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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. August 2016 um 8:28 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Was ist los auf der Krim?
  2. Türkei
  3. Anleitung zum Nationalismus
  4. Das tun die Konzerne für Flüchtlinge
  5. Migrationsexperte Kleinschmidt: “Mehr Menschen schaffen mehr Arbeit, mehr Handel, mehr Umsatz”
  6. Wall Street abschaffen!
  7. Gelingt die Sozialdemokratisierung der Weltwirtschaft?
  8. Wohl eher doch kein Wohlstands-Motor
  9. Ältere Erwerbslose werden immer weniger vermittelt
  10. Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen drastisch
  11. SPD schlägt Freibeträge für Sozialabgaben vor
  12. Oben und unten im Imperialismus
  13. Journalismus ist kein Verbrechen
  14. Desinteresse auf beiden Seiten – Die Unionsparteien haben erlaubt, AfD zu wählen.
  15. Zu guter Letzt: Trump schmäht Clinton als „Angela Merkel Amerikas“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Was ist los auf der Krim?
    Moskau spricht von Sabotageversuchen an der Grenze zur Ukraine. Es sei zu Gefechten gekommen, die zwei Menschen das Leben gekostet hätten (andere Quellen sprechen von vier Toten, zwei auf jeder Seite). Nach einer Großfahndung habe man Verdächtige festgesetzt und insgesamt vierzig Kilogramm Sprengstoff beschlagnahmt.
    Kiew bestreitet jede Beteiligung an diesem Vorfall, hält das Ganze für eine russische Provokation als Vorwand für weitere Aggressionen gegen die Ukraine und versetzt die Streitkräfte in Alarmbereitschaft.
    Das ist das, was man hört. Gesichert ist bislang nichts. Doch die Schuldigen stehen bereits fest. Die Russen, wer sonst? Das kann ja sein. Aber wäre es nicht sinnvoll, den Dingen zunächst auf den Grund zu gehen?
    Aus der Ferne gibt es dazu zwei Methoden. Als erstes die Analyse von Interessen. Wer profitiert von dem, was da gerade passiert? In der Kriminalistik – stellenweise durchaus vergleichbar mit journalistischer Arbeit – nennt man das die Suche nach einem Motiv. Es gilt, die Plausibilität von denkbaren Möglichkeiten zu überprüfen. Die zweite Methode besteht darin, Fragen zu stellen, selbst wenn man weiß oder mit Recht vermuten kann, dass man keine Antworten darauf bekommt. Aber besser Nachdenklichkeit statt Kriegsgeschrei.
    Quelle: Gabriele Krone-Schmalz auf RusslandKontrovers.de
  2. Türkei
    1. Kein Vertrauen in die türkische Justiz
      Can Dündar ist als Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung “Cumhuriyet” zurückgetreten. Nach dem Putschversuch und zahlreichen Entlassungen auch am Berufungsgericht habe er kein Vertrauen mehr in die türkische Justiz, schrieb Dündar in seiner “Cumhuriyet” -Kolumne. Darin schrieb er auch, er werde nicht in die Türkei zurückkehren, solange der Ausnahmezustand anhalte. Seinen Posten als Chefredakteur werde er an seinen bisherigen Vertreter Oguz Güven abtreten. Dündar will jedoch weiter Kolumnen in der “Cumhuriyet” schreiben.
      Der Journalist war zusammen mit dem Leiter des “Cumhuriyet”-Hauptstadtbüros, Erdem Gül, im Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Beiden wird vorgeworfen, sie hätten geheime Dokumente veröffentlicht, die Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollen. Ein weiteres Verfahren gegen Dündar steht noch aus.
      Er hatte im Juli eine Auszeit in Europa angekündigt und sich vorübergehend als Chefredakteur vertreten lassen. Anfang Juli nahm Dündar in Deutschland den Leuchtturm-Preis des Netzwerks Recherche in Hamburg entgegen. Das war vor dem Putschversuch. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Dündar betont, man sei als Journalist in der Türkei nicht sicher.
      Quelle: tagesschau
    2. Cumhüriyet-Chefredakteur Can Dündar „Und Angela Merkel sagte nichts“
      Can Dündar wirkt müde. Der Journalist ist auf der Durchreise. Oder soll man sagen: auf Dauerreise? Seit Verhängung des Ausnahmezustands hält Dündar es erst einmal für keine gute Idee nach seinem Urlaub in die Türkei zurückzukehren. Am Tag vor unserem Gespräch traf er Vizekanzler Sigmar Gabriel in Hannover zum Mittagessen, bevor er nach Berlin kam, um dem deutschen PEN-Zentrum für die Verleihung des diesjährigen Hermann-Kesten-Preises zu danken, mit dem er und sein Kollege Erdem Gül als „mutige Kämpfer für die Meinungsfreiheit“ ausgezeichnet wurden. Wir treffen ihn in den Berliner Büros von „Reporter ohne Grenzen“.
      Quelle: Berliner Zeitung
  3. Anleitung zum Nationalismus
    Auch in Europa entsteht Nationalismus nicht einfach von selbst. Er ist ein zartes Pflänzchen, das viel Pflege braucht. Mit diesen zehn Tipps gelingt er garantiert.
    Sie sind ein europäischer Politiker oder möchten einer werden? In Ihrer Staatengemeinschaft haben Rechtspopulisten, Nationalisten und Rassisten keinen nennenswerten Einfluss? Sie langweilen sich? Ihnen fehlen die Herausforderungen? Dann haben wir etwas für Sie: Eine kleine Anleitung zum Aufbau des Nationalismus.
    1.Der erste Schritt ist der wichtigste, hier werden die Grundlagen gelegt. Setzen Sie eine Gemeinschaftswährung auf, verzichten Sie aber unbedingt auf eine Fiskalunion. Damit schlagen Sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Gegen den Dollar kann Ihre neue Währung nur bestehen, wenn sie absolut stabil ist. Wenn aber ein Land – sagen wir: Griechenland – Ihre Währung in Schwierigkeiten bringt, kann Ihre Zentralbank dort jetzt die Renten kürzen und das Sozialsystem verwüsten, ohne irgendein Parlament fragen zu müssen. Gut gemacht! Genehmigen Sie sich eine Zigarette. […]
    Quelle: Zeit

    Anmerkung JK: Sehr treffend!

  4. Das tun die Konzerne für Flüchtlinge
    Von Mitarbeitern wie Mohsen bräuchte viele Firmen mehr, findet Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie will die großen Konzerne bei der Arbeitsmarktintegration stärker in die Pflicht nehmen, sagt sie nun. Und in einem Interview mit der “Schwäbischen Zeitung” wurde die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner noch deutlicher: “Den Worten aus der Wirtschaft, man bräuchte die vielen Flüchtlinge wegen des Arbeitsmarkts, sind nicht wirklich allzu viele Taten gefolgt.” Die Unternehmen müssten sich beteiligen – “auch wenn es Kraft kostet”.
    Aber wie viele Flüchtlinge haben tatsächlich bisher auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können? Das lässt sich gar nicht so leicht sagen.
    Mohsen zum Beispiel war nicht Teil eines vom Konzern aufgelegten Flüchtlingsprogramms: “Für mich gab es keine besondere Behandlung”, sagt er. Dabei hat der Autobauer durchaus Sonderprogramme aufgelegt: Bei Daimler absolvierten im ersten Halbjahr 2016 etwa 300 Menschen ein Praktikum inklusive Deutschkurs.
    Ähnliche Projekte gibt es bei anderen Konzernen. Bei Siemens wurden im März mehr als 60 Plätze für eine sechsmonatige Ausbildungsvorbereitung zur Verfügung gestellt. 15 von ihnen werden auch eine Ausbildung bekommen, der Rest wird bei ihren Bewerbungen in anderen Unternehmen unterstützt. Dazu kommen in diesem Jahr rund 100 Praktikumsplätze.
    Auch die Deutsche Bahn bietet bis Jahresende noch etwa 120 Plätze zur beruflichen Qualifizierung für Flüchtlinge an. Neben Einstiegspraktika werden auch Migranten mit Berufserfahrung umgeschult. Bei BASF in Ludwigshafen haben im vergangenen Jahr 53 Flüchtlinge an einem Programm teilgenommen, das auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereiten soll. Etwa zwei Drittel seien noch dabei. Das Programm soll in diesem Jahr fortgeführt werden.
    Mehr als 60, rund 100 – das sind sehr kleine Zahlen. “Es ist ein trauriges Bild”, sagt ein Sprecher von ProAsyl. Die Erfahrung zeige, dass die meisten Jobangebote über persönliche Kontakte bei kleineren Firmen zustande kämen. Die Zahlen bei den Großunternehmen seien ernüchternd nach der Euphorie, die unter deutschen Konzernlenkern geherrscht habe.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Über alle DAX-Konzerne hinweg immerhin dreistellige Zahlen von Flüchtlingen, die ein Praktikum oder einen Ausbildungsplatz bekommen haben. Angesichts von 1 Million Flüchtlingen nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber das Geschwätz vom Arbeitskräftemangel wird leider trotzdem nicht aufhören.

  5. Migrationsexperte Kleinschmidt: “Mehr Menschen schaffen mehr Arbeit, mehr Handel, mehr Umsatz”
    Kleinschmidt: Es gibt einen demografischen Bedarf an Menschen in Europa, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. In den nächsten 20, 30 Jahren brauchen wir etwa 50 Millionen mehr Menschen, weil unsere Geburtenraten nach unten gehen und wir überaltern. Nun kommen Menschen aus anderen Kulturkreisen. Aber ist der Kulturschock größer als in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bei den italienischen oder griechischen Gastarbeitern? Oder bei den Portugiesen, die aus dem finstersten Süden Europas kamen, wo sie damals noch mit dem Ochsen gepflügt haben? Wir müssen lernen, dass die Welt sich durch die Globalisierung verkleinert hat. Es gibt mehr Bewegung, Vernetzung, Austausch. Natürlich braucht jedes Zusammenkommen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen eine Gewöhnungszeit. Auch die Europäer, die nach Amerika oder Australien auswanderten, brauchten Zeit, um sich zu integrieren.
    Quelle: SPON

    Anmerkung JK: “Migrationsexperte Kleinschmidt”, der einfach die offizielle neoliberale Propaganda multipliziert. Solche Experten haben die herrschenden Eliten gerne. Es gibt auch ganz andere Stimmen, die prophezeien, dass durch weiter fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung bis zu 30 Prozent aller Arbeitsplätze wegfallen werden. Auch wenn es manchen langweilen mag, sei es noch einmal betont, Merkels Flüchtlingspolitik war und ist ein genialer Schachzug zur weiteren Durchsetzung der neoliberalen Agenda. Seit nun mehr einem Jahr dominiert das Thema Flüchtlinge, auch dank der Berichterstattung der “Qualitätsmedien”, den öffentlichen politischen Diskurs. Andere Themen, außer der ebenfalls gezielt nach vorne gespielten Themen “islamistischer Terror” und der Konflikt mit Russland existieren für die öffentliche Diskussion überhaupt nicht. Gerade die Themen soziale Gerechtigkeit, die weiter voranschreitende soziale Polarisierung der Gesellschaft und die ungeheure Vermögenskonzentration sind aus dem politischen Bewusstsein völlig verschwunden.

  6. Wall Street abschaffen!
    Sie möchten die Polizei abschaffen und die Wall Street gleich mit: In Sarah Leonard und Bhaskar Sunkaras Buch geben 17 US-Autoren teils radikalen Antworten auf die drängendsten Probleme der USA. Patentrezepte liefern sie nicht, aber spannende Denkanstöße.
    Wir wissen nicht, was da noch kommt im US-Wahlkampf. Aber schon jetzt ist klar: Die Stimmung ist aufgeladen, aggressiv – und nicht gerade ermutigend. Und das gilt nicht nur für die Politik, sondern für die ganze Gesellschaft der USA.
    In diese Zeit hinein veröffentlichen Sarah Leonard und Bhaskar Sunkara eine ziemlich aktuelle Textsammlung. Sie ist leitende Redakteurin des politischen Wochenmagazins “The Nation” und er Gründer der Zeitschrift “Jacobin”; beide leben in New York.
    “Wie wir erreichen können, dass schwarze Leben endlich wirklich zählen”, fragen sich beispielsweise die beiden Aktivisten Jesse A. Myerson und Mychal Denzel Smith. Zur Erinnerung: Die Ermordung von zwei Afroamerikanern durch die Polizei und die darauf folgende Tötung von fünf Polizisten durch einen schwarzen Heckenschützen liegen keine sechs Wochen zurück.
    Insgesamt 17 Autorinnen und Autoren melden sich in diesem 200-Seiten-Buch zu Wort, dessen Stärke darin besteht, die Finger in sehr viele, sehr offene Wunden zu legen. In ein Bildungssystem, das viele Kinder aus sozial schwachen Schichten benachteiligt. In Arbeitsverhältnisse, die gerade für junge Leute immer prekärer und unsicherer werden. Vor allem aber in eine Diskriminierung, die immer wieder zwei große Gruppen trifft: Schwarze und Frauen.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  7. Gelingt die Sozialdemokratisierung der Weltwirtschaft?
    Die Konzerne fürchten sich vor der “Revolte der Verlierer” – jener, die von der globalen Wirtschaft nicht profitieren. Nötig wäre aber ein radikales Umdenken in der Politik. von Harald Schumann
    Eine neue Angst geht um in den Führungsetagen der globalisierten Wirtschaft, die Angst vor den Wählern. Seitdem die Briten gegen die EU votierten und Amerikas Konservative den Hassprediger Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten kürten, befassen sich die Konzernstrategen mit ungewohnten Themen.
    Da warnt etwa Joachim Fels, Chefökonom von Pimco, einer Tochterfirma des Allianz-Konzerns mit 1,5 Billionen Dollar Anlagevermögen, das Brexit-Votum sei Teil eines „größeren globalen Aufstands gegen das Establishment, die wachsende Ungleichheit und die Globalisierung“.
    Oder die Bank of America berichtet vom „Krieg gegen die Ungleichheit“ und warnt, es sei mit „populistischen Antworten der Politik zu rechnen“. Und auch mehr als die Hälfte der von der Bank befragten Fondsmanager nannte „Populismus“ das derzeit größte wirtschaftliche Risiko.
    Die Alarmstimmung ist berechtigt. Mit dem Aufstieg der neuen Nationalisten in Amerika und Europa steht das ganze bisherige Modell der Globalisierung in Frage. Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, das waren die Instrumente, mit denen die Regierungen des Westens über vier Jahrzehnte die Verschmelzung von Unternehmen und Kapitalflüssen über alle Grenzen hinweg vorangetrieben haben.
    Quelle: Tagesspiegel
  8. Wohl eher doch kein Wohlstands-Motor
    Es muss einen Grund geben, warum ausgerechnet viele IT-Pioniere aus dem Silicon Valley zu den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens gehören. Ist es wirklich so, dass Menschen, die nicht unbedingt arbeiten müssen, um zu leben, kreativer sind als andere? Oder trauen die Start-up-Milliardäre ihren eigenen Geschäftsmodellen nicht – und ahnen schon, dass sie mit ihren virtuellen Welten niemals für jenen Wohlstand sorgen können, an den sich die Menschen seit Jahrzehnten gewöhnt haben?
    Dies wäre dann ein Beleg für Robert Gordons These: Jene Phase großer technologischer Errungenschaften, die bis in die 70er-Jahre hinein reichte und für breiten Wohlstand sorgte, ist zu Ende, und es wäre klug, sich auf langfristig kleinere Wachstumsraten einzustellen. Trotz Industrie 4.0, Big Data und der großen Digitalisierung der Gesellschaft. Auch wenn die Helden des Silicon Valley etwas anderes behaupten. Gordon nennt sie daher “Techno-Optimisten”:
    “Sie ignorieren sowohl das langsame Produktivitätswachstum wie auch die Kraft der Gegenwinde. Stattdessen prognostizieren sie eine Zukunft mit spektakulär schnellerem Wachstum, das auf einem exponentiellen Anstieg der künstlichen Intelligenz basiert.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  9. Ältere Erwerbslose werden immer weniger vermittelt
    Die Zahl der Erwerbslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und denen seitens des zuständigen Jobcenters seit mindestens 12 Monaten kein Angebot zu einer sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstelle gemacht wurde, ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Zählten zu dieser Gruppe im Jahre 2011 noch 106.500 Personen, waren es 2015 bereits 162.754 (+56.254 oder 53%).
    Auch die Zahl der mindestens 58 Jahre alten Leistungsbeziehenden im SGB II-Bereich, die als arbeitslos gezählt wurden, stieg von 117.554 auf 166.766 (+49.212 oder 42%).
    Gleichzeitig ging die Zahl der ü58 Erwerbslosen, die an aktivierenden Maßnahmen teilnehmen oder einen Ein-Euro-Job verrichten von 357.359 auf 310.999 zurück (-46.360 oder 17%), während die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Alter ü58 in den Jahren 2011 bis 2015 nahezu gleich blieb und 2015 mit 477.766 Personen nur um 2.853 zunahm.
    Quelle: Linksfraktion
  10. Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen drastisch
    Das deutsche Gesundheitssystem zählt zu den teuersten der Welt – und dürfte bald wohl noch teurer werden. Experten warnen vor neuen Kosten, die vor allem für die Versicherten zur Belastung werden.
    Die Gesundheitsausgaben steigen schneller als die Einkommen der Versicherten, sagt Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Der Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen hat hochgerechnet, was das für Krankenversicherte bedeutet: Die den Versicherten abverlangten Zusatzbeiträge werden sich innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppeln. Ökonomen und Opposition fordern ein Umlenken. Ihre Sorge: Der erkennbare Ausgabenzuwachs ist erst der Anfang.
    Hintergrund ist die Finanzierungsstruktur der Krankenkassen: Sie erhalten pro Versichertem Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Weil die Kosten stark steigen, reicht dieses Geld allerdings nicht aus. Laut Wasems Analyse fehlen bereits jetzt 14,4 Milliarden Euro, im Jahr 2020 werden es 36,7 Milliarden Euro sein.
    Die Kassen müssen diese Differenz ausgleichen, indem sie von ihren Versicherten Zusatzbeiträge verlangen, die sich nach dem jeweiligen Einkommen richten. “Der große Kostenanstieg rollt erst an”, warnt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Das Gesundheitssystem stehe vor wesentlich stärkeren Reformen als das Rentensystem.
    Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe habe mehr als ein Dutzend Gesundheitsgesetze gemacht, kritisiert Günter Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München. “An den wesentlichen Strukturen jedoch wurde wenig geändert. Das ist ein Flickwerk.”
    Quelle: SPON

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Nachdem die SPD die paritätische Finanzierung abgeschafft hat, werden also die Arbeitnehmer alleine höher belastet – Überraschung, dabei war das doch der Plan. Außer den absolut richtigen Vorschlägen, die Parität wieder herzustellen und die Beitragsbemessungsgrenze an- oder aufzuheben, wäre aber die allerwichtigste Maßnahme eine deutliche Lohnerhöhung für alle. Bei 20 Prozent höheren Löhnen, absolut angemessen und notwendig, betrüge der Beitragssatz zu GKV (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zusammen) nur etwa 13 Prozent. Aber natürlich sind vor allem die Gehälter im Gesundheitsbereich selber viel zu niedrig, sonst gäbe es dort keinen “Fachkräftemangel”.

  11. SPD schlägt Freibeträge für Sozialabgaben vor
    Die SPD will Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen bei den Sozialabgaben entlasten. Dazu schlägt der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel Freibeträge für Sozialabgaben analog zum Steuerfreibetrag vor. Das wäre “ein Instrument, das wirklich hilft”, sagte er der “Rheinischen Post”.
    Haushalte mit niedrigen Einkommen seien nämlich überproportional stark von Sozialabgaben belastet. “Auch eine Reduzierung der Sozialabgaben für Familien mit Kindern wäre denkbar”, sagte der SPD-Vize.
    Schäfer-Gümbel sieht im heraufziehenden Wahlkampf “eine große, mutige Einkommensteuerreform”, die die Bezieher von niedrigen und mittleren Einkommen entlastet, als einen der Schwerpunkte für seine Partei. Zur Gegenfinanzierung will er unter anderem Steuerbetrug wirksamer bekämpfen. “Hilfreich wäre dabei eine Art Finanz-TÜV”, sagte Schäfer-Gümbel. Unternehmen, die ein neues Steuersparmodell anwenden wollten, müssten es sich erst vom Staat genehmigen lassen. Außerdem pocht er auf “eine leistungsgerechtere Beteiligung höherer Einkommen und Vermögen”. […]
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) begrüßte Schäfer-Gümbels Vorschlag. “Die Entlastung niedriger Einkommen ist richtig und notwendig”, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. “Wenn die SPD über eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen nachdenkt, geht das aber nur, wenn die Beitragsausfälle aus Steuermitteln vollständig gegenfinanziert werden.” Nur dadurch sei sichergestellt, dass es keine Nachteile bei der späteren Rente gebe und der Sozialversicherung nicht hohe Einnahmen entgingen.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wir kennen das schon zu Genüge. Nach 20 Jahren “Reform”-Propaganda und 17 Jahren neoliberaler Niedriglohnpolitik und Steuergeschenke an Großunternehmen hat die SPD immer noch nicht verstanden, daß Geringverdiener deutlich höhere Bruttolöhne brauchen und die Löhne in Deutschland viel zu niedrig sind. Bei Schäfer-Gümbel ist dazu die Gegenfinanzierung noch unklar – oder sollen die Leute dann einfach (noch) weniger Arbeitslosengeld und noch weniger Rente bekommen? Unklar ist ebenfalls, ob auch der Sozialabgabenteil der Arbeitgeberseite gesenkt werden soll. Der DGB dagegen springt sofort begeistert auf den falschen Zug auf und unterstützt noch die Umverteilung im Armenhaus, denn die geforderten Steuern zur Gegenfinanzierung kommen zu 80 Prozent ebenfalls von den Arbeitnehmern (Lohn- und Umsatzsteuern).

  12. Oben und unten im Imperialismus
    “Der französische Imperialismus… hat sich daran gewöhnt, sich auf fremde Schutzherren zu verlassen, auf stärkere imperialistische Mächte, entweder auf Deutschland oder auf die USA… Zwischen 1940 und 1944 war es so: zunächst die Vormundschaft Deutschlands, dann die Koexistenz zwischen den beiden Großmächten Deutschland und USA, danach der Wechsel zu den USA… In gewissem Sinne hatten die USA und de Gaulle gleiche Interessen, nämlich den Vorrang des Privateigentums. Aber, was den USA überhaupt nicht passte: De Gaulle wollte Frankreich als unabhängige Nation erhalten, einschließlich seiner Kolonien. Er wollte auch keinen dominierenden Einfluss US-amerikanischer Banken und Konzerne… Mit de Gaulle traf die imperialistische US-Klasse… zum ersten Mal auf eine politisch eigenständige Persönlichkeit, die großen Rückhalt in der Bevölkerung hatte…” Das sind Äußerungen aus dem Interview mit der französischen Historikerin Annie Lacroix-Riz.
    Quelle: Neue Rheinische Zeitung
  13. Journalismus ist kein Verbrechen
    „Journalismus ist kein Verbrechen!“ Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Nicht in der Türkei: Derzeit ist es unverzichtbar, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Freiheit der Presse zu den Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft gehört. Türkische wie internationale Medien, Journalistinnen und Journalisten sowie die internationalen Journalistengewerkschaften beteiligen sich deshalb an der Aktion „Journalismus ist kein Verbrechen!“. Sie soll deutlich machen, unter welchem Druck der Journalismus und die Medien, als ein Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft, in der Türkei stehen. Schon seit Jahren sitzen mehrere Dutzend Kolleginnen und Kollegen unter zum Teil unwürdigen Bedingungen in Haft. Sie werden unter Terrorismusverdacht ohne rechtstaatlichen Prozess im Gefängnis mundtot gemacht. Nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat sich die Situation der Pressefreiheit noch einmal dramatisch verschärft.
    Nach Informationen des European Journalism Observatory (EJO) – ejo-online.eu – erscheinen viele der türkischen Medien, die noch kurze Zeit zuvor die Feststellung „Journalismus ist kein Verbrechen!“ publizierten, jetzt nicht mehr. Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung sehen das offenbar anders. Die türkische Regierung ließ, nachdem sie den Ausnahmezustand verhängt hatte, der den Rechtsstaat vollends außer Kraft setzt, kurzerhand missliebige Medien schließen und weitere Journalistinnen und Journalisten ins Gefängnis werfen. EJO spricht von der Schließung von 16 Fernsehsendern, 23 Radiosendern, drei Nachrichtenagenturen, 45 Tageszeitungen, 15 Magazinen und 29 Verlagen. Gegen 107 Journalistinnen und Journalisten sollen Haftbefehle erlassen und 64 davon bereits vollstreckt worden sein.
    Quelle: Gegenblende
  14. Desinteresse auf beiden Seiten – Die Unionsparteien haben erlaubt, AfD zu wählen.
    Der Erfolg neuer Parteien, zunächst der Linken, dann der Piraten und nun der AfD zeigt: Mit sehr unterschiedlichen politischen Ansprüchen formiert sich Protest gegen die materiellen Ziele der vorherrschenden Politik, gegen die Art und Weise, wie regiert wird. Der Regierung, den etablierten Parteien wird vorgeworfen, selbstherrlich zu sein. Zu diesem Urteil kommen nicht nur AfD-Wähler. Dies zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach: Den Befragten wird die Feststellung vorgelegt: „Ich bin nicht für die AfD, finde es aber gut, dass sie bei den vergangenen Landtagswahlen so gut abgeschnitten hat.“ 46 Prozent sagen dazu: „Ja, das sehe ich auch so.“ Die Ergebnisse der Landtagswahlen werden als Denkzettel für die etablierten Parteien eingeordnet – mit der Hoffnung, dass dies dort eine kritische Selbstreflexion auslöst. Wer vom „Denkzettel“ als wesentlichem Motiv bewegt wird, wählt diejenige Denkzettelpartei, die den meisten Lärm macht und die größten hysterischen Reaktionen bei den anderen Parteien auslöst. Dies kann die Wählerwanderung von der Linkspartei zur AfD mit erklären.
    Wenn aber der eigentliche Grund für das Unbehagen an den „Alt“-Parteien und ihren Regierungen darin besteht, dass diese ihre Politik nicht am Interesse der Bevölkerung ausrichten, zwar viel Schein inszenieren, aber so gut wie nichts unternehmen gegen Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit, dann fragt sich, warum sich der Protest gegen die vorherrschende Politik nicht in einer linken Partei zusammenfindet. Dazu trauen sich viele nicht. Warum aber ist es leicht, die Folgerungen, die aus Enttäuschung und Demütigung gezogen werden, politisch nach rechts zu lenken? Psychologen, die sich mit dieser Frage ausführlicher befassen, erklären dies damit, dass viele Leute offenbar eine Erlaubnis benötigen, bevor sie sich politisch festlegen. ….
    Die Erlaubnis, an wem die Wut abreagiert werden darf, haben viele Politiker der CSU, aber auch der CDU erteilt, lange bevor es eine AfD gegeben hat. Einige Beispiele: 1991 wendet sich der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber gegen eine „durchmischte und durchrasste Gesellschaft“. „Kinder statt Inder“ ist eine Parole von Jürgen Rüttgers (CDU) im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000. Roland Koch (CDU) fordert im Landtagswahlkampf in Hessen 2008: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ (Allemal sind Ausländer und Kommunisten unser Unglück.) 2006 wendet sich Stoiber gegen die „schleichende Islamisierung“; man dürfe nicht zulassen, „dass Moscheen das Gesicht unserer Städte dominieren“. Beatrix von Storch von der AfD sieht das zehn Jahre später genauso. Ihr Anliegen: Der Parteitag der AfD am 30.4. soll in das Parteiprogramm diesen Punkt aufnehmen: „Wir sind für ein Verbot von Minaretten, von Muezzins und für ein Verbot der Vollverschleierung“. Im beschlossenen Parteiprogramm heißt es dann: „Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf (…).“ Zwar tritt die AfD gegen die Unionsparteien auf, dennoch entscheiden die Autoritäten von CDU/CSU schon seit Langem maßgeblich darüber, gegen wen sich die aufgestaute Wut richten darf.
    Quelle: Hubert Schui

    dazu: Herbert Schui ist tot
    Linker Ökonom, Politiker ohne Attitüden: der WASG-Gründer und Memogruppen-Schöpfer starb im Alter von 76 Jahren
    Der Linkenpolitiker und Ökonom Herbert Schui ist tot. Wie am Montag bekannt wurde, starb der Wissenschaftler und frühere Bundestagsabgeordnete im Alter von 76 Jahren. Schui, der in Köln aufwuchs und in der Eifel die Schule abschloss, hatte sich zunächst für die volkswirtschaftliche Laufbahn entschlossen – er studierte in der Domstadt, forschte später in Konstanz über Geldtheorie und Geldpolitik, Studienaufenhalte in Frankreich und den USA folgten. 1972 promovierte er mit einer Arbeit über »Geld- und Kreditpolitik in einer planifizierten Wirtschaft«, die das französische Beispiel in den Fokus stellte. Ab Mitte der 1970er Jahre war Schui dann an verschiedenen Hochschulen als Professor tätig.
    Quelle: Neues Deutschland

    Die NachDenkSeiten bedauern diesen Verlust zutiefst.

  15. Zu guter Letzt: Trump schmäht Clinton als „Angela Merkel Amerikas“
    Der republikanische Präsidentschaftskandidat hat sich eine neue Beleidigung für seine Konkurrentin Hillary Clinton ausgedacht: Diese wolle „die Angela Merkel Amerikas werden“. Dabei sei die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zur Katastrophe für die Deutschen geworden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Das „Angela Merkel“ für die FAZ eine Schmähung oder gar Beleidigung ist, erstaunt dann doch.


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