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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. Juni 2016 um 8:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Erbschaftsteuer
  2. Gerhard Schröder warnt vor “neuem Rüstungswettlauf” mit Russland
  3. Steinmeiers neue Rolle
  4. »Das Töten steht an erster Stelle«
  5. Brexit
  6. Anti-establishment candidates elected to lead Rome and Turin
  7. Griechenland: Die nächsten Einschnitte werden noch härter
  8. Auswirkungen von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer
  9. In der Abstiegsgesellschaft
  10. Schwuler Selbsthass als Quelle von Gewalt – Anmerkungen zum Massaker von Orlando
  11. Ver.di klagt mit
  12. Die Totalausbeutung des Menschen
  13. Kleine Leute in ihren noch kleineren Wohnungen
  14. Da wird jährlich wirklich viel Fläche totgespritzt
  15. Sanctions imposed on Croatian Football Federation
  16. Sierra leonische Zivilgesellschaft will zurück an den Verhandlungstisch
  17. … als wäre es nicht unser Land
  18. Zu guter Letzt – Hey, selbsternannte Journalisten von “FAZ” bis Spon!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Erbschaftsteuer
    1. Seehofer boxt Privilegien für Firmenerben durch
      Eineinhalb Jahre stritt die Koalition über die von Karlsruhe verlangte Erbschaftsteuer-Änderung. Am Ende steht eine Reform, die äußerst kompliziert ist – und wieder verfassungsrechtlich bedenklich.
      Der Endspurt steht sinnbildlich für die eineinhalb Jahre dauernden Verhandlungen. Tagelang war klar, dass die Reform der Erbschaftsteuer endlich, endlich reformiert werden kann. Doch noch einmal gab es Verzögerungen. Erst sollte am vergangenen Donnerstag der Kompromiss verkündet werden. Dann am Wochenende. Am Ende wurde es Montag, bis CDU, CSU und SPD tatsächlich ihr Konzept vorstellten.
      “Die Einigung schützt den Bestand vor allem von mittelständischen Unternehmen und garantiert den Erhalt der vorhandenen Arbeitsplätze”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Die nun erzielte Einigung stelle eine “ausgewogene Lösung” dar. […] Kirchdörfer kann aus gutem Grund zufrieden sein. Die vielen Ausnahmen werden dafür sorgen, dass die meisten Unternehmen nicht mehr zahlen müssen als vorher. 2014 wurde laut Statistischem Bundesamt Vermögen im Wert von 108,8 Milliarden Euro vererbt oder geschenkt. Aufgrund der Firmenprivilegien wurden davon nur 33,8 Milliarden Euro besteuert: Beim Fiskus landeten letztlich nur 5,4 Milliarden Euro.
      Ökonomen und Opposition schlagen Alarm
      Die nun vorgeschlagene Reform soll lediglich zu Mehreinnahmen von 235 Millionen Euro führen. “Das lange Ringen in und mit der Politik um die Umsetzung des Urteils für die sehr heterogene Gruppe der Familienunternehmen war damit richtig”, sagt Kirchdörfer.
      Quelle: WELT
    2. Große Koalition bleibt Lordsiegelbewahrer der Unternehmensdynastien
      “Mit dem auf die allerletzten Meter ausgehandelten Kompromiss von Union und SPD werden die Erbinnen und Erben schwerreicher Unternehmerdynastien weiter bevorzugt. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die ausufernden Privilegien abzubauen, werden auch im jetzigen Vorschlag nicht eingehalten”, erklärt Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Pitterle weiter:
      “Wie bereits im ursprünglichen Entwurf wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Verschonungsbedarfsprüfung, mit der geklärt werden soll, ob die Erbinnen und Erben riesiger Unternehmensvermögen sich das Steuerzahlen auch leisten können, nicht zwingend sein. Sie kommt überhaupt erst bei Erbschaften von 26 Millionen Euro oder mehr ins Spiel, und ist dann noch nicht einmal obligatorisch. Auch weiterhin lässt sich der Blick in die privaten Bücher durch pauschale Abschläge vermeiden. Aber selbst die Bedarfsprüfung oder die Höchstgrenze für dieses Abschlagsmodell bei einem Erbe von 90 Millionen Euro sind Augenwischerei. An die Stelle des Verzichts auf die Steuer tritt einfach ein zinsloses Darlehen in Millionenhöhe, wenn der Erbe die Stundung der Steuer beantragt. Eine Einladung für Steueroptimierer! Auch günstig für die Unternehmer: Bei der Bemessung des Vermögenswertes soll künftig ein abgesenkter Kapitalisierungsfaktor gelten, die Unternehmen gelten also als weniger wertvoll, und es fällt weniger Erbschaftsteuer an. Der Druck der Unternehmerlobby auf die große Koalition hatte vollen Erfolg und entlarvt auch die Forderungen des Vizekanzlers und SPD-Vorsitzenden Gabriel nach einer Vermögensteuer als Wahlkampfgeschrei.”
      Quelle: Linksfraktion
    3. Familienunternehmen gewinnen Lobbyschlacht um die Erbschaftsteuer
      Eine halbe Ewigkeit hat sich die Koalition mit der Reform der Erbschaftsteuer beschäftigt. Das Ergebnis ist dürftig – und kann die Ungleichheit im Land nicht mal ansatzweise bekämpfen.
      Die Bedeutung des Kompromisses, den die große Koalition endlich zur Reform der Erbschaftsteuer gefunden hat, lässt sich anhand einer Zahl verdeutlichen. Um durchschnittlich 200 Millionen Euro soll das Aufkommen an Erbschaftsteuer jährlich steigen, wenn die neuen Regeln in Kraft sind. Zum Vergleich: Jährlich werden in Deutschland Vermögen im Wert von 200 bis 300 Milliarden Euro vererbt. Und das sind nur die konservative Schätzungen. Das Aufkommen an Erbschaftsteuer schwankte zuletzt zwischen fünf und sechs Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Die große Koalition hat in den vergangenen Monaten unverhältnismäßig viel politische Energie in eine Bagatellsteuer gesteckt.
      Man kann den Familienunternehmen dazu nur gratulieren. Sie haben eine Lobbyschlacht nach allen Regeln der Kunst geführt – und gewonnen. Die meisten Unternehmen werden auch künftig davon befreit sein, einen Teil des ererbten Vermögens an den Staat abzuführen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung JK: Auch, wenn es langweilen mag, aber hat wirklich jemand ernsthaft geglaubt, CDU und SPD würden der deutschen Oligarchie auch nur ein Haar krümmen?

    4. Anders erben
      Als die Erbschaftsteuer verfassungswidrig wurde, diskutierte Deutschland über Vermögen und Gerechtigkeit. Was ist daraus geworden?
      Als das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 die Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärte, blühte die Phantasie vieler Deutscher auf: Wie wünschen wir uns die Erbschaftsteuer künftig? Kann man die nicht ganz neu regeln?
      Gerade hatte Thomas Piketty sein großes Buch veröffentlicht, in dem er vorrechnet, dass sich im Kapitalismus über die Generationen fast zwangsläufig eine Erbengesellschaft ergebe: Mit großen ererbten Vermögen bei den Reichen und geringen Vermögen im Rest der Gesellschaft. Inzwischen hat Piketty selbst zugegeben, dass diese Analyse für das 20. und 21. Jahrhundert nicht wirklich hilfreich ist. Doch die Gleichheits-Debatte blieb. Denn gleichzeitig bemängelte mancher, dass die Vermögen der Deutschen besonders ungleich verteilt seien – viel ungleicher als in anderen europäischen Ländern: Viel Argumentationsstoff für Leute, die sowieso finden, dass Kinder ihr Vermögen selbst erarbeiten sollen anstatt es zu erben.
      Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die finden: Eltern dürfen natürlich ihren Kindern das Vermögen hinterlassen, zumal die meisten Erben sowieso eher 50 Jahre alt sind als 20 – auf die Startchancen im Leben hat die Erbschaftsteuer nicht übermäßig viel Einfluss. Wer so denkt, dem hilft bei der Argumentation, dass viele den Fortbestand mittelständischer Betriebe gefährdet sehen, wenn aus dem Betriebsvermögen die Erbschaftsteuer gezahlt werden muss. Mancher verlangte eine einfachere Erbschaftsteuer, mit niedrigeren Sätzen und mehr Ausnahmen.
      Die Erbschaftsteuer ändert sich kaum
      Material genug für eine große Diskussion darüber, wie Deutschland erben will – und für eine große Reform der Erbschaftsteuer. Doch was die große Koalition jetzt beschlossen hat, sind kleinere Anpassungen. An den Detail-Ungerechtigkeiten, die das Verfassungsgericht bemängelt hat, wird korrigiert. Für viele Unternehmen wird es schwieriger, um die Steuer herumzukommen. Einige Schlupflöcher werden geschlossen. Kreative Steuerberater werden neue finden.
      Was die Menschen erwirtschaften, besteuert der Staat in Deutschland schon während ihres Lebens ordentlich, am Ende zieht er noch mal ein bisschen ab.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: In einem hat der Kommentar Recht: Die Erbschaftsteuer ändert sich kaum. Ansonsten wird wieder getäuscht, getrickst und gelogen. Die Erbschaftsteuer ist eben nicht “für verfassungswidrig erklärt[…]” worden, sondern die konkrete Ausgestaltung mit dieser enormen Bevorzugung von Firmenerben. Und die zum x-ten Mal wiederholte Aussage, die Erbschaftsteuer würde erarbeitetes und versteuertes Vermögen “am Ende [des Lebens]” noch einmal versteuern, ist zum x-ten Mal eine Lüge, weil die Erbschaftsteuer in Deutschland nicht beim Erblasser oder bei der Erbschaft ansetzt, sondern beim (Zusatzeinkommen des) Erben. Mal ganz davon abgesehen, daß z. B. die Mehrwertsteuer beim Einkauf auch von bereits besteuertem Einkommen verlangt wird und die Arbeitnehmer mit Lohn- und Umsatzsteuern inzwischen für 85% der staatlichen Steuereinnahmen aufkommen, während Erben praktisch überhaupt keine Steuern zahlen auf sogar leistungslose Einkünfte.

  2. Gerhard Schröder warnt vor “neuem Rüstungswettlauf” mit Russland
    Der Altbundeskanzler hält die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Truppenverstärkung für falsch. Im SZ-Interview bekennt er sich zu seinem Freund Putin – und zu seinem umstrittenen Engagement für eine Pipeline.
    Angesichts der wachsenden Spannungen zwischen den Nato-Staaten und Russland hat der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder eindringlich vor einer Eskalation gewarnt und es als schweren Fehler bezeichnet, weitere Nato-Truppen in Osteuropa zu stationieren. Beim Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel hatten sich Deutschland, Großbritannien und die USA in dieser Woche darauf geeinigt, ab kommendem Jahr 4000 Soldaten in die baltischen Staaten und Polen zu schicken.
    “Wir sollten jetzt darauf achten, nicht in einen neuen Rüstungswettlauf einzusteigen. Das trägt nicht dazu bei, Konflikte zu reduzieren und ein gutes Verhältnis mit Russland wiederherzustellen”, sagte Schröder der Süddeutschen Zeitung. Der Altkanzler hält die Beteiligung der Bundeswehr an der Truppenverstärkung für falsch. Balten wie Polen seien Mitglied der Nato, ihre Sicherheit und Souveränität seien garantiert.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  3. Steinmeiers neue Rolle
    Zur Zeit wird in der Bundesregierung großes Theater geboten. In der Hauptrolle spielt Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen Diplomaten, der die Heimatfront gegen Russland aufzubrechen versucht. In der »Bild am Sonntag« erklärte der SPD-Politiker am Wochenende: »Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt.« Stein des Anstoßes für Steinmeier war die NATO-Übung »Anakonda« in Polen, die kürzlich für Schlagzeilen gesorgt hatte. Am Montag bekräftigte Steinmeier seine Dialogbereitschaft mit Moskau.
    Das Interview hat dem Außenminister allerhand Ärger eingebracht. So hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), Steinmeiers Worte empört zurückgewiesen. »Er warnt vor lautem Säbelrasseln und Kriegsgeheul. Wen meint der Außenminister mit diesem ungeheuerlichen Vorwurf?« Sein Parteifreund, Elmar Brok, legte nach: Steinmeier verwechsele Ursache und Wirkung, »die nach wie vor erfolgenden gewaltsamen Völkerrechtsverletzungen vor allem in der Ostukraine, die Drohkulisse gegenüber den baltischen Staaten und die Aufrüstung und Mobilisierungsvorbereitungen durch Russland«. Offenbar hat Brok in den vergangenen 25 Jahren die Ereignisse in der Weltpolitik nicht verfolgt, sonst würde er so eine Breitseite an die russische Adresse nicht abfeuern.
    Quelle: Neues Deutschland
  4. »Das Töten steht an erster Stelle«
    Ohne die US-Militärbasis Ramstein wäre der Drohnenkrieg »gegen den Terror«, dem Unschuldige zum Opfer fallen, nicht möglich. Gespräch mit Ray McGovern
    Ramstein ist eine Militärbasis auf deutschem Boden. Aber einzig das US-Militär hat dort das Sagen. Was geht in Ramstein überhaupt vor sich?
    Es ist kein Geheimnis, dass die Relaisstation in Ramstein für den Drohnenkrieg unbedingt notwendig ist. Das liegt an der Erdkrümmung. Für die US-Regierung wäre es nicht nur eine Frage immenser Kosten, wenn sie auf Ramstein verzichten und die Satellitenstation verlegen müsste, weil die Bundesregierung endlich dafür sorgt, dass das Töten von deutschem Grund aus aufhört. Vielmehr wäre der technisierte Krieg schlicht unmöglich.
    Können Sie bitte beschreiben, was Ramstein unverzichtbar macht?
    Wenn der »Pilot« der Drohne ganz normal beispielsweise in Nevada in den USA sitzen und einen Knopf drücken würde, um einen sogenannten Terroristen in Pakistan zu töten, würde es fünf Sekunden dauern, bis der Befehl bei der Drohne ankommt. Sie könnten die Drohne also rechtzeitig entdecken und weglaufen. Über Ramstein braucht das Signal aber lediglich 2,5 Sekunden, da es von Nevada bis dorthin durch ein Unterseekabel übertragen wird, das erheblich kürzer ist als der Weg über Satellit.
    Die Drohnen fliegen relativ hoch. Wie identifiziert die US-Regierung die Personen, die sie als Terroristen einstuft?
    Meistens läuft das über Handys, aber das stellt nur einen schwachen Beweis dar. Stellen Sie sich mal vor, Sie kaufen ein gebrauchtes Mobiltelefon. Wenn das mal jemandem gehört hat, der als »Terrorist« gebrandmarkt wurde, oder auch nur jemandem, der sich viel im Umfeld einer solchen Person aufgehalten hat, sind Sie so gut wie tot.
    Quelle: junge Welt
  5. Brexit
    1. Labour-Chef Corbyn: “Wenn wir in der EU bleiben, muss sie sich dramatisch ändern”
      In der Flüchtlingskrise habe die EU versagt, nur Deutschland habe sich richtig verhalten, sagt Labour-Chef Corbyn in einer Fernsehdebatte. Einen Brexit will er trotzdem nicht. […]
      Bei seinem Fernsehauftritt sagte Corbyn kein Wort dazu, ob Großbritannien innerhalb oder außerhalb der EU “besser wegkomme”, wie es andere Politiker beider Lager wieder und wieder getan hatten.
      Stattdessen betonte Corbyn: “Wir müssen unseren Wohlstand teilen und die Lebensverhältnisse und Arbeitsverhältnisse auf dem ganzen Kontinent verbessern.” Wie man die Zuwanderung aus der EU begrenzen könne, wollte ein Zuschauer wissen. Corbyn entgegnete: Wer die Arbeitnehmerfreizügigkeit abschaffen wolle, begreife nicht, worum es im europäischen Binnenmarkt gehe.
      In der Flüchtlingskrise attestierte der Labour-Chef der EU großes Versagen. Nur Deutschland habe sich richtig verhalten. Kanzlerin Angela Merkel lobte er dabei ausdrücklich. “Ich habe sie noch nie getroffen, aber ich würde mich darüber freuen.” Man könne Probleme wie den Klimawandel und die Flüchtlingskrise nicht als einzelner Staat angehen. Nur gemeinsam könne man Lösungen finden, so Corbyn.
      Im Publikum waren nur unter 35-Jährige. Junge Wähler gelten als EU-freundlich, gehen aber nicht häufig zur Wahl. Ob Corbyn mit dem TV-Auftritt ausreichend Labour-Anhänger überzeugen konnte, bleibt abzuwarten.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Problematisch ist jedoch, dass ein britisches „nein“ zum Brexit in Brüssel als Zustimmung zur EU-Politik gewertet werden dürfte. Für europafreundliche Briten ist das eine schlechte Nachricht.

    2. Es gewinnt die Bank
      Dass Volksentscheide heute so umjubelt werden und viel Aufmerksamkeit erheischen, hat vor allem einen Grund. Wir haben nicht nur das Vertrauen in Politiker, sondern auch in die Demokratiefähigkeit unseres Systems verloren. Der Parlamentarismus nahm durch den Einfluss von Eliten und Lobbyisten großen Schaden. So sind Referenden heute das Mittel, mit dem das Establishment versucht, sich der öffentlichen Zustimmung zu dem zu versichern, was der herrschenden Klasse am besten in den Kram passt.
      Derzeit ist die politische Klasse auf das britische EU-Referendum fixiert. Die Vorstellung, der Streit um Verbleib oder Ausstieg könnte die konservative Partei spalten, macht richtig heiß. Auch die Fanatiker kommen auf ihre Kosten: Endlich können sie wieder ihre imperialistischen Rule-Britannia-Fantasien ausleben. Wer hingegen noch zu anderen Empfindungen fähig ist, dem fällt es schwer, sich für diese Abstimmung zu begeistern. Den Argumenten des Brexit- und des Remain-Lagers lässt sich mühelos entnehmen, dass es sich um einen Streit der Eliten handelt, der normale Bürger herzlich wenig angeht. Wenn man David Cameron und Schatzkanzler George Osborne auf der einen gegen Boris Johnson und Justizminister Michael Gove auf der anderen Seite antreten sieht, ist man geneigt, sich einfach entspannt zurückzulehnen und zu genießen, wie sich diese aufgeblasenen, zynischen Lackaffen an die Gurgel gehen. Das monotone Geraune der Schlipsträger über „Wirtschaft“, „Handel“, „Regulierung“ und so weiter macht klar, dass es sich mit dem Brexit-Streit im Wesentlichen um einen internen neoliberalen Dissens handelt. Die Frage lautet schlicht: Bietet die EU oder bietet ein unabhängiges Königreich die besseren Voraussetzungen, die Leute für dumm zu verkaufen?
      Quelle: Der Freitag
    3. Brexit-Folgen: Wie sähe Großbritannien ohne seine Polen aus?
      EU-Bürger dürfen überall in der Union arbeiten und leben. Auch das steht in Großbritannien nun auf dem Spiel. Hat das Land von seinen Zuwanderern eher profitiert – oder Nachteile gehabt? […]
      Rund 2,1 Millionen EU-Ausländer arbeiten derzeit in Großbritannien, mehr als 750.000 davon sind Polen, derzeit kommen zunehmend Bulgaren und Rumänen. In den Städten wächst die Wohnungsnot, das Gesundheitssystem ist überlastet, und in der Gastronomie und der Pflege klagen die Angestellten über eine steigende Konkurrenz der Billiglöhner und ein sinkendes Verdienstniveau. […]
      Sie wollen eine Art Punktesystem einführen: Man will Universitätsabschlüsse und Arbeitserfahrung fordern und somit vor allem die Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte erreichen. Wirtschaftsvertreter protestieren gegen solche Vorschläge. Immerhin braucht der britische Arbeitsmarkt auch viele Kräfte für Jobs mit geringeren Anforderungen – allen voran in der Hotellerie und im produzierenden Gewerbe.
      Quelle: SPIEGEL

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Hat das Land von seinen Zuwanderern eher profitiert – oder Nachteile gehabt?” Im Artikel wird eine eindeutige Antwort gegeben: “In den Städten wächst die Wohnungsnot, das Gesundheitssystem ist überlastet, und in der Gastronomie und der Pflege klagen die Angestellten über eine steigende Konkurrenz der Billiglöhner und ein sinkendes Verdienstniveau.” M. a. W., die Arbeitgeberseite hat massiv profitiert vom Lohndruck, die Arbeitnehmerseite ist der eindeutige Verlierer, laut Artikel gleich dreifach. Kein Wunder, daß Niedriglohnbeschäftigte gegen Einwanderung sind. Warum wird die Migration nicht vernünftig geregelt, mit besseren Löhnen und besseren Bedingungen für alle Arbeitnehmer? Offensichtlich doch, weil das der Grundidee der EU widerspräche, die immer noch und immer mehr dem erklärten Ziel maximaler unternehmerischer Freiheit anhängt und für die Arbeitnehmerinteressen schlicht nicht zählen.

  6. Anti-establishment candidates elected to lead Rome and Turin
    The Italian political landscape was reshaped on Monday as two candidates from the anti-establishment Five Star Movement (M5S) were elected to lead the cities of Rome and Turin, presenting a direct challenge to the centre-left prime minister, Matteo Renzi.
    Virginia Raggi, the M5S candidate in the Italian capital, declared a “new era” after winning 67% of the vote in a runoff ballot against the Democratic party’s (PD) Roberto Giachetti, who conceded defeat less than an hour after polls closed.
    “The result is above all expectation,” Raggi, 37, said in her victory speech. “It really is a historic result, and we must work every day for the next five years, because it will be tough. We know how Rome is, but the tougher it is, the greater it will be. We will succeed in doing what we have planned to do.”
    Raggi, whose victory had been widely anticipated, was joined by crowds of supporters, chanting, “Oh, Virginia, mayor of Rome!” and waving M5S flags.
    A greater shock to the establishment came in Turin, the first capital of Italy and a city famed for the carmaker Fiat, where the heavyweight incumbent, Piero Fassino, was ousted by the M5S’s Chiara Appendino. Appendino, 31, clinched nearly 55% of the vote in a run-off against her PD rival.
    “It has been a long journey and finally our time has arrived. We have the possibility to build a new urban community, but above all we have a duty to heal a city which has been deeply injured,” said Appendino, after the results were announced.
    The M5S’s success in the two main cities will have unnerved Renzi, who is the leader of the PD, and reflects the electorate’sdiscontent with mainstream political parties.
    Quelle: The Guardian

    Anmerkung JK: Auch in Italien wächst der Widerstand gegen die neoliberale Agendapolitik und wie in Deutschland und auch in Frankreich sind es die Sozialdemokraten, hier in Gestalt Matteo Renzis, die dem Neoliberalismus den Weg bereitet haben. Und wie immer berichten die deutschen „Qualitätsmedien“ ausschließlich mit den üblichen negativen Zuschreibungen, eurokritisch, populistisch, Anti-Politikerin, Protest-Kandidatin, Grillo liebt den schrillen Auftritt – ein ganz besonders schlimmer Vorwurf: EU-kritisch usw. Es ist für deutsche „Qualitätsjournalisten“ offenbar völlig unmöglich zu verstehen, warum die Menschen die neoliberale Politik immer mehr ablehnen (siehe Griechenland: Die nächsten Einschnitte werden noch härter).

  7. Griechenland: Die nächsten Einschnitte werden noch härter
    Vor genau einem Jahr war Premierminister Alexis Tsipras international isoliert. Wegen des ausgerufenen Referendums zu den Sparmaßnahmen und aufgrund der damaligen rebellischen Haltung des griechischen Finanzministeriums unter Yanis Varoufakis waren bis heute geltende Kapitalverkehrskontrollen verhängt worden. Tsipras Lebensgefährtin, Betty Baziana, hatte seinerzeit für den Fall von Tsipras Einlenken gegenüber den Kreditgebern mit einer Trennung gedroht. Das Einlenken kam, die Trennung nicht.
    Das Einlenken Tsipras und die Unterschrift unter ein drittes Sparpaket brachten letztendlich den Abschluss der Inspektion der Kreditgeber und die Freigabe einer Kredittranche von 7,5 Milliarden Euro. Am heutugen Montag soll das Geld endlich fließen. Tsipras musste dafür Renten kürzen und nahezu sämtlichen Staatsbesitz für 99 Jahre an ein letztendlich von den Kreditgebern kontrolliertes Treuhandunternehmen übertragen.
    Zudem wurde die eigentlich mit der Entscheidung der Eurogruppe von 24. Mai freigegebene Tranche noch einmal an Bedingungen geknüpft. So wird zum Beispiel der reformierte ENFIA-Immobilien-Sondersteuersatz nicht – wie von Tsipras als Erfolg gefeiert – mit den näher an den Realpreisen orientierten fiskalischen Preisen berechnet, sondern anhand der gegenüber der Realität exorbitanten Sätzen aus der Zeit der Immobilienblase vor der Krise erhoben.
    Quelle: Telepolis
  8. Auswirkungen von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer
    Der IWF schätzte im Jahr 2015 die Mindereinnahmen durch Unternehmenssteuervermeidung über Steueroasen auf US$ 400 Milliarden für OECD-Staaten und auf ca. US$ 200 Milliarden für Länder des globalen Südens. Anteilig am Bruttoinlandsprodukt erleiden Entwicklungsländer jedoch mit 1,3%/BIP höhere Verluste als OECD-Staaten (mit ca. 1% des BIP). Dieser Befund verstärkt sich, wenn berücksichtigt wird, dass Entwicklungsländer in aller Regel eine deutlich niedrigere Steuerquote als OECD-Staaten haben. So dürfte sich der Verlust durch Unternehmenssteuervermeidung in Entwicklungsländern auf 6-13% der Steuereinnahmen belaufen, wohingegen der Verlust in OECD-Ländern ca. 2-3% beträgt. Somit sind in Ländern mit geringen Einkommen Ertragssteuern internationaler Konzerne eine wichtige, aber gleichzeitig bedrohte und unsichere Einnahmequelle. Leider geht auch die 2013 ins Leben gerufene OECD-Steuerinitiative gegen Unternehmenssteuervermeidung (Base Erosion and Profit Shifting –BEPS) dieses Problem nicht an. Durch die bisher geplante restriktive Handhabung des Informationsaustauschs von Konzernbilanzdaten dürften sich die Schwierigkeiten für Entwicklungsländer, ihren fairen Anteil an Konzerngewinnen zu besteuern, weiter verschärfen.
    Neben der Steuervermeidung multinationaler Unternehmen gehen dem globalen Süden auch durch die Offshore-Steuerflucht wirtschaftlicher und politischer Eliten beträchtliche Mittel verloren. Allein der afrikanische Kontinent verlor zwischen 1970 und 2008 944 Mrd. US$, die als Offshore-Finanzanlagen oft bei europäischen und US-amerikanischen Banken angelegt sind. Diesem gewaltigen Finanzvolumen standen im Jahr 2008 offene staatliche Auslandsschulden derselben afrikanischen Staaten bei westlichen Staaten von nur US$ 177 Mrd. gegenüber. Unter dem Strich wird so deutlich, dass weitaus größere Summen den Afrikanischen Kontinent in Richtung des globalen Nordens verlassen, als letztendlich über Kredite zurück fließt. Ein ähnlicher Befund lässt sich auf globaler Ebene erkennen.
    Die Studie „Price of Offshore Revisited“ ergab für das Jahr 2010, dass 139 Schwellen- und Entwicklungsländer unter dem Strich insgesamt zwischen 10 und 13 Billionen US$ dem Rest der Welt – und damit auch den Industrienationen –als Kredit zur Verfügung stellen (in Form von Offshoreanlagen und Fremdwährungsreserven/Staatsanleihen, abzüglich der staatlichen Auslandsschulden dieser Staaten).[vi] Diese illegitimen und illegalen Kapitalabflüsse wurden und werden durch Strafbarkeitslücken und mangelnde Steuerkooperation westlicher Staaten – darunter auch Deutschland – sowie durch westliche Banken – darunter auch deutsche – unterstützt und ermöglicht. Die Zahlungen, die Entwicklungsländer im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit erhalten – im Jahr 2015 waren es US$ 132 Mrd. – können diese Verluste bei weitem nicht ausgleichen.
    Nach Zahlen der Bundesbank liegen im deutschen Finanzsystem riesige Finanzvermögen von Steuerausländern (2,5 bis 3 Billionen Euro verzinste Anlagen im August 2013), die potentiell auch der Steuerhinterziehung dienen, da deren Erträge in Deutschland nicht besteuert und auch bislang praktisch nicht an die Heimatländer der Steuerausländer/innen gemeldet werden. Mindestens 11% dieser Summe stammt aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher ausfallen.
    Quelle: blog steuergerechtigkeit
  9. In der Abstiegsgesellschaft
    Aus der Gesellschaft des sozialen Aufstiegs ist eine Gesellschaft des Abstiegs, der Prekarität und Polarisierung geworden.
    Die soziale Ungleichheit ist gestiegen, was häufig mit dem Bild beschrieben wird, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht. Doch, um es ganz lapidar zu sagen: Die soziale Schere zwischen den Reichsten und den Ärmsten bildet nicht unser Kernproblem. Versteht man Ungleichheit in dieser Perspektive (wie sie etwa auch beim Gini-Koeffizienten verwandt wird), dann handelt es sich um ein reines Distanzmaß, das nur die Einkommens- oder Vermögensunterschiede zwischen oben und unten misst. Erst der Bezug auf das Gefüge sozialer Position kann jedoch die Bedeutung sozialer Ungleichheit hinreichend verständlich machen.
    In den 1970er Jahren hat der Philosoph John Rawls eine Gerechtigkeitstheorie entwickelt, die ein liberales Positionsmaß enthielt: das sogenannte Differenzprinzip. Es besagt in Kurzform, dass gesellschaftliche Ungleichheiten dann legitim seien, wenn sie den „am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen“.
    Rawls reflektierte mit diesem Satz die gesellschaftliche Entwicklung der westlichen Marktwirtschaften. Große soziale Ungleichheiten zwischen den Ärmsten und den Reichsten blieben durchaus bestehen, aber die Armut verringerte sich, und für die Arbeiterschaft war sozialer Aufstieg kein Fremdwort mehr. Die Einkommen stiegen, ebenso die Bildungschancen, Freizeit und Konsum. Ulrich Beck beschrieb diesen Prozess als Fahrstuhleffekt.
    Quelle: FAZ
  10. Schwuler Selbsthass als Quelle von Gewalt – Anmerkungen zum Massaker von Orlando
    Als sich die Nachricht vom Massaker in Orlando verbreitete, schnappten sofort die üblichen Reflexe ein: Hinter dieser Bluttat konnte nur der IS stecken, da waren sich alle einig. Die eilfertigen Motivforscher waren nicht weit von jener Satire entfernt, in der eine Reporterin auf die Frage nach der Ursache eines gerade eingetreten Unglücks sagt: „Al Qaida. Alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation.“
    Wenig später ruderten die Ermittler zurück und ließen verlautbaren, dass Omar M. diese Fährte durch einen Telefonanruf, in dem er sich zum IS bekannte, zwar selbst gelegt hatte, wohl aber nicht im direkten Auftrag des IS gehandelt habe und auch nicht Mitglied eines terroristischen Netzwerks sei. Was aber könnte dann das Motiv einer derartigen Tat sein?
    Man wird sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass ein selbstunsicherer und von Schuldgefühlen geplagter Mann, dem Religion und familiäres Umfeld das Schwulsein verbieten, sich gewaltsam aus einem sexuellen Identitäts-Dilemma befreien wollte. Das Bekenntnis zum IS wäre dann eine Art Camouflage und diente als Chiffre für seinen externalisierten Selbsthass. Das Massaker von Orlando ist wohl eher in die Rubrik Amoklauf als in die des religiös motivierten Terrors einzuordnen.
    Alles, was im Moment zu den Motiven des Täters gesagt werden kann, muss im Konjunktiv formuliert werden. Aber auch, wenn die Ermittlungen abgeschlossen und die äußeren Umstände der Tat geklärt sein werden, bewahren Gewalttaten wie die, von denen hier die Rede ist, letztlich immer etwas Rätselhaftes, zu dem wir mit unseren Erklärungsversuchen nur annähernd vordringen. Wir stochern im Nebel – und wir tun das, weil wir es ohne Erklärungen nicht aushalten.
    Quelle: Götz Eisenberg auf Magazin-Auswege.de
  11. Ver.di klagt mit
    DGB-Gewerkschaft hat Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz zur »Tarifeinheit« ­eingelegt, weil es nicht nur die Rechte von Berufsorganisationen beschneidet
    Die gesetzlich verordnete »Tarifeinheit« ist verfassungswidrig. Davon jedenfalls sind jene neun Organisationen überzeugt, die beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz eingereicht haben. Es sieht vor, dass bei »Tarifkollisionen« nur noch der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gilt, die in dem betreffenden Betrieb die meisten Mitglieder hat. Dagegen wehren sich nicht nur die Berufsgewerkschaften, die oft in der Minderheitsposition sind, sonder auch ver.di. Die zweitgrößte DGB-Gewerkschaft argumentiert, dass ihre Grundrechte trotz ihrer Größe durch das Gesetz beschnitten würden.
    Anders als die Schwestergewerkschaften IG Metall und IG BCE, aber auch im Gegensatz zur Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) lehnt ver.di das auf Initiative von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beschlossene Gesetz klar ab. Dieses sei »ein neues Instrument der Arbeitgeber zur Kostensenkung und der Fragmentierung und Deregulierung der Tarifbindung«, heißt es in dem von ver.di in Karlsruhe eingereichten Schriftsatz, der jW vorliegt. Die Autoren setzen die erzwungene »Tarifeinheit« auf eine Stufe mit Tarifflucht von Unternehmen durch Verbandsaustritt oder die Mitgliedschaft in sogenannten OT-Verbänden, also Unternehmervereinigungen »ohne Tarifbindung«. »Ziel und Ergebnis aller dieser Instrumente sind stets geringere Arbeitskosten«, heißt es in dem Text. Das werde auch eine Folge des Gesetzes sein, denn: »Der verdrängte oder nicht zum Zug kommende Minderheitstarifvertrag wird in der Regel einer sein, der höhere Arbeitskosten zur Folge hätte.«
    Quelle: junge Welt
  12. Die Totalausbeutung des Menschen
    Customer-Lifetime-Value bezeichnet den Wert, den ein Mensch während seines gesamten Kundenlebens für ein Unternehmen darstellt. Diesem Begriff liegt die Intention zugrunde, die ganze menschliche Person, ihr gesamtes Leben in rein kommerzielle Werte umzuwandeln. Der heutige Hyperkapitalismus löst die menschliche Existenz gänzlich in ein Netz kommerzieller Beziehungen auf. Es gibt heute keinen Lebensbereich mehr, der sich der kommerziellen Verwertung entzöge.
    Gerade die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft erleichtert, erweitert und beschleunigt in erheblichem Maße die kommerzielle Ausbeutung des menschlichen Lebens. Sie unterwirft Lebensbereiche, die bisher dem kommerziellen Zugriff unzugänglich waren, einer ökonomischen Ausbeutung. So tut es heute not, neue Lebensbereiche zu errichten, ja neue Lebensformen zu entwickeln, die sich der kommerziellen Totalausbeutung des menschlichen Lebens widersetzen.
    Der New Yorker Flagship-Store von Apple stellt in jeder Hinsicht den Tempel des Hyperkapitalismus dar. Er ist ein Kubus aus reinem Glas. Im Inneren ist dieser leer. Er stellt also nichts anderes als seine eigene Durchsichtigkeit aus. Im Untergeschoss ist der eigentliche Laden untergebracht. Transparenz nimmt hier eine materielle Gestalt an.
    Der durchsichtige Apple-Shop ist wohl das architektonische Gegenbild der Kaaba in Mekka mit ihrem schwarzen Umhang. Kaaba heißt wörtlich Kubus. Dem schwarzen Bauwerk fehlt jede Transparenz. Der Kubus ist ebenfalls leer und steht für eine theologische Ordnung, die der hyperkapitalistischen Ordnung entgegengesetzt ist.
    Quelle: SZ
  13. Kleine Leute in ihren noch kleineren Wohnungen
    Die Gedanken von Barbara Hendricks zur sozialen Wohnungsnot wären an sich ja lobenswert gewesen. Tatsächlich fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Aber trotzdem verraten ihre Ausführungen etwas darüber, wie die gängige Politik über die arbeitenden Menschen denkt oder mindestens wie sie sie gerne haben möchte. Sie hatte behauptet, dass Alleinstehende eh mehr oder weniger nur zum Schlafen nach Hause gingen. Simples Menschenbild: Er soll es kompakt und effektiv halten. Benötigt wenig Raum, viel Arbeit, zwischendrin ein bisschen Schlaf. Lebensqualität ist da kein Kriterium. Dormi et labora. Schlafe und arbeite. Lebe lieber monastisch. Ohne Ansprüche, ganz bescheiden. In den eigenen vier Schuhkartonwänden. 30 Quadratmeter reichen pro Person, glaubt die Ministerin. Rein funktionell betrachtet mag das zutreffen. Aber sind das Perspektiven? Lebt der Mensch also nur, damit er möglichst wenig Platz einnimmt?
    Quelle: ad sinistram
  14. Da wird jährlich wirklich viel Fläche totgespritzt
    Die Chemikalie Glyphosat gilt unter Kritikern als gefährlich für Mensch und Umwelt. Die größere Gefahr, die aber kaum diskutiert werde, sei die flächenmäßig weite Anwendung, sagte der Agrarexperte Lucian Haas im DLF. Hierzulande werde die Chemikalie “fast auf 40 Prozent der Landwirtschaftsfläche ausgebracht”. Und das hat “große Auswirkungen auf die Artenvielfalt”, so Haas.
    Quelle: Deutschlandfunk
  15. Sanctions imposed on Croatian Football Federation
    The independent UEFA Control, Ethics and Disciplinary Body (CEDB) met today in Paris to deal with the disciplinary proceedings opened against the Croatian Football Federation (HNS) following the incidents which occurred at the Czech Republic v Croatia match on 18 June in Saint-Etienne (2-2).
    Charges relating to crowd disturbances, use of fireworks, throwing of missiles and racist behaviour had been brought against the HNS, and the CEDB decided to impose the following sanctions:

    • A fine of €100,000.-
    • To prohibit the HNS from selling tickets to certain fans (identified by the HNS and the Croatian authorities as hooligans) for the remainder of UEFA EURO 2016. This sanction is deferred under a probationary period until the end of the tournament.

    The decisions of the UEFA Control, Ethics and Disciplinary Body are open to appeal.
    Quelle: UEFA

    Anmerkung Jens Berger: Da hat der kroatische Verband ja noch mal Glück gehabt. Richtig entschieden, liebe UEFA. Seltsam nur, dass der russische Verband wegen durchaus vergleichbarer Vergehen seiner „Fans“ so viel härter bestraft wurde.

  16. Sierra leonische Zivilgesellschaft will zurück an den Verhandlungstisch
    In Sierra Leone will eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen den Dialog zwischen dem Agrarinvestor Socfin, den verantwortlichen Autoritäten und den Menschen in Malen Chiefdom wiederbeleben: Drei Petitionen mit insgesamt über 120.000 Unterschriften und ein offener Brief wurden an die Regierung des westafrikanischen Landes übergeben.
    Am 16. Juni 2016 haben 23 Nichtregierungsorganisationen in Sierra Leones Hauptstadt Freetown durch eine Pressekonferenz auf die aktuelle Situation von MALOA aufmerksam gemacht. Seit 2013 setzt sich die Vereinigung der von Socfin betroffenen Landbesitzer und Landnutzer gegen die Machenschaften des belgisch-luxemburgischen Agrarkonzerns zur Wehr. Dessen über 12,000 Hektar große Palmölplantage macht den Bauern vor Ort nicht nur ihr Land, sondern damit vor allem auch ihre wichtigste Lebensgrundlage streitig.
    Gemeinsam fand die Zivilgesellschaft Sierra Leones klare Worte: “Wir brauchen eine Lösung für den fortbestehenden Konflikt in Malen Chiefdom. Während der Eröffnung der neuen Palmölmühle von Socfin hat Präsident Koroma betont, dass seine Regierung offen für Gespräche sei. Diese Chance wollen wir nutzen. Wir glauben es ist höchste Zeit, sich wieder gemeinsam an einen Tisch zu setzen und einen Dialog zu führen, der das Wohl aller im Blick und zum Ziel hat.“
    Quelle: Aussengedanken
  17. … als wäre es nicht unser Land
    Die Weltbank setzt für ein Projekt in Tansania ihre eigenen Regeln außer Kraft: Ureinwohner müssen weichen. Trotz Kritik von Menschenrechtlern und US-Regierung stimmte die Bundesregierung im Direktorium zu, berichten NDR, WDR, SZ und das Netzwerk ICIJ. Man wisse nichts von Vertreibungen.
    Die Angst geht um in den Waidgründen im Süden Tansanias. Bald soll es wieder zu Vertreibungen kommen. Die Ureinwohner vom Volk der Barabaig und der Massai haben es schon erlebt: Mindestens 5000 Menschen mussten ihr Land bisher verlassen. Es kam zu Menschenrechtsverletzungen und Landkonflikten mit der Regierung.
    “In Tansania ist es, als würden wir nicht existieren, als wäre es nicht unser Land”, klagt der Rinderhirte Salumu Kundaya Kidomwita. “Sie haben uns erzählt, dass wir hier kein Land haben, selbst wenn wir uns verweigern. Wir mussten also wegziehen – egal, ob wir das akzeptierten. Wie bösartig ist das bitte?” Jetzt fürchtet der 60-Jährige, dass er bald für ein Mammutprojekt erneut weichen muss. In einem Gebiet so groß wie Italien sollen Agrarinvestitionen unter anderem von Nestlé, Unilever und Bayer das Land in eine riesige Produktionsfläche verwandeln.
    Quelle: Tagesschau
  18. Zu guter Letzt – Hey, selbsternannte Journalisten von “FAZ” bis Spon!
    Wieso bezeichnet Ihr eigentlich den mit erstaunlichen Mitteln um das amerikanische Präsidentenamt kämpfenden Bernie Sanders immer und immer wieder als “selbsternannten Sozialisten”? Wer soll ihn denn sonst dazu ernennen außer er selbst? Marx? Trump? Gott? Ihr selbst ernannten Mister Oberschlau? Oder ist das wieder nur Euer tief ins Hirn gepflanzter, längst obsoleter Antikommunismus, der auch noch das kleinste bißchen Renitenz gegen die zügellos kapitalistische Zurichtung der Welt mit allen, und seien es sprachlich jämmerlichen, Mitteln bekämpfen muß?
    Reitet doch bitte künftig lieber lebendige Pferde, bitten Eure selbsternannten Sprachwächter von der Titanic.
    Quelle: Titanic


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