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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 4. September 2015 um 9:16 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Flüchtlingspolitik
  2. Ein Foto schreckt die Öffentlichkeit auf
  3. Deutsche Waffen machen Flüchtlinge
  4. Vermögen ungleicher verteilt als gedacht
  5. Mindestlohn mit positiven Wirkungen
  6. Ausbildungsmarkt: Hier sind noch Lehrstellen frei
  7. Hirndoping am Arbeitsplatz: Ergebnisse des DAK Gesundheitsreports 2015
  8. Die Schwierigkeiten gewerkschaftlicher Solidaritätsarbeit mit Griechenland
  9. Eine heftige und grundsätzliche Euro-Diskussion im August – weniger wichtig, aber doch erwähnenswert
  10. Finanzsystem ohne Mega-Banken
  11. Pentagon rüstet im europäischen “Machtvakuum” auf
  12. USA werfen Übungsatombomben an der Grenze zu Russland ab
  13. Zu fair fürs Finanzamt
  14. Meine Meinung: Keine Meinung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Flüchtlingspolitik
    1. Ins Flüchtlingslager statt nach Deutschland
      In Budapest wurde die Blockade des Ostbahnhofs zwar aufgehoben, ausreisen dürfen die Flüchtlinge aber nicht. Einige wurden stattdessen zu einem Flüchtlingslager gefahren.
      Unter den Flüchtlingen herrschte ein Gefühl totaler Verwirrung, kaum Aggression. Dennoch dürfte sich die Lage weiter zuspitzen, zumal für die nächsten Tage mit Regen und einem Temperaturrückgang gerechnet wird.
      Es ist derzeit völlig unklar, wie es am Ostbahnhof weitergehen soll. Die Behörden wirken komplett ratlos, und tatsächlich befindet sich Ungarn in einem schwierigen Dilemma. Gemäss den Regeln von Schengen ist Budapest verpflichtet, seine Südgrenze zu sichern und strenge Kontrollen vorzunehmen, da es sich um eine EU-Aussengrenze handelt. Die Regierung versuchte dieser Aufgabe mit dem umstrittenen, von der EU aber nicht grundsätzlich verurteilten Grenzzaun nachzukommen. Dieser hat sich jedoch wenig überraschend als völlig untauglich erwiesen, vor Krieg und Terror fliehende Menschen abzuschrecken, die die Strapazen der Westbalkan-Route auf sich nehmen. Seit der Fertigstellung einer ersten Version der Sperranlage vor einer Woche ist die Zahl ankommender Migranten so hoch wie zuvor, über 2000 sind es jeden Tag.
      Unbestritten ist, dass eine harte Haltung gegenüber Flüchtlingen der ungarischen Regierung innenpolitisch dient. Immer wieder wird ihr seitens der Opposition und von Nichtregierungsorganisationen vorgeworfen, die Eskalation bewusst gesucht zu haben. Die Lager in Ungarn sind zudem in einem erbärmlichen Zustand und bieten viel zu wenig Plätze. Die nun geplante Notstandsgesetzgebung setzt einseitig auf Repression und ändert an dieser Lage nichts. Klar ist aber auch, dass die allermeisten Flüchtlinge aus nachvollziehbaren Gründen ein sehr konkretes Ziel haben, und dieses ist nicht Ungarn. Sie sind deshalb nicht bereit, für die Dauer des Asylverfahrens im Land zu bleiben, wie es die Dublin-III-Verordnung vorsieht. Lässt Budapest die Gestrandeten wie am Montag ungehindert nach Österreich und Deutschland ausreisen, setzt sich die Regierung umgehend Kritik der europäischen Partner aus. Ein Festhalten der Flüchtlinge an einem geeigneteren Ort als dem Ostbahnhof ist aber völkerrechtlich unzulässig. So wird in Ungarn – einem Land, das seiner Pflicht zur Registrierung im Gegensatz zu Italien oder Griechenland weitgehend nachgekommen ist – klarer als zuvor anderswo, dass die Regeln von Dublin und Schengen dieser Migrationswelle auf die Dauer kaum standhalten werden.
      Quelle: Meret Baumann in der NZZ
    2. Lasst doch die Flüchtlinge das Land selbst aussuchen
      Freiheit, Sicherheit und Recht: Das ist Europa denen, die hierhin wollen, schuldig. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung.
      An der Art und Weise, wie wir Europäer diese Herausforderung durch Flüchtlinge bewältigen, wird sich entscheiden, welches Europa wir den nächsten Generationen hinterlassen. Es gibt viele gute Gründe, die um Aufnahme Ersuchenden in größerem Umfang und geeint tatsächlich als das „Europa der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu behandeln. Diese Selbstbeschreibung der Europäischen Union muss sich an ihrem Umgang mit Flüchtlingen messen lassen.
      Zunächst sind die EU-Länder völker- und menschenrechtlich, aber auch moralisch aufgrund des eigenen Selbstverständnisses dazu verpflichtet, all den Menschen vorübergehenden Schutz und eine Grundsicherung zu gewähren, die wegen ihrer Religion, Rasse, Nationalität, politischen oder Geschlechter-Orientierung flüchten mussten. Allein der Hinweis, dass andere Staaten diesen Geboten des Rechtes und der Menschlichkeit noch weniger Beachtung schenken, kann kein Grund für Wegsehen oder Untätigkeit sein. Die Hauptbürden der Aufnahme von Flüchtlingen tragen viel ärmere Länder in Afrika und im Nahen Osten.
      Quelle: FAZ
    3. Union betreibt weiter Raubbau am Asylrecht
      Was die Union in ihrem 12-Punkte-Programm zur Flüchtlingspolitik fordert, führt das Recht von Flüchtlingen auf Schutz und Asyl endgültig ad absurdum. Völlig unbefangen wird dort die Legitimierung einer rassistischen Diskriminierung von Flüchtlingen gefordert. Für die ‚guten Flüchtlinge‘ soll es eine zügige Integration und den Zugang zum Arbeitsmarkt geben, für die ‚bösen Flüchtlinge‘ aus dem Westbalkan hingegen die schnelle Abschiebung und ein jahrelanges Wiedereinreiseverbot“, kommentiert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die bekanntgewordenen Inhalte des 12-Punkte-Papiers der CDU/CSU zur Flüchtlingspolitik. Jelpke weiter:
      „Sämtliche Forderungen der Union verhöhnen den Grundgedanken des Asylrechts. Den Zugang zum Gesundheitssystem versteht die Union als Anreiz, nicht etwa als humanitäre Grundnotwendigkeit. Die Erweiterung der Liste der sogenannten ‚sicheren Herkunftsstaaten‘ soll einen noch schnelleren unkomplizierten Abschiebungsmechanismus für noch mehr Westbalkanflüchtlinge ermöglichen. Mindeststandards bei der Flüchtlingsunterbringung sollen mit dem Argument der Eilbedürftigkeit erst einmal unter den Tisch fallen. Inwieweit der Bund die Länder und Kommunen finanziell entlasten wird – darüber wird sich hingegen wieder einmal ausgeschwiegen. Das Papier knüpft da an, wo der Asylkompromiss aufgehört hat. Dass diese Forderungen überhaupt öffentlich so gestellt werden können, zeigt uns auf, wie schlimm es um das Asylrecht in Deutschland steht.
      Quelle: Ulla Jelpke

      dazu: Union will Anreize für Flüchtlinge begrenzen
      Die Union will Anreize für Flüchtlinge begrenzen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert in einem Zwölf-Punkte-Plan, dass Menschen in Erstaufnahmelagern statt Bargeld Sachleistungen bekommen. Auch eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge lehnt die Union ab.
      Quelle: Tagesschau

    4. „Macht die Grenzen auf!“ – Europas Versagen in der Flüchtlingspolitik
      Auf ihrem Weg nach Europa haben sie die Hölle erlebt: Tausende Flüchtlinge, die in diesen Tagen in Deutschland ankommen. Migrationsforscher fordern jetzt: Macht die Grenzen auf, um den Schleppern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen – und das tausendfache Sterben zu beenden. Eine Forderung, die nur auf den ersten Blick provokant klingt. Denn internationale Untersuchungen haben längst bewiesen: Flüchtlinge lassen sich durch Zäune nicht abschrecken – und seien sie noch so hoch.
      Quelle: Monitor

      Hinweis: Weitere interessante Monitor-Beiträge zum Thema:

  2. Ein Foto schreckt die Öffentlichkeit auf
    Das Bild geht um die Welt: Ein kleiner Junge liegt tot an einem Strand in der Türkei. Zahlreiche Medien zeigten die Aufnahme oder brachten das Foto, auf dem ein Polizist den Körper wegträgt. »Gewöhnlich ist ein Leichnam ein stummes, unansehnliches Ding. Es gibt aber Leichen, die lauter reden als Posaunen und heller leuchten als Fackeln.« Diese Worte schrieb Rosa Luxemburg vor 103 Jahren in einem Artikel für die sozialdemokratische Zeitung Die Gleichheit. Am Donnerstag griffen zahlreiche Menschen diese Worte auf und kommentierten damit im Internet das Foto des dreijährigen Aylan Kurdi, der zwar die Flucht aus der von den IS-Terroristen attackierten und belagerten Stadt Kobani überlebte, nicht aber die Fahrt nach Europa. Auch sein fünf Jahre alter Bruder und seine Mutter starben, sein Vater überlebte schwerverletzt. Ihr Boot war auf dem Weg von der Türkei zur griechischen Insel Kos untergegangen, mindestens zwölf Menschen kamen dabei ums Leben – zwölf von insgesamt 2.600 Menschen, die allein in diesem Jahr die Flucht über das Mittelmeer nicht überlebt haben.
    Es ist die Stunde der Heuchler. Bild, das seit Jahrzehnten gegen Flüchtlinge, Minderheiten und Schwächere hetzt, räumte die komplette letzte Seite der Ausgabe vom Donnerstag frei, um das Foto umgeben von einem schwarzen Kasten abzudrucken: »Bilder wie dieses sind schändlich alltäglich geworden. Wir ertragen sie nicht mehr, aber wir wollen, wir müssen sie zeigen, denn sie dokumentieren das historische Versagen unserer Zivilisation in dieser Flüchtlingskrise.« Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls, dessen Polizei in Calais mit Hunden Jagd auf Flüchtlinge macht, schrieb auf Twitter: »Er hatte einen Namen: Aylan. Wir müssen dringend etwas tun.«
    Quelle: junge Welt

    dazu: Ist es in Ordnung, das tote Flüchtlingskind zu zeigen?
    Quelle: BILDblog

    dazu auch: Entsetzen-Aufregen-Weitermachen
    Sollte der Schock über die toten Flüchtlinge wirklich tief sitzen und nicht bloß geheuchelt sein, dann ist das Folge einer kollektiven Erkenntnisverweigerung. Das herrschende Asylchaos konnte nur entstehen, weil man nicht sehen wollte, womit schon länger zu rechnen war.
    Quelle: Le Bohemien

    und: “Die internationale Gemeinschaft versagt”
    Im syrischen Bürgerkrieg machen sich nach Ansicht der Vereinten Nationen längst nicht mehr nur die Kriegsparteien schuldig. In einem Bericht erhebt eine Kommission des UNO-Menschenrechtsrates schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft. Sie tue nichts, um die Bevölkerung vor den Verbrechen der Kriegsparteien zu schützen.
    Quelle: Deutschlandfunk

  3. Deutsche Waffen machen Flüchtlinge
    Im Berliner Innenministerium haben sie auf die Land-Karte geschaut: Prima, der Jemen liegt nicht am Mittelmeer. Selbst wenn ein Boot voller Flüchtlinge durch das Rote Meer führe, spätestens im Suez-Kanal wäre Schluss mit Flucht. Auch der Landweg nach Europa ist ziemlich unmöglich. Aufatmen. Zwar sind dank einer von Saudi Arabien geführten Militärintervention im Jemen nach UN-Angaben im Land bereis 1,4 Millionen Menschen als Binnenflüchtlinge unterwegs. Wie lange es die im Land hält, ist ungewiss. Deshalb stellt sich die UN schon mal auf 100.000 Flüchtlinge in den nächsten sechs Monaten ein. Ordentliche Flüchtlinge, die außer Landes fliehen. Aber nach Deutschland werden sie es nicht schaffen.
    Es sind alles lupenreine Demokratien, die von den Saudis angeführt seit dem 26. März 2015 im Jemen Krieg führen: Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko und der Sudan. Gottseidank werden sie von noch reineren Demokratien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützt. Die USA zum Beispiel helfen freundlicherweise mit jeder Menge Streubomben aus. Schon lange exportieren die Vereinigten Staaten Drohnen in den Jemen, immer schön zielgenau. […]
    Zwischen 2001 und 2014 billigte die deutsche Regierung Rüstungsverkäufe im Wert von fast 2,6 Milliarden an die saudische Diktatur. Das sichert Profite der deutschen Rüstungsindustrie. Auch die anderen Länder der Jemen-Überfall-Aktion sind in den Kundenbüchern der deutschen Industrie verzeichnet. Feuerleiteinrichtungen, Kriegsschiffe, Munition, Kleinwaffen sowie Fahrzeuge und Panzer sind die wesentlichen Exportgüter. Natürlich wurden Tornado-Panavia Kampfbomber auch schon geliefert. Das ist bei Saudi Arabien besonders pikant. Denn Hilfsgelder und Investitionen fließen vom saudischen Verteidigungsministerium nicht nur in den Syrien-Krieg, sondern auch in die pakistanische Rüstungsindustrie.
    Quelle: RationalGalerie

    dazu: Rüstungskonzern will mehr exportieren: Rheinmetall schießt gegen die Politik
    Ein neues Werk für die Automotive-Abteilung in China, ein Gesamtumsatz von zehn Milliarden Euro bis 2020 und eine Rüstungssparte, die noch in diesem Jahr schwarze Zahlen schreibt: Rheinmetall-Chef Armin Papperger ließ am Mittwoch bei einem Vortrag in Berlin keinen Zweifel daran, dass es für sein Unternehmen in nächster Zeit viel zu tun gibt. Derzeit gebe es auf der Welt pro Jahr durchschnittlich 450 Konflikte, die sich auf die Weltwirtschaft, die nationale Verteidigungsindustrie, aber auch auf die Bundeswehr und ihre sicherheitspolitische Rolle innerhalb der Nato auswirken könnten, sagte Papperger.
    „Wir können uns nicht ewig auf die USA verlassen“, mahnte Papperger mit Blick auf die deutsche Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen und die zum Teil lückenhafte Ausstattung der hiesigen Streitkräfte. „Die Politik muss das der Bevölkerung nahe bringen.“ Bei der Bundeswehr mangelt es seit geraumer Zeit unter anderem an gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Flugzeugen. Zwar habe Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der erneuten Indienstnahme von mehr als 100 bereits ausgemusterten „Leopard“-Panzern und einem neu aufgelegten Programm für den Ausbau der Transportkapazitäten zu Lande wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen. Aber: „Weitere Ausgaben werden nötig sein.“ Wie viel der Bund aus seiner Sicht in Rüstungsgüter investieren muss, ließ Papperger offen.
    Quelle: Tagesspiegel

  4. Vermögen ungleicher verteilt als gedacht
    Eine neue Studie hat den Einfluss der Superreichen auf die Vermögenskonzentration beleuchtet. Deren Anteile blieben bislang unberücksichtigt. Die Ergebnisse überraschen.
    Wie stark ist die Vermögensverteilung zugunsten einer kleinen Oberschicht konzentriert? Diese Debatte geht mit einer neuen Studie in die nächste Runde. Bislang basieren die meisten Studien auf Daten aus Befragungen. So hatte die Europäische Zentralbank (EZB) vor gut zwei Jahren eine große Untersuchung vorgelegt, für die sechzigtausend Haushalte nach ihren geschätzten Vermögen befragt wurden. Allerdings wandten einige Verteilungsforscher ein, dass bei einer solchen Befragung die Superreichen nicht enthalten sind – weil sie nicht antworten oder ihre Zahl zu klein ist, so dass sie in der Stichprobe nicht erfasst werden. Im vergangenen Jahr hatte der EZB-Ökonom Philip Vermeulen daher die ursprünglichen Daten um Informationen aus der „Forbes“-Liste der Milliardäre ergänzt. Sein Ergebnis: Die Vermögensballung ist deutlich größer als bislang ausgewiesen. […]
    Bezieht man die Topvermögensbesitzer in die Verteilungsforschung ein, so steigt der Anteil des obersten Prozents der Bevölkerung am Gesamtvermögen erheblich. Rein nach den Daten der Befragungen hält das reichste Prozent in Deutschland rund 24 Prozent am Gesamtreichtum von knapp 9 Milliarden Euro. Berücksichtigt man die Superreichen, steigt der Anteil auf rund 32 Prozent. Betrachtet man nur das oberste Promille der Bevölkerung, ist der Effekt noch größer: Nach den lückenhaften Daten der ursprünglichen EZB-Studie kommt das oberste Tausendstel auf rund 4 Prozent des Gesamtvermögens, nach der DIW-Studie sind es etwas über 17 Prozent. Das reichste Promille der Bevölkerung – das sind etwa 40.000 Haushalte – habe ein Nettovermögen von 11 Millionen Euro je Haushalt und ein Gesamtvermögen von 1,5 Billionen, sagt DIW-Ökonom Bach.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Ergebnisse überraschen höchstens FAZ und INSM, die immer standhaft die krasse Ungleichheit auf Basis fragwürdigster Statistiken geleugnet haben. Man muss aber fairerweise zugeben, dass diese Fehleinschätzung hier offen eingeräumt wird. Leider folgen (noch?) keine politischen Forderungen bei der FAZ – viel höhere Löhne und eine deutliche Anhebung der Steuern auf Kapitalgewinne und auch Vermögen wären natürlich angemessen. Stattdessen werden wir wohl auf den nächsten FAZ-Quatsch-Kommentar á la “Der Finanzminister sollte bloß nicht auf populistische Ideen wie eine höhere Erbschaftsteuer oder eine Wiedereinführung der Vermögensteuer kommen, um die ungleiche Vermögensverteilung zu bekämpfen. Vermögen sind das Ergebnis harter Arbeit und kluger unternehmerischer Entscheidungen. Die Armen sollen vielmehr schauen, dass sie eigenverantwortlich durch bessere Bildung und harte Arbeit nach vorne kommen…” nicht lange warten müssen.

    Dazu: Der unsichtbare Club der 500 reichsten Deutschen
    Deutschlands Superreiche haben eine enorme Macht, und doch kennt kaum jemand ihre Namen. Denn die Multimilliardäre eint ihre Scheu vor der Öffentlichkeit. Ein neues Ranking zeigt, wer dazugehört. […]
    Insgesamt war das vergangene Jahr für den Club der 500 Reichsten extrem erfolgreich. Ihr Vermögen wuchs um 12,6 Prozent auf zusammengerechnet 665 Milliarden Euro. Damit haben sie sich vom globalen Wohlstandskuchen deutlich mehr abgeschnitten als der große Rest. 2014 legte die globale Wirtschaftsleistung um lediglich 3,4 Prozent zu.
    Quelle: Welt Online

  5. Mindestlohn mit positiven Wirkungen
    Der Mindestlohn ist ein Erfolg: Besonders Geringqualifizierte, Beschäftigte in Niedriglohnbranchen in Ostdeutschland und MinijobberInnen profitieren von der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Die Bundesagentur für Arbeit prognostiziert in diesem Jahr rund 60.000 AufstockerInnen weniger – dank des Mindestlohns. (…)
    Es sind gerade die Löhne der Un- oder Angelernten in Ostdeutschland im Winter 2015 um bis zu 9,3 Prozent gestiegen und damit doppelt- bis dreifach so stark wie die Löhne in höheren Leistungsgruppen. Nach derzeitigen Erkenntnissen (ohne Minijobber/-innen) sind in Ostdeutschland die Löhne insgesamt um 1,75 Prozent gestiegen, in ganz Deutschland um etwa 0,25 Prozent. Kommen die geringfügig Beschäftigten hinzu, könnte sich der Wert für Deutschland insgesamt sogar verdoppeln.

    Mindestlohn mit positiven Wirkungen

    Quelle: DGB

  6. Ausbildungsmarkt: Hier sind noch Lehrstellen frei
    Alle wollen Tierpfleger werden, keiner Klempner: Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen, und 100.000 Jugendliche sind noch auf der Suche nach einer Lehrstelle. Unsere Karte zeigt, wo sie die besten Chancen haben. […]
    Insgesamt 123.100 Lehrstellen sind deutschlandweit bislang unbesetzt. Das ist fast ein Viertel der Ausbildungsplätze, die bei der BA gemeldet sind. Die Karte unten zeigt, in welchen Gegenden noch Lehrlinge gesucht werden. […]
    Gastronomie-Berufe haben zum Beispiel einen eher schlechten Ruf. “Bei Köchen und Restaurantfachleuten haben wir ein richtig großes Problem”, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Ingrid Hartges. Ungemütliche Arbeitszeiten und ein geringer Lohn schrecken viele junge Menschen ab.
    Auch Bäckerlehrlinge, angehende Metzger, Kraftfahrer und Klempner sind schwer zu finden. Sehr gefragt sind hingegen Ausbildungen zum Fotografen, Kosmetiker, Tierpfleger und zum Mediengestalter oder zum Mediengestalter Bild und Ton. 
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Leser J.A.: Immerhin erwähnt der SPIEGEL, dass einige Ausbildungen und Berufe keineswegs ohne Grund, sondern wegen “ungemütlicher Arbeitszeiten und geringer Löhne” unbeliebt sind. Daran könnten die Arbeitgeber, könnte die Politik leicht was ändern, wenn sie wollten… Die schlechten Arbeitsbedingungen zu niedrigen Löhnen sind allerdings merkwürdig, wo doch Deutschland nach Berichten in allen seriösen Medien (FAZ, SPIEGEL, WELT…) das tollste Land der Welt ist und angeblich Hochlohnland ist, wie uns die Arbeitgeber immer vorjammern…

  7. Hirndoping am Arbeitsplatz: Ergebnisse des DAK Gesundheitsreports 2015
    In diesem Artikel wird anhand des im März erschienenen Gesundheitsreports 2015 der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) dargestellt, inwiefern in den letzten Jahren die Verwendung verschreibungspflichtiger, leistungssteigernder oder stimmungsaufhellender Medikamente am Arbeitsplatz zugenommen hat und in welchen Teilen der Arbeitnehmerschaft diese Mittel vorranging benutzt werden.
    Quelle: annotazioni.de
  8. Die Schwierigkeiten gewerkschaftlicher Solidaritätsarbeit mit Griechenland
    Du warst einer der Initiatoren des Aufrufs «Griechenland nach der Wahl – Keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa», der sich vor allem an Gewerkschafter wendet. Inwieweit ist es gelungen, die Solidarität mit den Menschen in Griechenland, die unter den Diktaten der Troika leiden, in den Gewerkschaften zu fördern?
    Es gab sehr viel Interesse bei Gewerkschaftsfunktionären. Doch deren Einsichten waren denen der Mitglieder weit voraus. Bei Veranstaltungen hörte ich oft die Bemerkung: Wie erkläre ich das meinen Kollegen? Gleichzeitig gab es ein Problem. Die gewerkschaftlichen Funktionäre hätten sich beim Argumentieren leichter getan, wenn es von seiten der griechischen Regierung ein explizites wirtschaftliches Aufbauprogramm gegeben hätte. Da hätte man die gemeinsamen Interessen von deutschen und griechischen Kollegen leichter herausarbeiten können.
    Das Problem war, dass SYRIZA nie aus der Defensive herausgekommen ist. Es wird ja immer von einem Kräfteverhältnis von 1:18 in der Eurogruppe gesprochen. Es ist aber viel schlimmer. Real war es wohl eher 1:58 – wenn man in Rechnung stellt, dass die Wirtschaftskraft Griechenlands lediglich 1,6% derjenigen der Eurozone ausmacht. Dass die griechische Regierung so in der Defensive war, hatte natürlich auch Auswirkungen auf unsere Gewerkschaften…
    Wir stehen vor einem Riesenproblem. Letzten Endes kommt es in den nächsten Jahren darauf an, Europapolitik zur Innenpolitik zu machen. Das ist eine Herausforderung, für die wir noch keine Lösung haben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Heute ist es Griechenland, morgen vielleicht Spanien, übermorgen Italien. Aufgrund der Fehlkonstruktion der Eurozone und der wirtschaftlichen Verflechtung der Länder untereinander werden wir immer wieder vor neue Probleme gestellt. Und da müssen wir Antworten finden.
    Quelle: Steffen Lehndorff in der SoZ
  9. Eine heftige und grundsätzliche Euro-Diskussion im August – weniger wichtig, aber doch erwähnenswert
    Das Problem Griechenland ist aus den Schlagzeilen verschwunden, wird mit den Wahlen am 20. September aber wieder für kurze Zeit neu an Aktualität gewinnen. Das Ergebnis der Wahl ist allerdings ohne Bedeutung, weil inzwischen ja die Troika die Macht in dem Land an sich gerissen und detailliert aufgelistet hat, was jede dort gewählte Regierung zu tun und zu lassen hat. Niemand kann hinterher, wenn es dann schief gegangen ist, sagen, es wären wieder die unfähigen Griechen gewesen, die eine erneute Rezession herbeigeführt haben.
    Derweil führt die Linke in Deutschland einen erbitterten Kampf um die richtige Position hinsichtlich eines möglichen Ausstiegs eines Landes aus der Währungsunion. Dazu werden wir sicher noch viel sagen und ich will mich heute nur ganz kurz einmischen.
    Zunächst fand ich erstaunlich, dass die wenigen progressiven deutschen Journalisten oder zumindest die, die man allgemein dafür hält, plötzlich Milton Friedman entdeckten. Thomas Fricke (zweiwochenweise in der SZ schreibend) und Mark Schieritz (ZEIT) haben wohl eine gemeinsame Lesestunde gemacht und festgestellt, dass der Urvater des Monetarismus das grausige Ende der Europäischen Währungsunion vorhergesagt hat. Das klingt bei den beiden dann so, als ob die Entscheidung, die Wechselkurse in Europa zu fixieren, der entscheidende Fehler gewesen sei.
    Quelle: flassbeck-economics
  10. Finanzsystem ohne Mega-Banken
    Wir schlagen Alarm. Sieben Jahre nach Beginn der heftigsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1920er Jahren ist eine Mehrheit europäischer Politiker dabei, die wichtigste Reform der Europäischen Union (EU) im Finanzsektor endgültig zu begraben: eine Trennung riskanter Kasinogeschäfte vom seriösen Kredit- und Einlagengeschäft.
    Den europäischen Bankensektor dominieren nach wie vor wenige „systemische“ Institute. Diese sind so groß, komplex und zu eng verflochten, dass weder Bankvorstände noch Aufseher oder die Politik in der Lage sind, die Risiken zu überblicken, die von ihnen für das Finanzsystem und Europas Volkswirtschaften ausgehen. Viele dieser Banken sind größer als etliche Ökonomien Europas. Der Kollaps einer einzelnen Mega-Bank könnte nach wie vor die EU-Wirtschaft in einen Abwärtsstrudel reißen. Somit sind auch politische Versprechen, wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der G20, nach denen Steuerzahler nie wieder für die Risiken der Finanzwirtschaft haften sollen, entweder eine bewusste Täuschung oder leichtsinnig.
    Quelle: Fabio De Masi, Philippe Lamberts und Marco Zanni (alle MdEP) auf FR Online
  11. Pentagon rüstet im europäischen “Machtvakuum” auf
    Die Veränderung der US-Militärstrategie wird am Wechsel der Tarnfarbe von in Deutschland stationierten Panzern deutlich, die für den Einsatz in Osteuropa vorgesehen sind. (…)
    Der transatlantische Think Tank, man könnte auch sagen: die Lobbyorganisation Carnegie Europe erinnert wieder einmal daran, dass die Nato-Staaten auf dem Gipfel in Wales versprochen hatten, 2 Prozent des BIP für Rüstungsausgaben auszugeben. Das sei notwendig, weil sich die USA militärisch aus Europa zurückziehen, was zusammen mit den seit den 1990er Jahren gesunkenen Rüstungsausgaben ein wachsendes Sicherheitsvakuum zur Folge habe.
    Europa müsse sich außen- und geopolitisch mehr engagieren, wird von der transatlantischen Organisation, die US-Interessen vertritt, immer wieder gefordert. Die Erweiterung der Nato ist notwendig und gut, Russland aggressiv, bei den schleppend vorankommenden Reformen in der Ukraine müsse man die Augen schließen und vor allem eben, Europa muss aufrüsten. Es gebe eine “sich vergrößernde transatlantische Spaltung über die Sicherheit in Europa”. Nach Carnegie bleibe die Frage, wer Europas Sicherheit angesichts der “globalen strategischen Veränderungen” sichern solle, unbeantwortet.
    Tatsächlich hatte US-Präsident Obama vorgehabt, die USA militärisch stärker aus Europa und den Nahen Osten zurückzuziehen, um den Schwerpunkt in den asiatischen Raum im Wettstreit mit China zu verlegen. Der Ukraine-Konflikt diente erst einmal dazu, die geforderte außenpolitische und militärische “Verantwortung” der Europäer einzufordern, bis hin zur Steigerung der Rüstungsausgaben, der Bildung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), auch “Speerspitze” genannt, und der Aufstockung der NATO Response Force (NRF) sowie dem größeren Engagement der Europäer im Nahen Osten und Afrika. Aber der Islamische Staat stellte ebenso wie der Konflikt mit Russland, dessen Eskalation nicht alle EU-Staaten Folge leisten wollten, die Strategie der Umschichtung in Frage, obgleich die Spannungen mit China zunahmen. Trotz Kürzungen des Verteidigungshaushalts wurden wieder mehr Kräfte und Waffen in Europa stationiert und immer größere Militärübungen veranstaltet.
    Quelle: Telepolis
  12. USA werfen Übungsatombomben an der Grenze zu Russland ab
    Die neue US-Atomwaffenstrategie, von der wir vor einigen Wochen berichteten, zeigt nun auch praktische Auswirkungen. Um weiter Druck auf die russische Regierung auszuüben, führte die US-Army Atomübungsbombenabwürfe in Lettland durch. Ein paar Wochen zuvor wurde die Möglichkeit geschaffen, in der Ukraine Atombomben zu stationieren.
    Quelle: NeoPresse

    Anmerkung unseres Lesers O.B.: Vorgestern hieß es in der Tagesschau auch, Jazenjuk habe gesagt, es sei nun endlich (schriftlich?) fixiert worden, dass es einen Feind gäbe und der Russland heißt. Also nix mit Verhandlungen. Man erinnere sich auch an das neue US-Militär-Lazarett, das in Deutschland gebaut werden soll.

  13. Zu fair fürs Finanzamt
    Ausbeutung beginnt bei überteuerten Mieten, findet Vermieter Hans H. in Berlin. Das Finanzamt hält das für unwirtschaftlich und bedrängt ihn.
    Hans H. könnte ein reicher Mann sein. Ihm gehört in Berlin ein großes, schönes Haus: Vorderhaus, Seitenflügel, Quergebäude, vier Etagen, über 30 Wohnungen. Beste Lage, in einem dieser durchsanierten, teuren In-Viertel im Osten der Stadt.
    Hans H. ist aber nicht reich. Mit seinem Haus verdient er nicht viel Geld, zumindest weitaus weniger, als er könnte. Während die Berliner Immobilienanzeigen und das Internet voll sind mit Angeboten, in denen 900 Euro für 62 Quadratmeter in Charlottenburg oder 692 Euro kalt für 27 Quadratmeter in Mitte verlangt werden, sind die Mieten im Haus von Hans H. moderat. Die Singles, Paare und Familien zahlen im Durchschnitt 3,50 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter.
    Damit ist Hans H. eine Ausnahme unter den VermieterInnen in Berlin. Aber diese „soziale Ader“, wie eine der MieterInnen sagt, ist nicht erwünscht. Jedenfalls nicht bei Behörden wie dem Berliner Finanzamt. Das hat von dem, was HausbesitzerInnen mit ihrem Eigentum verdienen sollen, eine eigene Vorstellung.
    Wer vermietet, muss einen „Einnahmeüberschuss“, also Gewinne, erzielen, erklärt die Steuerberaterkammer München auf ihrer Homepage. Wer das nicht oder nur in geringem Maße tut – so wie Hans H. – muss damit rechnen, Ärger mit dem Finanzamt zu bekommen. Denn wer „fortdauernd Verluste erzielt“ mit seinen Immobilien, dem wird „Liebhaberei“ unterstellt, jedenfalls in steuerlichem Sinne. Davor macht auch die Erbschaftsteuer nicht halt.
    Quelle: taz
  14. Meine Meinung: Keine Meinung
    Da haben sie sich selbstverständlich gleich auf ihn eingeschossen. Will dieser Justizminister doch tatsächlich die Verantwortlichen der deutschen Facebook-Ausgabe an einen Tisch holen und dazu überreden, ihre Zensurbedingungen zu lockern. Rassistischen Beiträgen soll es so an den Kragen gehen. Denn viel zu oft würde gemeldete Verhetzung noch zu lange in der Pipeline stecken bleiben, oder sogar als unbedenklich eingestuft. Bei Nacktheit handelt Facebook schneller. Prüderie scheint dem Unternehmen einfach mehr am Herzen zu liegen. Dieser Plan stößt jedenfalls auf die Kritik derer, die sich heute so gerne auf Meinungsfreiheit beziehen: Die neuen Rechten und ihre Sympathisanten. Sie ereifern sich stets mit Vorliebe über die Beschneidung dieser ihrer Freiheit. Dabei haben sie aber etwas grundlegend falsch verstanden.
    Diese Leute haben nämlich in den meisten Fällen gar keine Meinung. Jedenfalls nicht im Sinne von Artikel 5 des Grundgesetzes. Zwischen Meinen und Meinung herrscht ein gravierender Unterschied, denn die grundgesetzlich gesicherte Meinungsfreiheit ist ein komplexes Konzept und nicht einfach nur die Legalisierung alles Sag- und Meinbaren. Absatz 2 jenes Artikels spricht daher auch notwendigerweise von »Schranken«. Zum Beispiel zum »Schutz der persönlichen Ehre«. Ich kann zum Beispiel durchaus meinen, dass mein Nachbar, der Flüchtlingen unterstellt, sie wollten einzig den Sozialstaat genießen, ein Arschloch sei. Aber Meinung im Sinne der Meinungsfreiheit ist das nicht. Ich meine bestenfalls nur, wenn ich es behaupte. Nicht alles, was ich zu sagen imstande bin, ist gleich auch mein Recht.
    Quelle: Heppenheimer Hiob


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