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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. März 2016 um 8:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. DIE LINKE in der Flüchtlingskrise: Angriff ist die beste Verteidigung!
  2. Landtagswahlen
  3. Merkels Mann fürs Grobe und das schmutzige Flüchtlingsgeschäft.
  4. Verrohung
  5. Die Sprache der Wut: Entwederoderismus
  6. Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland bei 21 %
  7. Tiefe Kluft zwischen Frauen und Männern bei der Rente
  8. Mit sanftem Druck zur „Deutschland-Rente“
  9. DB-Aufsichtsrat nähert sich seiner Verantwortung
  10. Sparkassen bitten Kunden zur Kasse
  11. Erst Lobbyisten, dann das Parlament?
  12. Die Sackgasse verlassen
  13. Die Antinativen, die Systemfrage und ihre Homogenität
  14. „Die Wahl war eine Protestwahl“
  15. Das Letzte: Den Reichen nehmen hilft den Armen nicht

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. DIE LINKE in der Flüchtlingskrise: Angriff ist die beste Verteidigung!
    DIE LINKE hat bei den Landtagswahlen eine schwere Niederlage erlitten. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stagnierte DIE LINKE, in Sachsen-Anhalt brach sie um über sieben Prozent im Vergleich zur letzten Landtagswahl ein und musste den Anspruch auf den Ministerpräsidenten aufgeben. DIE LINKE verlor dabei insbesondere in Sachsen-Anhalt massiv Wählerinnen und Wähler an die antisoziale und fremdenfeindliche „Alternative für Deutschland“ (AfD). Die AfD – kürzlich noch totgesagt – bestimmt nun die politische Debatte in Deutschland.
    Die Aufgabe einer linken Partei ist es, die soziale Situation der Mehrheit der Bevölkerung einschließlich der Flüchtlinge zu verbessern. Mehrheiten gegen die CDU sind mit der AfD in den Parlamenten in Zukunft nicht mehr möglich. Wenn DIE LINKE geschwächt wird und die Lohn- und Rentenkürzer gestärkt werden, hat DIE LINKE versagt.
    Es gibt drei Möglichkeiten auf das Debakel zu reagieren: Erstens, DIE LINKE hält an ihrer Strategie fest, weil die Wählerinnen und Wähler zu dumm sind, und versagt weiter. Zweitens, DIE LINKE hört auf, für die sozial Schwachen bzw. die Flüchtlinge zu kämpfen. Dann ist sie keine linke Partei mehr und mithin überflüssig. Drittens, DIE LINKE hält an ihren politischen Zielen fest, überdenkt aber ihre Strategie. Mir erscheint die letzte Variante die sinnvollste unter den drei Alternativen.
    Quelle: Fabio De Masi, MdEP

    Anmerkung J.K.: Sarah Wagenknecht scheint da schon weiter zu sein. Es geht ja nicht darum Menschen in Not und Lebensgefahr abzuweisen, aber man kann nicht an die eine Millionen Menschen in kurzer Zeit aufnehmen und dann weiter von der schwarzen Null schwadronieren. Damit sind Verteilungskonflikte vorprogrammiert.

  2. Landtagswahlen
    1. Ganz schön viel Aufregung um ein paar Wahlen!
      Dabei müssen die sowieso wiederholt werden. Ja! Weil die Wähler völlig falsche Informationen hatten. Da hieß es im Vorfeld ja klar und deutlich, dass wir schon 2015 mehr als eine Millionen Flüchtlinge bekommen haben. Und dass da ja kein Ende absehbar sei, solange Frau Merkel nicht endlich ihre Politik ändert. Und dass das ja alles völlig unkontrolliert laufe. Da konnte man natürlich zum Protestwähler werden. So, und jetzt? Meldet die Bundesregierung auf Nachfrage, dass 2015 gar nicht eine Millionen oder noch mehr Flüchtlinge gekommen sind – sondern, wegen etlicher Doppelzählungen und Durchreisen, Achtung: nur 600000. Und schlimmer noch: die längst einkalkulierten nochmal eine Million, die 2016 kommen sollten, dürften schon gar nicht mehr kommen, seit Mazedonien und andere sympathische Länder die Stacheldrahtindustrie ankurbeln.
      Quelle: Thomas Fricke via Facebook
    2. “Diese Entwicklung hat die Union zu verantworten”
      Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat Angela Merkel und die Union für den Aufstieg der AfD verantwortlich gemacht. Über Jahrzehnte hätten CDU und CSU den Eindruck erweckt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. […]
      Schröder sagte, es vollziehe sich eine “Europäisierung des deutschen Parteiensystems”. Begonnen habe das, als neben die SPD die Linke rückte. Die derzeitige Schwäche seiner eigenen Partei führte Schröder auf parteiinterne Fehler zurück: “Vielleicht hat sie die Chance verpasst, ihre Zustimmung zu den Asylpaketen mit der Forderung nach modernen Einwanderungs- und Integrationsgesetzen zu verbinden.” Die SPD müsse in der Bundesregierung jetzt dafür sorgen, “dass die Integration der Flüchtlinge gelingt” .
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung Christian Reimann: Kann es sein, dass auch Gerhard Schröder mit seiner Politik der Agenda 2010 – insbesondere den “Hartz I bis IV-Reformen” – und der daraus resultierenden sozialen Verunsicherung auch zur “Europäisierung des deutschen Parteiensystems” beigetragen hat? Immerhin halten u.a. seine “Schüler” Gabriel, Oppermann und Steinmeier auch heute an dieser Politik fest. Und das obwohl der Alt-Kanzler sogar gesagt hat, dass die Reformen der Agenda 2010 “nicht die Zehn Gebote (sind, C.R.), und niemand, der daran mitgearbeitet hat, sollte sich als Moses begreifen”

    3. O Gott, Herr Schmid
      Wie Schröders Kinder die SPD in Baden-Württemberg an die Wand gefahren haben. Nils Schmids Ankündigung, Vorsitzender bleiben zu wollen, ist für unseren Autor das Signal, dass “das Elend weitergeht”.
      Quelle: Kontext: Wochenzeitung

      In der Gesamtausgabe von Kontext lesen sie diese Woche unter anderem:

      • Spiel nicht mit den Schmuddelkindern: Landauf, landab wird Winfried Kretschmann als Gegengift gegen die grassierende Politikverdrossenheit gerühmt. Aber ihm und seiner Partei nützt das kaum: CDU und FDP packen ihre Uralt-Ressentiments gegen die Grünen aus und gefallen sich in Totalverweigerung.
      • Rote Karte für die CDU: Wer das Volk verunsichert, bekommt die Rote Karte gezeigt. Gemeint sind die CDU und ihr Möchtegern-MP Guido Wolf. Wer derart schlingere, dürfe sich über das Desaster nicht wundern, kommentiert unser Gastautor.
      • Wohlstand für Reiche: Die AfD sitzt demnächst mit 23 Mann im Landtag. Mittlerweile ist sie in acht regionalen Parlamenten in Deutschland vertreten. Aber was hat die AfD zu bieten, abgesehen von weniger Flüchtlingen und Islamkritik? Keine Werbung mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Immerhin.
      • Wahlnacht-Geflüster: Der Superwahlsonntag hat die Programme gekapert. Unsere Autorin hat sich durchgezappt. Über die Petrysierung des deutschen Fernsehens und erste schüchterne Heiratsangebote in der Nacht der Nächte.
      • Ein Solitär: Den verstorbenen Peter Conradi kennt unser Autor seit Jahren. Nicht nur als SPD-Genossen, sondern auch als Kämpfer gegen Stuttgart 21. Ein Nachruf.
      • Kunst als Geldmaschine: Die KPMG fördert gern junge Kunst. Schließlich ist das für Wirtschaftsprüfer ein gutes Aushängeschild. Der Stadt Leverkusen empfehlen sie jedoch, das Museum Morsbroich zu schließen.
      • Mercedes und die Junta: Vor 40 Jahren putschten rechte Generäle in Argentinien. Einiges spricht dafür, dass die Daimler-Tochter Mercedes-Benz Argentina in die Verbrechen der Militärdiktatur verstrickt war.
    4. Volkspartei ohne Volk
      Wenn es einen Preis für die unterirdischste Pressekonferenz nach verlorenen Wahlen gäbe, hätte ihn sich SPD-Chef Gabriel gestern redlich verdient gehabt: Dürre Dankesworte, Blumensträuße für die Kandidaten, Abgang von der Bühne ohne Journalistenfragen nach fünf Minuten.
      Deutlich beredeter, aber kaum inhaltsstärker der Auftritt der CDU-Vorsitzenden Merkel: Ja, meinte die Kanzlerin zur Flüchtlingskrise, „jetzt heißt es, die entsprechenden Antworten zu finden“. Angesichts solcher Worthülsen, der Sprachlosigkeit Gabriels und der überflüssigen Attacken Seehofers kann einem angst und bange werden um die unter die Räder gekommenen (Ex-)Volksparteien. Trotz teils historischer Niederlagen hielten es die Vorsitzenden nicht für nötig, mit den Bürgern in einen ernsthaften Dialog zu treten – geschweige denn ein paar konkrete Antworten auf die Fragen der Flüchtlingskrise zu geben.
      Natürlich ist das Abschneiden der AfD bemerkenswert, ebenso die Tatsache, dass es die SPD in zwei Landtagen nur noch auf den vierten Platz schaffte. Aber am bedeutsamsten ist wohl das Desaster der CDU. Denn die Christdemokraten sind seit Sonntag in jenem Tal der Tränen angekommen, in dem sich die SPD schon seit gut einem Jahrzehnt befindet und aus dem Volksparteien nur schwer einen Ausweg finden.
      Quelle: Nürnberger Nachrichten

      Anmerkung unseres Lesers G.G.: Kurz und knapp – deutlich und wahr! Wieso gelingt dies kaum den Journalistinnen und Journalisten der sog. Mainstream-Medien?

    5. Alternative für Reiche? Wo die AfD sparen will
      Vom Wirtschaftsprogramm der AfD würden vor allem Gutverdiener profitieren. Wichtige Wählergruppen wie Arbeitslose und Geringverdiener müssten hingegen harte Einschnitte befürchten. Ein Überblick. Die AfD sei “die Partei des sozialen Friedens”, sagte Parteichefin Frauke Petry nach den Erfolgen bei den drei Landtagswahlen am Wochenende. Tatsächlich punktete die AfD besonders bei Arbeitslosen und Arbeitern. Rund 40 Prozent aus diesen beiden Gruppen stimmten etwa in Sachsen-Anhalt für die AfD. Natürlich vor allem wegen der Flüchtlingspolitik. Aber auch, weil die AfD sich als Schutzpatron des kleinen Mannes gibt.
      Quelle: Welt Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Erfreulich ehrlich weist die WELT darauf hin, daß ähnlich asoziale Forderungen für eine weitere Privatisierung der Sozialversicherungen und eine weitere Verschärfung des regressiven Steuersystems (Entlastungen bei den direkten Steuern für Gutverdiener, Belastungen für Wenigverdiener) schon bei den anderen scharf neoliberalen Parteien CDU, CSU und FDP zu finden waren und sind. Es fehlt allerdings der weitergehende Zusatz, daß fast alle aufgeführten Forderungen – Stufenmodell bei der Einkommensteuer, Abschaffung der Erbschaftsteuer und der Gewerbesteuer, weitgehende Privatisierung von Arbeitslosen- und Rentenversicherung, Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung/”Kopfpauschale” – u. a. auf dem Leipziger Parteitag der CDU (2003) unter dem Vorsitz von “Mutti” Merkel mit großen Mehrheiten beschlossen wurden und in Teilen auch bei der SPD zu finden waren. Leider hat die WELT damals keine “Warnhinweise” ausgesprochen à la “CDU und SPD machen eine Politik, die gegen die Interessen ihrer Wähler, von Arbeitslosen und Arbeitnehmern gerichtet ist”.

  3. Merkels Mann fürs Grobe und das schmutzige Flüchtlingsgeschäft.
    In Sachen Migration und Integration sind das Bundesinnenministerium und de Maizière zu Sicherheitsrisiken geworden. Der Kampf gegen Flüchtlinge anstelle der Bekämpfung der Fluchtursachen ist der stärkste Beleg für die Verwechslung von Migrationspolitik und Sicherheitspolitik.
    Die in Europa sogenannte ‚Flüchtlingskrise‘ ist in Wahrheit eine Weltkrise, die ihre Opfer vor die Tore der Festung Europa treibt. Die Festung aber verweigert den Schutzsuchenden immer häufiger den Zugang. Sie sorgt sich mehr um die Sicherheit ihrer Außengrenzen als um das Schicksal der Flüchtenden. Sie nötigt sie so auf lebensgefährliche und von Kriminellen eröffnete Zugangswege. Sie nimmt das damit verbundene Massensterben vor ihren Grenzen lamentierend, aber de facto billigend in Kauf. […]
    Mit all diesen, nicht selten durch regierungsfreundliche Rechtsgutachten legitimierten Winkelzügen und durch die strategischen Vorverlegung (‚Externalisierung‘) der maritimen Grenzverteidigung gegen Flüchtlinge wird das deutsche Asylrecht zwar nicht rechtlich ausgehöhlt, aber faktisch kaltgestellt. Das haben weite Teile der Öffentlichkeit nicht durchschaut, weil das Bundesinnenministerium mit der permanenten Inszenierung von Migrationsdruck als Bedrohung der Außengrenzen von diesen Strategien und deren konkreten Folgen für das Schicksal der Flüchtlinge ablenkt. […]
    Würde Merkel dem Geschäft mit der Erdogan-Türkei über die Handelsware Flüchtling zustimmen, hätte sie ihre bisher standhaft verteidigte Position in der sogenannten Flüchtlingskrise vollends preisgegeben, eine Kehrtwende vollzogen und damit noch mehr politisch an Gesicht und Gewicht verloren. Es ist aber davon auszugehen, dass der leitende Staatsdiener seine rechtsakrobatische Argumentation sehr wohl vorab mit seiner ‚Chefin‘ abgestimmt hat.
    Quelle: Migazin

    dazu auch: “Diese Pläne sind schlicht illegal”
    Illegale Migranten in die Türkei, Syrer nach Europa – von einem solchen Deal zwischen EU und Türkei hält der Menschenrechtskommissar des Europarats gar nichts. In einem Gastbeitrag für tagesschau.de erklärt Nils Muiznieks, warum die geplante Absprache moralisch wie juristisch höchst fragwürdig ist. […]
    Zurzeit sehen die Vorschläge vor, dass die Türkei alle illegalen Migranten aufnimmt, die über die Grenze zu Griechenland in die Europäische Union gekommen sind. Im Gegenzug ist geplant, dass die EU eine entsprechende Zahl von Syrern aus der Türkei einreisen lässt. Die Problematik eines solchen Arrangements besteht darin, dass dadurch ein Verfahren automatisiert wird. An dessen Ende kann für die Hälfte der Betroffenen nur die pauschale Abweisung stehen. Eine solche Praxis ist schlicht illegal, unabhängig von dem Land, mit dem eine derartige Absprache getroffen wird.
    Quelle: Tagesschau

  4. Verrohung
    Flüchtlinge sind in Deutschland und in ganz Europa willkommen – als Sündenböcke. In der Gesellschaft hat ein Klimawandel stattgefunden. (…)
    Neoliberalismus schafft ungerechte Verhältnisse, in denen zwischen Menschen wie zwischen Staaten sozialdarwinistische Regeln herrschen; er mobilisiert in seinem radikalen Wettbewerbssystem die destruktiven Energien von Menschen. Die „Leistung“ der neoliberal orientierten Politik besteht auch in der Verankerung des Sozialdarwinismus in den Köpfen. Denn große Teile der Bevölkerung identifizieren sich inzwischen mit den Grundsätzen von Konkurrenz und Selbstoptimierung. Die Folge: Es herrscht nicht nur krasse Ungleichheit, es gibt nicht nur ein Heer von „Verlierern“, vielmehr sind Empathie und Solidarität als Kitt einer humanen Gesellschaft entwertet und aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt. Die daraus resultierende Unsicherheit einerseits, politische Ohnmacht andererseits erzeugen uneingestandene Angst und ein Bedürfnis nach Stärke. Auf die scheinbare Allmacht der Reichen und Mächtigen folgt deshalb als innerer Reflex eine Identifikation mit deren offensichtlichem Erfolg und Einfluss – und eine aggressive Abgrenzung gegen Schwache und Fremde. Bereitwillig wird die von Neoliberalen behauptete Ungleichwertigkeit der Menschen – immer auch Grundlage des Rassismus – propagiert und gegen die Menschen gekehrt, die nichts haben, nicht einmal eine Heimat.
    Quelle: Ossietzky

    dazu: “Antisemitismus ist ein Problem der Mitte”
    Auf der internationalen Antisemitismus-Konferenz warnte Bundestagspräsident Norbert Lammert vor mehr Judenfeindlichkeit nach mehr Zuwanderung. Im Interview mit tagesschau.de widerspricht Soziologe Klaus Holz: Es sei falsch, Flüchtlinge und Migranten für Antisemitismus in Deutschland verantwortlich zu machen. […]
    tagesschau.de: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat auf der Konferenz betont, auch Flüchtlinge müssten das Existenzrecht Israels anerkennen. Welche zusätzlichen Herausforderungen ergeben sich durch die hohen Zahlen von Flüchtlingen und Migranten?
    Holz: Ich halte das nicht für eine spezifische Herausforderung, sondern genau für einen Teil der Daueraufgabe, die alle Bevölkerungsteile einschließt. Wir haben Antisemitismus in Deutschland nicht wegen der migrantischen Bevölkerung. Außerdem gilt: Was für den nicht migrantischen Bevölkerungsteil richtig ist, ist auch prinzipiell für Flüchtlinge richtig. Wir müssen die breite Prävention mindestens weiterführen, vor allem im Bereich der außerschulischen Bildung auch ausbauen. Flüchtlinge und Migranten für Antisemitismus in Deutschland verantwortlich zu machen, ist falsch und soll nur davon ablenken, dass Antisemitismus ein Problem in der Mitte der Gesellschaft ist. In Afghanistan zum Beispiel ist Antisemitismus lange nicht so verankert wie in Deutschland.
    tagesschau.de: Inwieweit greifen Fremdenfeindlichkeit und Judenfeindlichkeit ineinander? Und überlagert der derzeitige Fokus auf die Fremdenfeindlichkeit eventuell die Wahrnehmung von Antisemitismus?
    Holz: Ja, zurzeit ist das so, wie man anhand der AfD beobachten kann. Deren Fremdenfeindlichkeit steht im Fokus, ihr Antisemitismus nicht. Ich warne aber davor, den Blick einzeln auf diese Problemfelder zu richten. Wenn wir Fremdenfeindlichkeit thematisieren und gleichzeitig den Zuwanderern eine judenfeindliche Haltung zuschreiben, leugnen wir den Antisemitismus im eigenen Land und wollen die Zusammenhänge nicht sehen. Diesem Mechanismus kann Prävention nur entgegentreten, wenn sie sich grundsätzlich gegen Vorurteile insgesamt richtet: gegen Fremde, gegen Juden und Jüdinnen, gegen Schwule und Lesben. Was passiert, wenn das nicht passiert, beweist der Front National in Frankreich, der sich als der große Beschützer der Juden geriert, aber nur deswegen, um den Rassismus gegen Muslime zu rechtfertigen.
    Quelle: Tagesschau

  5. Die Sprache der Wut: Entwederoderismus
    Dabei ist mir etwas aufgefallen, eine Diskussionsfigur, die sich in den sozialen Medien ausgebreitet hat. Die auch mich selbst ab und an vergiftet, und das, obwohl ich sie (inzwischen) kenne. Ich nenne diese Entwicklung Entwederoderismus, und das ausgezeichnet sperrige Wort transportiert schon den größten Teil des Inhalts. Aber nicht alles, denn es geht über die bekannte Schwarz-Weiß-Malerei hinaus.
    Die Essenz des Entwederoderismus: Wann immer Kritik an einer Position geäußert wird, wird sie als Parteinahme der radikalstdenkbaren Gegenposition betrachtet. Wer den Internet-Mob nach dem Silvestermob von Köln kritisiert, wird quasi der Mitvergewaltigung bezichtigt. Wer Rassismus gegen Flüchtlinge anprangert, muss automatisch den Untergang des Abendlandes herbeisehnen. Es ist also nicht bloß die Einteilung der Welt in Schwarz und Weiß und die Negation der Zwischentöne, es ist auch die aggressive Unterstellung, dass hinter jedem Wort und jedem Satz in Wahrheit nichts als Parteinahme stehen kann. Diese Verkürzung funktioniert von allen Seiten.
    Quelle: Sascha Lobo auf Spiegel Online
  6. Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland bei 21 %
    Im Jahr 2015 fiel der unbereinigte Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern um 1 Prozentpunkt geringer aus als in den Vorjahren. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 19. März anhand fortgeschriebener Ergebnisse mitteilt, verdienten Frauen mit einem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 16,20 Euro 21 % weniger als Männer (20,59 Euro).
    Nach wie vor bestehen dabei deutliche Unterschiede zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern. So betrug 2015 der unbereinigte Gender Pay Gap in den neuen Ländern 8 %, während er im früheren Bundesgebiet bei 23 % lag.
    Einer der Gründe für den im Vorjahresvergleich geringeren Gender Pay Gap könnte die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro je Stunde zum 1. Januar 2015 sein. Die vorliegenden Daten der Vierteljährlichen Verdiensterhebung erlauben keine exakte Quantifizierung der Wirkung. Sie zeigen jedoch, dass die Stundenverdienste der Frauen 2015 im Vorjahresvergleich mit + 2,3 % etwas stärker zugenommen haben als für Männer (+ 2,0 %) und dass dies auf hohe Zuwächse bei den vom Mindestlohn betroffenen ungelernten (+ 3,4 %) und angelernten (+ 3,5 %) Arbeitnehmerinnen zurückgeht.
    Dies ist vor allem in den Neuen Bundesländern sichtbar: In Ostdeutschland waren die Verdienstzuwächse bei den ungelernten (+ 8,9 %) und angelernten Arbeitnehmerinnen (+ 7,2 %) außergewöhnlich hoch. Für die ungelernten (+ 8,4 %) und insbesondere die angelernten (+ 4,9 %) Arbeitnehmer fielen sie dagegen niedriger aus. Hinzu kommt, dass der Anteil der ungelernten Arbeitnehmerinnen an den Arbeitnehmerinnen insgesamt mit 7,6 % um 2 Prozentpunkte höher ist als der entsprechende Anteil bei den Arbeitnehmern (5,6 %). Im Durchschnitt aller Frauen nahm der Verdienst mit + 4,3 % folglich spürbar kräftiger zu als für Männer (+ 3,7 %). Der bisherige Trend des zunehmenden Gender Pay Gap im Osten wurde damit unterbrochen.
    Quelle: Statistisches Bundesamt
  7. Tiefe Kluft zwischen Frauen und Männern bei der Rente
    Der Lohnrückstand von Frauen ist in Deutschland mit konstant 22 Prozent sehr groß im europäischen Vergleich. Doch schaut man auf die Renten, fällt der Abstand noch weitaus gravierender aus. Das konstatieren Dr. Christina Klenner, Gender-Expertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, sowie Dr. Peter Sopp und Dr. Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt in Berlin. In einer neuen Auswertung aktueller Daten aus dem WSI GenderDatenPortal haben sie dokumentiert, welche Unterschiede es bei der Alterssicherung zwischen Frauen und Männern gibt. Nach ihrer Analyse sind Frauen sowohl bei der gesetzlichen Rente als auch bei der betrieblichen Altersversorgung klar im Nachteil. Gleichzeitig profitieren sie stärker von Elementen des sozialen Ausgleichs im Rentenrecht, vor allem bei der Hinterbliebenenversorgung.
    Die Rente sei damit ein „Spiegelbild der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Erwerbsbeteiligung“, heißt es in der Studie, die heute als WSI-Report erscheint. Dass Arbeitnehmerinnen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, häufiger in Minijobs oder Teilzeit beschäftigt sind und oft Auszeiten für die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen nehmen müssen, weil Männer hier weniger Zeit investieren, habe Folgen für die finanzielle Situation im Alter. Ausgleichsmechanismen wie die Anrechnung von Erziehungszeiten könnten diese Schieflage nur zum Teil korrigieren.
    Betrachtet man alle eigenen Alterssicherungseinkommen aus gesetzlicher Rente, privater Vorsorge und Betriebsrenten, zeigt sich eine erhebliche Lücke zulasten von Frauen. Klenner, Sopp und Wagner zitieren Berechnungen der Rentenexpertin Brigitte Loose, denen zufolge der “Gender Pension Gap” 2011 bei 57 Prozent lag. Im Osten, wo Frauen traditionell häufiger berufstätig sind, war die Kluft mit 35 Prozent deutlich kleiner als im Westen mit 61 Prozent. Langfristig zeigt sich ein Trend zur Angleichung zwischen den Geschlechtern: 1992 betrug der Unterschied in Deutschland noch 69 Prozent
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  8. Mit sanftem Druck zur „Deutschland-Rente“
    Die hessische Landesregierung und die Verbraucherzentrale plädieren für eine Alternative zu den Riester-Modellen: die „Deutschland-Rente“ auf Basis von Wertpapieren. Denn: Vor allem Geringverdiener machen sich zu wenige Gedanken über die Rente. […]
    „Eine Reform der privaten Altersvorsorge ist längst überfällig“, schließt die Verbandschefin aus den Umfrageergebnissen. Die bisherigen Angebote seien teuer und lohnten sich angesichts der aktuell niedrigen Zinsen nur für diejenigen, die sicher wüssten, dass sie 100 Jahre alt würden. Die Verbraucherzentrale unterstütze eine auf Selbstkostenbasis, ohne hohe Vertriebskosten und Vermittlungsprovisionen vom Staat organisierte und garantierte Offerte. Um zu erfahren, wie das Konzept einer „Deutschland-Rente“ in der Bevölkerung ankommt, hat die Verbraucherzentrale gestern eine Online-Umfrage unter der Adresse verbraucher.de begonnen. […]
    Die komplexen und zum Teil „völlig überteuerten“ Riester-Produkte wirkten abschreckend, Arbeitgeber und Arbeitnehmer fühlten sich überfordert, äußerte Al-Wazir. Die „Deutschland-Rente“ sei hingegen einfach, kostengünstig und transparent. Anders als die Riester-Rente soll sie als „Opt-out“-Modell angeboten werden, das heißt, dass jeder Arbeitnehmer automatisch Beiträge vom Nettolohn abgezogen bekommt, sofern er bei seinem Arbeitgeber nicht ausdrücklich widerspricht. Mit dieser Form des „sanften Drucks“, erläuterte Schäfer, sei der Anteil privat Rentenversicherter in Großbritannien binnen dreier Jahre von 47 auf 64 Prozent der Beschäftigten gestiegen. Junge Menschen würden so dazu animiert, sich frühzeitig mit dem Thema Rente zu beschäftigen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die üblichen Lügen. Spannend ist aber, daß die Riester-Rente als “völlig überteuert” und gescheitert beschrieben wird – von Politikern derselben Parteien, die 2000/2001 die gesetzliche Rente zerstört und die Riester-Rente eingeführt haben. Als Minimum würde man doch erwarten, daß dieser krasse Fehler (oder, noch schlimmer, die blanke Korruption) eingestanden und Besserung gelobt wird. Stattdessen wird der Holzweg jetzt auf andere Art weiter begangen. Was werden diese Politiker sagen, wenn in 5, 10 oder 15 Jahren auch das Scheitern der “Deutschland-Rente” nicht mehr zu verbergen und die umfassende Altersarmut Realität geworden ist. “Sorry, war’n Versuch”? Und warum machen die angeblich unabhängigen Verbraucherzentralen bei diesem weiteren Betrugsversuch mit?

    dazu: Wer berät unabhängig – und muss ein Provisionsverbot her?
    Für den Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist die Riester-Rente gescheitert und sollte dem hessischen Vorschlag folgend durch eine Deutschland-Rente ersetzt werden. Grundsätzlich muss nach Einschätzung der Verbraucherschützer auch der provisionsgetriebene Vertrieb durch die Honorarberatung ersetzt werden. Nach Ansicht von Verbraucherschutz-Minister Heiko Maas (SPD) kann nur die Honorarberatung als unabhängig gelten.Mit der Riester-Rente sollte eigentlich die finanzielle Lücke ausgeglichen werden, die sich aus der 2001 beschlossenen Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus ergeben hat.
    „Das Versprechen der Riester-Rente ist aus heutiger Sicht obsolet“, sagte der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV) Klaus Müller gestern in Berlin auf einer Konferenz zum Thema „Altersvorsorge im Zinstief“.
    Quelle: VersicherungsJournal.de

    Anmerkung Christian Reimann: Kann es sein, dass Herr Müller in einem Gewissenskonflikt geraten ist? Oder ist es Zufall, dass er als ehemals grüner Politiker hier auf einen Vorschlag zurückgreift, der auf die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen zurückzuführen ist? Wäre die Rückführung der privatisierten Rente und der stärkere Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung nicht der klügere Weg?

  9. DB-Aufsichtsrat nähert sich seiner Verantwortung
    Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart bewertet die aktuellen Vorgänge und Diskussionen innerhalb des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, denn: So ganz scheinen die Aufsichtsräte der Deutschen Bahn den ständigen Beteuerungen von Bahnchef Rüdiger Grube, alles sei gut, es gäbe bei Stuttgart 21 keine weiteren Kostenexplosionen und Verzögerungen, nicht zu trauen. So hat der Aufsichtsrat „nach sehr intensiver Diskussion“, wie die Stuttgarter Zeitung heute berichtet, eine erneute Begutachtung der Kostenentwicklung von Stuttgart 21 beschlossen. Anlass sind die von der Verkehrsberatungs-GmbH Vieregg & Rössler erstellten Gutachten, die die Entwicklung der S21-Kosten bei konservativer Ermittlung bereits jetzt bei 10 Milliarden Euro sehen, Tendenz steigend. Ein Umstieg auf eine modernisierte Kopfbahnhoflösung wäre danach auch heute noch 5,9 Milliarden Euro günstiger als der Weiterbau des kleineren und „brandgefährlichen“ Bahnhofs – viel Geld in Zeiten zunehmender Defizite und Verschuldung der DB!
    Nachdem die DB auf eine lange Tradition des Verschweigens und Manipulierens der Kosten zurückblickt, „erwarten wir jetzt eine transparente, ehrliche und nachvollziehbare Kostenberechnung“, so Bündnissprecher Eisenhart von Loeper heute in Berlin. Er hoffe, die Ankündigung des stellvertretenden Bahnvorstands Volker Kefer, durch das neue externe Gutachten solle „ein Offenbarungseid vermieden werden“, sei kein Hinweis auf neuerliche Manipulationsabsichten seitens der Deutschen Bahn.
    Von Loeper begrüßte auch die Beauftragung eines weiteren Gutachtens, mit dem das persönliche Haftungsrisiko von Aufsichtsräten für wirtschaftliche Fehlentscheidungen abgeschätzt werden soll. Offensichtlich verlasse man sich nicht mehr auf Staatsanwaltschaften wie die Berliner, die die Verantwortlichen bisher konsequent nach der Devise „too big to jail“ vor einer Strafverfolgung wegen Untreue geschützt hätten. Inzwischen habe sich eine höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt, die den üblich gewordenen Kostenmanipulationen bei Großprojekten einen Riegel vorschieben könnte.
    Quelle: K21

    dazu: Deutsche Bahn AG muss endlich wieder am Gemeinwohl orientiert werden
    „Die Bilanz zeigt, dass die DB AG auf dem falschen Weg ist. In fast allen Geschäftsfeldern kriselt es kräftig. Der Grund ist: Das Management hat sich in den letzten Jahren verzettelt – mit immer neuen Geschäftsfeldern und besonders der internationalen Expansion. Im Schienenverkehr kennen Grube und Co. dagegen immer nur eine Strategie: Abbau. Besonders fatal in diesem Jahr ist dies beim Nachtzugverkehr, der die einzige klimafreundliche und bequeme Reiseoption für Langstrecken ist, nach dem Willen der DB aber völlig eingestellt werden soll. Und gleichzeitig werden mindestens zehn Milliarden in das unsinnigste Bahnprojekt aller Zeiten, Stuttgart 21, versenkt“, erklärt Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der heute veröffentlichten Bilanz der DB AG für das Jahr 2015.
    Quelle: Die Linke

  10. Sparkassen bitten Kunden zur Kasse
    Die Sparkassen verdienen weniger, wenn sie Geld verleihen. Als Reaktion kündigt der Dachverband an, mehr Mitarbeiter abzubauen und die Kosten für die Kunden zu erhöhen. Tatsächlich machen die Sparkassen genau das aber schon seit Jahren. […]
    Während die Zahl der Mitarbeiter in den vergangenen Jahren um knapp fünf Prozent sank, stiegen die Gehälter für die Vorstände weiter, zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das „Handelsblatt“ vergleicht seit 2011 die NRW-Gehälter und zeigt, dass sie im Schnitt stärker stiegen als die Tarifgehälter der Angestellten. Die durchschnittliche Vergütung der Chefs sei um 4,1 Prozent gewachsen, während die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst bei drei Prozent gelegen habe. Spitzenverdiener in NRW ist Alexander Wüerst, Chef der Kreissparkasse Köln. Sein Gehalt lag im Jahr 2014 bei 867.900 Euro und stieg innerhalb eines Jahres um fast acht Prozent.
    Außerhalb von NRW lassen sich die Vorstandsgehälter bisher kaum vergleichen. In Schleswig-Holstein wird sich das bald ändern. Ein neues Transparenzgesetz wird in den nächsten Monaten für alle öffentlich-rechtlichen Unternehmen die Gehälter vom Jahr 2015 an offenlegen. Dazu zählen auch die Sparkassen. In Bundesländern wie Bayern dagegen werden Vorstandsgehälter wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Der Sparkassen-Verband weist dabei alle Verantwortung von sich. Auf Nachfrage von correctiv.org und der FAZ antwortete der DSGV knapp: Über die Transparenz entschieden die Landesgesetze und Kommunalpolitiker vor Ort.
    Quelle: correctiv
  11. Erst Lobbyisten, dann das Parlament?
    Die Kritik an TTIP führt zu neuen Formulierungen im Freihandelsabkommen. Eine davon heißt „Gelegenheit zur Kooperation“.
    Erhalten die USA ein Vetorecht bei Sozial- und Umweltgesetzen in der Europäischen Union? Diese Frage wirft eine neue Textpassage aus den laufenden Verhandlungen zum umstrittenen transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP auf. Der Entwurf war von der unabhängigen Organisation Lobby Control geleakt worden und sorgt jetzt für Ärger im Europaparlament.
    „US-Behörden werden danach die Chance haben, auf europäische Gesetze Einfluss zu nehmen, noch bevor die Europaabgeordneten diese überhaupt zu Gesicht bekommen“, kritisiert die grüne Europaparlamentarierin Ska Keller. Damit würden die „Grundprinzipien der Demokratie umgangen“, Lobbyisten könnten Vorzug vor gewählten Vertretern erhalten.
    Quelle: Eric Bonse in der taz
  12. Die Sackgasse verlassen
    Es gibt Momente, in denen Wahrheiten ans Tageslicht gebracht werden müssen, auch wenn sie unangenehm sind. Zuviel ist Zuviel! Über die seit 2012 praktizierte Politik gibt es genug Gründe der Unzufriedenheit – wir selbst und andere haben sie angemahnt. Seit einigen Monaten sind die Differenzen zu einer großen Beunruhigung geworden. Die Wut der Bevölkerung ist in vier aufeinanderfolgenden Wahlniederlagen gnadenlos zum Ausdruck gekommen.
    Wenn es nicht gelingt, den Verfall zu stoppen, in den wir hineingeschliddert sind, zeichnet sich nicht nur das Scheitern der fünfjährigen Amtszeit des Staatspräsidenten ab, sondern zusätzlich eine Schwächung Frankreichs und ganz offensichtlich auch der französischen Linken. Wir ignorieren keineswegs die Erfolge der UN-Klima-Konferenz in Paris oder die Priorität, die dem Kampf gegen die Ungleichheiten in der Schule beigemessen wird, genauso wenig wie die Fortschritte in der Gesundheitsgesetzgebung.
    Aber davon abgesehen – nur Rückschritte! (…)
    Die Werte, der soziale Anspruch, die allgemeinen Menschenrechte, das Gleichgewicht der Macht: Was bleibt von des Idealen des Sozialismus, wenn man tagtäglich seine Prinzipien und Grundlagen aushöhlt? Wir übersehen nicht die aktuellen Schwierigkeiten, die ökonomische Krise, die Zunahme des Terrorismus, die Klimaerwärmung, die Wanderungsbewegungen, die Agrarkrise. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten der Machtausübung, das haben wir unter Beweis gestellt. Seit Jaurés akzeptieren wir die Distanz zwischen dem Ideal und der Realität.
    Aber die Welt so zu nehmen, wie sie ist, bedeutet weder den Verzicht, sie zu verändern und sie beständig dem anzunähern, wie sie sein müsste, noch, sie immer weiter von jeder Idee der Gerechtigkeit zu entfernen. Genau das passiert aber zurzeit. Es reicht nicht, den sozialen Reformismus in Anspruch zu nehmen, nur um sich den Titel anzueignen. Seit zwei Jahren gibt es in zahlreichen Politikfeldern weder wirkliche Reformen noch wirkliche soziale Politik. Man findet dort Vorschläge aus dem gegnerischen Lager, die nichts Modernes haben und die ineffizient sind. Und weil man vom Schwur von Versailles spricht: Erinnern wir uns an den – wiederum schlecht umgesetzten – Schwur von Bourget, der die Legitimität begründet, auf der seit 2012 die Macht ausgeübt wird.
    Um aus der Sackgasse herauszukommen, brauchen wir wirkliche Reformen, die für ökonomischen, sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt stehen. Sie müssen Träger von Emanzipation für jeden und des Zusammenlebens aller sein. Das ist der Weg, den wir wiederfinden müssen! Der Weg der Linken eben!
    Quelle: Sozialismus aktuell

    Anmerkung Christian Reimann: Ähnlich könnte auch die Situation der deutschen Regierungspartei SPD beschrieben und die Parteispitze könnte gefragt werden: “Die Werte, der soziale Anspruch, die allgemeinen Menschenrechte, das Gleichgewicht der Macht: Was bleibt von den Idealen der Sozialdemokratie, wenn man tagtäglich seine Prinzipien und Grundlagen aushöhlt?”.

  13. Die Antinativen, die Systemfrage und ihre Homogenität
    Trump behauptete wieder mal, dass alle Politiker Lügner seien. Die Teeparty betätigt sie so schon seit einigen Jahren. Die Alternative aus der Petryschale setzt ebenfalls da an: Politiker hätten uns an den Rand des Zusammenbruches regiert, daher müsste nun die AfD ans Ruder. Ähnlich feierte man den noch amtierenden Bundespräsidenten einst. Das sei nämlich einer, der nicht aus der Politik käme, was dem Amt nur guttun sollte. Und hin und wieder gefiel sich der Mann aus Bellevue in der Rolle des frischen Newcomers, der denen da oben mal zeigt, wie Herr Normalwähler tickt. Die Bürger für Frankfurt warben auf ihren Plakaten im letzten Kommunalwahlkampf fast identisch. Sie erklärten, dass die Politik versagt habe, weswegen sie es jetzt richten müssten. Politik, die mit Anti-Politik gemacht wird. Es ist auch so ein Konzept in hochgradig politischen Zeiten, ausgerechnet mit Unpolitik punkten zu wollen.
    Quelle: ad sinistram
  14. „Die Wahl war eine Protestwahl“
    Die Parlamentswahlen in der Slowakei verheißen nichts Gutes. Nach den Parlamentswahlen am 5. März 2016 bleiben die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Robert Fico stärkste Kraft in der Slowakei. Allerdings schnitt seine Smer-SD-Partei mit 28,3 Prozent deutlich schlechter ab als bei den letzten Wahlen 2012 (44,4 Prozent) und büßte ihre Regierungsmehrheit ein. Was sind die Gründe dafür?
    Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist eine Einparteienregierung die Ausnahme. Die letzte Regierung war die erste Einparteienregierung überhaupt. Absolute Mehrheit bedeutet auch absolute Verantwortung für das, was in den letzten vier Jahren geschah. Einige Wähler haben Fico vielleicht dafür abgestraft, dass er beim Streik der Krankenschwestern und Lehrer hart geblieben ist. Zum zweiten waren die vier Jahre überschattet von Korruptionsskandalen, was seine Wähler sehr kritisch gesehen haben. Diese beiden Gruppen haben ihn also nicht gewählt. Zum dritten konnte Fico kein überzeugendes Narrativ dafür anbieten, warum er vier weitere Jahre im Amt sein sollte. Anstatt sich auf soziale Fragen oder eine faire Wirtschaft zu konzentrieren, baute er seinen Wahlkampf auf das Thema Migration mit starker Anti-Migrations-Rhetorik auf. Doch damit erreichte er auch nicht mehr Wähler, denn jene, die ihm zustimmten, wählten lieber die noch radikaleren Parteien.
    Quelle: IPG Journal
  15. Das Letzte: Den Reichen nehmen hilft den Armen nicht
    Dass Deutschland immer ungleicher wird, und dass dies übrigens die Schuld der Regierenden von Kohl über Schröder bis Merkel sei, ist eine verbreitete Sichtweise. Aber wächst die Ungleichheit überhaupt – in Deutschland, in Europa, in der Welt? Und wenn ja, kann man das ändern? Und soll man es überhaupt? … Schon die Frage, ob Ungleichheit überhaupt ungerecht ist oder sich einer solchen Kategorisierung entzieht, ob sie ferner nicht vielleicht sogar hilft, mehr Fortschritt und Wachstum anzustoßen und am Ende für mehr Wohlstand zu sorgen – darüber kann man lange streiten.
    Quelle: Marc Beise, Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers L.H.: Da bin ich nur noch fassungslos!

    Anmerkung J.K.: Da die Neoliberalen, die sozialen Verhältnisse nicht mehr leugnen können, werden sie einfach weg definiert. Nur ein Satz: “Einzelne Supereinkommen sind spektakulär, fallen aber statistisch kaum ins Gewicht.” So, dass 65 Personen soviel Vermögen besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, fällt also “statistisch kaum ins Gewicht.” Und dieser Mann ist Chefredakteur des Wirtschaftsteils der SZ.


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