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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 9. April 2008 um 9:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der Trend zum Zweitjob
    Künftig werden immer mehr Arbeitnehmer neben ihrem eigentlichen Beruf einer zweiten Tätigkeit nachgehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, heißt es beim Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in Halle an der Saale. „Von rund 30 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland geht heute schon etwa eine Million regelmäßig zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit einer weiteren Beschäftigung nach“, sagt IWH-Arbeitsmarktexperte Herbert Buscher. „Die Tendenz steigt.“ Hinzu kämen rund 700 000 Frauen und Männer, die unregelmäßig Nebenjobs ausüben.
    „Angesichts der hohen Lebenshaltungskosten und der doch sehr moderaten Einkommenserhöhungen ist das kein Wunder.“ Betroffen seien vor allem Menschen mit geringer Qualifikation.
    „Normalerweise sollte es auch bei einfachen Tätigkeiten so sein, dass der Verdienst ausreicht, um davon leben zu können. In der Realität von Familien oder Alleinerziehenden ist das aber nicht so“, meint der IWH-Experte. „Je höher qualifiziert ein Arbeitnehmer ist, desto weniger dringlich ist es allerdings, einen Zweitjob anzunehmen, um seinen Lebensstandard halten zu können“, sagt Buscher auch mit Blick auf die Höhe der Einkommen entsprechend der Ausbildung.
    Quelle: Tagesspiegel
  2. Missbrauch von Ein-Euro-Jobs angeprangert: Arbeitsgelegenheiten oft weder zusätzlich noch in öffentlichem Interesse
    Wochenlang machten Medien Wirbel um einen spontanen Besuch von Wiesbadener Gewerkschaftern bei sogenannten »Ein-Euro-Jobbern« an unterschiedlichen Einsatzorten. Am Dienstag haben sich die unter öffentlichen Beschuss geratenen Akteure mit einer Pressekonferenz in der hessischen Landeshauptstadt selbst zu Wort gemeldet. Sie schilderten Missstände, nannten Namen und zogen politische Schlußfolgerungen.
    Quelle: junge Welt
  3. Hartz IV brachte 1,7 Millionen Menschen Jobs
    Die offizielle Statistik fällt positiv aus: Drei Jahre nach der Änderung des Sozialgesetzbuches ist die Zahl der Arbeitslosen deutlich zurückgegangen.
    Quelle: Netzeitung

    Anmerkung WL: Diese euphorische Meldung ging durch nahezu alle Medien. Leider hat von den Urhebern dieser Meldung niemand hinzugefügt, dass es auch mehr als 6 Millionen „Arbeitslosengeld-Empfänger/innen“ (Alg I und Alg II), darunter mehr als 3 Millionen (50,7%) registrierte Arbeitslose gibt.

    Was zur Statistik noch dazu gehört:

    • Nur etwas mehr als die Hälfte des Beschäftigungsplus entfällt auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen.
    • In Arbeitsgelegenheiten (in der Mehraufwandsvariante) waren im Februar 267.000 Arbeitslosengeld II-Empfänger beschäftigt.
    • Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im Januar nach der Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit bei 27,08 Millionen. Die Steigerung seit 2004 hält sich also sehr in Grenzen. Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse an der Gesamtbeschäftigung liegt weiter deutlich unter dem Niveau der 90er Jahre.
    • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat nach ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit im Januar 4,90 Mio. betragen, 78.000 oder 1,6 Prozent mehr als vor einem Jahr. Darüber hinaus übten 2,15 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 193.000 oder 9,9 Prozent mehr.
    • Vor allem bei unternehmensnahen Dienstleistungen gab es einen kräftigen Anstieg (+6,5 Prozent bzw. +229.000), der wiederum zum größten Teil von Arbeitnehmerüberlassungen getragen wird. D.h. über ein Drittel der Zunahme der Erwerbstätigkeit im letzten Jahr ging auf das Konto der Leiharbeit.
    • Im Monat März befanden sich 1,51 Millionen Personen in einer vom Bund oder von der Bundesagentur für Arbeit geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.
    • Im März begannen 360.200 Personen eine neue Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Seit Jahresbeginn sind 921.000 Personen, 0,5 Prozent weniger als im Vorjahr, in eine Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik eingetreten. Werden auch Einmalleistungen (wie z.B. Vermittlungsgutscheine und Mobilitätshilfen) hinzugezählt, haben 584.500 Personen im März und 1.608.000 Personen seit Jahresbeginn eine Förderung erhalten, 1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
    • Der gemeldete Stellenbestand hält sich auf hohem Niveau, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Das gemeldete Stellenangebot (einschließlich geförderter Stellen) ist im März saisonbereinigt um 3.000 gesunken, während die ungeförderten Stellen für „normale“ sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die besser die Marktentwicklung widerspiegeln, geringfügig um 1.000 zugenommen haben. In den letzten drei Monaten hat sich der gesamte Stellenbestand um monatsdurchschnittlich 7.000 und die ungeförderten „normalen“ Stellen um 3.000 reduziert.
    • Nach Angaben des IAB lag das gesamtwirtschaftliche Stellenangebot im vierten Quartal 2007 bei 1,22 Mio., im Vergleich zum Vorjahr waren das 149.000 oder 11 Prozent weniger.

    Merke: Eine halbe Wahrheit kann eine ganze Lüge sein.

    Anmerkung KR: Außerdem schmückt man sich hier mit fremden Federn, siehe der Kommentar von Wolfgang Lieb vom 16.10.2007: „Kaum ein Ökonom bestreitet den Zusammenhang des aktuellen Rückgangs der Arbeitslosigkeit und der relativ geringen Zunahme an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung mit dem derzeitigen, leichten konjunkturellen Aufschwung.“

  4. Wachsendes Reichtumsgefälle in Japan
    In den letzten Jahren hat der Anteil der nicht regulären Arbeitskräfte am Total der Beschäftigten rund ein Drittel erreicht. Hinter dieser Entwicklung sieht die OECD die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft mit einem wachsenden Reichtumsgefälle. Japan hat sich bisher stets gerühmt, eine Mittelstandsgesellschaft zu sein. Dies traf auch zu, solange das Gros der Arbeitskräfte in langzeitigen Lebensstellen beschäftigt wurde. Dies hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert. Auch Konzerne haben aus Kostengründen vermehrt zum Mittel der temporären Anstellung gegriffen. In den letzten Jahren ist denn auch der Anteil der Schulabgänger, die keinen permanenten Arbeitsplatz haben finden können, gestiegen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung: Das neoliberale Wirtschaftsdogma zeitigt eben weltweit die gleichen Konsequenzen: die Ungleichheit nimmt zu, Umverteilung von unten und von der Mitte nach oben.

  5. IWF: Finanzkrise bringt 1000 Mrd. $ Verlust
    “Die systemischen Risiken haben deutlich zugenommen”, mahnt der IWF in dem veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht. Angesichts dieser Gefahr scheinen die Experten selbst den äußerst umstrittenen, staatlichen Aufkauf problembehafteter Wertpapiere mit Steuergeldern für bedenkenswert zu halten. Die IWF-Experten schätzen, dass sich die möglichen Verluste der Finanzbranche infolge der Probleme an den Finanz- und Kreditmärkten auf 945 Mrd. $ (600 Mrd. Euro) belaufen könnten – was klar am oberen Ende bisheriger Schätzungen liegt. Die Turbulenzen infolge der US-Hy­pothekenkrise hätten die “Zerbrechlichkeit des globalen Finanzsystems” aufgezeigt, schreibt der Währungsfonds sehr deutlich.
    Die Aussagen sind die erste Warnung einer internationalen Organisation oder offiziellen Behörde vor einer regelrechten Systemkrise im Finanzsektor. Da zugleich eine Rezession in den USA droht und sich die Weltwirtschaft massiv abschwächt, dürfte das Sorgen um eine globale Wirtschaftskrise schüren. Damit steigt der Druck auf Regierungen und Zentralbanken, gegen die Krise vorzugehen
    Quelle 1: FTD
    Quelle 2: IMF
  6. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup rechnet trotz der weltweiten Finanzkrise für die ersten drei Monaten 2008 mit einem robusten deutschen Wachstum
    “Wir werden ein gutes erstes Quartal haben”, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats am Montag am Rande einer Konferenz in Berlin. Allerdings werde sich die US-Krise im Laufe des Jahres stärker auswirken. “Deswegen gehe ich in der Tat davon aus, dass im zweiten Halbjahr das Verlaufsbild in Deutschland sich abschwächen wird.” Im Jahresschnitt bleibe das Wachstum aber relativ gut. Der Sachverständigenrat zur Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung hatte im vergangenen Jahr ein Wachstum für 2008 von 1,9 Prozent vorhergesagt. Die Bundesregierung rechnet jetzt mit 1,7 Prozent.
    Quelle: Reuters

    Dagegen:

    Zapatero verspricht Sofortprogramm für Wirtschaft
    Bei seiner Wiederwahl will der spanische Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero ein Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der schwächelnden Wirtschaft auflegen. Seine Prognosen für die nächsten Jahre sind düster. Nach einer Prognose der Zentralbank wird die Wachstumsrate 2008 nur noch 2,4 Prozent betragen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung: Wie das? Der Wirtschaftsweise Rürup hält 1,7 bis 1,9 Prozent Wachstum in Deutschland für „robust“ und „gut“. In Spanien dagegen gelten 2,4 Prozent Wachstum als „düstere Prognose“. Ein fast so hohes Wachstum wie zu unseren angeblichen „Boomzeiten“ der letzten Jahre ist in Spanien also Anlass für ein Konjunkturprogramm – was in Deutschland als völlig abwegig gilt.

  7. Gerechtigkeit tut immer weh
    Seit dem Pillenknick war abzusehen, dass es immer weniger Junge geben würde, die für die Senioren sorgen könnten. Private Vorsorge war das Naheliegende.
    Wir leben in einer Solidargemeinschaft, wo Jung für Alt und Alt für Jung eintritt. Sonst müssten wir den „Sozialstaat“ aufkündigen und eine andere Republik einführen.
    Quelle: Bild

    Dazu noch:

    Ich werde belogen und betrogen!
    Es ist unerträglich, wie meine Generation bei der Rente belogen und betrogen wird!
    Kein Politiker hat den Mumm, uns die Wahrheit über das kranke Rentensystem zu sagen oder eine echte Reform mit deutlich mehr Eigenverantwortung anzuschieben.
    Quelle: Bild

    Anmerkung: Selbst für die Bild-Zeitung ungewöhnlich: Gleich mit zwei Kommentaren wettert Bild gegen die läppische Rentenerhöhung um 1,1 Prozent, hetzt die Jungen gegen die Alten auf und macht Propaganda für die private Vorsorge.
    Wie die Leser dabei belogen und betrogen werden, lässt sich schön an dem einzigen begründeten Satz im Kommentar von C. Martin belegen: „Seit dem Pillenknick war abzusehen, dass es immer weniger Junge geben würde, die für die Senioren sorgen könnten. Private Vorsorge war das Naheliegende“ schreibt er. Der Pillenknick ist unbestreitbar, aber was hat er mit der seit Jahren laufenden faktischen Senkung der Renten zu tun. Wir haben derzeit die Generation der Babyboomer im Erwerbsleben (siehe weiter unten Anmerkung AM), bis 2012 wird z.B. die Zahl der Studierenden um 40 Prozent zunehmen. Die Rente ist in Finanzierungsschwierigkeiten gekommen, weil wir seit Jahren Massenarbeitslosigkeit haben und nicht weil es weniger Junge gibt, die für die Senioren sorgen könnten. Dass private Vorsorge das „Naheliegende“ sei, soll schlicht davon ablenken, dass keine vernünftige Wirtschaftspolitik betrieben wurde, die wieder zu mehr Beschäftigung führte, und stattdessen nur an den Symptomen kuriert und die gesetzliche Rente ruiniert wurde.

    Dann kommt auch noch der frühere Pressesprecher der Allianz, Oliver Santen, zu Wort, der ansonsten regelmäßig die Schrumpf-Renten-Kampagnen in der BILD betreut. Santen muss entweder unter einer Bewusstseinsspaltung leiden, oder er ist eben ein reiner Zyniker. Jemand der über Jahre hinweg die gesetzliche Rente kaputtgeredet und die private Vorsorge propagiert hat und somit die Rentensenkungspolitik selbst massiv vorangetrieben hat, beklagt sich nun darüber, dass er selbst nur „eine mickrige Basisrente“ bekomme. Er beklagt sich darüber, dass er sie „voll versteuern“ müsse, ohne zu erwähnen, dass diese zusätzliche Belastung der Rentner eingeführt wurde, damit die Jüngeren die Rentenbeiträge von den Steuern absetzen können. Einmal ganz davon abgesehen, dass – wegen des Steuerfreibetrags – kein Rentner für eine „mickrige Basisrente“ Steuern bezahlen muss. Er beklagt sich, dass er bis 67 arbeiten soll, und das obwohl die Bild-Zeitung einer der Hauptpropagandisten der Rente mit 67 war.

    „Ich zahle heute mit die höchsten Beiträge“ schreib Santen. Zahlt Santen mehr als die 19,9 Prozent wie alle anderen?
    Nein, Herr Santen, Sie hetzen die Jungen gegen die Alten, sie wollen aus schierem Egoismus die Alten in die Armut treiben.

    Bild spaltet systematisch die Gesellschaft, hetzt Junge gegen Alte, hetzt Arbeitnehmer gegen Arbeitslose, und das alles nur um einen Systemwechsel von der solidarischen zur Ellenbogengesellschaft herbeizuschreiben.

    Dazu:

    Kapitulation vor der Macht der Rentner
    Juristisch ist es in Ordnung, die Rentner zu bedienen, wahltaktisch ist es vielleicht sogar sinnvoll. Aber es ist weder gerecht noch fair, was die Große Koalition da vor lauter Angst vor den Grauen macht. […]
    Quelle: Link zur vollständigen Meldung bei tagesschau.de

    Anmerkung eines NDS-Lesers: Die Hetze geht weiter. Wenn ich daran denke, dass die Verbreitung dieser Meinung mit Rundfunkgebühren honoriert wird, sollte man alle Rentner auffordern, ihren Fernseher für 3 Monate abzumelden.

    Ergänzung AM: Nicht nur alle Rentner, alle Jungen auch. Denn die meisten der Jüngeren ticken noch einigermaßen richtig und wissen zum Beispiel:
    Die Relation von Alt zu Jung ist nicht das Problem, die hat sich auch schon im letzten Jahrhundert kräftig verschoben. Zwischen 1900 und 2000 ist die Lebenserwartung um 30 Jahre gestiegen. Bis 2050 werden es zwischen 6 und 9 Jahre mehr sein. Siehe zur Relation von Jung und Alt auch die Abbildung unten.
    Heute haben wir eine exzellente Relation von Jung zu Alt. Fast 53 Mio. im arbeitsfähigen Alter zu 15 Mio. über 65 Jahren.
    Das Problem sind die hohe Arbeitslosigkeit, die Verringerung der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse von 30 Mio. 1990 auf unter 27 Mio. heute, das Abdrängen in den Vorruhestand und die schlechte Konjunktur.
    Die meisten Einlassungen des SWR-Redakteurs der Tagesschau sind im übrigen nachgeplappertes Zeug, fast gleichlautend in anderen Medien wie z.B. BILD, SZ und WAZ. Was zu der kleinen Rentenerhöhung geschrieben wird, ist ein Musterbeispiel an gleichgeschalteter Meinungsmache. Vermutlich lassen sich Berliner Korrespondenten inzwischen reihenweise die Linie von den Lobbyorganisationen und PR-Agenturen der Versicherungswirtschaft in den Block diktieren.

    Mythos Demografie

  8. Totale Überwachung: Unternehmen verletzen die Intimsphäre ihrer Mitarbeiter
    Tönnies ist Europas größter Fleischverarbeiter. Hier von Rheda-Wiedenbrück aus beliefert Tönnies Discounter wie Aldi und Lidl. Über 3.000 Menschen schlachten und verarbeiten hier Fleisch. Die meisten sind Billigarbeitskräfte. Irgendwo in Osteuropa von Subunternehmern angeheuert. Menschen, die für wenig Geld extrem hart arbeiten.
    Und auf die hat Tönnies ein genaues Auge. Die gesamte Fabrikation ist lückenlos kameraüberwacht. Doch die Überwachung geht noch weiter.
    Diese Bilder sind REPORT MAINZ zugespielt worden. Einfache Computerausdrucke, die brisantes zeigen. Videoaufnahmen aus dem Umkleidebereich. Gefilmt von Tönnies Überwachungskameras. Wir zeigen die Fotos deutschen Bürokräften von Tönnies, die nicht erkannt werden wollen. Sie bestätigen eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung im Umkleidebereich.
    O-Ton, Prof. Ulrich Preis, Arbeitsrechtler, Uni Köln: »Wir Arbeitsrechtler wissen seit langem, dass in der Fleischbranche harte Arbeitsbedingungen herrschen, aber dies scheint mir schon sehr extrem zu sein. Man könnte fast den Eindruck haben, Vieh und Mensch wird auf eine Stufe gestellt. Diese permanente Videoüberwachung ist eindeutig unzulässig.«
    Quelle 1: ARD Report Mainz (Text)
    Quelle 2: ARD Report Mainz (Video)
  9. Arbeitgeber setzen im Osten Dumpingtarife durch
    Wer legt eigentlich Löhne fest? Ganz einfach, denken Sie, Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzen sich an einen Tisch und verhandeln. Tarifverhandlungen nennt man das.
    Was aber, wenn die Arbeitnehmervertreter gar nicht die Interessen der Arbeitnehmer vertreten, sondern mit den Arbeitgebern unter einer Decke stecken und plötzlich Dumpinglöhne als Ergebnis rauskommen? Gibt es nicht, denken Sie? Gibt es doch, haben Thomas Dauser und Gottlob Schober rausgefunden.
    REPORT MAINZ macht den Test: Tarifverhandlungen mit versteckter Kamera. Wir geben uns als Unterhändler eines finanzstarken Investors aus. Gibt uns der Gewerkschafter einen arbeitgeberfreundlichen Tarifvertrag? Wie schnell kommen wir an Dumpinglöhne?
    Niedrig-Löhne, unter denen immer mehr leiden. Beispiel: Borna in Sachsen. Rettungssanitäter im Warnstreik. Ver.di kämpft hier auf verlorenem Posten. Denn das Rote Kreuz verhandelt in Sachsen nur noch mit der Christlichen Gewerkschaft, hat einen Tarifvertrag mit dem DHV.
    Quelle 1: ARD Report-Mainz (Text)
    Quelle 2: ARD Report-Mainz (Video)
  10. Rücktrittsrede der KfW-Chefin Matthäus-Maier im Wortlaut
    Ich habe daher nicht länger die Absicht den Kopf für Fehler hinzuhalten, die Andere gemacht haben.
    Quelle: Handelsblatt
  11. Wilhelm von Sternburg: Soziale Gerechtigkeit: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein ..
    Als Gott noch nicht tot war, galt nicht nur für die Calvinisten: Der Segen des Herrn ruht auf dem, der es im Diesseits zu materiellem Reichtum gebracht hat. Aber irgendwie ist diese Meinung auch im säkularisierten Zeitalter immer noch aktuell.
    Verelendung aber ist auch unserer Zeit keineswegs fremd. Heute sind es die Harz-IV-Empfänger oder die alleinerziehenden Mütter, die von Politik und Gesellschaft im Stich gelassen werden. Die Arbeitslosenstatistik täuscht uns dabei immer mehr. Die Zahl der Menschen, die in diesem Land für Niedrigstlöhne arbeiten müssen, wächst unübersehbar. Manager verdienen Millionen, weil sie Arbeitsplätze vernichten und dadurch kurzfristig die Konzernbilanzen verschönern. In den permanenten Machtkämpfen der Parteien verlieren Renten-, Steuer- und Gesundheitssysteme jede rationale Komponente. Die Gesellschaft ist unter die Räuber gefallen: Hier die Heuschrecken und die Hedgefonds, die ihren Aktionären solange Spitzenrenditen zahlen, bis ihre Unternehmen zusammenbrechen und die Allgemeinheit dafür die Rechnungen begleichen muss. Die Fehlspekulationen der Geschäftsbanken, die Milliardenverluste der von der Politik beaufsichtigten Landesbanken – am Ende sind es die Kunden und die Steuerzahler, die für das Versagen der Millionenverdiener geradezustehen haben.
    Quelle: DLF
  12. NRW-Bank stützt Zinsen mit Geld aus Studiengebühren
    Die NRW-Bank hortet Millionen Euro aus Studiengebühren, um Ausfälle von Krediten abzusichern. Mit Geld aus dem Fonds will die landeseigene Bank demnächst sogar Zinsschwankungen ausgleichen.
    Aus den Studiengebühren, die seit dem Wintersemester 2006 erhoben werden, fließen jährlich mindestens 46 Mio. Euro an die NRW-Bank. Damit sichert die Bank das Ausfallrisiko ihrer Studienbeitragskredite ab. 18 Prozent müssen die Hochschulen derzeit aus dem Gebührenaufkommen aller Studenten an den Ausfallfonds abführen – so viel wie in keinem anderen Bundesland.
    Eine bislang unveröffentlichte Studie des Dortmunder Ökonomen Andreas Hoffjan, die der FTD vorliegt, zeigt nun: Das ist deutlich zu viel. Nach Berechnungen des Controllingprofessors würde eine Abgabe von 13 Prozent ausreichen. “Der Fonds sichert derzeit Risiken zu vollkommen übertriebenen 200 Prozent ab”, kritisiert Hoffjan, “selbst wenn alle Studierenden, die ein Beitragsdarlehen erhalten, dieses nicht zurückzahlen könnten, würde gerade mal die Hälfte des Fondsvermögens angetastet.”
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Was soll daran eigentlich „sozialverträglich“ sein, wenn keinerlei soziale Abfederung erfolgt, als dass man zu einer Bank geht und sich mit einem individuellen Darlehen zu banküblichen Zinsen verschuldet? Was ist daran „sozialverträglich“ dass man als Darlehensnehmer darüber hinaus noch zu über einem Fünftel der Darlehenssumme einen Ausfallfonds finanzieren muss? Mit diesem Ausfallfonds als einer Zwangsabgabe finanzieren die Gebührenzahler das angeblich sozialverträgliche Studiendarlehen. Die Studiengebührenzahler und nicht etwa die Abnehmer der Studierenden, also die Wirtschaft oder die Gesellschaft allgemein, finanzieren also die angebliche Sozialverträglichkeit selbst.
    Diese Sonderabgabe zur Absicherung des Kreditausfallrisikos hält der Präsident des Bundesfinanzhofs für verfassungswidrig. Im Hessischen Gesetz hat man das deshalb in letzter Minute korrigiert.
    Man stelle sich doch nur einmal vor, die Volksbanken oder die Sparkassen würden die Handwerker zu einem Ausfallsfonds für notleidende Kredite anderer Handwerker heranziehen.

  13. Hölle Hochschule: Bachelor-Abschluss führt zu Studienabbruch
    Beim nächsten Thema habe ich ein neues Wort gelernt: Bulimie-Learning. Das meint: Lernen nur um riesige Mengen von Lehrstoff in Prüfungssituationen wieder auskotzen zu könne. Nachhaltiger Lerneffekt – gleich Null.
    Unsere Reporterin Monika Anthes ist auf dieses Phänomen gestoßen, als sie sich mit dem so genannten Bachelor, einer Art Turbo-Uniabschluss nach nur sechs Semestern, befasst hat.
    Der Stoff aus vier Jahren Magister wurde einfach in drei Jahre Bachelor gepackt. Die Folge: völlig überfrachtete Lehrpläne, unzählige Prüfungen – kaum machbar. Wer dann noch arbeiten muss oder wie Jenny ein Kind hat, ist schnell am Ende seiner Kräfte.
    Den meisten Schwund verzeichnen die Fachhochschulen. Dort werfen sogar 39 Prozent der Bachelorstudenten vorzeitig das Handtuch. Vor allem in den Ingenieurwissenschaften verlassen scharenweise Bachelorstudenten die Hochschule. Und das bei drohendem Fachkräftemangel.
    Quelle: Report Mainz
  14. Schneller am Markt?
    Die statistische Erfolgsbilanz der unter „Bologna“ rubrizierten Studienreform ist, um es vorsichtig zu sagen, bislang eine gemischte. Man erinnert sich: Sechs Semester sollte das berufsbefähigende Erststudium nur noch dauern. Die internationale Mobilität der Studenten sollte durch den international akzeptierten Bachelor erhöht werden. Der Studienabbruch sollte durch frühzeitige Zeugnisvergabe, straffere Studienplanung und studienbegleitendes Prüfen zurückgehen. Beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium sollten die Hochschulen stärker auswählen können. Und eine stärkere Kontrolle, ob die Studiengänge solchen Zielsetzungen entsprechen, sollte von der Akkreditierung eines jeden gewährleistet werden.
    Geht man diese Versprechen Punkt für Punkt durch, so steht es um ihre Einlösung nicht zum Besten.
    Es bleibt insofern auch nach diesen Zahlen und bis auf weiteres der Eindruck, dass die Bologna-Reform soziologisch ziemlich undurchdacht und – im Durchschnitt – eher viel versprechend als vielversprechend war.
    Quelle: FAZ
  15. Degradierung ohne Opfer
    Der Deutschlandfunk reformiert die “Politische Literatur” und macht zwei langjährige Redakteure zu Autoren. Inzwischen haben mehrere Autoren und Verleger einen Protestbrief verfasst, in dem sie die Rücknahme der Maßnahme fordern, um “Service- und Weichspüler-Journalismus” zu verhindern. Dabei standen die Premierenthemen von “Andruck” am vergangenen Montag durchaus in der Tradition des Vorgängerformats: Die Besprechungen der Bücher “Der gekaufte Staat – Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben” oder “Die unterste Milliarde – Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann” deuteten nicht darauf hin, dass das Format künftig ein Hort neoliberaler Berichterstattung zu werden droht.
    Aus Redaktionskreisen werden andere Gründe für die Entscheidung kolportiert. Danach sollen Theißen und Beindorff bei den Mitarbeitern der Sendung unbeliebt gewesen sein. Die beiden hätten sich ihren Kollegen gegenüber oft rechthaberisch und ruppig verhalten und Diskussionen regelmäßig abgewürgt.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Wir hatten in den NachDenkSeiten auf einen kritischen Artikel von Daniela Dahn im Freitag verlinkt und dazu auch auf die Probleme innerhalb der Redaktion hingewiesen (Hinweise v. 28.3.08 Ziff. 11). Das hat uns böse Briefe eingebracht. Wir haben uns nochmals rückversichert und bleiben bei unserer Anmerkung.
    Allerdings werden wir die Sendung über politische Literatur unter dem neuen Titel „Andruck“ kritisch verfolgen und darauf achten, ob dort „Weichspüler-Journalismus“ Einzug hält. Nach der ersten Sendung wollen wir uns noch kein Urteil erlauben.


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