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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 7. Februar 2008 um 9:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Globalisierungspanik und Einkommensverteilung
    Die Einkommensverteilung in Deutschland und vielen anderen reichen Ländern hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Die Lohnquote sank, die Lohnspreizung nahm zu, die Armut stieg an. Der Niedriglohnsektor explodierte ebenso wie die Managergehälter. Die Ungleichheit wuchs in einer Zeit weltwirtschaftlicher Veränderungen, die gern unter dem Schlagwort „Globalisierung“ zusammengefasst werden: die Öffnung der früher kommunistischen Länder Mittel- und Osteuropas, Chinas und Indiens; das Wachstum nicht nur des internationalen Handels, sondern vor allem der grenzüberschreitenden Investitionen, Migration und der globalen Produktions netzwerke und Finanzmärkte. Aber bedeutet diese Gleichzeitigkeit auch, dass die Veränderungen der Einkommensverteilung der Globalisierung geschuldet sind? Oder haben bestimmte theoretische Wahrnehmungsstrukturen der Globalisierung Politik und Gesellschaft irregeleitet? Von Michael Dauderstädt.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 104 KB]
  2. Nokia und der Standortwettbewerb in der EU : Institutionen des “Europäischen Sozialmodells” sind unterentwickelt
    Die zum Jahresbeginn von Nokia angekündigte Werkschließung in Bochum hat einmal mehr das vermeintliche Ausgeliefertsein von Belegschaften im Standortwettbewerb gezeigt. Die Belegschaften und ihre Organisationen haben jedoch heute schon mehr Einwirkungsmöglichkeiten auf solche Kapitalentscheidungen, als allgemein bekannt ist, z. B. durch den Europäischen Betriebsrat. Zukünftig gilt es, die Institutionalisierung eines Europäischen Sozialmodells des Interessenausgleichs als funktionierendes Pendant zur Wirtschafts- und Währungsunion weiter auszubauen und gewerkschaftliche Gegenstrategien zu verfeinern. Dazu gehört, die Repräsentativität und den Organisationsgrad von EBRs zu verbessern sowie der Ausbau von Mitbestimmungsrechten bei Standortentscheidungen (VW-Gesetz).
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 108 KB]
  3. Detlef Hensche: Berliner Marktdogmatiker sollten nicht zu laut über Nokia wettern
    Bereits die betriebswirtschaftliche Logik der Produktionsverlagerung ist das Ergebnis politischer Weichenstellungen. Steinbrück spricht von “Karawanenkapitalismus” und vergisst die eigene Rolle: Keine Karawane ohne bereitwillig angelegte Subventions- und Steueroasen. Die grenzenlose Freiheit von Kapitalverkehr und Investitionsverlagerung – angereichert durch den Dumpingwettlauf nicht harmonisierter Unternehmenssteuern – ist das Werk europäischer, allen voran: Berliner Marktdogmatiker.
    Quelle: Freitag

    Dazu passt:

    Robin Rüttgers im Subventionswahn
    41 Millionen Euro an Subventionen will die Landesregierung in Düsseldorf vom finnischen Handyhersteller Nokia. Der Konzern soll seit 2002 zu wenige Arbeitsplätze geschaffen haben, so die Begründung. Wenn dem so wäre, warum wird das erst jetzt bemerkt? Jahrelang wurde offenbar ohne Beanstandung gezahlt. Vieles spricht dafür, dass das Land NRW selbst großzügig mit den Kriterien zur Subventionsvergabe war. Welche Regierung käme schon auf den Gedanken, einen der größten Arbeitgeber in der Region zu beschimpfen, er hätte zu viele Beihilfen erhalten.
    Quelle: stern

    Anmerkung: Das wichtigste vergisst der Autor Marcus Gatzke, nämlich die Rolle die Rüttgers und die CDU bei diesem Dumpingwettlauf gespielt hat. Sieh dazu den Artikel von Detlef Hensche.

  4. Ulrike Herrmann: Grüne in der Falle
    … viele Grüne und Sozialdemokraten neigen zu denselben Fehlern: Erst hat man gemeinsam Hartz IV erfunden und damit den Erfolg der Linkspartei erst möglich gemacht….
    In gewisser Weise handeln die grünen Realpolitiker allerdings nur konsequent: Hartz IV war ein Programm der sozialen Ausgrenzung. Was einst die Langzeitarbeitslosen traf, wird nun bei ihren Repräsentanten fortgesetzt…..
    So geraten die Grünen in eine Glaubwürdigkeitsfalle, wenn sie die Linke tabuisieren….
    Quelle: TAZ

    Anmerkung AM: Die Glaubwürdigkeit jener Grünen, die heute die Linke tabuisieren, wird noch zusätzlich dadurch ramponiert, dass diese Grünen jetzt etwas tun, dessen Opfer sie vor 30 Jahren ebenfalls waren: das Opfer der Stigmatisierung durch die etablierten Parteien, durch Wirtschaftskreise und meinungsführende Medien. Damals gaben wie heute die rechten und konservativen Kreise die Parole „Igittigitt“, wer wird denn mit den Grünen!“ aus und indoktrinierten damit einen beachtlichen Teil der SPD, deren Aktionsradius für Koalitionen und den Erwerb der politischen Macht sie dadurch entscheidend einengten. – Geschichte wiederholt sich. In diesem Fall peinlich deutlich.

  5. Elmar Altvater: Listige Linke
    In Hessen gibt es nur unkonventionelle Lösungen. Ein Fährmann soll einen Wolf, ein Lamm und einen Kohlkopf über den Main bringen, kann aber jeweils nur eins mitnehmen. Nimmt er zunächst den Kohlkopf ins Boot, bleiben Wolf und Lamm unbeaufsichtigt zurück. Natürlich frisst der Wolf das Lamm. Setzt der Fährmann erst das Lamm über, hat er das Problem bei der zweiten Fahrt. Nimmt er den Wolf mit, wird der, wenn der Fährmann zurückrudert, um den Kohlkopf zu holen, das Lamm fressen. Das Rätsel hat keine konventionelle Lösung.
    Die gibt es auch für das Koalitionsrätsel nicht, das die Parteien in Hessen zu knacken haben.
    Quelle: Freitag
  6. Joseph Stiglitz – Mächtige Versager
    Dies ist nach der Sparkassenkrise 1989 und der Enron/Worldcom-Krise 2002 die dritte US-Krise in 20 Jahren. Die Liberalisierung des Bankensektors funktioniert nicht. Märkte, die keinerlei Einschränkungen unterliegen, produzieren vielleicht fette Boni für die CEOs, aber sie sorgen nicht für mehr gesellschaftlichen Wohlstand. Bis wir ein besseres Gleichgewicht zwischen Markt und Staat finden, wird die Welt einen hohen Preis zahlen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Dass im Casino-Kapitalismus kriminelle Energie im Spiel ist, spricht Stiglitz allerdings nicht an.

  7. Michael E. Krätke: Die derzeitige Finanzkrise bietet berufsmäßigen Zockern ein ideales Aktionsfeld
    Dass die Weltökonomie zu wichtig ist, um sie Spielern zu überlassen, scheint sich gerade herum zu sprechen. Dass es mit einigen zusätzlichen Regeln und Kontrollen nicht getan ist, dass wir weit mehr brauchen als ein paar neue Überwachungskameras und Wachmänner im Casino, nämlich eine andere Weltwirtschaftsordnung, diese Einsicht ist unseren “Eliten” einstweilen noch fremd.
    Quelle: Freitag
  8. Banken treiben Kunden in die Schufa-Falle
    Die Kreditberatung deutscher Banken ist mangelhaft – nur drei von 14 Banken haben Testkunden korrekt informiert. Bei einem Drittel der Fälle ist die Kreditwürdigkeit des Kunden sogar wegen Fehlern der Banken gesunken. Das schadet den Verbrauchern bei jedem weiteren Kreditantrag.
    Quelle: SPIEGEL
  9. Gefährliche Medikamente: Experten kritisieren Zulassungsbehörde
    Experten sehen die Arzneimittelsicherheit in Europa in Gefahr. Immer wieder kämen Medikamente auf den Markt, über deren Risiken zu wenig bekannt sei. Auch die finanzielle Abhängigkeit der Europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde (EMEA) von der Pharmaindustrie steht in der Kritik.

    Für den Pharmakritiker Prof. Peter Schönhöfer liegt das Problem in der Finanzierung der Behörde. Denn EMEA ist auf das Wohl und Wehe der Pharmaindustrie angewiesen: Diese zahlt zwei Drittel des Jahresbudgets der Zulassungsbehörde von 155 Millionen Euro. “Wer finanziert, der bestimmt auch, was entschieden wird. Das ist die Grundlage für die schlechten Qualität der Entscheidungen der EMEA”, so Schönhöfer.

    EMEA dagegen beteuert ihre Unabhängigkeit. Schriftlich teilt sie Frontal21 mit: “Ausschussmitglieder und Sachverständige dürfen keinerlei finanzielle oder sonstige Interessen in der pharmazeutischen Industrie haben, die ihre Unparteilichkeit beeinflussen könnten.” Frontal21 liegen interne EMEA-Dokumente vor, die zeigen, dass Mitglieder der wissenschaftlichen Ausschüsse, die über die Zulassung von Medikamenten entscheiden, Geld von namhaften Pharmafirmen bekommen. Die EMEA weicht auf Anfrage von Frontal21 aus: “Diese praktische Erfahrung ist für die Kompetenz der Sachverständigen einerseits von Vorteil, kann aber auch Grund von Befangenheit sein.” Solche Zuwendungen sind für die EMEA also kein Grund, Sachverständige auszuschließen.

    “Die Folge ist”, warnt Professor Schönhöfer, “dass die Entscheidungen der EMEA nicht Hersteller unabhängig sind, dass die EMEA sich eben wie ein Handlanger für die Pharmaindustrie verhält.”
    Quelle 1: ZDF – Frontal21 (Text) [PDF – 52 KB]
    Quelle 2: ZDF – Frontal21 (Video)

    Anmerkung: Bei aller berechtigter Kritik über diese Zustände wäre es doch wirklich großartig, wenn die Frontal21-Redaktion bei ihren eigenen Reportagen über Sozialversicherung oder Mindestlohn auch so konsequent wäre. Gebührenzahler/innen und Nutzer/innen des Öffentlich-rechtlichen Fernsehens sollten erwarten dürfen, dass als „Experten“ nicht immer wieder Bert Rürup, Meinhard Miegel, Bernd Raffelhüschen & Co vor Kameras und Mikrofone gelassen werden, die nachweislich Lobbyarbeit für Arbeitgeberverbände, Finanzdienstleistungs- und Versicherungskonzerne machen.

  10. Schlappe für Berlins Schlapphüte
    Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Fehse war wie andere Mitglieder des Berliner Sozialforums (BSF) über einen längeren Zeitraum hinweg observiert worden. Als die Beschattung publik wurde, verweigerte der Geheimdienst den Geschädigten pauschal Einsicht in die Akten. Zu Unrecht, wie das Gericht nun feststellte.
    Quelle: Telepolis
  11. Steuerzahler springen ein
    Der DGB Berlin-Brandenburg beklagt »schleichende Verstaatlichung der Ausbildung«. Betriebliche Lehrstellen sind weiter Mangelware. Auch die Qualität läßt zu wünschen übrig.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung: Industrie und Handwerk bekommen Konsequenzen des von ihnen forcierten Steuersenkungswahns zu spüren.

  12. Wieder einmal: Wer ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
    Gesammelte Basisinfos über die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
    Teil 1: INSM Watchblog, 10. Mai 2007
    Teil 2: INSM Watchblog, 6.2.2008
    Teil 3: INSM Watchblog, 6.2.2008
  13. “Spiegel”-Verkauf bricht ein
    Auch nach der Freistellung von Chefredakteur Stefan Aust ist beim Hamburger Nachrichtenmagazin kein Ende der Querelen abzusehen.
    Die Einzelverkäufe sind im vierten Quartal 2007 auf 337.500 Exemplare gesunken. Im dritten Quartal waren es noch 416.800 gewesen. Ein Einbruch von fast 20 Prozent und das schlechteste Ergebnis seit 2003.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Vielleicht merken ja auch immer mehr Leserinnen und Leser, dass der Spiegel einfach nur noch ein neoliberales Kampfblatt ist.

  14. Tipp: Sozialpolitik aktuelle in Deutschland
    Hier finden sie wieder viele aktuelle Dokumente.
    Quelle: Sozialpolitik aktuell
  15. Filmtipp: NEUE WUT III – DAS WAR DER GIPFEL
    Eben komme ich aus einer Kinovorstellung von NEUE WUT III – DAS WAR DER GIPFEL in Anwesenheit des Filmemachers. Der unabhängige Dokumentarfilmer Martin Keßler präsentiert seine Eindrücke vom G8-Gipfel in Heiligendamm und Umgebung, von Protest, Polizeigewalt, Einschüchterung, Aktionen und Gegenaktionen und Entdemokratisierung. Eindrucksvoll werden eigene Aufnahmen den Fernsehschnipseln der TV-Berichterstattung gegenübergestellt und so Meinungs- und Medienmanipulation geschildert. Allerdings ist es auch entlarvend, dass vor einer örtlichen Lidl-Filiale gegen die ausbeuterischen Praktiken des Handelskonzerns demostriert wird und in einigen Einstellungen Demonstranten/innen mit KiK-Tüten gezeigt werden; KiK ist die Textil-Billigkette, die Stundenlöhne von weit unter 5 Euro zahlt und ihren Angestellten bezahlten Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigert.

    Mit einer herkömmlichen Videokamera ausgerüstet gelingt Martin Keßler als Einzelperson im Getümmel vor Ort, was wir eigentlich von einem öffentlich-rechtlichen Sendeapparat mit hunderten von Journalisten und Korrespondenten erwarten dürfen und seit Jahren nicht mehr bekommen. Beim Eintreffen am Kinocenter fielen sofort ca. 15 Polizeifahrzeuge auf und die erste Idee war ein Zusammenhang mit der bevorstehenden Kinovorstellung. Während Diskussion nach der Vorführung wurde auch das Polizeiaufgebot thematisiert. Keßler berichtete, dass die Uraufführung in Berlin war und er seitdem mit dem Film durch deutsche Kinos tourt. Nirgendwo war Polizei anwesend, allerdings war bei allen Kinovorstellungen von Keßlers Filmen in Hessen jeweils Polizei anwesend. Auf dem Heimweg fragte ich einen der Polizisten ( aus einer Gruppe von ca. 10 Beamten; sieben Polizeifahrzege waren noch da) nach einem Zusammenhang mit der Kinovorstellung und dieser Zusammenhang wurde bestätigt. Die Zahl der Beamten im Einsatz wurde mir nicht verraten – aus strategischen Gründen.

    Mein Tip: unbedingt ins Kino gehen und mit dem Filmemacher diskutieren. Es ist in vielerlei Hinsicht sehr lehrreich.
    Quelle 1: Neue Wut (Filmbeschreibung)
    Quelle 2: Neue Wut (Termine)


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