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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. Juli 2008 um 9:03 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Investivlohn: Höheres Risiko, zweifelhafter Nutzen
    Produktivere Betriebe, mehr Einkommen und Vermögen für die Beschäftigten: Das sind die Ziele der geplanten Steuerförderung von Arbeitnehmerbeteiligungen an Gewinn und Kapital. Der ­Wirtschaftsprofessor Jan Priewe hat Zweifel.

    • Nach seiner Analyse ist es keineswegs sicher, dass dadurch die Produktivität der Unternehmen steigt und es zu einer Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer kommt. Für eine steuerliche Förderung materieller Beteiligung würden öffentliche Mittel eingesetzt, obwohl dafür keine Notwendigkeit besteht.
    • Zwar stellen die meisten Untersuchungen einen positiven Zusammenhang zwischen finanzieller Arbeitnehmerbeteiligung und Produktivität fest. Doch ob das Eine tatsächlich eine Folge des Anderen ist, sei auf Basis des aktuellen Forschungsstandes nicht eindeutig zu beantworten. Der Forscher weist darauf hin, dass sich Produktivitätssteigerungen besser durch andere Maßnahmen erzielen lassen. Er betont vor allem die Bedeutung von Flächentarifverträgen: Sie spornten unterdurchschnittlich produktive Betriebe mit der “Lohnpeitsche” zu Innovationen an und belohnten überdurchschnittlich produktive mit Lohnkostenzuwächsen unterhalb des Produktivitätswachstums.
    • Ein weiteres, häufig genanntes Ziel von Gewinn- und Kapitalbeteiligungen ist eine gerechtere Verteilung der Unternehmenserträge und des Produktivvermögens. Wenn die Gewinne schneller wachsen als die Löhne, müssten Arbeitnehmer eben an den Gewinnen beteiligt werden, so das Argument. Priewe wendet ein: Ein echter Umverteilungseffekt könne nur erzielt werden, wenn Gewinnbeteiligungen zusätzlich zum Tariflohn gewährt würden. Dies sei aber häufig nicht im Interesse der Arbeitgeber… Die meisten Unternehmen wollten lieber gewinnabhängige Komponenten in die Tariflöhne einführen oder bestehende ausbauen, um die Entlohnung zu flexibilisieren.
    • Kapitalbeteiligungen am eigenen Unternehmen würden für Arbeitnehmer das Einkommens- und Vermögensrisiko erhöhen, weil Arbeitseinkommen und Kapitalanlage vom Wohl und Wehe desselben Unternehmens abhingen, warnt der Wissenschaftler. Selbst die geplante Förderung überbetrieblicher Beteiligungen könnte die Risikostreuung verschlechtern, wenn der Staat Arbeitnehmern statt der heute bevorzugten Anlagen in Wohneigentum, Lebensversicherungen und Altersvorsorge nun Aktienfonds schmackhaft macht.

    Priewes Fazit: Materielle Beteiligungsmodelle können im Einzelfall für Betrieb und Arbeitnehmer vorteilhaft sein, für eine generelle steuerliche Bevorzugung reichten die Argumente jedoch nicht aus. Zwar sei es sinnvoll, gerade in den unteren Einkommensschichten Sparen und Vermögensbildung zu fördern – aber ohne den Schwerpunkt auf Risikokapital zu legen. Stattdessen sollte eher der Sparerfreibetrag für Bezieher kleinerer Einkommen erhöht werden. 
    Quelle: Böckler Impuls 09/2008

  2. Lucas Zeise: EZB-Zinsentscheidung: Vorbild Don Quichotte
    Der jüngste Zinsentscheid hat deutlich gemacht: Die EZB-Räte handeln, als wüssten sie nicht, dass sie gegen den Inflationsdruck ohnehin machtlos sind. Im Weltbild der Euro-Zonen-Notenbanker kommen eigene Fehler überhaupt nicht vor. Sie wollen einfach nicht von der kindlichen Vorstellung lassen, die Stabilität des Finanzsystems sei allein durch Preisstabilität zu gewährleisten. Eine ernsthafte Ursachenanalyse über das plötzliche Auftauchen von Finanzkrise und Stagflation ist von ihnen deshalb nicht zu erwarten. Nostalgisch wie in Cervantes’ “Don Quichotte” sehen sie ihren Lebenssinn darin, sich als tapfere, aber hilflose Ritter gegen die Inflation zu präsentieren.
    Bundesbankpräsidenten Axel Weber. Der eilte ins Börsenfernsehen und suggerierte, die Zentralbank werde die Kaufkraftverluste des Massenpublikums wieder zurückholen. Gemeinhin nennt man das Demagogie. Denn Weber hat genau das Gegenteil im Sinn. Die Kaufkraftverluste durch höhere Preise für Benzin, Heizöl und Nahrungsmittel mussten von den Konsumenten bereits getragen werden, und weitere zeichnen sich ab. Die EZB-Räte sorgen nun dafür, dass es diesen Konsumenten nur ja nicht einfällt, einen Teil der Last auf andere abzuwälzen, sprich einen fairen Lohnausgleich für den erlittenen Kaufkraftverlust einzufordern. Solche “Zweitrundeneffekte verhindern”, das ist es, was die EZB vorhat. Das erklärte Trichet laut, deutlich und wiederholt.
    Ich erlaube mir, so etwas nicht als Argument, sondern als schlichte Drohung zu verstehen.
    Quelle: FTD

    Siehe dazu auch:

    Lebhafte Diskussion um erhöhte Euro-Zinsen
    Die Erhöhung der Euro-Zinsen kann zu einer Verstärkung von deflationär wirkenden Tendenzen beitragen. Die Inhomogenität des Euro-Raums beeinträchtigt die Wirksamkeit der Zinspolitik.
    Kennzeichnend für die im Euro-Raum aufgetretene Inflation, die mit nun 4% gut doppelt so hoch ist wie das Ziel der EZB, ist das Phänomen, dass sie weitgehend importiert ist. In einem Kommentar beziffert die französische Grossbank Crédit Agricole den Beitrag der Energie- und Nahrungsmittelpreise zur Gesamtinflation auf über 70%. Sie folgert daraus kurz und bündig, dass Geldpolitik gegenwärtig nur einen geringen direkten Einfluss auf die Dynamik der Preise haben kann.
    Quelle: NZZ

  3. Produktion schrumpft
    Industrie verbucht Minus von 2,6 Prozent. Das ist der dritte Rückgang in Folge.
    Quelle: FR
  4. Provisionen beim Abschluss von Versicherungen offenlegen
    Seit dem 1. Juli 2008 müssen die Versicherer die Kosten nennen, die sie für einen Versicherungsvertrag verlangen.
    Die Abschlusskosten enthalten zu einem großen Teil die Provision für den Versicherungsvermittler, die zu einem wesentlichen Teil umsatzabhängig bezahlt werden. Es ist üblich, dass er drei bis sieben Prozent der Gesamtbeiträge, also der Summe der Prämien über die volle Laufzeit als Vermittlungsprovision gezahlt bekommt. Und zwar gleich zu Anfang der Laufzeit …
    Das Geld, das ein Versicherungsunternehmen für Abschluss und Verwaltung ausgibt, steht nicht mehr zur Verfügung, um angelegt zu werden…
    Die einzelnen Unternehmen versuchen, die Kostenbelastung so positiv wie möglich darzustellen. Da wird dann schon einmal die eine oder andere rhetorische Nebelkerze geworfen.
    Der wesentliche Schwachpunkt liegt allerdings darin, dass nur die kalkulierten Kosten angegeben werden, nicht die tatsächlichen. Das hat die Versicherungslobby im Gesetzgebungsverfahren durchsetzen können. Die kalkulierten Kosten bieten nur einen ganz groben Anhaltspunkt. In der Regel werden vier Prozent des Beitrages für den Abschluss kalkuliert.
    Die kalkulierten Kosten sind aber reine Theorie. In der Praxis fallen die Kosten oft deutlich höher aus. Es kann durchaus sein, dass ein Versicherer besonders geringe Abschlusskosten kalkuliert, um im Vergleich gut dazustehen. Wenn die tatsächlichen Kosten dann höher ausfallen, kann das Unternehmen das Geld beispielsweise aus den Überschüssen nehmen, so dass die Versicherten weniger Überschussbeteiligung ausgezahlt bekommen. Experten sprechen vom “Sich-Schönmachen”. Die tatsächlichen Kosten können Sie nur auf Umwegen erfahren.
    Nach der Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) liegen die tatsächlichen Abschlusskosten, die Lebensversicherungsunternehmen verlangen, im Durchschnitt bei zehn Prozent. Die Verwaltungskosten liegen laut BaFin im Schnitt bei drei Prozent.
    Quelle: ZDF WISO

    Anmerkung: Dagegen liegen die Verwaltungskosten bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung bei höchstens 4%. Die Kosten bei der Riesterrente werden mit 10 Prozent geschätzt. Schließlich wollen und müssen die privaten Versicherungen ja an den Versicherungsverträgen verdienen und diesen Verdienst müssen eben die privaten Versicherungsnehmer zahlen, wer sonst?

    Siehe dazu auch:

    Kreative Kostenangaben: Fachchinesisch bei Versicherungen
    Seit Anfang des Monats lassen sich Lebensversicherer in die Karten schauen. Freilich nicht aus eigenen Stücken, sondern weil sie der Gesetzgeber dazu verdonnert hat. Seither müssen sie Produktinformationsblättern erstellen. Der Kunde soll alle relevanten Informationen erhalten, bevor er unterschreibt – und nicht erst im Nachhinein. Verbraucherschützer begrüßen die Neuerung, kritisieren aber, dass Informationsblätter der Versicherer nicht standardisiert sind.
    Besonders kreativ sind die Versicherungen beim Ausweisen der Abschluss- und Vertriebskosten. Dieser Ausweis ist das Herzstück und macht zum ersten Mal klar, wie teuer Versicherungen tatsächlich sind. Das verschwiegen die Versicherer bislang – aus gutem Grund, denn die Kosten fallen nicht selten sehr üppig aus. Wenn man zum Beispiel 30 Jahre lang monatlich 300 Euro in eine Lebensversicherung einzahlt, kann man nach Angaben der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit Kosten von 5000 Euro rechnen. Der dickste Brocken davon entfällt auf die Abschlusskosten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

  5. Gesundheitsfonds: Konvergenzklausel abgeschafft
    Der Unions-Kompromiss zum Gesundheitsfonds könnte am Ende für gesetzlich Versicherte teuer werden.
    Und darum geht es: Wohlhabendere Bundesländer fürchten, ihre Krankenkassen und Ärzte könnten durch die Einführung des Gesundheitsfonds Honorare einbüßen. Deshalb setzte Bayerns CSU-Regierung Ende 2006 durch, dass die Kassen in Bayern höchstens 100 Millionen Euro pro Jahr an die gesetzlichen Krankenkassen ärmerer Länder zahlen müssen. Diese so genannte Konvergenzklausel in der ursprünglichen Form ist seit vergangener Woche vom Tisch. Nun sollen für die Ausgleichszahlungen nicht mehr die verschiedenen Kassen untereinander aufkommen, vielmehr sollen dies die einzelnen Kassen selbst im Ausgleich zwischen den Regionen intern regeln.
    Was auf den ersten Blick wie eine bloße Umbuchung wirkt, könnte aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach für viele gesetzlich Krankenversicherte teuer werden. “Die Finanzreserven der Kassen waren auch als Puffer gegen Beitragssteigerungen gedacht. Nun könnten viele Kassen Erhöhungen oder die Einführung zusätzlicher Kopfpauschalen ankündigen, und zwar bereits Mitte nächsten Jahres”, sagt Lauterbach der taz. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, hält nichts von der geplanten Verteilung der Kosten. “Von Anfang an war die Konvergenzklausel reine Flickschusterei. Nun greifen die Akteure planlos die Liquiditätsreserven an”, sagt Bender.
    Quelle: taz
  6. Angst vor dem Praxensterben
    Der Trend geht zum Medizinischen Versorgungszentrum, alles unter einem Dach. Doch niedergelassene Ärzte fürchten die Konkurrenz.
    Der Grund für den Unmut: Die neuen Zentren mischen das über Jahrzehnte etablierte Gesundheitssystem – niedergelassene Ärzten hier, Krankenhäuser dort – kräftig auf. Einige Ärzte und Patienten sind besonders misstrauisch, weil immer mehr private Krankenhauskonzerne Versorgungszentren gründen – Rhönkliniken, Sana, Asklepios und die Fresenius-Tochter Helios. Sie kaufen Praxen niedergelassener Ärzte auf, übernehmen diese als Angestellte – für Gehälter zwischen 70.000 und 100.000 Euro.
    Die Krankenhausketten profitieren dabei von der schlechten Grundstimmung bei den Niedergelassenen: Über ausufernde Bürokratie klagen die Mediziner, über sinkende Einnahmen und wenig Zeit für die Patienten. Wen wundert es da, dass sich vor allem junge Ärzte lieber in die sichere Festanstellung begeben – auch wenn der Verdienst geringer ausfällt als das, was eine durchschnittliche Praxis abwirft. „Die Vorteile liegen auf der Hand: keine hohen Schulden, bessere Arbeitszeiten“, sagt Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Und gerade im strukturschwachen Osten lohnen für Mediziner Investitionen nicht mehr.
    Quelle: Wirtschaftswoche
  7. Lawrence Summers – Schutz vor dem Sturm
    Die Finanzkrise in den USA spitzt sich zu. Die Politik muss rasch handeln, um die absehbaren volkswirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten.
    Man sollte die Möglichkeiten der Politik nicht überschätzen, den Sturm zu verhindern, der sich da zusammenbraut. Aber die Chancen für ein glimpflicheres Ergebnis würden steigen, wenn vier Maßnahmen schnell ergriffen würden.

    1. Das Gesetz zum Hausmarkt zur Hilfe für den Abbau der Hypothekenschuldensofort verabschieden.
    2. Sollte der Kongress rasch handeln und weitere fiskalpolitische Maßnahmen beschließen. Der Zustand der Wirtschaft wäre weit schlimmer, wenn nicht vor zwei Monaten der Fiskalstimulus eingesetzt hätte. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat Rezessionsniveau erreicht, es gibt also ein klares Argument für die verlängerte Zahlung des Arbeitslosengelds. Es gibt auch Argumente dafür, Infrastrukturinvestitionen zu unterstützen.
    3. Muss sich die Politik klar dazu bekennen, die nicht monetären Faktoren hinter der Inflation (die gestiegenen Preise für Öl, Nahrungsmittel und andere Rohstoffe) anzugehen.
    4. Muss erkannt werden, dass in den kommenden Monaten die reale Möglichkeit besteht, dass wichtige Finanzinstitutionen nicht nur Liquiditäts-, sondern Solvenzprobleme bekommen, weil die Wirtschaftslage sich verschlechtert und weitere Abschreibungen notwendig sind. So sollten etwa die Aufsichtsbehörden zu Dividendenkürzungen ermutigen. Am wichtigsten ist, dass die Regulierer alles Notwendige tun, um sicherzustellen, dass sie im Fall einer Insolvenz den Auflösungsprozess so managen können, dass das System und auch der Steuerzahler geschützt bleiben.

    Quelle: FTD Wirtschaftswunder

    Anmerkung: Lawrence Summers ist Professor an der sonst so gerühmten Harvard University und ehemaliger Finanzminister unter Bill Clinton. Wenn in Deutschland ein ehemaliger Finanzminister, etwa Oskar Lafontaine, vergleichbare Forderungen an die Politik stellen würde, dann würde er als Populist, Traditionalist oder als Feind der Marktwirtschaft durchs Land getrieben. Man muss ja diese Vorschläge von Summers nicht gleich alle für richtig halten, aber diskutieren sollte man sie schon, wenn man die Krise der Finanzkrise nicht einfach auf dem Rücken der Steuerzahler (IKB, WestLB, Sächsische oder Bayerische Landesbank), oder der Arbeitnehmer (Lohnsenkungen oder Entlassungen zur Kosteneinsparung) abladen will.

  8. WSI-Halbjahresbilanz zu Arbeitskämpfen: 900.00 Beteiligte an Warnstreiks – Tarifkonflikt im Einzelhandel geht ins zweite Jahr
    Quelle: WSI [PDF – 68 KB]
  9. Mitten im dritten Erdöl-Schock
    Der Ölpreis ist seit Jahresbeginn um 50 Prozent gestiegen. Er heizt die Teuerung an und droht weltweit die Konjunktur abzuwürgen. Experten sprechen vom dritten Erdöl-Schock. Über die Gründe der Preisexplosion wird heftig gestritten. Auf eine Entspannung ist höchstens kurzfristig zu hoffen.
    Die Ära der billigen Energie dürfte somit vorüber sein. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich in den letzten Monaten durch Spekulation eine Blase gebildet hat, ist höchstens kurzfristig auf fallende Preise zu hoffen, wenn die Blase tatsächlich platzt. Solange es keinen adäquaten Ersatz für Erdöl gibt, wird das schwarze Gold im Prinzip stets teurer werden.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung: Ein sehr informativer Artikel

  10. Nachhaltige Energieversorgung bis 2050
    Deutsches Klimaziel scheint nur unter großen Anstrengungen noch erreichbar
    Eine neue Studie des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt untersuchte im Auftrag von Greenpeace und dem Europäischen Rat für Erneuerbare Energien, ob die ehrgeizigen Ziele von Europäischer Kommission und Bundesrepublik bei der Energieversorgung noch realistisch sind.
    Da am Institut für Technische Thermodynamik der DLR seit Jahrzehnten an Energietechnik geforscht wird, haben die Forscher ihr Wissen genutzt und einmal rückwärts gerechnet, was muss geschehen, damit das Ziel erreicht wird. Dabei wurde sowohl auf die noch nicht ausgereifte unterirdische Kohlendioxidlagerung verzichtet, wie auf die Kernenergie. Biomasse wurde nur behutsam genutzt. Trotzdem sollte der jährliche Kohlendioxid-Ausstoß je Mensch 2050 nicht mehr als eine Tonne betragen, also eine Verringerung in den Industriestaaten um rund 60 Prozent. Das zwingt zum Energiesparen.
    Die nötigen Milliarden-Investitionen würden sich bei Umwelt und Gesundheit sofort lohnen. Bliebe Deutschland Exportweltmeister für Umweltschutz- und Energietechnik, dann ergäbe das sogar in etwa 20 Jahren satte Gewinne: Aber, mahnt Wolfram Krewitt, Leiter der Abteilung “Systemanalyse und Technikbewertung” am DLR in Stuttgart:
    “Wir müssen also wirklich heute ganz drastisch was machen. Es ist noch erreichbar nach unseren Berechnungen. Aber wir müssen dann wirklich heute den ganzen Köcher ausschöpfen von den Möglichkeiten, die wir haben.“
    Quelle: DLF

    Anmerkung: Hätten doch die Sherpas der Kanzlerin beim G 8 –Treffen in Japan, diese Studie in die Unterlagen gepackt, dann wäre sie gegenüber den Atomlobbyisten unter den dort versammelten Regierungschefs nicht – wie die FR schrieb – „in Erklärungsnot“ geraten.

  11. Eppler schlägt Atom-Kompromiss vor
    Öl- und Gaspreise klettern in schwindelerregende Höhen – und lassen Atomkraft immer verlockender erscheinen. Die SPD verteidigt den Beschluss zum Atom-Ausstieg verbissen gegen Angriffe der CDU. Jetzt fordert SPD-Vordenker Erhard Eppler im SPIEGEL einen neuen Energiekonsens.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung: Wie schrieb Albrecht Müller unlängst über den alternden Erhard Eppler: „Für Erhard gibt es nur einen Grundwert: Erhard.“. Eppler gibt sich leider inzwischen für jede Wende her, für die Agenda, für die Privatisierung der Bahn usw. Der neue Energiekonsens, den Eppler vorschlägt, ist ähnlich wie das Volksaktien-Modell bei der Privatisierung der Bahn, der Einstieg aus dem Ausstieg der Atomkraft.
    Wenn die SPD beim Atomausstieg einen Wortbruch beginge, dann wird sie endgültig Splitterpartei.

    Lesen Sie dazu:

    Hans Peter Schütz: Kürzere Laufzeiten für Gerede
    Eppler müsse „sich nun die Frage gefallen lassen, ob das wirklich seine eigenen Gedanken sind, mit denen er sich jetzt in die Kernenergie-Debatte eingemischt hat. Die Laufzeit der laufenden Atomkraftwerke (AKW) will er verlängern, doch soll ein Neubauverbot im Grundgesetz verankert werden. Als ob hierzulande überhaupt an neue AKWs gedacht würde. Der Eppler-Vorstoß hat einen überaus faden Geschmack: Leicht möglich, dass ihm das von der derzeitigen SPD-Führung nahe gelegt worden ist. Denn die sucht verzweifelt nach einem wahltaktischen Fluchtweg, um dem Druck zu entkommen, den die Unionsparteien praktisch über Nacht mit neuen Lippenbekenntnissen zur Kernkraft aufgebaut haben…
    Wer die Laufzeiten bestehender AKWs verlängern will, müsste auch klar sagen, unter welchen finanziellen Bedingungen das laufen soll. Eine Million Euro pro Tag fließt aus älteren Anlagen in die Kasse der Energiekonzerne. Soll das so bleiben, obwohl die deutschen Steuerzahler im Lauf der Jahre rund 100 Milliarden Euro zur Entwicklung der Kernenergie beigesteuert haben? Müsste jetzt nicht ein guter Teil der heutigen Gewinne in den Staatshaushalt zurückfließen, um dort für die Entwicklung alternativer Energien eingesetzt zu werden?
    Noch immer hat die Bundesrepublik die entscheidende eigene Aufgabe nicht gelöst: Es gibt keine deutschen Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Rund 2000 Tonnen hoch radioaktives Plutonium befinden sich inzwischen auf unserer Welt. Wer sichert es eigentlich vor dem möglichen Zugriff so genannter Schurkenstaaten? Und die Politik müsste den erbosten Verbrauchern in diesem Zusammenhang auch einmal gestehen, dass die Bundesrepublik noch immer im großen Umfang Strom exportiert.“
    Quelle: stern

    Dazu auch:

    Stromkunden sparen mit Atomkraft nur 50 Cent im Monat
    Sollen Deutschlands Atommeiler länger laufen? Aus Sicht von Verbraucherschützern spricht wenig dafür: Hielte die Regierung an der Kernkraft fest, würde die monatliche Stromrechnung im Durchschnitt um 50 Cent sinken. Laut Experten bringt eine einzige Energiesparlampe mehr.
    Quelle: Spiegel Online

  12. Sterbefeld Deutschland
    In Südostasien lagen einst die “Killing Fields”, doch glaubt man Sergeant Selena Coppa, dann gibt es heute in Deutschland “Dying Fields”, Sterbefelder. “Offiziell sind bisher etwa 4.100 GIs im Irak gefallen”, sagt die US-Soldatin. “In Wirklichkeit dürften es ungefähr 25.000 sein.” Die Statistiken würden manipuliert, unter anderem indem kriegsbedingte Selbstmorde nicht hinzugezählt und Schwerverletzte in Kliniken auf deutschem Boden geflogen würden: “Wenn die Leute in der Luft sterben oder beispielsweise in Landstuhl, dann zählen sie als Todesfälle innerhalb Deutschlands.” Sie meint das Landstuhl Regional Medical Center, in das seit Beginn des “War on Terror” mehr als 12.000 US-SoldatInnen eingeliefert wurden. Die Pressestelle des Center war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
    Quelle: taz
  13. Wiedereinführung des Staatsterrorismus
    Dass die Bush-Regierung von Anfang an nicht nur mit dem Gedanken an die Einführung der Folter spielte, sondern systematisch daran arbeitete, ist seit der Veröffentlichung von “The Torture Papers – The Road to Abu Ghraib” (Cambridge University Press, 2005) jedem Interessierten bekannt. Man kann die mehr als eintausend Seiten füllende Dokumentation dieser Bemühungen inzwischen kostenlos im Internet bei Google Books nachlesen.
    Jetzt ist ein neues Buch erschienen, “Torture Team – Rumsfeld’s Memo and the Betrayal of American Values” des 47-jährigen Philippe Sands. Sands lehrt Internationales Recht am University College in London. Er hat große Erfahrung – auch in Umweltfragen – als Anwalt in Prozessen vor Internationalen Gerichtshöfen. Die Aktivitäten der Bush-Regierung, was ihren Umgang mit den Genfer Konventionen angeht, beobachtete er von Anfang an äußerst kritisch. Sein 2005 bei Penguin erschienenes Buch “Lawless World: America and the Making and Breaking of Global Rules” ist bis heute nicht ins Deutsche übersetzt worden. Dafür aber ins Arabische, Persische und Chinesische. So einäugig geht es manchmal auf dem internationalen Buchmarkt zu.
    Philippe Sands sind frühe Veröffentlichungen wie diese wichtig, weil sie klar machen, dass die Behauptung der Bush-Regierung, die Genfer Konventionen seien für eine Welt ohne Terroristen gedacht gewesen, erlogen ist. Die Juristen, die diese Konstruktion – nach dem 11. September hat die Welt sich geändert und damit die Spielregeln – formulierten, wussten genau, dass die Zusatzartikel von 1977 bereits die völkerrechtliche Antwort auch auf terroristische Aktivitäten gewesen waren. Philippe Sands macht dies klar.
    Ebenso deutlich wird, was die Regierung alles unternahm, um ihre Absicht zu foltern und dann ihre Folterpraxis zu vertuschen. Vor allem lag ihr daran, nicht bekannt werden zu lassen, dass die Wiedereinführung der Folter – Abraham Lincoln hatte 1863 erklärt: “militärische Notwendigkeiten sind kein Grund für Grausamkeit” – nicht die Tat einiger überlasteter unterer Chargen war, sondern auf Anweisung von ganz oben geschah.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Wie sagte doch Kanzlerin Angela Merkel anlässlich der Eröffnung der „Festungs“-Botschaft der USA in Berlin: “Die USA stehen wie kein anderes Land auf der Welt für Unabhängigkeit und Freiheit”, sagte die Bundeskanzlerin. Deutschland teile diese Werte.
    Auch diesen Staatsterrorismus?

  14. Afghanistan: Institutionen ohne Demokratie
    Sieben Jahre nach dem Sturz des Taleban-Regimes ist der Wiederaufbau in Afghanistan in die Krise geraten. Eine militante Aufstandsbewegung verwehrt afghanischen und ausländischen Akteuren den Zugang zu weiten Teilen des Landes. Dadurch sind die bislang erzielten Erfolge beim Wiederaufbau massiv gefährdet. Wer jedoch die Aufstandsbewegung primär als militärisches oder bloß terroristisches Problem betrachtet, der übersieht, dass sie nicht nur Ursache, sondern auch Folge eines verfehlten Übergangsprozesses ist. Stark gemacht haben sie unter anderem Fehlentscheidungen der internationalen Gemeinschaft. Die Afghanen sehen mehrheitlich zwar keine Alternative in der Aufstandsbewegung, sind aber quer durch die politischen Lager der Ansicht, dass ein Arrangement mit ihr erzielt werden sollte. Diese Haltung birgt Spielräume, um den Aufstand einzudämmen und die Vertrauenskrise der Regierung zu überwinden. Nutzen lassen sie sich jedoch nur dann, wenn die internationale Gemeinschaft einen klaren Strategiewechsel vornimmt. Ein Neuansatz muss sich darauf konzentrieren, die Legitimität der staatlichen Institutionen wiederherzustellen.
    Quelle: Stiftung Wissenschaft und Politik
  15. In der Knochenmühle
    Für ein paar Taler und ein Stückchen Hoffnung nehmen sie schwere Menschenrechtsverletzungen in Kauf: Millionen Wanderarbeiter schwärmen jedes Jahr in Chinas Großstädte. Viele von ihnen sterben oder kehren als Krüppel in ihre Dörfer zurück.
    Die Industrie tötet in China mehr Menschen als jede Seuche, 100 000 Arbeiter rafft sie nach inoffiziellen Schätzungen jedes Jahr dahin. Nirgendwo auf der Welt fordert eine Volkswirtschaft mehr Opfer. Sie ersticken in Kohleminen, werden von veralteten Produktionsmaschinen zerrieben, bei Explosionen in Chemiebetrieben zerfetzt. Die Zahl derer, die verletzt werden oder chronisch erkranken, geht in die Millionen. Die Globalisierung ist in China eine der größten Katastrophen unserer Zeit, eine Knochenmühle, die unablässig mahlt. Das Blut der Wanderarbeiter ist ein Standortvorteil, denn in keinem Industrieland können Unternehmen es billiger vergießen.
    Es gibt erste Zeichen von Besserung in China. Die Arbeiter beginnen sich zu organisieren. 100 000 Demonstrationen zählten Nichtregierungs-Organisationen im vergangenen Jahr. Trotz des Verbotes von unabhängigen Gewerkschaften bilden sich mehr und mehr Schutzgemeinschaften.
    Quelle: Tagespiegel
  16. Frankreichs Staatspost wird AG
    Europas Postmärkte werden liberalisiert, die französische Post braucht Kapital. Frankreich will das Staatsunternehmen deshalb nach deutschem Vorbild in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Erbitterter Widerstand ist absehbar.
    Das Staatsunternehmen brauche Kapital, um sich auf die Liberalisierung der Briefdienste im Jahre 2011 vorzubereiten, verlautet aus Unternehmenskreisen in Paris. Angesichts heftiger Proteste der Gewerkschaften spricht das Finanzministerium von Überlegungen.
    Quelle: FTD
     
    Anmerkung J.A.: Die lächerliche Begründung für den geplanten Börsengang – „das Unternehmen ist verschuldet und braucht Geld“ – kommt einem doch bekannt vor. Angeblich ist die Privatisierung der „Deutschen Post“ ein Vorbild für diese Privatisierung von La Poste – aber anscheinend hat man wieder nichts gelernt, z. B. welche Verschlechterungen die Privatisierung für die Beschäftigten und die Kunden gebracht hat.
  17. Konzept des Wissenschaftsrats zur systematischen Verbesserung der Hochschullehre
    Quelle: Wissenschaftsrat

    Siehe dazu auch:

    GEW: Die Lehre im Mittelpunkt
    Quelle: GEW

    Skeptisch allerdings der freie Zusammenschluss der StudentInnenschaften fzs vor allem zur Einführung von Lehrprofessuren:
    Quelle: FZS

    Dass eine Verbesserung der Lehre dringend notwendig ist, zeigen die jüngsten Zahlen über Studienabbrecher des Hochschulinformationssystems (HIS):

  18. Weiter hohe Zahl von Studienabbrechern an Fachhochschulen
    Während an den Universitäten der Anteil der Studienabbrecher innerhalb einer Zweijahresfrist um vier Prozentpunkte auf 20 % zurückgegangen ist, hat er sich an den Fachhochschulen von 17 auf 22 % erhöht. Im Bereich Mathematik/Naturwissenschaften verharrt die Quote an den Universitäten unvermindert auf dem hohen Niveau von 28 %. Darin ist der Bereich “Informatik” mit 32 % vertreten, der vorangegangenen Untersuchung zufolge brachen hier noch 39 % ihr Studium ab. Von 100 Informatik-Studienanfängern beenden an Fachhochschulen 25 ihr Studium ohne Abschluss (vorher 29 %). Das, so kommentiert das Hochschulinformationssystem HIS in seinem heute veröffentlichten Projektbericht, sei zwar immer noch ein überdurchschnittlich hoher Anteil, aber gleichzeitig auch der niedrigste Abbruchwert, der bislang in diesem Studienbereich gemessen wurde.
    Quelle: Heise-online
  19. Akademikerinnen nicht vergessen
    Keine schlechte Idee: Die Bundesregierung will hochqualifizierte Akademiker aus dem Ausland anwerben, um den Mangel an Spitzenkräften zu beheben. So sollen ausländische Hochschulabsolventen bleiben dürfen, die hier studiert haben – ein sinnvoller Schritt, nachdem deutsche Unis den Kandidaten kostenlos ausgebildet haben. Weniger erfolgreich dürfte allerdings die Idee sein, Akademiker aus dem Ausland anzulocken, indem man die Einkommensgrenze herabsetzt, die ihnen eine spezielle Prüfungsprozedur durch die Bundesagentur für Arbeit ersparen soll. Wer im Jahr 63.000 Euro verlangen kann, der dürfte auch international so begehrt sein, dass er leicht einen attraktiven Job in den USA oder England findet.
    Quelle: taz
  20. Schlussbemerkung: Anne Will und das Demokratiedefizit
    Es war ja kaum anders zu erwarten, die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über die zunehmende Unzufriedenheit über das Funktionieren der Demokratie wurde bei Anne Will wurde zu einer Schuldzuweisung vor allem an die Menschen in den neuen Ländern und an die Verlierer in Deutschland und natürlich an die Partei Die Linke.
    Welchen Anteil die Reformen, die Politiker oder auch solche Talk-Sendungen an der vermeintlichen Demokratie-Verdrossenheit der Bürger haben, wurde natürlich nicht diskutiert.
    Wie ich in meinem Beitrag „Persönlicher Misserfolg als Grund für die Distanz zur Demokratie?“ schon befürchtete, wurden die Reformopfer zum Sündenbock für den Vertrauensverlust in das Funktionieren der Demokratie gemacht. Selbst ein so besorgniserregender Befund wurde nur als Wahlkampfspektakel und als Schlagwaffe gegen viele enttäuschte Menschen im Osten Deutschlands und gegen die Linke missbraucht. Kein Wunder, dass sich die Menschen mit Grauen abwenden.

    Dazu erlaube ich mir nochmals den Hinweis auf die NachDenkSeiten:
    “Persönlicher Misserfolg als Grund für die Distanz zur Demokratie?”


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