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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 22. Juni 2016 um 8:14 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Steinmeier
  2. Aufruf: Eine Zukunft für Europa – nicht ohne Russland
  3. Es ist Zeit für eine neue Ostpolitik
  4. Streit über Russland-Politik: Gabriel reist offenbar Montag zu Putin
  5. Merkel will mehr Geld fürs Militär
  6. Der Brexit und Europa: Sie wollten doch sowieso immer nur Großmacht sein
  7. Gauck kritisiert vor Brexit-Votum nationale Alleingänge
  8. Kampf gegen Google und Co.: EU-Staaten segnen Gesetz gegen Steuervermeidung ab
  9. CETA – Poker: Entmachtung des Ministerrats durch die Kommission?
  10. Erbschaftsteuerreform – Herzliches Beileid an den Sozialstaat
  11. Arbeitnehmer: Wie hoch steigt der Mindestlohn?
  12. Mittelschicht in Deutschland: Das Abstiegsgespenst
  13. Vernichtungskrieg: “Kein Kommentar”
  14. Eklat im Bundestag bei Anhörung zum neuen Anti-Terror-Paket
  15. Unicef-Bericht: Flüchtlingskinder werden in Deutschland benachteiligt
  16. Fraktion DIE LINKE ruft gegen den einseitigen Einsatz der Bundeswehr in Syrien das Bundesverfassungsgericht an
  17. Der Clash der Fankulturen
  18. Das Letzte: Schäuble über Flüchtlingspolitik: “Der Staat kann nicht barmherzig sein”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steinmeier
    1. Er hat recht
      Außenminister Steinmeier wird für seine Kritik an der Nato-Strategie kritisiert. Die Abschreckung Russlands hängt nicht nur von Bataillonen ab. Es gibt noch einen Trumpf. (…) Steinmeier hat starke Worte gebraucht, aber er hat recht. Es ist sicherlich nötig, dass die europäischen Bündnispartner ihre dahinalternden Militärapparate wieder auf den neuesten Stand bringen. Dafür sind auch Erhöhungen der Wehrbudgets hinzunehmen. (…) Auch hat es durchaus Sinn, den Polen und den drei baltischen Bündnispartnern durch eine minimale Verstärkung der Nato-Präsenz in ihren Ländern zu zeigen, dass der Artikel fünf des Nato-Vertrags – ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle – selbstverständlich auch für sie gilt. Allerdings sollten wir uns hüten, ihre historisch erklärlichen, aber aktuell weit übertriebenen Bedrohungsängste zur Grundlage einer neuen Konfrontationspolitik zu machen. Schon gar nicht sollten wir ihrem Drängen auf eine weitere und permanente Verstärkung der osteuropäischen Nato-Präsenz nachgeben.
      Quelle: Theo Sommer bei Zeit Online
    2. Die SPD und ihre riskanten Manöver
      Bei der SPD-Spitze ist ein schleichender Wandel der Rhetorik gegenüber der Nato und Russland zu erkennen. Ist das Absicht? Oder Unsicherheit? Ein Kommentar. Ist die SPD-Spitze dabei, den Kopf zu verlieren? So wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier über Russland, die Nato und Handel mit den USA reden, dürfen sie sich über Spekulationen nicht wundern. Betreiben sie einen Links-Schwenk, um eine Machtoption zu öffnen? Das wäre ein riskantes Manöver.
      Quelle: Tagesspiegel
    3. Steinmeiers Vorstoß
      Kommt der Wechsel zu einer verantwortungsvollen deutschen Ostpolitik? (…) nachdem jetzt der amtierende deutsche Außenminister – wenn auch abgeschwächt – einen ähnlichen Vorstoß unternommen hat, folgt endlich die öffentliche Reaktion und es geht in Politik und Medien um die essenzielle Frage des weiteren Umgangs mit Russland. Abzuwarten bleibt, ob die angestoßene Diskussion Früchte trägt. Das ist zu hoffen!
      Quelle: Hintergrund
    4. Notfalls auch allein
      Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat ein außenpolitisches Grundsatzprogramm formuliert. (…) Deutschland ist ganz oben. Das jedenfalls besagt der Beitrag, den Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) unter dem Titel »Deutschlands neue globale Rolle« in der soeben erschienenen jüngsten Ausgabe der einflussreichen US-Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlicht hat.
      Quelle 1: Junge Welt
      Quelle 2: Foreign Affairs

      Anmerkung Paul Schreyer: In diesem Beitrag, der sich an die amerikanischen Eliten richtet, erklärt Steinmeier die Agenda 2010 weiterhin zu einem großen Erfolg für Deutschland. Was die Außenpolitik angeht, würden die Verantwortlichen in Deutschland weiterhin „die tiefe Überzeugung teilen, dass Deutschlands Sicherheit untrennbar mit der Sicherheit der USA verknüpft ist“, so Steinmeier. Diese Aussage ist auf die Partnerschaft mit den USA bei Kriegseinsätzen im Ausland gemünzt und impliziert wie nebenbei, die USA würden diese Kriege tatsächlich im Interesse „ihrer Sicherheit“ führen – eine Annahme, die man eigentlich kaum anders denn als Propaganda beschreiben kann. Deutschland, so der Außenminister weiter, habe „erkannt, dass es seiner Verantwortung nicht entfliehen kann“. Was aber ist das für eine ominöse „Verantwortung“? Wer hat sie formuliert? Das Volk? Wohl kaum. Welchen Interessen also folgt man hier? Dazu schweigt Steinmeier in seinem Beitrag beredt.

  2. Aufruf: Eine Zukunft für Europa – nicht ohne Russland
    Aus Anlass des 75. Jahrestages des Überfalls des Nazi-geführten Deutschlands auf die Sowjetunion am 22.06.1941 fordern über 100 WissenschaftlerInnen, JuristInnen, Engagierte aus der Friedensbewegung und Abgeordnete des Deutschen Bundestages in einem von der IALANA initiierten Aufruf: „Wir rufen dazu auf, aus dem bislang schrecklichsten aller Kriege endlich die Lehren zu ziehen: Für eine neue Qualität der Deutsch-Russischen Beziehungen. (…) Alle Gesprächsbeziehungen und Formate müssen dazu genutzt werden, für immer eine neue bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Russland auszuschließen.“ Unverzichtbar für eine neue Entspannungspolitik ist eine umfassende Abrüstung und eine Absage an die Konfrontationspolitik der NATO: „Abrüstung ist notwendig, um die sozialen Herausforderungen zu bewältigen und einen Beitrag zur Lösung der globalen Probleme des 21. Jahrhunderts zu leisten. Eine völlige Abrüstung aller Atomwaffen ist erforderlich, um das Überleben der Menschheit zu sichern.“ Die Unterzeichnerinnen wenden sich mit einem dringenden Friedensappell an die Bundeskanzlerin: „An dem historischen Jahrestag des 22. Juni 2016 wenden wir uns daher an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und die deutsche Bundesregierung: Allein eine Politik der Verständigung mit Russland und der Lösung von Konflikten und Interessenwidersprüchen auf der Grundlage des Völkerrechts bietet die Perspektive einer friedlichen Zukunft für Europa.“
    Quelle: IALANA
  3. Es ist Zeit für eine neue Ostpolitik
    Das Abkommen mit der Ukraine nachzuverhandeln und die Sanktionen gegen Russland zu beenden, wären Chancen für einen Neubeginn in der gescheiterten Ostpolitik Deutschlands und der EU, meint der Berliner Osteuropa-Forscher Herwig Roggemann.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  4. Streit über Russland-Politik: Gabriel reist offenbar Montag zu Putin
    Die Ankündigung kommt zu einem heiklen Zeitpunkt: SPD-Chef Gabriel will laut einem Zeitungsbericht Kreml-Chef Putin treffen – während die Koalition über den richtigen Umgang mit Russland streitet.Mitten in der Debatte über die Nato-Politik gegenüber Moskau will Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel den russischen Präsidenten Wladimir Putin besuchen. Der Vizekanzler werde am Montag nach Moskau reisen, berichtet die “Rheinische Post” unter Berufung auf Regierunskreise. Es wäre das zweite Treffen der Spitzenpolitiker binnen eines Jahres.Eine Ministeriumssprecherin wollte die Pläne für die Reise zunächst nicht bestätigen.Bei der eintägigen Reise soll es laut “Rheinischer Post” um die Wirtschaftsbeziehungen gehen, die unter den von der EU verhängten Sanktionen leiden. Das Kanzleramt sei über die Reise des Vizekanzlers informiert, berichtet die Zeitung.
    Quelle: Spiegel Online
  5. Merkel will mehr Geld fürs Militär
    Kanzlerin Merkel will sich in den Rüstungsausgaben den USA annähern und mehr fürs Militär ausgeben. Weiter sieht die Kanzlerin Afrika als die größte Herausforderung in der Migrationspolitik.
    Deutschland muss nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verteidigungsausgaben erheblich erhöhen. Die EU sei heute nicht in der Lage, sich gegen die Bedrohungen von außen zu verteidigen, sagte Merkel am Dienstagabend auf dem Wirtschaftstag der CDU. Deshalb sei nicht nur das transatlantische Bündnis wichtig. “Ganz gewiss heißt dies auch, dass ein Land wie Deutschland, das heute 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung ausgibt, und die Vereinigten Staaten, die 3,4 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, sich werden annähern müssen”, mahnte Merkel. “Es wird auf Dauer nicht gut gehen, dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungsleistungen tragen.”
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  6. Der Brexit und Europa: Sie wollten doch sowieso immer nur Großmacht sein
    Sollte es zum Brexit kommen, dann blieben sich die Briten nur treu: Sie waren nie für eine politische Union, sondern für ein Gleichgewicht der Kräfte. (…) De Gaulle wollte eine wirkliche Europäische Politische Union (EPU) souveräner Mitgliedstaaten, die auch als Gegengewicht zu einer amerikanischen Hegemonie dienen sollte. Er war besorgt, im Ernstfall würde Amerika nur seine eigenen Interessen gelten lassen. Als Mitglied der Bundesregierung und Leiter einer Nato-Übung 1979 im Bunker bei Bonn habe ich später dann selbst – wie übrigens offenbar auch ein Vorgänger von mir in dieser Funktion, Staatsminister Moersch – erlebt, dass Amerika beim ersten sowjetischen Vordringen auf deutsches Gebiet ohne Vorankündigung taktische Atombomben auf deutschem Boden einsetzte. Schon als Adenauer gegenüber dem amerikanischen Sicherheitsberater McGeorge Bundy angesichts britisch-französischer Rivalitäten auf die Führungsschwierigkeiten in Europa verwies, hatte dieser trocken geantwortet: „Führungsmacht Europas werden in den nächsten fünfzehn Jahren weder England, Frankreich noch die Bundesrepublik, sondern weiter die Vereinigten Staaten sein.“
    Quelle: Klaus von Dohnanyi in der FAZ

    Anmerkung unseres Lesers T.B.: Schade, dass solche Einblicke nur im hinteren Teil des Feuilletons abgedruckt werden. In der politischen Diskussion heutzutage ersetzen Ablenkung und Stillschweigen die kritische Auseinandersetzung.

  7. Gauck kritisiert vor Brexit-Votum nationale Alleingänge
    Bundespräsident Joachim Gauck hat kurz vor der britischen Abstimmung über die EU-Zugehörigkeit vor nationalen Alleingängen gewarnt. “Wenn ich an die großen Themen unserer Zeit denke – Sicherheit, Klimaschutz oder nachhaltiges Wirtschaftswachstum –, so ist es mir manchmal rätselhaft, wie manche glauben können, dass vitale Interessen unserer Gesellschaften durch die Europäische Union nicht wirkungsvoller geschützt und auch global vertreten werden können, als es je ein einzelnes Mitglied heute noch könnte”, sagte Gauck am Dienstag laut Redetext in der rumänischen Hauptstadt Bukarest.
    Quelle: Reuters

    Kommentar unseres Lesers M.S.: Die Betonung liegt auf „vertreten werden können“, besser hätte er gesagt: „Könnten“. Weder zielt der seit Jahren anhaltende Austeritäts-Wahn auf Wachstum, noch bietet die Konfrontationspolitik an der Seite der USA Sicherheit, im Gegenteil. Auch beim Klimaschutz hilft die neoliberale Ausrichtung der EU nicht weiter, sonst müsste sie als erstes ihre Fixierung auf industrielle Landwirtschaft aufgeben, und die damit verbundene Zerstörung der Böden, denn dabei werden vollkommen unnötig enorme Menge CO2 freigesetzt. Aber Gauck verteidigt stumpf ein Festhalten am alten Kurs, statt endlich die Notwendigkeit einer inhaltlichen Neuausrichtung zu betonen. Als Bundespräsident, der über dem politischen Alltagsgeschäft steht, hätte er aber genau diese Aufgabe (gehabt), notwendige Diskussionen anzustoßen.

  8. Kampf gegen Google und Co.: EU-Staaten segnen Gesetz gegen Steuervermeidung ab
    Europas Finanzminister wollen die Steuervermeidung großer Konzerne begrenzen. Der EU-Ministerrat hat ein Gesetz abgesegnet, das den Fiskustricksern bei Google, Apple und Co. das Leben schwer machen soll. (…) Mit dem Gesetz will die EU Konzerne dazu bringen, Steuern in den Ländern zu zahlen, wo die Gewinne tatsächlich anfallen. Bislang verteilen Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon ihre Gewinne so auf mehrere Länder, dass sie am Ende nur minimale Steuern zahlen müssen. Öffentlichen Kassen in der EU entgehen wegen Steuervermeidung 50 bis 70 Milliarden Euro im Jahr. Die EU-Finanzminister hatten sich bereits am vergangenen Freitag in Luxemburg grundsätzlich auf einen Kompromiss für das Gesetz verständigt. Wegen Einwänden von Belgien und Tschechien lief aber noch eine mehrtägige Stillhaltefrist. Die Vorbehalte seien nun ausgeräumt, berichteten Diplomaten. (…) Auch Deutschland hatte bis zuletzt Einwände gegen manche Punkte des geplanten EU-Gesetzes. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen vor allem das sogenannte Country-by-Country-Reporting einschränken. Dieses sieht vor, dass multinationale Konzerne wichtige Kennzahlen gegenüber dem Fiskus künftig für jedes Land einzeln angeben.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schäuble hält natürlich weiterhin seine schützende Hand über die armen, bedürftigen, milliardenschweren Großkonzerne.

  9. CETA – Poker: Entmachtung des Ministerrats durch die Kommission?
    Die Diskussion über die Verabschiedung des sog. Freihandelsabkommens CETA bekam vor einigen Tagen eine neue Wende. Bisher wurde CETA als gemischtes Abkommen betrachtet, über das nicht ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat entschieden werden kann. Kritiker sahen eine Hauptaufgabe darin zu verhindern, dass die Entscheidung des Parlaments durch eine vorläufige Anwendung vorweggenommen wird. Sie müssen sich wohl umorientieren, denn die Kommission kommt mit einer neuen Strategie.
    Nach einem in der FAZ vom 11. 6. 2016 unter Berufung auf „Quellen aus dem Umfeld der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström“ erschienenen Bericht soll ein längst überholt geglaubter Vorschlag der Kommission wieder hervorgeholt werden, und CETA als in alleiniger EU-Zuständigkeit liegendes Abkommen („EU-only“) ohne jegliche parlamentarische Beteiligung in den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Die Kommission will dazu am 5. Juli ein Gutachten zur Rechtsnatur von CETA sowie einen Vorschlag zum weiteren Prozedere vorlegen. Dieser Vorschlag soll für das weitere Ratifizierungsverfahren verbindlich sein. Ein Widerspruch des Ministerrats sei nur dann zu beachten, wenn dieser in Form eines einstimmigen Beschlusses aller 28 Mitglieder erklärt werde. Zugleich wurde bekannt, dass eine einstimmige Entscheidung ausgeschlossen erscheint: Denn Italien habe sich bereits der Meinung der Kommission angeschlossen.
    Quelle: Wilfried Pürsten im Blog von Norbert Häring
  10. Erbschaftsteuerreform – Herzliches Beileid an den Sozialstaat
    Die Erbschaftsteuer bleibt eine Bagatellsteuer. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.
    Quelle: Videokolumne von Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Paul Schreyer: Eine sehr sehenswerte Stellungnahme!

    Dazu: Opposition zur Erbschaftsteuerreform: Großer Murks statt großer Wurf
    Das Verfassungsgericht wird die Neuregelung stoppen, glauben Grüne und Linke. Die Grünen könnten das im Bundesrat auch selbst erledigen. […] Vermögende Firmenerben zur Kasse bitten. Auch die grüne Finanzexpertin im Bundestag, Lisa Paus, denkt nicht, dass die jetzt gefundene Regelung diesem Anspruch gerecht wird. „Das wird definitiv vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern“, meint Paus und nennt den Entwurf „einen großen Murks“, würden doch jetzt sogar zusätzliche Ausnahmen für Firmenerben eingeführt. Bevor es zu einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht kommt, haben es allerdings die Grünen selbst in der Hand, das Gesetz zu stoppen. Im Bundesrat nämlich. Bei den Grünen tobt jedenfalls eine Debatte, ob man jetzt zustimmt – und damit für den Großteil der Betriebe, die gar nicht betroffen wären, Sicherheit schafft – oder einen neuen Anlauf nimmt. Paus neigt zu Letzterem: „Wir appellieren an die Länder, nicht zuzustimmen. Rechtssicherheit gilt ja nur für eine kurze Zeit – bis zur nächsten Klage.“
    Quelle: taz

  11. Arbeitnehmer: Wie hoch steigt der Mindestlohn?
    In eineinhalb Wochen soll eine Entscheidung fallen, die das Leben von Millionen Arbeitnehmern hierzulande unmittelbar beeinflussen wird. Ende Juni nämlich gibt eine Kommission ihre Empfehlung für die künftige Höhe des gesetzlichen Mindestlohns ab. Seit dessen Einführung Anfang 2015 beträgt er 8,50 pro Stunde. Nun dürfte er zum 1. Januar 2017 auf wenigstens 8,77 Euro steigen. Innerhalb der Mindestlohnkommission, die aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besteht, tobt seit Monaten ein heftiger Streit über das Ausmaß der Lohnsteigerung. Zunehmend schaltet sich auch die Politik in die Debatten ein. So meldete sich am Montag der Linken-Abgeordnete und Arbeitsmarktexperte Klaus Ernst zu Wort und beklagte, dass zu viele Mindestlohn-Empfänger in Westdeutschland und in den Ballungszentren „am Tropf des Staates“ hingen. Der Mindestlohn sei viel zu niedrig und sichere häufig noch nicht einmal das gesetzlich garantierte Existenzminimum. (…) Für den Linken-Abgeordneten Klaus Ernst folgt daraus: „Der Mindestlohn muss ganz deutlich höher liegen, als derzeit durch die Mindestlohnkommission angedacht wird.“ Die Partei tritt für eine Erhöhung auf zwölf Euro pro Stunde ein. Der Gewerkschaft Verdi schweben zehn Euro vor. So weit wird die Mindestlohnkommission, die im Auftrag der Regierung über künftige Höhe berät, aber kaum gehen. Sie hat sich an der Entwicklung der Tariflöhne zu orientieren. Die Diskussionen im Gremium drehen sich um die Frage, ob die jüngsten Tarifabschlüsse für die Metallindustrie sowie für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen noch eingerechnet werden. Ist das der Fall, könnte der Mindestlohn um 37 Cent auf 8,87 Euro steigen. Bleibt dieser Schritt hingegen aus, könnte die Erhöhung sogar um zehn Cent geringer ausfallen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers S.L.: … 8,87 EUR auf 160 Std./Monat = 1.419,20 EUR, brutto wohlgemerkt, wenn ich mich recht erinnere. In Städten wie Stuttgart, Berlin & Co. kann damit niemand überleben. Vor nicht mal einem Monat kam die Rekordmeldung für DAX-Dividenden-Ausschüttungen in 2016 über mehr als 35 Mrd. EUR. Das System ist pervertiert, doch gewählt wird nicht mehr links, nein, wir erleben die Renaissance der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, Antisemitismus, Rechtsruck, Nationalismus, gepaart mit der Eskalation im Osten, wie es schon vor 1914 auf dem Balkan zu erleben war. JEDEM, aber auch JEDEM sollte bei diesen Gedanken”spielen” Angst und Bange werden …

  12. Mittelschicht in Deutschland: Das Abstiegsgespenst
    Aufstieg durch Leistung – möglich für alle! Das war das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft der alten BRD. Doch es gilt längt nicht mehr. Die Mittelschicht wird immer dünner.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  13. Vernichtungskrieg: “Kein Kommentar”
    Selbst 75 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion will die Bundesregierung diesen nicht als Beginn eines rassistischen Vernichtungskrieges bezeichnen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor. Demnach handelt es sich beim Überfall auf die UdSSR am 22. Juni 1941 nach offizieller Lesart “um einen unprovozierten Angriffskrieg des ‘Dritten Reiches'” – andere”rechts- oder geschichtswissenschaftliche Auffassungen” werde man “nicht kommentieren”. Die Haltung Berlins ist umso skandalöser, als zahlreiche verbrecherische Befehle der NS-Führung überliefert sind, in denen unmissverständlich die “Ausrottung” der “jüdisch-bolschewistischen Intelligenz” in der UdSSR angeordnet wird. Gleichzeitig weigern sich die deutschen Regierungsparteien, die von der Naziwehrmacht internierten sowjetischen Kriegsgefangenen als Opfer des NS-Regimes anzuerkennen; über einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion im Deutschen Bundestag wurde bis heute nicht entschieden. Mehr als drei Millionen gefangene Rotarmisten kamen im deutschen Gewahrsam ums Leben – sie starben an Hunger, vermeidbaren Krankheiten oder wurden gezielt ermordet. Insgesamt forderte der von Deutschland ausgehende Krieg auf sowjetischer Seite 27 Millionen Opfer, davon etwa 18 Millionen Zivilisten.
    Quelle: German Foreign Policy
  14. Eklat im Bundestag bei Anhörung zum neuen Anti-Terror-Paket
    Linke und Grüne haben eine Anhörung im Bundestag unter Protest verlassen, weil keine unabhängigen Geheimdienst-Experten geladen waren: Das Verfahren sei eine “Farce”. Datenschützer halten das Anti-Terror-Paket für verfassungswidrig. Dass die Opposition mit der Auswahl von Sachverständigen für eine parlamentarische Anhörung unzufrieden ist und am kritischsten auf Gesetzentwürfe der Bundesregierung blickt, gehört zum guten Ton. Am Montag platzte Linken und Grünen aber der Kragen bei einer Expertenrunde zum geplanten Gesetz für den “besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus” im Bundestag. “Das ist eine reine Farce, wir verlassen diese Sitzung”, wetterte die Linke Ulla Jelpke. Sie kritisiert, dass die Koalition gleich drei Präsidenten von Sicherheitsbehörden geladen und offenbar auch am bisherigen Gesetzgebungsverfahren beteiligt habe, nicht jedoch unabhängige Sachverständige. “Wir werden auch nicht beiwohnen”, betonte Irene Mihalic für die Grünen. Neben der Expertenauswahl kritisiert die Innenpolitikerin vor allem, dass Schwarz-Rot das Vorhaben noch in dieser Woche durch den Bundestag peitschen wolle, ohne “die Eilbedürftigkeit irgendwie sachgerecht zu begründen”. Die Opposition wolle sich nun förmlich bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beschweren.
    Quelle: heise.de
  15. Unicef-Bericht: Flüchtlingskinder werden in Deutschland benachteiligt
    Das Kinderhilfswerk Unicef prangert eine Benachteiligung von Flüchtlingskindern in Deutschland an. Anders als bei gleichaltrigen deutschen Kindern würden ihre Rechte auf Schutz, medizinische Versorgung und Bildung häufig nur eingeschränkt oder gar nicht gewahrt, kritisiert Unicef in einem neuen Bericht. Nicht jedes Flüchtlingskind werde gleich behandelt.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Fraktion DIE LINKE ruft gegen den einseitigen Einsatz der Bundeswehr in Syrien das Bundesverfassungsgericht an
    Am 31. Mai 2016 hat die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag im Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung und den Bundestag anhängig gemacht, der sich gegen den von beiden Organen beschlossenen Einsatz der Bundeswehr in Syrien und einigen anderen Gebieten richtet. Die Fraktion DIE LINKE wendet sich mit diesem Antrag dagegen, dass dieser Einsatz außerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit und ohne verfassungsrechtliche Grundlage stattfindet.
    Quelle 1: Nachricht der Linksfraktion
    Quelle 2: Video des Pressegesprächs der Linksfraktion

    Anmerkung Paul Schreyer: Eine wichtige juristische Initiative – dazu Sahra Wagenknecht wörtlich im Pressegespräch am Dienstag: „Es kann nicht sein, dass Bundeswehr-Einsätze beschlossen werden, für die es keine grundgesetzlich zureichende Mandatierung gibt. Das ist eindeutig kein UN-Mandat gewesen und damit sehen wir eben auch das formale Problem, dass dieser Einsatz grundgesetzwidrig ist und völkerrechtswidrig.“ Wolfgang Neskovic, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, äußerte sich bei diesem Pressegespräch wie folgt: „Ich will noch einmal deutlich machen, dass das hier wirklich juristisches Neuland ist und dass eigentlich die gesamte Community der Verfasssungsrechtler und auch der Völkerrechtler, die sich bisher dazu geäußert haben, sowohl in der rechtswissenschaftlichen Literatur, aber auch öffentlich, diesen Einsatz ausgesprochen kritisch sehen. (…) Es geht wirklich darum, dass hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und stattfindet.“

  17. Der Clash der Fankulturen
    Rechte Fangruppen aus Ost- und Mitteleuropa prägen die EM bisher. Vom Begegnungscharakter eines Fußballturniers bleibt da nichts mehr übrig, meint Stephan Fischer
    Bei Turnieren treffen immer auch unterschiedliche Fankulturen aufeinander. In Frankreich prägen rechte Ultrakulturen aus Mittel- und Osteuropa die Stadien – laut und brennend, dabei extem nationalistisch und gewaltaffin. […]
    Ein zwar hyperdurchkommerzialisiertes, aber noch irgendwie auf Begegnung angelegtes europäisches Fußballfest – diese EM hatte nie eine Chance, das zu werden. Denn zur erwähnten »Fankultur« kommt der extreme Nationalismus und auch Rassismus, der dann zum erwähnten polnischen Banner führt. Es hat keinen Fußballbezug – es ist gerade im multikulturell geprägten Marseille eine Kampfansage: An den Multikulturalismus der Stadt, an ein imaginiertes, durch »Genderismus und Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen verweichlichtes« Westeuropa. Hinter der auch reale Gewaltandrohung steht.
    Falls es ihn je gab – mit »Partypatriotismus« hat das nicht im Geringsten mehr zu tun, das ist auf die Straßen und in die Stadien Frankreichs getragener, gewaltbereiter, Nationalismus. Egal, ob von polnischen, russischen, kroatischen oder ungarischen Fans – die rechte Hegemonie in vielen mittel- und osteuropäischen Kurven hat in Geist und Ausdruck diese EM jetzt schon geprägt wie kein großes Turnier zuvor. Für viele noch ein Grund, neben vielen anderen guten, sich von dieser Form des »Wettbewerbs« mit Schauder abzuwenden.
    Quelle: Neues Deutschland
  18. Das Letzte: Schäuble über Flüchtlingspolitik: “Der Staat kann nicht barmherzig sein”
    Deutschland müsse bereit sein, seinen “hohen moralischen Anspruch” in der Flüchtlingspolitik “ein Stück weit europakompatibel zu machen”, sagt Finanzminister Schäuble. Soll heißen: seine Standards zu senken. (…) “Wir werden in Deutschland bereit sein müssen”, sagte Schäuble bei der Tagung des CDU-Wirtschaftsrats, “unseren hohen moralischen Anspruch ein Stück weit europakompatibel zu machen.” “Jeder Christ muss barmherzig sein”, sagte Schäuble. “Aber der Staat kann nicht barmherzig sein.”
    Quelle: n-tv

    Anmerkung Paul Schreyer: Eine „europakompatible Moral“, das erinnert an Merkels „marktkonforme Demokratie“. Sollen Moral, Demokratie oder christliche Werte wirklich nur noch unter dem Vorbehalt ihrer technischen Umsetzbarkeit in einem als „gegeben“ definierten System gelten? Was sind die eigentlichen Standards?


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