehmer – aber nur eine geringfügige, weil die Arbeitnehmer auch hochgradig Mehrwertsteuer zahlen. Es bringt aber eindeutig eine Entlastung der Exportwirtschaft zulasten der auf den Binnenmarkt orientierten Wirtschaft, weil die Exportwirtschaft die bis zum Export angefallene Mehrwertsteuer erstattet bekommt. Die bisherige praktische Politik war so angelegt. Sie hat mit der Mehrwertsteuererhöhung um drei Punkte die Exportwirtschaft gefördert, obwohl diese die Forderung wahrlich nicht gebraucht hätte.

    Natürlich ist es sinnvoll, allgemeine soziale Lasten wie die Bezahlung der Renten älterer Aussiedler oder bei der deutschen Vereinigung aus Steuermitteln zu bezahlen und sie nicht den Beitragszahlern aufzudrücken. Diese Einsicht sollte einen aber nicht dazu verleiten, pauschal zu behaupten, Steuern statt Beiträge würden das Problem lösen.

  4. „Minijobs unzeitgemäß“
    Seit Mitte der 1990er Jahre steigt die Niedriglohnbeschäftigung hierzulande sprunghaft an. In einigen Branchen ist diese Entwicklung besonders gravierend – in Ostdeutschland zudem stärker ausgeprägt als in den alten Bundesländern. Das zeigen Professor Dr. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen in ihrer Studie „Arbeiten für wenig Geld“.
    Quelle: Universität Dusiburg-Essen

    Anmerkung: Auch dieser Abschnitt ist interessant: „Im Vorwort der 319 Seiten starken IAQ-Studie kritisiert der Nobelpreisträger von 1987 Robert M. Solow eine besondere deutsche Beschäftigungsform – die Minijobs – als unzeitgemäß. Es sei fraglich, „ob diese Institution eine tragfähige Langzeit-Lösung in einer modernen Wirtschaft sein kann“, so der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler. Für Beschäftigte, die über längere Zeit keinen Ausweg aus gering bezahlter Arbeit gefunden haben, bedeute Niedriglohnarbeit „Armut inmitten Wohlstands“.“

  5. Die Kunst der Selbstausbeutung – „Arbeitslose auf Bewährung“
    Viele Berufstätige machen Überstunden, aber nur selten stellen sie diese auch in Rechnung. In der wenigen Freizeit, die ihnen bleibt, machen sie sich fit für den nächsten 14-Stunden-Tag. Alles dreht sich um den Job. Jakob Schrenk, 28, Soziologe, geht diesem Phänomen in seinem Buch “Die Kunst der Selbstausbeutung” (Dumont, 2007) nach. Das Problem ist, dass immer mehr Angestellte für den Beruf auf ein erfülltes Privatleben verzichten. In dem Moment, in dem unser Leben mit der Vorstellung von einem gelungenen Leben kollidiert, stimmt etwas nicht. Das zeigt sich auch an psychischen Krankheiten infolge von Stress, wie dem Burn-out-Syndrom.
    Doch der Arbeitsmark hat sich verschärft. Weil die Konkurrenz größer ist, haben Angestellte Angst, ihren Job zu verlieren. Sie sind Arbeitslose auf Bewährung.
    Quelle: SZ
  6. Frontal21 über Transnet: Die Gewerkschaft am Gängelband
    Die Transnet, die nach eigenen Angaben 80 Prozent der Bahn-Betriebsräte stellt, könne nicht mehr unabhängig agieren, behauptet ein anonymer Insider. Denn ohne die finanzielle Unterstützung der Bahn sei die Gewerkschaft pleite. Seit Jahren verliert die Transnet Mitglieder. Doch weil Bahn-Chef Mehdorn den Einzug anderer Gewerkschaften wie ver.di oder IG Metall in sein Unternehmen fürchte, unterstütze er Transnet, so der Insider im Frontal21-Interview.
    Quelle: ZDF
  7. Globale Schieflage: Das Kapital fließt nach oben
    Auszug aus zwei neuen Diskussionsbänden, die das Ergebnis einer internationalen Tagung sind, die letztes Jahr vom „Forum on Debt and Development“ (FONDAD) in den Niederlanden veranstaltet wurde: „Der multilaterale Charakter des US-Defizits führt zu der absurden Situation, dass die armen Länder heute dazu beitragen, den Über-Konsum der USA zu finanzieren. Noch bis in die 90er Jahre sorgte man sich um die Verschuldung der Entwicklungsländer – heute dagegen sind die hohen Dollar-Reserven der armen Länder das Problem … In Band I wird die Frage diskutiert, ob die Abwertung des chinesischen RMB, wie von den USA gefordert, sinnvoll ist. Zwar wird eingeräumt, dass der RMB leicht überbewertet ist; eine Abwertung aber würde das US-Defizit nicht verringern. Denn etwa die Hälfte der Exporte Chinas wird in internationalen Unternehmen, darunter viele US-Filialen, produziert. Insgesamt wird den Entwicklungsländern empfohlen, eine expansive Haushaltspolitik zu betreiben, mehr zu investieren und die Bedingungen für regionale Integrationen zu verbessern.“
    Quelle: ATTAC
  8. Die Kapitalrendite steigt maximal – aber gleichzeitig steigen die Leichenberge
    Auszüge der Rede von Jean Ziegler, dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, zur Eröffnung des Anti-G-8-Gipfels in Rostock im Juni 2007: „Ich habe durch einen befreundeten Bundestagsabgeordneten aus der SPD ein Papier vom 17. Januar 2007 erhalten. Darin teilt die Bundesregierung dem Unterausschuss Globalisierung und Außenwirtschaft des deutschen Bundestages vertraulich die diskutierte Tagesordnung für Heiligendamm mit.
    Da steht im ersten Abschnitt: Afrika hat Priorität. Und dann kommt gleich darunter die dringlichste Problematik für Afrika, die der Gipfel lösen will: die Investitionssicherheit. Die Investitionssicherheit! Vom Hunger ist auf den fünf Seiten nicht die Rede. … Die Liberalisierung muss weg. Es muss eine normative Außenhandelspolitik kommen. Eine normative Außenhandelspolitik bedeutet auch, dass die Welthandelsorganisation und der Weltwährungsfonds ersatzlos aufgelöst werden. Das sind Diktaturen.“
    Quelle: ATTAC
  9. Die Grenzen des neuen Raubtierkapitalismus
    Peter Gowan, ein marxistischer Ökonom aus Großbritannien, stellt in seinem Beitrag auf dem Kongress „Kapitalismus – reloaded“ fest, dass das angelsächsische Modell des Rentierkapitalismus mit dem „Interesse des Geldkapitals, kurzfristige Gewinne aus dem industriellen Sektor abzuschöpfen,“ sich in Europa und Japan bisher nicht hat durchgesetzten können und auch in ihren Ursprungsländern zunehmend an seine Grenzen stößt. Auch die imperiale Rolle des US-Dollars, die im permanenten Leistungsbilanzdefizit der USA mit dem Rest der Welt zum Ausdruck kommt, sei nicht auf Dauer haltbar. „Ein Zusammenbruch des Dollar-Wall-Street-Regimes würde sich auf die amerikanische Wirtschaft verheerend auswirken und käme einer ziemlichen Gefährdung der Integrität der US-zentrierten internationalen politischen Ökonomie gleich.“
    Quelle: ATTAC
  10. Martin Feldstein: Heilsamer Absturz
    Der Verfall des Dollar hat durchaus positive Folgen: Er wird helfen, das US-Außenhandelsdefizit zu korrigieren. Auch die Europäer müssen unter der Abwertung nicht leiden. Allerdings nur, wenn sie umsichtig handeln.
    Quelle: FTD
  11. Firmenübernahmen: “Das ist Verstaatlichung”
    In vielen Ländern können die Aktionäre dafür sorgen, dass ihre Firma als Publikumsgesellschaft erhalten bleibt, also nicht übernommen werden kann. Das ist Vertragsfreiheit! So haben z.B. 250 Aktiengesellschaften in der Schweiz Stimmrechtsbeschränkungen.
    Quelle: FR
  12. Artenschutz für deutsche Firmen
    Die globalen Finanzakteure bringen das Weltbild der Union ins Wanken: Sie kennt plötzlich böses Kapital. Die Angst vor dem “Ausverkauf” ans Ausland geht um. Gemischt mit nationaler Heuchelei. Von Mario Müller.
    Quelle: FR-online
  13. Wie das Centrum für Hochschulentwicklung Politik an Hochschulen macht
    Die Debatte um die Reform des Hochschulwesens und die Einführung von Studiengebühren wird in der Bundesrepublik seit mehr als einem Jahrzehnt geführt. Seit seiner Gründung 1994 ist das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) mit Sitz in Gütersloh darin ein einflussstarker Akteur. Der vorliegende Artikel möchte die Kanäle nachzeichnen, über die das CHE seine Ideen streut.
    Quelle: Studis online
  14. Die Vermessung der Uni
    In der Exzellenz-Initiative werden Hochschulen begutachtet und verglichen. Doch wie lässt sich gute Wissenschaft überhaupt messen? Viele Experten kritisieren die bisherigen Versuche.
    Quelle: FTD
  15. Hochschulen wollen mehr Profs
    Bei der Exzellenzinitiative schlagen Hochschulrektoren Alarm. Für eine gute Lehre seien doppelt so viel Dozenten nötig. Ihr neuester Verbündeter: Hort Köhler.
    Quelle: taz
  16. “Pass auf – wir kennen dein Gesicht”
    In Birma sind nach Angaben der herrschenden Militärjunta nach der brutalen Niederschlagung der Protestbewegung seit Mitte September 2927 Menschen festgenommen worden. 468 seien noch in Haft. Die Mitteilung war kurz und nicht von anti-westlicher Propaganda begleitet. Birma-Kenner spekulieren, die Junta reagiere auf internationalen Druck. Viele Menschenrechtler fürchen, nun gehe es jenen, die aufbegehrten, an den Kragen. Ein Bericht aus Rangun, einer Stadt in Angst. Alleine dort wurden angeblich 2284 Menschen festgenommen.
    Quelle: FR
  17. Steuergerechtigkeit in der Schweiz?! – Antwort an economiesuisse
    In einer am 20. August publizierten Studie über die Finanzierung des Schweizer Staates zeigt der Wirtschaftsverband economiesuisse auf, dass die Reichen am meisten zur Finanzierung des öffentlichen Haushaltes beitragen. Attac Schweiz weist nach, dass die Steuerlast der Reichsten proportional 10 – 15% tiefer ist als diejenige der ärmsten Bevölkerungsschicht!
    Quelle: ATTAC

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wenn sich der Artikel auf die Schweiz bezieht, dürfte diese feine, kleine Rechnung auch für Deutschland zu Gültigkeit haben.


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