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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. August 2016 um 8:34 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/AM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Türkei
  2. Nach der Querfront gegen Erdogan endlich die Stunde der Vermittler?
  3. Türkisch-russische Annäherung: Korrektur oder Wende
  4. Die Einkommensungleichheit ist in Deutschland heute “weit höher” als noch vor 20 Jahren
  5. Subventionen für deutsche Konzerne
  6. Jusos kündigen Nein zu Freihandelsabkommen Ceta an
  7. Wieso durften Krisenbanken Dividenden ausschütten?
  8. Gerechtigkeitsfragen für Deutschland
  9. Rheinmetall: Höhenflug
  10. Researchers or Corporate Allies? ThinkTanks Blur the Line
  11. Daumen waagerecht: In den USA mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber der Ukraine
  12. Weltsozialforum: Aktivisten strömen nach Montréal
  13. Gesellschaft im Wandel: Taub und blind gegenüber dem Anderen
  14. Deutsche Flüchtlingspolitik: Abschrecken, Abweisen, Abschieben
  15. Hochschulpolitik: Lidls verlängerte Werkbank
  16. Die kriegen den Kanal nie voll
  17. Ex-CIA-Mann McMullin tritt als Unabhängiger gegen Trump an

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Türkei
    1. Abschied von Amerika
      In der ersten Folge seiner ZEIT-Kolumne erklärt Can Dündar, warum die Türkei sich mit Russland und der islamischen Welt verbünden könnte – und den Westen verschmäht. (…) Werfen wir einen kurzen Blick ins türkische Geschichtsbuch, ein Leckerbissen für Verschwörungstheoretiker, bevor wir uns möglichen strategischen Konsequenzen widmen: 1960 kam es zur ersten Militärintervention unter Premierminister Menderes. Die Beziehungen zum Westen steckten in einer Sackgasse, neue Kredite wurden verweigert. Menderes wandte sich gen Norden und setzte auf der Suche nach neuen Krediten für den Monat Juni eine Moskau-Reise an. Kurz davor, am 27. Mai, wurde er gestürzt. Der zweite Coup richtete sich 1971 gegen Premier Demirel. Mitte der sechziger Jahre hatten die USA eine türkische Militärintervention auf Zypern verhindert, antiamerikanische Stimmung kochte hoch, Demirel reiste 1967 nach Moskau und unterzeichnete Abkommen über Großinvestitionen. 1971 wurde er gestürzt. Manche glauben, Washington verzeihe nicht, wenn man auf Moskau als Alternative setze. Für sie stecken die USA hinter dem Putschversuch, der genau 18 Tage stattfand nachdem Erdogan Russland den Friedenszweig gereicht hatte. Ihre Frage lautet: “Sind die Putschisten ‘Amerikas Jungs’?” Dieser Ausdruck stammt von 1980. Der Diplomat, der den CIA-Türkeichef Paul Henze vom Putsch unterrichtete, sagte damals: “Your boys have done it.” Dieser Satz ist in der Türkei unvergessen.
      Quelle: Can Dündar bei Zeit Online

      Anmerkung Paul Schreyer: Tatsächlich deutet inzwischen einiges auf eine Beteiligung von Amerikanern beim jüngsten Putschversuch in der Türkei. Brisante Details zu diesem Verdacht finden sich zum Beispiel in der türkischen Presse hier und hier. Auch ein aktueller Bericht in der WELT stellt kritische Fragen in dieser Richtung. Eine längere und lesenswerte Einschätzung findet sich für interessierte Leser darüberhinaus hier.

      Anmerkung Albrecht Müller: Willy Wimmer hat diese Vermutung schon sehr viel früher geäußert. Am 22. Juli schickte er mir folgende Mail:
      … zum gescheiterten Putsch in der Türkei, dem Abschuß des russischen Kampfflugzeuges und den Auswirkungen auf die türkische Politik gegenüber des Russischen Föderation, den USA und dem Nahen Osten habe ich mit Ken Jebsen ein Gespräch geführt.
      Das Gespräch ist hier abzurufen.

      Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Der oben verlinkte Artikel aus der „türkischen Presse“ gibt mehr oder weniger 100% die offizielle Sprachregelung der Erdogan-Regierung wieder. Was auch kein Wunder ist, da Yeni Şafak als treue und bedingungslose Unterstützerin der AKP bekannt ist. Und auch der Artikel von Eric Draitser auf Globalresearch.com wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Wir bewegen uns hier im Reich der Spekulationen; statt „Beweise“ haben wir nur fragwürdige Indizien. Die NachDenkSeiten verlinken diese Indizien, so dass Sie sich ihr eigenes Bild machen können.

    2. Neuanfang – und ein Signal an den Westen
      Anderthalb Stunden haben Russlands Präsident Putin und sein türkischer Amtskollege beraten, die Botschaft nach dem Treffen ist deutlich: Beide wollen nach einer kritischen Phase wieder enger Zusammenarbeiten – und senden ein deutliches Signal an den Westen. (…) Erdogan könnte Beobachtern zufolge eine weitere Annäherung an Moskau auch dazu nutzen, um seine Position in diversen Streitigkeiten mit den USA und der EU zu stärken.
      Quelle: Tagesschau.de
    3. Deutscher PEN zur Lage türkischer Autoren – Appell von Can Dündar
      “Wir müssen den Kontakt mit der anderen Türkei halten”, fordert Regula Venske, Autorin und Generalsekretärin des deutschen PEN. Politisch Verfolgte wie Can Dündar bräuchten nicht nur Asyl, sondern auch juristische sowie finanzielle Unterstützung. (…) Venske hatte am Montag den zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten, türkischen Journalisten Can Dündar an einem geheimen Ort in seinem Exil im Ausland getroffen. Er wurde Ende Juli zusammen mit Erdem Gül mit dem Hermann-Kesten-Preis des PEN ausgezeichnet werden. Dündar wisse derzeit noch nicht, ob er politisches Asyl beantragen wolle, berichtete Venske von diesem Gespräch: “Er ist sehr hin- und hergerissen im Moment, was man ja auch gut verstehen kann. Die Türkei ist seine Heimat. Und er möchte schon gern zurück. Und es ist auch nicht leicht, jetzt in seinem Alter über Asyl und Exil nachzudenken. Das ist eine sehr, sehr schwere Entscheidung, vor der er im Moment steht.” (…) Dündar habe sich dafür ausgesprochen, den türkischen Kollegen möglichst viele Veröffentlichungsmöglichkeiten zu geben, sagte Venske: “Dann hat er gesagt: ‘Wir brauchen juristische Unterstützung, anwaltlichen Beistand.’ Dann hat er gesagt: ‘Reist in die Türkei. Besucht die Kollegen im Gefängnis. Es ist unbeschreiblich, wie einsam man sich im Gefängnis fühlt.'”
      Quelle: Deutschlandradio Kultur
  2. Nach der Querfront gegen Erdogan endlich die Stunde der Vermittler?
    Analysten hätten besseres zu tun, als einzig Thesen der Rechten zu übernehmen
    In den letzten Tagen schien es die ganz große Querfront gegen Erdogan zu geben. Da musste man schon sehr genau zwischen den Zeilen lesen, um einen Unterschied zwischen den vielen Presseerklärungen von Politikern der Linkspartei, der Grünen oder der Union zu finden. Sie vermittelten alle den Eindruck, als würden sich Erdogan und seine AKP anschicken, die Macht in Deutschland zu übernehmen.
    Modell Österreich – oder wie sogenannte Mitte rechte Thesen übernimmt
    Die Parteien rechts von der Union konnten sich angesichts der Anti-Erdogan-Front nicht profilieren. Besonders deutlich wurde das in diesen Tagen in Österreich, wo demnächst die Präsidentenwahl wiederholt werden muss. Um dem FPÖ-Kandidaten Hofer den Wind aus den Segeln zu nehmen, übernimmt die Front seiner Gegner die schrillen Töne gegen Erdogan und tut so, als stünden die Türken erneut vor Wien.
    In der Presse wird offen das Ziel dieses Anti-Erdogan-Kurses angesprochen. Nicht um Menschenrechte geht es, sondern darum, der FPÖ möglichst wenig Betätigungsfelder zu lassen. Ob das Kalkül aufgeht, wird sich am Wahlabend zeigen. Immer aber siegt die rechte Politik. Entweder wählt die Mehrheit gleich das Original und Hofer wird noch Präsident. Oder sein Gegenkandidat siegt erneut knapp und setzt dann die FPÖ-Politik light um.
    Auch in Deutschland wird im Alltag schon längst ziemlich unwidersprochen die Türkei-Politik umgesetzt, die rechts von der Union immer gefordert wird. Das wurde deutlich, als Tausende in Deutschland lebende Menschen mit türkischen Hintergrund eine Demonstration in Köln anmeldeten und es tatsächlich wagten, den gewählten Präsidenten, der gerade einen Putsch überstanden hatte, per Liveschaltung sprechen lassen zu wollen.
    Quelle: Peter Nowak auf Telepolis
  3. Türkisch-russische Annäherung: Korrektur oder Wende
    Russland erwartet einen radikalen Paradigmenwechsel in der türkischen Syrienpolitik
    Russlands Präsident Wladimir Putin kann seinem türkischen Amtskollegen Tayyip Erdogan nicht unterstellen, dass er allein aus Frustration über den Westen, wegen dessen mangelnder Solidarität nach dem Putschversuch – so die türkische Sicht der Dinge -, seine Nähe sucht: Die Wiederannäherung Ankaras an Moskau begann bereits vor Erdogans “Geschenk Gottes”, hat aber danach rasant an Fahrt aufgenommen. Die Türkei bekam aus Russland, was ihr USA und EU vorenthielten: bedingungslose Unterstützung und keine dummen Fragen nach dem Zustand der türkischen Demokratie.
    Ein “Geschenk Gottes” ist der Putschversuch deshalb auch für Putin, der nie eine machtpolitische Chance auslässt. Im Falle der Türkei wird ihm jedoch das “divide et impera” nicht ausreichen, im Gegenteil, er wird ein wachsames Auge darauf haben, dass ihn Erdogan nicht nur dazu ausnützt, Nato und EU zu erpressen. Putin und Erdogan haben persönlich einiges gemeinsam, ihre autokratischen Züge, ihren Nationalismus, ihren Machismo. Aber noch mehr trennt sie – nämlich ihre Interessen – dort, wo sie sich heute gegenüberstehen: an der türkisch-syrischen Grenze.
    Quelle: derStandard.at

    Anmerkung Jens Berger: Solch unaufgeregte Analysen gibt es offenbar nur in der österreichischen Presse. In den deutschen Medien wurde das Treffen vornehmlich geifernd aggressiv kommentiert.

  4. Die Einkommensungleichheit ist in Deutschland heute “weit höher” als noch vor 20 Jahren
    Hans-Böckler-Stiftung geht davon aus, dass “Ausmaß der Ungleichheit insgesamt unterschätzt wird”. (…) Insbesondere sei “zwischen 1999 und Mitte der 2000er Jahre … die Ungleichverteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen deutlich” angestiegen. Die Einkommensungleichheit habe zwar 2005 zunächst ihren Höhepunkt erreicht, worauf eine Phase folgte, in der der Anstieg sich nicht fortgesetzt habe bzw. leicht zurück gegangen sei. Allerdings: Seit 2010 steige, laut Hans-Böckler-Stiftung, die Ungleichheit wieder an und “trotz zwischenzeitlicher Erholungsphasen zeigt der langfristige Trend der Einkommensungleichheit … nach oben”. In der Eurozone ist Deutschland das Land mit der zweithöchsten Vermögensungleichheit. Die Wissenschaftler verweisen überdies darauf, dass sehr hohe Einkommen “tendenziell untererfasst” seien, da “superreiche Haushalte relativ selten und oft sehr auf Diskretion bedacht sind”. Sie gehen daher davon aus, “dass das Ausmaß der Ungleichheit insgesamt unterschätzt wird.”
    Quelle: Telepolis
  5. Subventionen für deutsche Konzerne
    Die deutsche Entwicklungshilfe nutzt vor allem europäischen Agrarkonzernen. Das sagt eine neue Untersuchung von Oxfam. Die Entwicklungsorganisation hat drei öffentlich-private Partnerschaften unter die Lupe genommen, mit denen die Ernährungssituation lokaler Bevölkerung in Afrika und Asien verbessert werden soll.
    Untersucht wurden die Better Rice Initiative Asia, die Competitive African Rice Initiative und die Potato Initiative Africa (PIA). Insgesamt flossen etwa 30 Millionen Euro in die Projekte. Alle drei wurden 2012 ins Leben gerufen und laufen zum Teil im nächsten Jahr aus.
    Oxfam kritisiert, dass bei den Projekten Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit vernachlässigt worden seien. Außerdem wird die Zielgruppenauswahl kritisiert. Als Beispiel führt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam, die afrikanische Kartoffelinitiative an.
    Diese soll Kleinbauern und -bäuerinnen in Kenia und Nigeria dabei unterstüt­zen, effizienter zu arbeiten und höhere Erträge zu erzielen. Dafür stellten die Bundesregierung sowie Agrarkonzerne – darunter Bayer, der Schweizer Konzern Syngenta und der Hamburger Kartoffelzüchter Solana – 1,4 Millionen Euro bereit.
    Quelle: taz

    Anmerkung Christian Reimann: Es dürfte auch dem Bundesentwicklungsministerium klar sein, dass Konzerne nicht aus altruistischen Zwecken und zugunsten Anderer – hier den Bevölkerungen in Afrika und Asien –, sondern aus Interessen der Profitorientierung handeln.

  6. Jusos kündigen Nein zu Freihandelsabkommen Ceta an
    Die Jungsozialisten wollen auf dem SPD-Parteikonvent Mitte September gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta votieren und entsprechende Protestdemonstrationen unterstützen. (…) Die Jusos wollten einen Neustart von Ceta und fairen Handel. “Damit vertreten wir die Mehrheitsmeinung an der Basis der SPD”, sagte Uekermann. Mit ihrer Ablehnung positionieren sich die Jusos gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel, der für Ceta wirbt. Der kleine Parteitag der SPD soll am 19. September über das Freihandelsabkommen abstimmen.
    Quelle: Donaukurier
  7. Wieso durften Krisenbanken Dividenden ausschütten?
    Vielen Banken in Europa fehlt Kapital, um dauerhaft stabil zu sein. Trotzdem erhalten die Aktionäre weiter Dividenden. Damit steigt die Gefahr, dass am Ende wieder der Steuerzahler einspringen muss. (…) Die Tragweite macht eine Untersuchung von drei Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten deutlich: Sie haben die seit 2011 ausgezahlten Dividenden der europäischen Großbanken ins Verhältnis zu den auf Dauer erwarteten Kapitallücken gesetzt, die sich nicht zuletzt aus den Ergebnissen des Ende Juli veröffentlichten Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht ableiten lassen. Ihr Ergebnis: Hätte die jeweilige Finanzaufsicht den Banken in den vergangenen Jahren jegliche Dividendenausschüttung untersagt, wäre der langfristige Kapitalbedarf der Institute heute im Durchschnitt nur halb so groß. (…) Wenn man es genau nehme, bedeute die beobachtete Praxis sogar einen Wohlstandstransfer von Steuerzahlern zu Aktionären. Schließlich müssten die Steuerzahler trotz des neuen Bankenrettungsmechanismus auch künftig am Ende helfen.
    Quelle: WELT

    Anmerkung Paul Schreyer: Wie an anderer Stelle hier auf den NachDenkSeiten schon einmal betont: Dividenden sind leistungslose Einkommen. In Deutschland werden in diesem Jahr laut Handelsblatt insgesamt mehr als 40 Milliarden Euro ausgeschüttet. Die einzige Leistung der Empfänger besteht darin, über Besitz zu verfügen, genauer, über Anteile an Kapitalgesellschaften. Sahra Wagenknecht ist nicht die Einzige, die in diesem Zusammenhang über neue Formen des Eigentums an Unternehmen nachdenkt, um solch eine maßlose Wertabschöpfung bereits an der Quelle zu stoppen.

    Anmerkung Albrecht Müller: „Dividenden sind leistungslose Einkommen“ ist eine etwas einfach gestrickte Aussage. Dass dies zu einfach dargestellt ist, kann man schon daran erkennen, dass gerade die erwähnte Sahra Wagenknecht gegen die Null-Zinspolitik ankämpft. Siehe hier mit einem Antrag im Deutschen Bundestag:
    „Antrag der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, Heike Hänsel, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Sevim Dagdelen, Michael Leutert, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.
    Kalte Enteignung der Sparer stoppen
    Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), maßgeblich umgesetzt durch den regelmäßigen Ankauf von Anleihen sowie die Absenkung des Hauptrefinanzierungssatzes auf 0 Prozent und des Einlagesatzes auf -0,4 Prozent, führt dazu, dass insbesondere Kleinsparer fast keine Zinsen mehr auf ihre Sparguthaben erhalten. Oft liegt inzwischen der Zinssatz auf Sparguthaben unter der Inflationsrate. Im Ergebnis sinkt dann der reale Wert der Sparguthaben. …“

  8. Gerechtigkeitsfragen für Deutschland
    Prekäre Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu, der soziale Aufstieg ist nicht mehr selbstverständlich. Der Soziologe Oliver Nachtwey beschreibt im Interview mit dem Deutschlandfunk, wie sich daraus Ungerechtigkeitserfahrungen, gesellschaftliche Konflikte und politische Probleme ergeben.
    Verlierer hat es in der Gesellschaft immer gegeben. Das Modell der sozialen Marktwirtschaft versprach im Nachkriegsdeutschland dagegen ausgleichende Gerechtigkeit: Alle konnten an Wachstum und Wohlstand teilnehmen. Heute aber nehmen prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu.
    Der Ökonom und Soziologe Oliver Nachtwey nennt das Phänomen auch in seinem gleichnamigen Buch “Abstiegsgesellschaft”. Er ist am Frankfurter Institut für Sozialforschung tätig. Bei den Kulturfragen beginnt damit eine lose Serie über Gerechtigkeitsfragen in der Gegenwart.
    Quelle: Deutschlandfunk
  9. Rheinmetall: Höhenflug
    Der deutsche Panzerbauer Rheinmetall verbuchte kräftige Umsatzsteigerungen, wie die ARD erichtet: „Die Düsseldorfer sind mit der Entwicklung von beiden Konzernsparten zufrieden. Vor allem mit dem Segment Defence: Rheinmetall produziert hier Waffen, Panzer und Munition. Hier verbuchte der Konzern einen hohen Auftragseingang im gesamten ersten Halbjahr, 42 Prozent mehr als im Vorjahr.“ Weitere Steigerungen verspricht sich die Firma u.a. davon, an die Türkei neue Panzer zub liefern, wie die Welt berichtet: „Die deutsche Rüstungsindustrie macht sich anscheinend keine Sorgen über den politischen Kurs des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Im Gegenteil: Es winkt sogar neues Geschäft. So beteiligt sich nach Recherchen der ‚Welt‘ der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall an einer neuen deutsch-malaysisch-türkischen Gemeinschaftsfirma mit Sitz in der Türkei. Die Firma soll sich auf den Bau und die Vermarktung gepanzerter Fahrzeuge auf Rädern oder Ketten konzentrieren. […] Laut einer Meldung des Branchendienstes „Defense News“ könnte das jetzt gegründete deutsch-malaysisch-türkische Gemeinschaftsunternehmen an der Serienproduktion des künftigen türkischen Panzers Altay beteiligt werden.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Wollte Bundeswirtschaftsminister Gabriel den Export von Waffen nicht reduzieren – insbesondere in Krisenregionen?

  10. Researchers or Corporate Allies? ThinkTanks Blur the Line
    Think tanks are seen as independent, but their scholars often push donors’ agendas, amplifyinga culture of corporate influence in Washington.
    Quelle: New York Times

    Anmerkung Paul Schreyer: Diese lange und gründlich recherchierte Reportage zur dubiosen Rolle von vermeintlich politisch unabhängigen Denkfabriken als bezahlte Lobbyisten für Konzerne bestätigt, was viele schon lange ahnten oder wussten: Think Tanks ermöglichen es immer wieder, dass zielgerichtete Propaganda und Meinungsbeeinflussung im Sinne einflussreicher Sponsoren einen wissenschaftlichen (Tarn-)Mantel bekommt – und damit auch zitierfähig für die Presse wird.

  11. Daumen waagerecht: In den USA mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber der Ukraine
    »Ukrainische Realitätsverweigerung« ist der Titel eines Beitrags, der Anfang dieses Monats in der renommierten US-Fachzeitschrift Foreign Policy erschien. Der Autor, der aus dem Umfeld des Propagandasenders Radio Liberty bekannte Askold Krushelnycky, fordert darin die Kiewer Führung mit großem Nachdruck auf, endlich »Reformen« in Gang zu setzen und bei der Korruptionsbekämpfung voranzukommen. Kiew sei der Auffassung, so Krushelnycky, es sei für den Westen so wichtig, dass sich dieser ein Scheitern des Projekts der Euromaidan-Ukraine nicht leisten könne. Dies sei aber ein großer Irrtum. Es könne gut sein, so der Mahnruf aus Washington, dass sich die Ukraine allein auf weiter Flur finde, wenn sie einmal wirklich Hilfe brauche. Wenige Tage zuvor hatte die in Kiew erscheinende und unter den im Lande tätigen westlichen Experten und Beratern vielgelesene englischsprachige Wochenzeitschrift Kyiv Post einen Namensartikel des Parlamentsabgeordneten Sergej Leschtschenko unter dem Titel »Zurück in die Familie. Wie Poroschenko seinen Clan aufbaut« veröffentlicht. Leschtschenko gehört der Fraktion des »Blocks Petro Poroschenko« (BPP) an, war aber vor seinem Einzug ins Parlament ein bekannter investigativer Journalist, der der Korruption im Machtapparat nachspürte. Unter Nennung konkreter Namen – allen voran der des BPP-Fraktionsvorsitzenden Igor Kononow – warf Leschtschenko Präsident Petro Poroschenko vor, die Oligarchie nicht zu bekämpfen, sondern für sich und seine Umgebung einen Platz in ihren Reihen zu schaffen. (…) Die Gesamtheit dieser gegenüber dem ukrainischen System kritischen Veröffentlichungen in der US-Presse lässt mehrere Interpretationen zu, die sich nicht ausschließen müssen. Erstens dass den USA und den übrigen westlichen Geldgebern der Ukraine langsam die Geduld mit ihren Kiewer Protegés ausgeht, zumal es ein offenes Geheimnis ist, dass auch ein erheblicher Teil der Finanzhilfe an die Ukraine dort schlicht und einfach veruntreut wird. Gerade wenn man die Beziehung zwischen Kiew und dem Westen als Klientelverhältnis sieht, ist es klar, dass die Patrone irgendwann einmal den Gegenwert ihrer Unterstützung sehen wollen. Und der liegt sicherlich nicht in der Bereicherung des einen oder anderen ukrainischen Politikers. Zweitens ist die Ukraine für Russland sicherheitspolitisch so zentral wichtig wie für die USA Mexiko – für die USA aber von so relativer Bedeutung wie Mexiko für Russland. Die russische Strategie, einen westlichen Klientelstaat vor seiner Haustür auf keinen grünen Zweig kommen zu lassen und sich gleichzeitig an anderer Stelle für den Westen wenn nicht unentbehrlich, so doch unignorierbar zu machen, wäre damit kurz vor dem Aufgehen.
    Quelle: Reinhard Lauterbach in Junge Welt
  12. Weltsozialforum: Aktivisten strömen nach Montréal
    Armut, Umweltschutz, Steuerflucht, Flüchtlingspolitik sind Themen des Weltsozialforums. Erstmals findet das Treffen in einer Stadt des reichen Nordens – in Montréal. Die Wahl des Austragungsortes ist umstritten. (…) Vom heutigen Dienstag an treffen sich in Montréal schätzungsweise 50 000 Angehörige von 5000 globalisierungskritischen Gruppen für sechs Tage zum Weltsozialforum 2016. Ihr Motto: „Wir brauchen eine andere Welt“. Mit Hunderten Diskussionsforen und Aktionen ist es die weltgrößte Veranstaltung ihrer Art. Vor 16 Jahren war das Weltsozialforum als Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum in Davos gegründet worden.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  13. Gesellschaft im Wandel: Taub und blind gegenüber dem Anderen
    Nicht Entfremdung und Verbote machen den Menschen krank, konstatiert der Philosoph Byung-Chul Han, sondern Überkommunikation und Überinformation. Auf der Strecke bleibe dabei der Dialog mit dem Anderen. Er gehe in einer Welt, in der alles nivelliert und kommerzialisiert werde, verloren. Byung-Chul Han hält uns einen Spiegel vor. Der in Südkorea geborene Byung-Chul Han möchte den “Anderen” wieder mehr in unser Bewusstsein rücken; den Anderen als Rätsel, als Schmerz oder Begehren. Verschwunden sei der Andere wegen der gewandelten Wahrnehmung. Grenzen verschwimmen, damit auch Abgrenzungen. Der Philosoph argumentiert mit dem Eindruck des immer Gleichen. “Die Wahrnehmung selbst nimmt heute die Form von Binge Watching, Komaglotzen, an. Es bezeichnet den Konsum von Videos und Filmen ohne jede zeitliche Beschränkung. Den Konsumenten werden fortwährend jene Filme und Serien angeboten, die ganz ihrem Geschmack entsprechen, die ihnen also gefallen. Sie werden wie Konsumvieh gemästet mit dem immer neuen Gleichen.” Das sind harte, wohl auch treffende Worte für ein Verhalten, das, möchte man meinen, nicht nur von Jugendlichen bedenkenlos übernommen wird. Wo die Nähe zum Anderen, zum anderen Menschen fehlt, wird sie suggeriert durch eine immer verfügbare digitale Welt, in der alles, was man sich wünscht, auch verfügbar zu sein scheint. Doch hört man genau in sich hinein, spürt man die fehlende Resonanz und es bleibt ein Verwiesensein auf sich selbst, ein Selbstgespräch, eine Selbstbespiegelung.
    Quelle: Deutschlandfunk
  14. Deutsche Flüchtlingspolitik: Abschrecken, Abweisen, Abschieben
    Deutschland verwehrt immer mehr Flüchtlingen die Einreise
    Noch vor einem Jahr ließ sich Deutschland als Willkommensweltweitet feiern. Heute erreicht die Bundesrepublik nur noch bei der Zahl von Abschiebungen und Abweisungen Rekordwerte. Die Zahl jener Menschen, die weltweit Schutz vor Krieg, Gewalt und Armut suchen, ist unterdessen höher denn je.
    Fast ein Jahr ist es her, als im September 2015 täglich tausende Flüchtlinge über die deutschen Grenzen strömten und Deutschland weltweit für seine Willkommenskultur gefeiert wurde. Elf Monate später sind die Meldungen über immer neue Höchstwerte an Flüchtlingen längst Vergangenheit. Neue flüchtlingspolitische Rekorde stellt die Bundesrepublik nur noch in anderer Hinsicht auf: Mehr Flüchtlinge als je zuvor wurden im ersten Halbjahr 2016 an deutschen Grenzen abgewiesen. Dies gab die Bundesregierung am Montag auf eine parlamentarische Anfrage bekannt.
    Die Linke-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke hatte bei der Bundesregierung nach den aktuellen Flüchtlingszahlen gefragt. Die Antwort des Bundesinnenministeriums: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres verweigerten deutsche Behörden 13.324 Menschen entweder an der deutschen Grenze oder an Flughäfen die Einreise. Trotz wesentlich weniger Flüchtlinge, die es überhaupt bis zur deutschen Grenze schaffen, wurden damit bereits im ersten Halbjahr 2016 50 Prozent mehr Menschen abgewiesen als im Jahr zuvor. Damals wurden 8.913 Schutzsuchende zurückgeschickt.
    Quelle: Telepolis
  15. Hochschulpolitik: Lidls verlängerte Werkbank
    Mit Geheimverträgen kapert die Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz die größte Hochschule Baden-Württembergs. Kein vermeidbarer Unfall, sondern Folge der Hochschulpolitik von Ministerin Theresia Bauer. (…) Die vom Lidl-Chef Dieter Schwarz gegründete Stiftung tritt an der DHBW als generöser Mäzen auf und hat dem stetig expandierenden Campus Heilbronn Tausende Quadratmeter Land und ein Ensemble moderner Seminargebäude spendiert. Im Gegenzug ließ die DHBW gegen erbitterten Widerstand der anderen Akademien immer mehr Institute nach Heilbronn ziehen. Die Stiftung leiste nur den Anschub, hieß es damals, nach fünf Jahren übernehme die Hochschule allein die finanzielle Regie. Man berief sich auf die geheim gehaltenen Verträge zwischen Land und Sponsor. Das Land kann die private Finanzspritze gebrauchen. (…) Die Causa Geilsdörfer ist auch eine Niederlage für die grüne Landespolitik, die offensichtlich Mühe hat, eigennützige Stifterabsichten zu erkennen. Ministerpräsident Kretschmann: „Die Schwarz-Stiftung ist allerfeinstes Mäzenatentum.“ Lohnenswert ist das Engagement zumindest für die Stiftung, die dem Konzern mit öffentlichen Geldern eine verlängerte Werkbank vor der Haustür verschafft. (…) Zur Fördersumme will sich auch das Ministerium auf Nachfrage nicht äußern. Man schätze weiter „das Engagement der Dieter Schwarz Stiftung“ und „würde es begrüßen, wenn sich die Stiftung auch in Zukunft weiterhin engagiert. Außerdem weiß das Ministerium sehr zu schätzen, dass die Dieter Schwarz Stiftung sich jeglicher Intervention in interne Angelegenheiten der Hochschule bisher komplett enthalten hat und die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Hochschule stets respektiert.“ Rechnet man zu dieser respektvollen Distanz auch, dass der Pressesprecher der Stiftung, Markus Schwarzer, hauptberuflich Professor an der DHBW ist? Auf der Stiftungs-Website wird weder die Doppelfunktion noch sein Professorentitel erwähnt. Auch dies sei, so Renner, „keine Interessenvermischung“. Die Hochschule steht heute vor einem Scherbenhaufen. (…) Ministerin Bauer, vom Hochschulverband zweimal hintereinander zur Ministerin des Jahres gewählt, steht vor der Frage, ob ihr Amtsverständnis und ihre Wachstumspolitik noch im Einklang mit dem grünen Leitbild der transparenten, föderalen Hochschule stehen, und wie sie sich die Kooperation mit Unternehmen vorstellt, die mehr als Partner sein wollen.
    Quelle: FAZ.net
  16. Die kriegen den Kanal nie voll
    ARD und ZDF senden dreihundert Stunden live von den Olympischen Spielen, tausend Stunden streamen sie im Netz. Doch lohnt es sich überhaupt, das durchgedopte Spektakel aus Brasilien zu zeigen? […]
    Im Begleitprogramm liefern sich die Öffentlich-Rechtlichen einen Schlagabtausch mit dem Sender Discovery über die Rechte an den Olympischen Spielen der Jahre 2018 bis 2024, welche die Amerikaner für 1,3 Milliarden Euro gekauft haben und für die ARD und ZDF als Sublizenznehmer nicht den Preis zahlen wollen, den sich Discovery vorstellt. Dass die Sache nicht mit einem „Olympia-Aus“ von ARD und ZDF endet, können wir uns freilich denken. Es ist alles eine Frage des Geldes, und davon haben die Sender bekanntlich mit Beitragseinnahmen von rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr genug.
    Quelle: FAZ
  17. Ex-CIA-Mann McMullin tritt als Unabhängiger gegen Trump an
    “Donald Trump spricht die schlimmsten Ängste der Amerikaner an”, beklagt Evan McMullin: Unterstützt vom konservativen Lager geht der frühere CIA-Offizier ins Rennen um das US-Präsidentenamt. Er könnte Trump schaden. (…) Offenbar getragen von Trump-Gegnern im konservativen Lager erklärte McMullin, es sei an der Zeit, dass “eine neue Führungsgeneration” aufstehe, und er stelle sich dieser Herausforderung. Spekuliert wird über eine Unterstützergruppe mit Verbindungen zu Mitt Romney, dem gescheiterten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner von 2012. McMullin arbeitete von 2001 bis 2011 für die CIA. Ab 2013 beriet er den außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses. Er galt als Anti-Terror-Experte des Auslandsgeheimdienstes. (…) Die Kandidatur McMullins gilt als weiteres Indiz dafür, dass Trumps Nominierung die Republikaner nach wie vor tief spaltet. Dies wurde auch durch einen gemeinsamen Brief von 50 Republikanern dokumentiert, die früher wichtige Funktionen in der US-Regierung innehatten. “Niemand von uns wird Donald Trump wählen”, hieß es in dem von der “New York Times” veröffentlichten Schreiben. Der Milliardär wäre demnach “der gefährlichste Präsident der amerikanischen Geschichte”. Zu den Unterzeichnern gehörten Ex-CIA-Chef Michael Hayden und der ehemalige Vize-Außenminister und Weltbank-Präsident Robert Zoellick.
    Quelle: Deutsche Welle

    Anmerkung Paul Schreyer: Eine skurrile Personalie, die aber zeigt, dass offenbar selbst Teile der konservativen Elite im Zweifel eher Hillary Clinton zur Präsidentin machen wollen.


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