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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. Juni 2016 um 8:52 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Auf Weltmachtniveau
  2. Frankreich
  3. Bundesverfassungsgericht
  4. Buntenbach: Chance verpasst für eine echte Hartz IV-Reform
  5. Legalisiertes Lohndumping
  6. Wenn Extremisten die Mitte bilden – Teil 2
  7. Das Macht-was-Ihr-wollt-Gesetz
  8. NSU-Komplex: Ältere Corelli-Handys falsch ausgewertet
  9. Frauenfilme zu Frauenwahrheiten und Frauenfragen
  10. Schattenboxen und Schienenrealität
  11. Flüchtlingspolitik
  12. Zehntausende Studierende in Kalifornien sind obdachlos
  13. Wer Taschentücher sucht, sucht keine Antworten
  14. Unwilliges Gedenken an den Angriffskrieg 1941
  15. “AfD will Tabubrüche als Meinungsfreiheit durchdrücken”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Auf Weltmachtniveau
    Die deutsche Kanzlerin kündigt eine weitere Aufstockung des deutschen Militärhaushalts an und nimmt eine Aufrüstung auf dem Niveau der Vereinigten Staaten ins Visier. Die “Verteidigungsfähigkeit” der EU genüge “noch nicht”, um “alleine” die militärische Sicherheit “in unserem eigenen Gebiet” zu gewährleisten, erklärt Merkel; noch sei man auf die NATO angewiesen. Um dies zu ändern, sei es notwendig, die Aufwendungen für die Bundeswehr deutlich zu steigern. Zum ersten Mal nennt Merkel als Zielpunkt nicht den offiziellen NATO-Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sondern die Rüstungsausgaben der USA (3,4 Prozent). Erst vor wenigen Tagen hat der deutsche Außenminister sich in der weltweit führenden Außenpolitik-Zeitschrift (“Foreign Affairs”) zu “Deutschlands neuer globaler Rolle” geäußert und Berlin als “zentralen Spieler” der Weltpolitik eingestuft. Laut Steinmeier ist der deutsche Aufstieg zum einen dem “Straucheln” der Vereinigten Staaten nach dem Irak-Krieg zu verdanken, zum anderen der Tatsache, dass die EU derzeit in einer tiefen Krise steckt und nicht so handlungsfähig ist wie erhofft. Nur Deutschland habe sich konsolidieren können, erklärt der Außenminister; Berlin werde nun “sein Bestes geben”, um sich in der Weltpolitik “so umfassend wie möglich zu behaupten”.
    Quelle: German Foreign Policy

    Anmerkung Albrecht Müller: ein weiterer Beleg für die “Sozialdemokratisierung” der Union und von Frau Merkel. Wer diese Behauptung weiterhin aufstellt, ist nicht ernstzunehmen. Man muss der Bundeskanzlerin wirklich dankbar sein für diese offene Unterstützung der Militarisierung auf US-amerikanischen Niveau. Denn nur selten findet man so deutliche Belege dafür, dass unsere Bundeskanzlerin von den USA geführt wird. Sozusagen die Kollegin des Herrn Bundespräsidenten.

    Dazu: Teurer Wahnwitz
    Verständlicher wird Merkels verbale Aufrüstung, wenn man sich an Obamas Hannover-Besuch erinnert. Anfang Mai verlangte der US-Präsident unverblümt, dass die NATO-Partner ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen. Das sei, so der US-Präsident, beim letzten Gipfel in Wales 2014 vereinbart worden. Der »liebe Barack« schaute der »lieben Angie« dabei ganz tief in die Augen. Merkel blinzelte, eierte, schwor, man wolle bis 2020 den Verteidigungshaushalt von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro wachsen lasse und bis 2030 sogar 130 Milliarden Euro mehr ausgeben. Doch so gewann sie allenfalls ein wenig Zeit. Die ist abgelaufen, der nächste NATO-Gipfel in Warschau steht an, seine Zeichen stehen auf Kalten Krieg. Bestenfalls.
    Quelle: Neues Deutschland

    Dazu auch: Gauck sind wir los – Wann geht Merkel?
    Ich habe von Merkel noch nie etwas gehalten. Sie hat mit anderen den Sozialstaat abgebaut, die Völker Europas gegeneinander aufgebracht und die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts auf Druck der USA aufgegeben. Es ist daher klar, dass das brave Mädel aus der Uckermark auch den Vorgaben des US-Imperialismus folgen wird, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
    Gestern sagte sie, die EU sei heute nicht in der Lage, sich gegen die Bedrohungen von außen zu verteidigen. „Ganz gewiss heißt dies auch, dass ein Land wie Deutschland, das heute 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung ausgibt, und die Vereinigten Staaten, die 3,4 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, sich werden annähern müssen. Es wird auf Dauer nicht gut gehen, dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungsleistungen tragen.”
    Hat diese Dame sie noch alle? Die Nato-Staaten geben 13mal so viel für Rüstung aus (905 Milliarden Dollar) wie Russland (66,4 Milliarden Dollar). Allein schon die Aussage, dass die Vereinigten Staaten, die weltweit – die Zahlen schwanken – bis zu 1000 Militär-Stationen unterhalten, um ihre imperialen Ziele durchzusetzen, die 596 Milliarden Dollar zur „Verteidigung“ (!!!!!) ausgeben, zeigt, dass Merkel nichts verstanden hat und zu einer eigenständigen deutschen Außenpolitik nicht fähig ist. Aus „Kohls Mädchen“ ist Obamas (demnächst wohl Clintons) „Mädchen“ geworden. Und Clinton ist zweifelsfrei eine Marionette der Wall Street, der Öl- und Rüstungsindustrie.
    Der seit Jahren geforderte Kurswechsel in der Politik beginnt damit, dass Deutschland und Europa sich auf ihre eigenen Interessen besinnen und eine selbständige Außenpolitik machen. Mit Merkel geht das nicht.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

  2. Frankreich
    1. Die Troika nach Paris bringen
      Seit Jahren argumentiere ich, dass ein großer Teil der Entwicklung, die wir in den letzten acht Jahren in Europa beobachtet haben, ein Ergebnis von Sozialtechnik ist. Bestandteil dessen war eine umfassende Offensive der europäischen Eliten, die die Wirtschaftskrise nutzen, um Europa in eine andere Form von Gesellschaft zu transformieren, mit dem Resultat reduzierter sozialer Sicherungsnetze, niedrigerer Löhne und – ob beabsichtigt oder nicht – einer zunehmenden Ungleichheit. Mit den Auseinandersetzungen über ein umfassendes neues Arbeitsrecht in Frankreich ist es dort in den letzten Wochen zu Streiks und Protesten gekommen. Unter anderem soll das Gesetz den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinsichtlich der Bezahlung von Überstunden, der Wochenarbeitszeit und der Arbeitsplatzsicherheit reduzieren. Am schädlichsten sind Maßnahmen, die strukturell die Gewerkschaften schwächen und deren Verhandlungsmacht untergraben würden. Tarifverhandlungen sollen von der Branchenebene auf die Unternehmensebene verschoben werden, sodass es den Gewerkschaften schwerer fällt, allgemeine Standards hinsichtlich der Löhne, der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen festzulegen.
      Quelle: annotazioni
    2. Eskalation in Frankreich
      Nach erfolgreichen Massenaktionen gegen die geplante Arbeitsrechtsreform hat sich die Tonlage der Auseinandersetzung deutlich verschärft. Während für den 23. und den 28. Juni weitere Aktionstage und Streiks angekündigt sind, droht Hollande mit Demonstrationsverbot. Gleichzeitig haben in allen Lagern die Vorbereitungen auf die Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 begonnen.
      Die Auseinandersetzung um die neue Arbeitsgesetzgebung in Frankreich (wir haben hier darüber berichtet ) spitzen sich weiter zu. Die Regierung hatte auf die narkotisierende Wirkung der Fußball EM gesetzt und gehofft, dass sich die Proteste totlaufen. Das war eine Fehlkalkulation. Der Aktionstag am 14. Juni war ein großer Erfolg für die Gegner der Hartz IV Reform à la française. In ganz Frankreich nahmen nach Angaben der Veranstalter 1,3 Millionen Menschen an Demonstrationen, Streiks und anderen Protestveranstaltungen teil. Das Innenministerium behauptete, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, es seien viel weniger gewesen, und spricht von nur 125.000 Teilnehmern.
      Unabhängig von dem rituellen Streit um Zahlen zeigen Umfragen eine harte Realität für die Regierung: gut 60% der Franzosen unterstützen die Protestbewegung (hier).
      Nach dem Aktionstag schien es zunächst, als ob ein politischer Kompromiss gesucht würde. Die zuständige Ministerin, Myriam El Khomri, traf sich am 17. Juni mit dem Chef der CGT, Philippe Martinez. Die CGT hat dabei eine Unterbrechung der parlamentarischen Lesung des Gesetzes vorgeschlagen und eine Umformulierung des zentralen Artikels 2 gefordert (hier). Es ging also nicht mehr um die ursprüngliche Forderung, das Gesetz komplett zurückzunehmen, sondern um eine dialogorientierte Veränderung. Aber El Khomri ging auf das Angebot nicht ein.
      Während die Ministerin so tat, als ob sie gesprächsbereit sei, verschärften Präsident Hollande und Premierminister Manuel Valls die Tonlage und drohten sogar mit dem Verbot weiterer Protestaktionen (hier ). Begründet wird dies damit, dass es am Rande des Aktionstages auch zu Randale gekommen war. Auch das hat in Frankreich rituellen Charakter, ebenso wie die anschließende Kontroverse, ob die Polizei provoziert habe, oder ob Chaoten aus den Reihen der Demonstranten dafür verantwortlich sind.
      Quelle: Makroskop
    3. Tränengas, Fußball und Revolte: Wer gewinnt in Frankreich?
      Frankreichs Regierung hätte zur Fußball EM der Männer gerne die Streiks und Proteste gegen das Arbeitsgesetz befriedet. Doch im Nachbarland macht man sich über die EM und die FIFA lustig. Denn dort geht es inmitten des Ausnahmezustands um elementare Arbeitsrechte.
      Ein Kampf für Demokratie ist entbrannt. Eingefordert wird nicht weniger als eine ganz andere, ganz neue Form von Politik. Der bislang heftigste Protest gegen das von der Regierung geplante Arbeitsgesetz fand am 14. Juni statt. Streiks und die Platzbesetzungen von Nuit Debout gehen weiter. Am 23. und 28. Juni sind die nächsten Demonstrationen angekündigt. Gleichzeitig erstarkt der Rechtspopulismus, rechte Hooligans verunsichern die Straßen und der Front National bekommt immer mehr Zustimmung. Wer gewinnt?
      Quelle: Institut Solidarische Moderne
    4. Kämpfende französische Gewerkschaften gegen Demonstrationsverbote – während dessen der Internationale Gewerkschaftsbund Farbe bekennt: Gegen die Streikenden in Frankreich
      Der Polizeipräfekt von Paris hat am Mittwoch morgen jede Art Demonstration am Donnerstag verboten! Ursprünglich wollte er nur eine Kundgebung zulassen, Ministerpräsident Valls einen „freiwilligen“ Verzicht erwirken, die Verbotsdrohung blieb im Raum. Währenddessen mobilisieren Gewerkschaften und Jugendverbände für das Demonstrationsrecht. Wenn der monatelange Kampf bisher etwas erreicht hat dann gehört auf jeden Fall dazu: Dass sich die Fronten klären, dass Positionierung gefordert ist. Was auch passiert: Eine sozialdemokratische Regierung, die den Notstandsknüppel auch gegen Gewerkschaften anwendet, ist ein deutliches Signal, eine Mobilisierung gegen ein Verbot auch. Und während die internationale Solidarität mit den Streikenden und Demonstrierenden weiter anwächst, bezieht auch der Internationale Gewerkschaftsbund Stellung, für seine Arbeitsgesetz gestaltende Mitgliedsgewerkschaft CFDT.
      Quelle: LabourNet Germany

      Dazu: Wegen Sicherheitsbedenken abgesagt
      Aus Sorge vor neuen Ausschreitungen haben die französischen Behörden eine geplante Demonstration gegen die umstrittene Arbeitsmarktreform in Paris verboten. Wegen Sicherheitsbedenken gebe es „keine andere Wahl“, als die für Donnerstag angemeldete Kundgebung zu untersagen, erklärte die Pariser Polizeipräfektur am Mittwoch. Die Präfektur verwies auf Randale bei früheren Demonstrationen und die Belastung der Polizei durch die Anschlagsgefahr und die Fußball-Europameisterschaft.
      Die Gewerkschaften hatten für Donnerstag aus Protest gegen die geplante Lockerung des Arbeitsrechts eine neue Demonstration in Paris geplant und wollten vom Bastille-Platz zum Platz der Nation marschieren. Die Polizei wollte dies aber aus Sorge vor neuen Krawallen nicht erlauben und drängte auf eine Kundgebung an einem festen Ort, die leichter abzusichern ist. Dies wiederum lehnten die Gewerkschaften „kategorisch“ ab.
      Zuletzt schlugen die Gewerkschaften alternative Demonstrationsrouten vor – die Polizeipräfektur erklärte aber, auch diese würden der „Notwendigkeit der Sicherheit von Menschen und Gütern“ nicht Rechnung tragen. Die Demonstration werde daher verboten.
      Dass die Behörden unter einer sozialistischen Regierung eine Gewerkschaftsdemonstration verbietet, sorgte umgehend für scharfe Reaktionen – auch bei den Sozialisten selbst. Der Abgeordnete Christian Paul vom linken Parteiflügel sprach von einem „historischen Fehler“.
      Quelle: taz

      Anmerkung Christian Reimann: Um die Demokratie “marktkonformer” (Merkel) gestalten zu können, ist offenbar jede Maßnahme recht. Kann es sein, dass nun Frankreich das “Versuchslabor” für diesen mindestens europaweiten Umgestaltungsversuch ist?

    5. Geheimdienst-Chef: “Frankreich steht am Rande eines Bürgerkriegs”
      Der Leiter des französischen Inlandgeheimdienstes warnt vor Ultrarechten, die eine Konfrontation mit anderen Gemeinschaften suchen: “Ich fürchte hundert Mal mehr die Radikalisierung als den Terrorismus”
      Nichts ist mehr einfach in Frankreich, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Das ist auch an der Verwirrung zu der Partei zu sehen, die sich sonst so um authentische, einfache und klare Positionen gegen “das System”, also alle anderen Parteien, bemüht. Aus Sicherheitsgründen hat die Präfektur von Paris die für morgen angekündigte Demonstration gegen das Arbeitsrecht verboten. Die Reaktionen darauf fallen nicht nur auf der linken Seite unterschiedlich aus, sondern auch beim FN.
      Quelle: Telepolis
  3. Bundesverfassungsgericht
    1. Europäische Zentralbank (EZB) muss demokratisch kontrolliert werden!
      Mit der Urteilsverkündung zum Outright Monetary Transaction (OMT)-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) ist heute (21. Juni) das bisher längste Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu Ende gegangen. Das Programm zum Aktien- und Anleihenkauf überschreite noch nicht die währungspolitischen Kompetenzen der EZB, entschieden die Karlsruher Richter. Die vom Verein Mehr Demokratie initiierte und von 37.000 Bürger/innen unterstützte Verfassungsbeschwerde wurde damit in ihrem letzten offenen Teil abgewiesen. Zugleich legte das Gericht jedoch fest, dass sich die Bundesbank an der Durchführung des OMT-Programms nur unter bestimmten Auflagen beteiligen darf. Mehr Demokratie wertet das als inhaltlichen Teilerfolg.
      „Das Gericht verpflichtet die Bundesbank, bei Eurorettungsmaßnahmen darauf zu achten, dass diese in Laufzeit und Volumen begrenzt und kontrollierbar bleiben. Zudem werden Bundesregierung und Bundestag dazu verpflichtet, solche Maßnahmen dauerhaft zu beobachten“, so Roman Huber, Geschäftsführender Bundesvorstand von Mehr Demokratie.
      „Das Urteil zeigt auch, dass Verfassungsgericht und EuGH vor einem Dilemma stehen: Die Europäischen Verträge halten den aktuellen Herausforderungen im Grunde nicht mehr Stand. Die Gerichte müssen aber im Rahmen der geltenden Bestimmungen urteilen“, erklärt Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, die die Beschwerdeführenden als Prozessbevollmächtigte vertritt.
      „Der große Erfolg unserer Verfassungsbeschwerde ist es, den Diskurs über die Demokratiefrage jenseits von finanz- und währungspolitischen Themen angestoßen zu haben. Das Bundesverfassungsgericht hat ja im gesamten Verfahren immer wieder die Kontroll- und Informationsrechte des Bundestages gestärkt. Wir haben also die rechtliche Klarstellung erreicht, dass unbegrenzte Souveränitätsabgaben ohne demokratische Legitimation nicht möglich sind.“
      Quelle: Verfassungsbeschwerde zu Eurorettungsschirm, Fiskalvertrag und OMT

      Die Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil findet sich hier.

    2. Karlsruhe genehmigt EZB-Politik
      Bundesverfassungsgericht folgt dem EuGH – und wird auf Twitter daraufhin heftig beschimpft
      Das Bundesverfassungsgericht hat heute mit seinem Urteil über die Europäische Zentralbank (EZB) klargemacht, dass die Euro-Rettungspolitik der EZB verfassungskonform ist. Die Währungshüter überschritten mit dem Anleihekaufprogramm OMT ihre Kompetenzen nicht, urteilen die Verfassungsrichter.
      Das Bundesverfassungsgericht galt seit seinem Urteil vom Januar 2014 als Kritiker der EZB-Politik. Damals hatte es noch entschieden, dass die EZB ihre Kompetenzen überschreite und de facto Wirtschaftspolitik betreibe. Die Richter hatten den Fall damals aber zur weiteren Beurteilung an den Europäischen Gerichtshof EuGH weiterverwiesen. Dieser urteilte dann im Juni 2015, dass die EZB doch regelkonform agiere, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Das deutsche Verfassungsgericht übernimmt nun im Großen und Ganzen die Einschätzung des EuGH. Mit dem Urteil von heute kommt möglicherweise der Jahre lang schwelende Verfassungsstreit zu einem Ende. In diesem spiegeln sich wesentliche Fragen des graduellen Souveränitätsverzichts innerhalb der Europäischen Union.
      Zu den Klägern gehörten Kritiker der aktuellen EZB-Politik aus den unterschiedlichsten Richtungen: von liberalen Ökonomen bis hin zur Bundestagsfraktion „Die Linke“. Die „EZB-Schattenregierung“ (wie diese twitterte) hat damit nun freie Hand für die Fortsetzung ihrer Politik nach eigenem Gutdünken, denn die EZB ist grundsätzlich unabhängig. Dazu zählt nicht nur die Politik der großzügigen Versorgung mit Bargeld, was die Geschäftsbanken zuletzt finanziell über Wasser gehalten hat, sondern auf der anderen Seite auch die erzwungene Sparpolitik in Griechenland, die von der EZB mitgetragen und beaufsichtigt wird.
      Quelle: Hintergrund
    3. Staunenswertes aus Karlsruhe: zum OMT-Urteil des BVerfG
      Was man aber vor lauter Tagesaktualität nicht übersehen sollte: das heutige Urteil setzt nach über 20 Jahren Bauzeit in schwindelerregender Abstraktionshöhe den Schlussstein in eins der luftigsten und ambitioniertesten verfassungsjuristischen Gedankenkonstrukte, das je von Richterhand errichtet worden ist. Die Rede ist von jenem ominösen „Recht auf Demokratie“, das selbst das vorliegende Urteil nur zwischen Gänsefüßchen beim Namen zu nennen wagt (RNr. 147, 166). Welchen Gefallen das Gericht uns damit getan hat, wird sich erst noch weisen müssen. (…)
      Vor allem suggeriert das BVerfG damit: Kommt zu uns, wenn ihr ein Problem mit euren demokratischen Partizipationsmöglichkeiten habt! Zieht vor Gericht! Statt um politische Mehrheiten zu kämpfen – klagt! Statt die Macht zu erobern – empfangt das, was ihr fordert, aus der Hand des Rechts! Aus der Hand derer, die sich auf demokratische Legitimation nun wirklich zu allerletzt stützen können – von uns!
      Das werden sich die Herren Gauweiler, Marcus C. Kerber und tutti quanti nicht zweimal sagen lassen. Fünfmal die Woche werden sie fortan klagen in Karlsruhe. Sie werden erwarten, dass das BVerfG dann schon irgendwann auch mal liefert. Ob es das dann auch tut? Mit wunderschönen Grundsatzdokumenten kann man diese Leute jedenfalls fortan nicht mehr abspeisen, das Pulver ist verschossen.
      Das Gericht hat sich, wie gesagt, ein spektakuläres Gerüst gezimmert mit seinem „Grundrecht auf Demokratie“.
      Quelle: Verfassungsblog
  4. Buntenbach: Chance verpasst für eine echte Hartz IV-Reform
    Zur abschließenden Lesung des sog. Hartz-IV-Rechtsvereinfachungsgesetzes im Deutschen Bundestag am Donnerstag sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Mittwoch in Berlin: „Auch die neunte Gesetzesnovellierung in elf Jahren Hartz IV bringt keine wesentlichen Verbesserungen. Die vorgesehenen Änderungen in letzter Minute können nicht darüber hinwegtäuschen: Es wird nicht einfacher für Betroffene und Jobcenter. Durch eine Entschärfung der Sanktionen hätte der Gesetzgeber für beide Seiten Druck aus dem System nehmen können. Die Neuregelungen bewirken Veränderungen in Details, einige sind positiv, andere wirken rechtsverschärfend, etwa im Bereich von Aufrechnungen und Rückforderungen von Leistungen.
    Quelle: DGB
  5. Legalisiertes Lohndumping
    Angeblich soll das Gesetz zur Regulierung von Leiharbeit mit Lohndrückerei aufräumen. In Wirklichkeit zementiert es die Spaltung der Belegschaft.
    Das geplante Gesetz zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen soll angeblich mit der Lohndrückerei und Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Betrieben aufräumen. Tatsächlich können Unternehmen weiterhin reguläre Arbeitsplätze durch Leiharbeit und Werkverträge ersetzen, was die Löhne drückt und die Spaltung der Belegschaften zementiert. Und für Beschäftigte wird es durch das Gesetz womöglich noch schwerer, gegen den Missbrauch von Scheinwerkverträgen vorzugehen.
    Die Überlassung von Arbeitnehmern soll nur vorübergehend erfolgen, so schreibt es das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor. Was vorübergehend bedeutet, wird im Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Nahles nun konkretisiert: Leiharbeit soll auf 18 Monate begrenzt werden, nach neun Monaten sollen Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten. Diese Fristen sind aber nicht nur so lang, dass sie drei Viertel aller Leiharbeitsverhältnisse gar nicht betreffen. Sie können auch durch Tarifverträge endlos verlängert werden. Zudem beziehen sich die Fristen nicht auf den Arbeitsplatz, sondern auf den einzelnen Arbeitnehmer: Unternehmen können also unbegrenzt Leiharbeitskräfte beschäftigen, wenn sie diese spätestens alle 18 Monate austauschen. Mit einer Unterbrechung von drei Monaten soll jeder Leiharbeiter sogar wieder auf seinem alten Arbeitsplatz eingesetzt werden können. Statt durchzusetzen, dass für gleiche Arbeit am gleichen Ort auch der gleiche Lohn gezahlt wird, wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Betrieben mit diesem Gesetz weiter gefestigt.
    Quelle: Sahra Wagenknecht auf FR Online
  6. Wenn Extremisten die Mitte bilden – Teil 2
    Der Neoliberalismus schleift die Industrien samt Sozialstaat. Damit werden auch die Grundlagen einer nachhaltigen Ökonomie vernichtet. Doch die Rechte scheint das nicht weiter zu interessieren.
    Großbritannien hat sich niemals von der Krise in 2008 erholt. Wie Ha-Joon Chang, ein Wirtschaftsprofessor in Cambridge, schreibt, liegt die Wurzel der ökonomischen Instabilität in der Überdehnung des britischen Finanzsektors und der Verödung der industriellen Produktion (die nur noch etwa 10% des BIP ausmacht). Chang beschreibt diese Entwicklung sehr gut. Seit der Krise ist der Wert des Pfunds um etwa 30% gefallen. Eine Abwertung in einer solchen Größenordnung müsste eigentlich zu einem Boom in der Produktion und zu einer wirtschaftlichen Expansion führen. Doch genau dies geschah nicht. Die Realwirtschaft ist so schwach, dass keine Hoffnung auf einen Aufschwung mehr besteht. Selbst mit der massiven Abwertung hat sich die britische Handelsbilanz in der Realwirtschaft (Industrieexporte minus Industrieimporte) in Proportion zum BIP kaum verändert.
    Quelle: Makroskop

    Anmerkung Christian Reimann: Teil 1 des Beitrages ist hier.

  7. Das Macht-was-Ihr-wollt-Gesetz
    «Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (link is external)» ist der offizielle Titel des neuesten «Anti-Terror-Pakets», das die Regierungsfraktionen am 7. Juni 2016 in den Bundestag eingebracht haben. Solche Artikelgesetze haben wir – gerade im so genannten Sicherheitsbereich – schon x-mal gehabt: Der Gesetzentwurf ist kaum lesbar. Er ändert die verschiedensten Gesetze. Seine Paragrafen sind gespickt mit Verweisungen auf Regelungen in denselben oder in anderen Gesetzen, die zum Teil wiederum weiter verweisen.
    Ein Sammelsurium von Verschärfungen: Wer die «weitere Betätigung» eines verbotenen Vereins oder eine «terroristische Vereinigung» unterstützt, kann in Zukunft nicht nur bestraft, sondern auch nach der Strafverbüßung unter Führungsaufsicht gestellt werden. Wer ein Prepaid-Handy benutzt, muss sich mit einem Pass oder Personalausweis registrieren lassen. Die Daten dienen natürlich nicht dem Provider, sondern den Sicherheitsbehörden. Und auch sonst hält der Entwurf für alle Dienste und Behörden, die auf Bundesebene an der einen oder anderen «Bekämpfung» beteiligt sind, etwas bereit: Der Bundesnachrichtendienst darf mehr Auskünfte von Telekommunikationsunternehmen, Luftfahrtgesellschaften und Finanzdienstleistern verlangen. Die Bundespolizei soll Verdeckte Ermittler*innen auch im präventiven Bereich – also ohne Straftatverdacht – einsetzen können. Die «Projektdateien», die das Bundeskriminalamt (BKA) und die deutschen Geheimdienste gemeinsam führen, sollen nun nicht mehr nur höchstens vier, sondern insgesamt fünf Jahre Laufzeit haben. Und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) soll künftig auch gemeinsame Dateien mit ausländischen Geheimdiensten betreiben können.
    Quelle: Grundrechtekomitee

    Dazu: Gesetzentwurf zur Geheimdienst-Kontrolle: Große Koalition will Massenüberwachung legalisieren und legitimieren
    Die Massenüberwachung der Geheimdienste soll legalisiert und ausgeweitet, aber dafür ein bisschen besser kontrolliert werden. Das geht aus dem Gesetzentwurf zur Kontrollgremium-Reform hervor, den wir veröffentlichen. Damit will die Große Koalition das öffentliche Vertrauen in die Geheimdienste „stärken“.
    Als Konsequenz aus Snowden-Enthüllungen und NSA-Untersuchungsausschuss wollen Bundesregierung und Große Koalition die Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste legalisieren und ausweiten, aber gleichzeitig „das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit der Dienste stärken“. Seit einem Jahr wird an einer Geheimdienst-Reform gearbeitet, diese soll bereits zum Jahreswechsel in Kraft treten. Nach Informationen von netzpolitik.org will die Bundesregierung das Reform-Paket bereits nächsten Dienstag beschließen, die Koalitions-Fraktionen dann in der ersten Juli-Woche – als letzte Amtshandlung vor der Sommerpause.
    Vor zwei Wochen haben wir die erste Hälfte dieses Reform-Pakets veröffentlicht: den Gesetzentwurf zur „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“. Neben uns kommen auch viele Experten zu dem Fazit, dass das neue Gesetz bisher illegale Überwachungspraktiken des BND einfach legalisiert – und sogar noch ausweitet.
    Jetzt haben wir auch die zweite Hälfte des Reform-Pakets erhalten, über die andere Medien bereits berichtet hatten: die Änderung der Geheimdienst-Kontrolle in Kontrollgremiumgesetz und Artikel 10-Gesetz. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf an dieser Stelle wie gewohnt in Volltext: Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes.
    Quelle: Netzpolitik.org

    Anmerkung Christian Reimann: Eigentlich ein unglaublicher Vorgang: Anstatt die Geheimdienste effektiver Kontrolle zu unterstellen, sollen deren Aktivitäten, die zu einem der größten Skandale der Nachkriegsgeschichte geführt haben, legalisiert werden.

  8. NSU-Komplex: Ältere Corelli-Handys falsch ausgewertet
    Im Fall um den V-Mann “Corelli” droht ein weiterer Skandal: Bisher hieß es, der Top-Spitzel habe keinen Kontakt zum NSU gehabt. Doch nun stellt sich heraus: Ältere Corelli-Handys und -SIM-Karten wurden noch gar nicht ausgewertet.
    Quelle: Tagesschau

    Dazu: Causa “Corelli”: Welche Verbindungen hatte der V-Mann zum NSU?
    Zweifel an den offiziellen Darstellungen – Sonderermittler Jerzy Montag vor dem Untersuchungsausschuss in NRW
    Das Bild des unaufgeklärten NSU-Komplexes setzt sich aus Tausenden von Bruchstücken zusammen – Woche für Woche weitere Details. Auch letzte Woche (16. Juni) erfuhr man im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) von Nordrhein-Westfalen Neues: Vom toten V-Mann “Corelli” mit dem bürgerlichen Namen Thomas Richter gibt es einen weiteren, bisher nicht bekannten Bezug zum “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU). Die Paulchen Panther-Propaganda-DVD mit den Mordtaten soll Videosequenzen über rechtsradikale Aktivitäten beinhalten, die der Mann gedreht und auf seine Homepage gestellt hatte. Das berichtete Jerzy Montag, vom Bundestag eingesetzter Sonderermittler zum Fall Richter/Corelli, eher beiläufig den Abgeordneten in Düsseldorf. Um genau zu sein, handelte es sich um einen Bezug des NSU zu “Corelli”.
    “Corelli” – das ist inzwischen eine Chiffre für den staatlichen Anteil am Treiben der Terrorgruppe NSU. So wie “Primus”, “Tarif”, “Piatto”, “Otto”, “Hagel” – Decknamen von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Szene mit Verbindungen zum Böhnhardt-Mundlos-Zschäpe-Trio. Die ganze Dimension ist noch unklar.
    Nach dem plötzlichen Tod von Thomas Richter im April 2014 beauftragte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages, das die deutschen Geheimdienste kontrollieren soll, den früheren Abgeordneten der Grünen, Jerzy Montag, die Todesumstände zu untersuchen. Im Mai 2015 lieferte Montag seinen Bericht ab.
    Er ist als geheim eingestuft und gesperrt. Lediglich eine 30-seitige Zusammenfassung wurde veröffentlicht. Doch wie ungenügend selbst der Parlamentsbeauftragte Montag Einblick in die Angelegenheit bekommen hat, zeigt sich in diesen Wochen: Der Tod Richters wirft erneut Fragen auf.
    Quelle: Telepolis

  9. Frauenfilme zu Frauenwahrheiten und Frauenfragen
    Zum journalistischen Tiefpunkt der Woche erklären wir folgende Passage aus einem Bericht der Frauenzeitschrift Brigitte online zum “Fall Lohfink”: Der Vorgang ist ein fatales Signal an die vielen Frauen in Deutschland, die sexuelle Gewalt erleben. Schon jetzt kommt es bei rund 160.000 Vergewaltigungen pro Jahr zu unfassbar wenigen Verurteilungen: ungefähr 1.000 (…) Was jetzt noch hinzu kommt: Frauen, die gegen ihre Peiniger aussagen, sehen sich nun auch noch der Gefahr ausgesetzt, dass sie wegen Falschaussage zu hohen Geldstrafen verurteilt werden können.”
    In diesen Zeilen purer Kenntnisfreiheit findet sich alles, was beim an Bürgerrechte, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und journalistische Kompetenz glaubenden Menschen einen Brechreiz auslöst. Weder gibt es “160.000 Vergewaltigungen pro Jahr” noch “unfassbar wenige Verurteilungen”: Beides ist frei erfunden. Dasselbe gilt für das angeblich “jetzt (!) Hinzukommende (!)”: Dass Menschen, die andere Personen einer Straftat beschuldigen, allein deswegen selbst strafbar sein könnten. […]
    Denn ausgerechnet auf das “Warum auch immer” kommt es leider gerade an – jedenfalls solange wir noch über ein (Straf)Recht sprechen, das den Menschenrechten, der Wahrheit und der Fairness verpflichtet ist. Welche “Warum auch immer” fallen uns ein? Heute (nach geltender Rechtslage) ist es so: Wenn das Tatopfer sich nicht wehrt, weil es weiß, dass die Tür abgeschlossen ist und es keine Chance hat, zu entkommen: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es konkludent bedroht wurde, und sei es nur durch Gesten oder im Vorfeld: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es sich vor Gewalteinwirkungen fürchtet: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es dazu aus psychischen Gründen oder aus physischen Gründen (Drogen, Alkohol, Geisteskrankheit, psychische Störung) unfähig ist: strafbar.
    Die neue Lösung soll nun darin bestehen, dass das Aussprechen des Wortes “Nein” oder der Formulierung “Ich will nicht” irgendwie isoliert, begründungslos, zusammenhanglos neben dem sonstigen Verhalten des Opfers steht. Das ist Unfug. Handelt es sich um eine “offene”, ersichtlich nicht von Nötigungshandlungen getragene Situation, wird man selbstverständlich (!) auch weiterhin das “Tatopfer” fragen müssen (!), warum es einerseits “nein” gesagt, andererseits aber widerstandslos getan hat, was der oder die Täter(in) verlangte. Alles andere wäre ein grober Verstoß gegen die gesetzliche Aufklärungspflicht. Denn das Aussprechen des Wortes “Nein” ist ja kein magisches Zauberritual, das die Deutung einer Situation ein für allemal festlegt und entscheidet. Wie jede andere Aussage in jedem anderem Zusammenhang kann das “Nein” oder “Hör’ auf” ganz ernst, halb ernst oder gar nicht ernst gemeint sein; es kann überdacht, geändert, beeinflusst, aufgegeben, beschränkt, ausgeweitet, missverstanden werden.
    Quelle: Fischer im Recht
  10. Schattenboxen und Schienenrealität
    Kefer lächelt und schwächelt. Grube wackelt und dackelt. Weber wabert und labert. Pofalla lauert und dauert. Wenn das mal nur alles wäre. Bahnexperte Winfried Wolf beschreibt, was sonst noch im Argen liegt beim Schienenkonzern. Das Schattenboxen in der Führungsetage der Deutschen Bahn AG bestimmt die aktuellen Berichte über die Deutsche Bahn AG. Doch diese sind nicht bestimmend für die Schienenwelt. Die Schienenwirklichkeit wird im “Manager-Magazin” beschrieben, wenn es dort heißt, wir hätten eine Bahn, “die den Staat ständig mehr Geld kostet, [die] aber immer weniger leistet”. Das ist hart, aber wahr und wird bei einer Besichtigung der fünf offenen Großbaustellen der Deutschen Bahn AG deutlich.
    Da ist erstens die seit gut eineinhalb Jahrzehnten vernachlässigte Infrastruktur, für die im Übrigen Bahnvorstand Kefer verantwortlich zeichnet. Die Deutsche Bahn AG erweist sich als strukturell unfähig, Instandhaltungsarbeiten durchzuführen, die mehr als 150 Jahre lang bei Eisenbahnen Standard waren.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  11. Flüchtlingspolitik
    1. Wohnsitzzwang für Flüchtlinge weiter in der Kritik
      Bis zur Sommerpause will die Koalition ihr Integrationsgesetz durch den Bundestag bringen. Bei Experten stößt die Zielrichtung des Gesetzes teilweise auf Zustimmung. Bei der Wohnsitzauflage überwiegt aber weiter Skepsis
      Die geplante Wohnsitzzuteilung bei anerkannten Flüchtlingen stößt bei Experten weiter auf Widerstand. In einer Anhörung am Montag im Bundestag kritisierten Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und Anwälten die Regelung, die in den Augen der großen Koalition verhindern soll, dass Flüchtlinge vor allem in Ballungsräume ziehen und sich dort Ghettos bilden. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge äußerte sich skeptisch über die Umsetzung der Wohnsitzauflage, auch wenn es die Idee grundsätzlich unterstützt.
      Quelle: Migazin
    2. Hat sich de Maizière schon wieder Zahlen ausgedacht?
      Stimmungsmache gegen Flüchtlinge mit neuen Fantasiezahlen: Innenminister de Maizière hat zum Thema Integration verkündet, dass “sicher eine Gruppe bleiben wird, ein Drittel vielleicht etwas weniger, mit denen werden wir dauerhaft Probleme kriegen”. Wie kommt er auf diese Zahl, woher weiß er dass “ein Drittel, vielleicht etwas weniger” “dauerhaft Probleme” machen werden? Sein Innenministerium wollte oder konnte heute nicht erklären, wie er darauf kommt. Offenbar hat sich de Maizière, wie schon in der Woche zuvor, solche Zahlen schlicht ausgedacht..
      Quelle: Jung und naiv via YouTube

      Dazu: Und täglich grüßt das Murmeltier: de Maizière und seine erfundenen Statistiken
      Es ist offenbar eine der Lieblingsbeschäftigungen des Bundesinnenministers: Statistiken über Flüchtlinge verbreiten, für die es überhaupt keine Datengrundlage gibt.
      Quelle: Pro Asyl

    3. Lampedusa ist deutlich besser auf Flüchtlinge vorbereitet
      Seit Wochen fliehen Tausende Menschen von den libyschen Küsten in Richtung Italien – deutlich mehr als nach Griechenland. Mittlerweile scheint Italien besser vorbereitet als in den Jahren zuvor. Das zeigt sich auch bei einem der zentralen Anlaufpunkte: auf der kleinen Insel Lampedusa. Das liegt nicht zuletzt an Bürgermeisterin Giusy Nicolini.
      Quelle: Deutschlandfunk
    4. Ärzte ohne Grenzen nimmt kein Geld mehr von EU und Mitgliedstaaten
      Aus Protest gegen die Abschottungspolitik der Europäischen Union wird Ärzte ohne Grenzen keine Gelder mehr bei der EU und ihren Mitgliedstaaten beantragen. Das hat die internationale Hilfsorganisation am Freitag in Brüssel angekündigt. „Wir sehen in unseren Projekten jeden Tag, welches Leid die aktuelle EU-Politik verursacht“, begründet Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, die Entscheidung. Die Organisation verzichtet damit auf Finanzierungen in Höhe von derzeit rund 50 Millionen Euro jährlich und setzt verstärkt auf Privatspender. Im Jahr 2015 erhielt das internationale Netzwerk 56 Millionen Euro von der EU und ihren Mitgliedstaaten.* Auch bei der Bundesregierung werden keine neuen Gelder beantragt.
      Quelle: Ärzte ohne Grenzen
  12. Zehntausende Studierende in Kalifornien sind obdachlos
    Bei Freunden auf dem Sofa, im Auto oder Zelt: Jeder zehnte Hochschüler der größten staatlichen Uni in den USA hat laut Studie keine Wohnung. Und es kommt noch schlimmer. Fast 50.000 Studierende der größten staatlichen Universität in den USA sind obdachlos. Das geht aus einer Studie hervor, die die Uni selbst in Auftrag gegeben hat. Bis zu zwölf Prozent der rund 460.000 an der California State University (CSU) Eingeschriebenen haben demnach kein Dach über dem Kopf. Sie übernachten entweder bei Kommilitonen auf dem Sofa, in Autos und Zelten auf Parkplätzen oder Bahnhöfen. Und noch weitaus mehr leiden Hunger: 21 bis 24 Prozent essen regelmäßig nicht genug.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und für Kriege werden Billionen (deutsch – mehrere 1.000 Milliarden) US-Dollar vergeudet… Wirklich kein Wunder, daß Studenten Sanders wählen.

  13. Wer Taschentücher sucht, sucht keine Antworten
    Eine Amerikanerin, die so gut wie obdachlos war, der der Mann abgehauen ist und die kein Geld mehr hatte, wurde im letzten Jahr schwanger. Die Frau fand das relativ unpassend und entschloss sich dazu, Adoptiveltern für ihr Baby zu suchen. Nach kurzer Zeit fand sich ein Paar. Zum Geburtstermin reisten die künftigen Eltern an. Nun kam das Kind aber mit einer Behinderung zur Welt, die Adoptiveltern suchten das Weite, man wurde sich nicht handelseinig. »Dann geschah ein rührender Moment«: Die Kindesmutter »entschied, ihr Kind zu behalten.« So berichtet es »Spiegel Online« und nennt das ganze eine »rührende Geschichte«. Rührung – das ist es, was heute den kritischen Journalismus ersetzt hat. Die Rührung ersetzt den Faktenbezug. Und das zeigt letzten Endes auch, dass wir mit der Kritik an Missständen völlig gebrochen haben. Missstände taugen nur noch als herzbrechende Story, nicht mehr als Aufhänger für Gesellschaftskritik.
    Quelle: ad sinistram
  14. Unwilliges Gedenken an den Angriffskrieg 1941
    Die Bundesregierung wollte den 75. Jahrestag des “Unternehmens Barbarossa” übergehen. Am Ende debattierte immerhin der Bundestag noch
    Es war ein hilfloser Versuch der Bundesregierung, über den offensichtlich politischen Umgang mit dem Gedenken an den 22. Juni 1941 hinwegzutäuschen: Es entspreche “dem Verständnis der Gedenkstättenkonzeption des Bundes, dass die Bundesregierung die Aufarbeitung von Geschichte sowie entsprechende Gedenkveranstaltungen nicht in Eigenregie durchführt”, hieß es in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zum 75. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion. So versuchte man in Berlin zu erklären, weshalb die Regierung den Jahrestag des “Unternehmens Barbarossa” ohne einen eigenen Beitrag hätte verstreichen lassen.
    Während in Russland und anderen Staaten der damaligen Sowjetunion heute mit Staatsakten der Invasion gedacht wurde, die nach Schätzungen von Historikern alleine in den Staaten der Sowjetunion gut 30 Millionen Menschen das Leben kostete, wurde in Berlin erst auf Drängen der Linken und nach zunehmend kritischen Kommentaren in der Presse eilends eine Stunde in der Tagesordnung des Bundestags freigeschaufelt. Das alles wirkte recht unbeholfen und, wie man im Bundestag dieser Tage öfter feststellte, reichlich peinlich.
    Quelle: Telepolis

    Dazu: Gregor Gysi: »Den Opfern des Vernichtungskrieges der Nazis gedenken«
    Vor 75 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. Es war ein Vernichtungskrieg, dem 27 Millionen Sowjetbürger*innen zum Opfer fielen. “Ohne die Linksfraktion hätte es hier gar keine Debatte gegeben”, sagte Gregor Gysi am Mittwoch. “Eine Gedenkveranstaltung wäre angemessen gewesen.” Mit Blick auf die Spannungen in den Beziehungen zu Russland warnte er: “Wir haben in Europa nur eine friedliche, sichere Zukunft mit – nicht ohne und schon gar nicht gegen Russland.”
    Quelle: Die Linke via YouTube

  15. “AfD will Tabubrüche als Meinungsfreiheit durchdrücken”
    Die AfD hatte die Entscheidung über einen möglichen Ausschluss Gedeons am Dienstag (21.06.2016) vertagt. Vor diesem Hintergrund sagte der Soziologe Alexander Häusler im DLF, der Antisemitismus-Streit in der AfD sei kein wirklicher Antisemitismus-Streit gewesen. Und weiter: “Es wurde weder ein klares Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt, noch hat man sich inhaltlich damit auseinandergesetzt.” Vielmehr sei es ein Ausdruck eines internen Machtkampfes in dieser rechtspopulistischen Partei. Der Konflikt um den Antisemitismus sei aufgeschoben worden, aber nicht aufgehoben, so Häusler.
    Zudem seien in der letzten Zeit bekannte Antisemiten in die Partei eingetreten. Auch dagegen sei die Führung nicht vorgegangen. Die AfD setze eine populistische Empörungsstrategie ein, bei der sie sich am Ende immer als Opfer darstelle, meinte Häusler. Deutschland drohe eine Normalisierung rassistischer und rechtspopulistischer Thesen – so wie es zum Beispiel in Österreich schon der Fall sei.
    Quelle: Deutschlandfunk


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