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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 1. Oktober 2008 um 10:11 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)

Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Steinbrück: Ein Besserwisser wird entzaubert
  • Weitere Katastrophenmeldungen aus dem Casino
  • Dunkle Wolken über der EZB
  • Irische Regierung bürgt für alle Einlagen bei Banken
  • Aufruhr in den USA
  • Geschäftsklima in Euro-Zone sackt ab
  • Großhandelsumsatz im August 2008 real um 1,6% gesunken
  • US-Handelskammer empfiehlt Standort Deutschland
  • Die EU kauft Berichterstattung ein

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steinbrück – Ein Besserwisser wird entzaubert
    1. Von wegen Schweinchen schlau
      Steinbrück machte am Donnerstag das „wahnsinnige Streben nach Rendite“ und die „Laissez-faire-Haltung” des amerikanischen Gesetzgebers für die Finanzkrise verantwortlich. Die Botschaft hört man wohl, allein es fehlt der Glaube, dass Steinbrück seine eigene Botschaft überhaupt im Ansatz verstanden hat. Es war die „Laissez-faire-Haltung“ der Bundesregierungen Schröder und Merkel, die sowohl die Verluste der Staatsbanken, als auch die Schieflage der HRE überhaupt erst möglich gemacht haben. Wer – zu recht – internationale Reglementierungen der Banken und Finanzmärkte fordert, aber vor der eigenen Haustür den Besen zum Auskehren entweder stehen lässt oder gar direkt an die Institute übergibt, die kontrolliert werden sollen, hat nicht nur seine Hausaufgaben nicht gemacht – er hat das Problem schlichtweg nicht verstanden. Die HRE ist – Angaben aus der Finanzwirtschaft zufolge – durch eine massive Schieflage der Tochter „Depfa Bank“ an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Die „Depfa Bank“ wurde 1922 als Preußische Landespfandbriefanstalt gegründet und war bis 1990 eine Bundesanstalt, deren Geschäftsfeld vor allem die Finanzierung von Kommunen und staatlichen Organen war. 2001 wurde diese Bank privatisiert und fortan führte die „Depfa Bank“ ihre Geschäfte als irische AG vom schönen Dublin aus. Dorthin zog man aber nicht etwa wegen der geringen Lohnkosten oder des leckeren irischen Biers, sondern wegen der laschen irischen Reglementierungen für Banken und nicht zuletzt der niedrigen Steuern. Der deutsche Staat privatisierte also eine Bundesanstalt, deren Geschäftszweck die Finanzierung der öffentlichen Hand ist. Renditeerwartungen der privaten Investoren wurden somit vom Steuerzahler erfüllt. Warum eigentlich vergab der Staat seine Finanzierungsdienstleistungen an eine private irische Bank, deren Gewinne teils privaten Investoren, teils dem irischen Steuerzahler zugute kommen?
      Quelle: Spiegelfechter
    2. Steinbrücks unendliche Welten
      “Das Ende der Arroganz” glaubt die “ZEIT” sehen zu können, weil Peer Steinbrück nach dem Beinahe-Kollaps der Hypo Real Estate nicht mehr so großmäulig auftreten könne wie noch vor einer Woche. Fragt sich, wo der Autor, Philip Faigle, in den letzten Jahren war. Fragt sich alternativ, ob die Anbetung der Neoliberalen in der SPD so ernst gemeint war, dass man sie zwischenzeitlich wirklich für kluge Leute gehalten hat (…)

      Die CDU ist schuld, dass Steinbrück als verantwortlicher Minister die Steuer noch weiter erhöhte, als die Union zuvor gefordert hatte. In keinem seiner selbstherrlichen Vorträge darf der Hinweis fehlen, dass jede andere Meinung ein “Kaputtreden” sei – der Märkte, der Wirtschaft und des Standorts. Zuletzt waren es die kerngesunden deutschen Banken, sicher wie die Rente, denen man keine Krise andichten durfte. Heute haut er Steuermilliarden zur Eindämmung der Krise raus. Das geht dann natürlich nicht zu Lasten der nachfolgenden Generationen.
      Quelle: Feynsinn

    3. Der Preis des Vertrauens
      So richtig es ist, mit allen Mitteln den Zusammenbruch zu verhindern, so zwingend nötig ist es auch, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass nicht wieder diejenigen begünstigt werden, die das Desaster angerichtet haben. Andernfalls wird der Vertrauensverlust ganz schnell auch die Regierenden ereilen und mit ihnen früher oder später auch die Stabilität der Demokratie.

      Doch bei dieser Aufgabe haben alle beteiligten Regierungen bisher kläglich versagt. Darum ist das Rettungsprogramm der US-Regierung auch zunächst daran gescheitert, dass viele Abgeordnete ihren Wählern nicht erklären konnten, wie die veranschlagten 700 Milliarden Dollar dereinst aus Bankgewinnen zurück in die Staatskasse fließen sollen. Kaum besser als ihre US-Kollegen agieren auch die deutsche Kanzlerin und ihr Finanzminister. Quasi über Nacht haben sie mehr Geld für eine Bankbürgschaft riskiert, als alle Hartz-IV-Empfänger im ganzen Jahr aus der Bundeskasse erhalten. Aber Frau Merkel hielt es bislang nicht einmal für nötig, diesen Anschlag auf das Geld ihrer Wähler mit einer Rede an die Nation zu erklären, geschweige denn sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Kasse gebeten werden. Von Harald Schumann.
      Quelle: Tagesspiegel

    4. Wolfgang Münchau: Keine Bank ist sicher
      Anstatt eine Strategie zu entwickeln, gibt es nächtliche Ad-hoc-Entscheidungen. Hypo Real Estate ist nur deswegen gerettet worden, weil sie relativ früh in die Knie gegangen ist. Hier wurden die einfachsten Regeln des Banking missachtet. Die Bundesregierung hätte den Laden verstaatlichen und das Management an die Luft setzen sollen. So wie Berlin momentan vorgeht, trägt der Steuerzahler das gesamte Risiko, zugunsten von Aktionären und Bankangestellten. Das ist nicht nur unfair, sondern auch ineffektiv. Wenn wir unser Geld darauf verschwenden, Institute wie die IKB oder Hypo Real Estate zu retten, dann gehen uns irgendwann die Mittel aus, um Instituten zu helfen, die für unser Finanzsystem wirklich wichtig sind (…)

      Ich bin nicht zuversichtlich, dass Finanzminister Peer Steinbrück dieser Aufgabe gewachsen ist. Jetzt rächt es sich, einen Finanzminister in diesem Amt zu haben, der lieber mal kräftig auf den Tisch haut, anstatt gestaltende Politik zu machen, und der mit seinem Desinteresse an internationaler Finanzpolitik einst prahlte.
      Der Finanzsektor hat uns eine Krise eingebrockt. Die Politik ist gerade dabei, daraus eine Katastrophe zu machen.
      Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Gegen Münchaus Kritik muss man selbst Steinbrück in Schutz nehmen. Waren es nicht seine Zeitung und seine Kollegen aus den Wirtschaftsredaktionen, die den Finanzminister seit Jahren bedrängten, den Finanzsektor immer weiter zu liberalisieren? Hat man nicht immer behauptet, die Märkte seien effizienter als staatliche Aufsicht? Was bieten eigentlich unsere Experten und Wirtschaftsjournalisten Steinbrück für eine Strategie an? Jetzt, wo alles zusammenbricht, wird plötzlich der Staat für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Dabei ist der „Staat“ doch bislang nur den Empfehlungen des Finanzsektors blindlings hinterhergelaufen, es sind doch gerade die Politiker in ihre Ämter gehievt worden, die sich als Befehlsempfänger am besten eigneten. Wie sollen nun gerade diese Politiker eine Lösung der Probleme liefern?

  2. Die Linke: Sofortprogramm zur Stabilisierung und Reform der Finanzmärkte
    • Die unmittelbare Absicherung zentraler Aufgaben des Finanzsystems
    • Die Beseitigung besonders destabilisierender Praktiken
    • Schritte zur mittelfristigen Reform des Finanzsystems

    Quelle: Axel Troost, MdB

  3. HRE droht Zerlegung und Abwicklung
    Hypo Real Estate werde nicht abgewickelt, beteuert der Dax-Konzern bislang. BaFin, Bundesbank und Finanzministerium sagen das Gegenteil. Treffen wird es Aktionäre und Steuerzahler. Der Anteil privater Banken am Rettungspaket ist viel geringer als bislang angegeben.

    Die potenzielle Belastung der privaten Banken durch das Rettungspaket ist offenbar geringer als bislang angenommen. Der Bankenverband BdB bestätigte Informationen aus Finanzkreisen, wonach die Geschäftsbanken lediglich 3 Mrd. Euro der ausgehandelten Ausfallbürgschaften stellen. Dies sei bei den Krisengesprächen am Wochenende vereinbart worden. Die Bundesregierung hatte am Montag noch mitgeteilt, die Privatbanken gäben Garantien über insgesamt 8,5 Mrd. Euro. In dem Schreiben von BaFin und Bundesbank heißt es hingegen, die Belastung des Finanzsektor sei “auf maximal 8,5 Mrd. Euro begrenzt”. Zunächst war sogar gemeldet worden, die Privatbanken würden die Rettung komplett finanzieren. Aus Finanzkreisen hieß es nun, es liefen derzeit Verhandlungen mit anderen Finanzinstituten wie etwa Versicherern, wer die restlichen 5,5 Milliarden Euro übernehme.

    Die Fraktionen der Regierungsparteien stimmten dem Rettungsplan am Dienstag zwar grundsätzlich zu, kritisierten aber deutlich, das es kein stärkeres Engagement privater Banken geben habe. Der SPD-Finanzexperte Florian Pronold sagte: “Es hat in der Fraktion große Verärgerung darüber gegeben, dass die Banken nicht bereit sind, stärker ins Obligo zu gehen.” Fraktionsvize Joachim Poß räumte ein, man müsse sich fragen, “ob die Interessen der Steuerzahler ausreichend berücksichtigt sind.”

    Dietmar Bartsch, Geschäftsführer der Linken, sagte:

    Was da passiert, ist unfassbar, ist ein beredter Ausdruck dafür, dass wir eine Regulierung der Finanzmärkte brauchen und stürzt auch uns in große Sorge. Niemand kann voraussehen, welche Ausmaße das noch annimmt und welche Auswirkungen es für alle Menschen haben wird.

    Quelle: FTD

    Anmerkung K.F.: Wie lange dürfen Politiker die Bürger noch ungestraft belügen?

  4. Dunkle Wolken über der EZB
    Die Zuspitzung der Finanzkrise stellt die Reputation der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eine schwere Probe: Der Notenbank droht der Gesichtsverlust. Experten sind sich einig, dass eine geldpolitische Wende nötig ist. Die Zuspitzung der Finanzkrise stellt die Reputation der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eine schwere Probe. Während die US-Notenbank Federal Reserve im Verlauf der Finanzkrise ihren Leitzins äußerst schnell und massiv gesenkt hat, um Rückwirkungen auf die Konjunktur abzufedern, stellte sich die EZB auf den Standpunkt, die Zinspolitik sei kein Mittel im Umgang mit der Finanzkrise. Deshalb erhöhte sie noch im Juli ihren Leitzins auf 4,25 Prozent. Auf die Probleme der Finanzmärkte reagierte sie ausschließlich mit großzügiger Bereitstellung kurzfristiger Kredite an die Banken.Europas führende Geldpolitik-Experten drängen die EZB in seltener Einmütigkeit, nicht auf dieser Linie zu beharren. Alle 15 Mitglieder des EZB-Schattenrats gehen davon aus, dass noch in diesem Jahr eine Zinssenkung nötig ist.
    Quelle: Handelsblatt
  5. Banking crash hits Europe as ECB loses traction
    The global credit crisis has slammed into Europe with stunning violence over the last two days, triggering five major bank rescues and a near total shut-down of the region’s credit markets.

    “The interbank market has collapsed,” said Hans Redeker, currency chief at BNP Paribas. “The ECB is no longer able to inject liquidity because the money is just coming back to them again. This is extremely serious. If monetary policy is no longer working, there is a risk that the whole system will blow up in days,” he said.
    Quelle: Telegraph (UK)

  6. Irische Regierung bürgt für alle Einlagen bei Banken
    Der irische Staat garantiert alle Einlagen bei den wichtigsten inländischen Banken. Wie die Regierung am Dienstag mitteilte, werden neben den Einlagen auch Pfandbriefe sowie vorrangig besicherte und nachrangig besicherte Schulden garantiert. Die Ankündigung sorgte umgehend für steigende Aktienkurse.

    Die Aktien der vier am schwersten gebeutelten Banken machten nach der Ankündigung binnen Minuten ihre Vortagesverluste wett. Gegen Mittag lag die Dubliner Börse mit 2,4 Prozent im Plus. Der Analyst Kevin McConnell von Bloxham Stockbrokers sagte, Irland sei nunmehr für Einlagen der sicherste Platz in Europa. „Das könnte ein Vorbild für viele andere europäische Länder werden, mit der Finanzkrise fertig zu werden.“ Scott Rankin von Davy Stockbrokers wies jedoch darauf hin, dass der Steuerzahler im schlimmsten Fall mit 500 Milliarden Euro belastet würde – mehr als das doppelte des irischen Bruttoinlandsprodukts und zehn mal so viel wie die Staatsschulden des Landes.
    Quelle: FAZ

  7. Viele Hedgefonds brechen zusammen
    Die Krise der Finanzmärkte trifft nun auch viele hoch spekulative Fonds. Nur wenige werden überleben.
    Die Finanzkrise frisst das Vertrauen der Anleger und trifft so in zunehmendem Maße auch die Hedgefonds. Viele Manager dieser hoch spekulativen Fonds stellen sich zum Quartalsende auf den Abfluss von Milliardensummen ein und horten ungewöhnlich hohe Barmittel.

    Einige Hedgefonds müssten zusätzlich auch Vermögenswerte unter Wert verkaufen, um die Gelder an die Investoren auszahlen zu können, berichten Fachleute. Viele Anleger misstrauen den Hedgefonds, weil sie durch die Finanzkrise reichlich Geld verloren. Zudem fliehen viele in sicherere Anlageformen. Die Folge: Immer mehr Hedgefonds verschwinden komplett vom Markt. “Ein Großteil der Fonds wird am Ende der Krise nicht mehr da sein”, sagte ein Investmentbanker.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung K.F.: Endlich mal eine erfreuliche Nachricht.

  8. Aufruhr in den USA
    Die Mehrheit der US-Bevölkerung scheint indes der Meinung, dass Wall Street nun endlich »bekommt, was sie verdient« und widersetzt sich energisch einer Rettung der Hochfinanz mit Steuergeldern. Dem folgten viele Abgeordnete. Denn Anfang November werden nicht nur der Präsident, sondern auch Teile des Kongresses neu gewählt.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ganz so schlicht agieren die wahlkämpfenden Parteien in den USA nicht. Die Republikaner haben sich eindeutig verspekuliert, da sie davon ausgingen, dass die Demokraten in Gänze für das Rettungspaket stimmen würden, und dieses eindeutig als eine Maßnahme der Demokraten dargestellt werden könnte – für den wahrscheinlichen Fall, dass die Hilfe nur das Allerschlimmste verhindern würde, aber nicht die Krise an sich. Die Demokraten haben allerdings den Braten gerochen und mehrheitlich, aber nicht in ihrer Gesamtheit für das Hilfspaket gestimmt. Somit war das Scheitern des Stability Act von den Republikanern zu verantworten. Aus dieser Betrachtungsweise ist vielen amerikanischen Zeitungen berichtet worden. Bei der nächsten Abstimmung dürfte nach einigen kosmetischen Veränderungen, welche sich die Republikaner an die Brust heften werden, das Gesetz angenommen werden. Die US-Amerikaner sind sich bei aller Wut auf die Wall Street durchaus bewusst, dass ihre Pensionen in hohem Maße von den Aktienwerten abhängig sind und beobachten die Kurse genau. Auf diesen Punkt hat auch Präsident Busch in seiner Reaktion auf die Abstimmungsniederlage deutlich hingewiesen.

  9. Keine sichere Bank
    Die Krise der Finanzmärkte erreicht mit neuer Wucht Europa. Welche Institute sind noch gefährdet?

    Bedrohlich scheint vor allem die neue Qualität der Krise. Längst sind es nicht mehr die aggressiven Investmentbanken mit ihren riskanten Geschäftsmodellen, die auf der schlüpfrig gewordenen Kapitalmarkt-Rennbahn aus der Kurve geflogen sind. Es sind auch nicht mehr die schlecht gemanagten Verliererbanken, die von unfähigen Risikomanagern und gierigen Anlagestrategen in den Subprime-Sumpf gesteuert wurden.
    Quelle: ZEIT Online

  10. The risk of a total systemic meltdown
    We are thus now in a generalized panic mode and back to the risk of a systemic meltdown of the entire financial system. And US and foreign policy authorities seem to be clueless about what needs to be done next. Maybe they should today start with a coordinated 100 bps reduction in policy rates in all the major economies in the world to show that they are starting to seriously recognize and address this rapidly worsening financial crisis.
    Quelle: Nouriel Roubini’s Global EconoMonitor
  11. Mehr Geld alleine löst nicht die Probleme
    Trotz einer Finanzspritze durch die Bundesregierung von 3 Milliarden Euro demonstrierten vergangene Woche mehr als 130.00 Beschäftigte aus den Krankenhäusern gegen die unzumutbaren Arbeitsbedingungen in der stationären medizinischen Versorgung.

    Doch ist die Situation in den Krankenhäusern in Deutschland zurzeit widersprüchlich. Zum einen gibt es – aufgrund des Kostendrucks im verschärften Wettbewerb – immer weniger Personal für mehr und schwer kranke Patienten. In Deutschland kommen durchschnittlich 20 Patienten auf eine Pflegekraft, im europäischen Durchschnitt sind es 13. Verkürzte Liegezeiten führen dabei noch zu Arbeitskonzentration. Hinzu kommt, dass ca. 20 Prozent der Arbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten wie z.B. das Dokumentieren gebraucht werden. Auch dies ist eine notwendige Folge des Wettbewerbs: denn nur was dokumentiert wird, wird auch bezahlt. Ebenfalls aus betriebwirtschaftlichen Gründen werden zunehmend Leistungen von hochqualifiziertem Personal an weniger qualifiziertes – und damit schlechter bezahltes – Personal delegiert, andere Arbeiten werden outgesourced und an Fremdfirmen vergeben, in der Regel nicht zum Vorteil der Arbeitsabläufe. Weil die öffentliche Hand, die Länder und Kommunen, ihren Investitionsverpflichtungen seit langem schon nicht mehr angemessen nachkommen, werden seit Jahren Gelder der Gesetzlichen Krankenversicherung, die eigentlich für Sach- und Personalkosten verwendet werden sollen, für dringend notwendige Investitionen genutzt. Das ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern führt zusätzlich zu Personaleinsparungen (seit 2004 hat alleine das ca. 17.000 Stellen im Pflegebereich gekostet!). Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern sind heute unmenschlich und gefährden das Wohl der Patienten. Deshalb sind dringend Verbesserungen notwendig. Die nun von der Gesundheitsministerin zugesagten 3 Milliarden Euro, mit denen 21.000 Stellen in der Pflege geschaffen werden sollen, sind vor diesem Hintergrund und angesichts der Stellenstreichungen der letzten Jahre deshalb sicher zu wenig. Es ist außerdem nicht einzusehen, warum dieses Geld den Versicherten der GKV durch eine weitere Beitragssatzerhöhung aufgebürdet werden soll. Hier ist zuallererst die Öffentliche Hand gefordert. Dass die öffentlichen Kassen leer sind, ist weder naturwüchsig noch Zufall, sondern Resultat einer bewussten Politik aller großen Volksparteien in den letzten Jahren, die Arbeitgeber und Unternehmen systematisch von allerlei Steuer”lasten” befreit hat.

    Überall kann man im Moment von Wirtschaftsexperten Sätze wie diesen lesen: “Das Vertrauen in den Markt ist vollständig erloschen.” Wann endlich hören wir solche Sätze auch von Gesundheitspolitikern?
    Quelle: Verein demoktratischer Ärztinnen und Ärzte e.V.

  12. Geschäftsklima in Euro-Zone sackt ab
    Die Stimmung von Unternehmern und Verbrauchern in der Euro-Zone ist im September auf den tiefsten Stand seit fast sieben Jahren gefallen.
    Damit mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft im Währungsraum in eine Rezession abgleiten könnte. Mit 87,7 Zählern lag der entsprechende Geschäftsklima-Index 0,8 Punkte unter seinem Niveau vom August, wie die EU-Kommission am Montag mitteilte. Dabei steht dem Index womöglich eine weitere Talfahrt bevor: Die Unternehmen und Verbraucher wurden in den ersten beiden Septemberwochen befragt – also bevor sich die Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers zugespitzt hatte.
    Quelle: Handelsblatt
  13. US-Handelskammer empfiehlt Standort Deutschland
    Viele US-Firmen entdecken in der Finanzkrise nach Einschätzung der amerikanischen Handelskammer den Standort Deutschland neu. Das Bankensystem in Deutschland sei stark und gesund und es gebe keine Probleme beim Zugang zu Krediten für Investitionen, sagte der Vizepräsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland (Am-Cham Germany), Lutz Raettig, am Dienstag in Frankfurt. “Deutschlands Wirtschaftskraft wird nicht fundamental leiden und das Land bleibt ein guter Ausgangspunkt für den Zugang zu den osteuropäischen Märkten”, sagte Raettig, der zugleich Deutschlandchef des US-Finanzkonzerns Morgan Stanley ist.

    Die deutschen Töchter von US-Banken leiden nach Angaben der Am-Cham bislang nicht unter Kapitalbeschränkungen. Zudem wollen einige Industriekonzerne und Zulieferer aus den USA laut Umfrage ihre Präsenz in Deutschland ausbauen, da viele Branchen wie der deutsche Maschinenbau Weltmarktführer sind. “Die US-Firmen haben Deutschland über die China-Euphorie einige Jahren vernachlässigt und entdecken den Industriemarkt nun wieder”, sagte Am-Cham-Geschäftsführer Dierk Müller.
    Quelle: Tagesspiegel

  14. Großhandelsumsatz im August 2008 real um 1,6% gesunken
    Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) setzte der Großhandel in Deutschland im August 2008 nominal 5,1% mehr und real 1,6% weniger um als im August 2007. Im Vergleich zum Juli 2008 wurde im Großhandel unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal 0,1% weniger und real 0,5% mehr umgesetzt. Nur zwei der sechs Großhandelsbranchen erzielten im August 2008 nominal und real höhere Umsätze als im August 2007. Die höchste reale Umsatzsteigerung verzeichnete dabei der Großhandel mit landwirtschaftlichen Grundstoffen und lebenden Tieren mit 31,6% (nominal + 31,9%). In den ersten acht Monaten des Jahres 2008 setzte der Großhandel nominal 10,4% und real 3,6% mehr um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
    Quelle: destatis
  15. Berliner SPD: Bundesregierung sollte Bahn-Börsengang verschieben
    Der Berliner SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Michael Müller hat die Bundesregierung aufgefordert, den für 27. Oktober geplanten Börsengang der Deutschen Bahn zu verschieben. “Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie mit kühlem Kopf abwartet, bis wieder Ruhe an den Kapitalmärkten eingekehrt ist”, sagte Müller. “Der jetzt geplante Börsengang der Bahn muss verschoben werden”, forderte er angesichts der dramatischen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die internationalen Märkte.

    Eine solche Privatisierung im Bereich der Daseinsvorsorge sei “grundsätzlich problematisch”, kritisierte Müller. Der Berliner Landesverband hatte schon beim SPD-Bundesparteitag im Oktober 2007 in Hamburg gegen eine Privatisierung der Bahn gestimmt. “Wenn nun zusätzlich das Umfeld mit abstürzenden Aktienkursen derart schlecht ist und damit auch ein finanzieller Reinfall droht, muss die Bundesregierung die Konsequenzen ziehen”, forderte Müller. “Es geht hier schließlich um öffentliche Gelder.“
    Quelle: Tagesspiegel

  16. Die EU kauft Berichterstattung ein
    Auf der Homepage der EU-Kommissarin für Kommunikation, Margot Wallström, findet sich eine Videobotschaft, die den schönen Titel „Kommunikation über Europa“ trägt. Im Untertitel heißt es: „Was es bedeutet, der allgemeinen Öffentlichkeit zuzuhören und die Informationen zu vermitteln, die für sie von Belang sind.“ Ja, was bedeutet es? Vor allem bedeutet es augenscheinlich, diesen Belang selbst zu benennen und für die Vermittlung der passenden Informationen viel Geld zu zahlen: Geht es nach Wallström, soll die Fernsehberichterstattung über die EU künftig mit 8,3 Millionen Euro pro Jahr gefördert werden. Wallström hat eine entsprechende Ausschreibung für ein europaweites Fernseh-Netzwerk verfassen lassen, auf dass die Bürger mit rosigen, durch Steuergelder finanzierten EU-Berichten versorgt werden.

    Neu sind die Methoden der EU nicht. Bereits vor vier Jahren schrieb sie ein Förderprogramm aus, für das sich private und öffentlich-rechtliche lokale und regionale Fernseh- und Rundfunksender bewerben konnten. 6,4 Millionen Euro wurden für Europa bereitgestellt, auf Deutschland entfiel knapp eine Million Euro. Zwölf deutsche Projekte erhielten diese „Unterstützung“ für journalistische Beiträge, die explizit der „Imageverbesserung“ der EU und ihrer Institutionen dienen sollten. „Die Bürger sollen deren Aufgaben, Strukturen und Leistungen besser kennenlernen und verstehen“, hieß es damals in einer EU-Mitteilung. Zu den Geförderten, die sich verpflichten mussten, das Image der EU „weder direkt oder indirekt zu schädigen“, gehörten private Sender wie „Untersberg Live“, „Oberpfalz TV“ oder „TV Touring“ sowie öffentlich-rechtliche wie der Bayerische Rundfunk, der Südwestrundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk. Zu sehen bekamen die Zuschauer in der Folge unkritische Beiträge über EU-Subventionen oder distanzlose Beiträge über die Arbeitsweise von EU-Institutionen.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

  17. In Hessen kann die SPD jetzt Erfahrung mit der Linkspartei sammeln
    Die Generalprobe ist erfolgreich absolviert. Alle Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken stehen in Hessen hinter einem Linksbündnis, alle, außer der Sozialdemokratin Dagmar Metzger. Durch das Votum der geheimen Probeabstimmungen ist Andrea Ypsilanti ihrem Ziel, Noch-Ministerpräsident Koch abzulösen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen – das hessische Experiment kann also beginnen. Nur die Möglichkeit eines politischen Meuchelmordes à la Heide Simonis steht ihm noch entgegen, sie ist aber nach Ypsilantis ausführlichen Absprachen mit allen Beteiligten unwahrscheinlich.
    Quelle: TAZ
  18. Mitleid mit der CSU?
    “Die CSU ist am Ende. Das Nachtreten, die Schadenfreude, stinkt mir gewaltig. Man macht sich nicht lustig über einen Menschen, der am Boden liegt, man tritt nicht nach, man ist menschlich.”- Bild-Zeitung, Franz Josef Wagner am 30. September 2008

    Man sollte eigentlich nicht schadenfroh sein? Eigentlich? Gibt es denn Ausnahmen?
    Quelle: ad sinistram

  19. Die Sozialstaats-Chauvinisten
    Österreichs Nachbarn tun so, als fielen sie aus allen Wolken: So viel Rechte, so viel Fremdenfeindlichkeit, so viel Populismus. Wo kommt das alles her?
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung WL: Der von Werner Perger benutzte Populismusbegriff, der links(radikale) genauso wie rechts(extrme) oder basis- und radikaldemokratische Strömungen auf einen Nenner bringt, ist viel zu unscharf und verschwommen, als dass er sich für eine Beschreibung der politischen Stimmungslagen eignete. Die Bezeichnung eines Parteiprogramms als „populistisch“ ist sowenig aussagekräftig wie der Begriff Protestpartei, weil in beiden Fällen keine Aussage über die dahinter steckende Ideologie getroffen wird (vgl. dazu Christoph Butterwegge „Was ist eigentlich Populismus“).

    Der Vorwurf, die Parteien dächten nur an sich selbst, geht an der Wirklichkeit ziemlich vorbei. Dächte beispielsweise die SPD an sich, so würde sie eine Politik machen, mit der sie wieder mehr Wählerinnen und Wähler erreichte. Das Problem ist vielmehr, dass es nur noch um den Machterhalt der Führungsriegen geht, die der Ideologie der einflussreichen Wirtschaftskreise befangen sind und ihr gegen die weitverbreitete Wählermeinung blindlings folgen.

  20. Ecuador wählt Kapital ab
    Nach Venezuela und Bolivien hat sich Ecuador für das Primat der Politik über die ungezügelte Macht der Wirtschaft ausgesprochen. Gut 65 Prozent der 9,7 Millionen Wahlberechtigten hatten sich demnach für die neue Konstitution entschieden. Sie war von einem gewählten Verfassungskonvent in acht Monaten ausgearbeitet worden. Zu den erklärten Zielen zählen ein Ende des Neoliberalismus und die Einführung eines »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«.
    Quelle: Junge Welt

    Siehe dazu auch:

    Ecuadorianer schaffen Neoliberalismus ab
    So ist nach dem Referendum in Ecuador trotz vieler offener Fragen eines klar: Die neue Linke Lateinamerikas ist gekommen, um zu bleiben. Der Neoliberalismus ist in der Defensive.
    Quelle: Telepolis

  21. «Israel muss fast alle besetzten Gebiete räumen»
    Nach den Worten des demnächst aus dem Amt scheidenden israelischen Ministerpräsidenten Olmert muss sich Israel aus fast allen besetzten Gebieten zurückziehen, wenn es Frieden mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarn schliessen will. Yossi Beilin von der linken Meretz-Partei beklagte, dass diese Einsicht reichlich spät erfolge.
    Quelle: NZZ
  22. Zu guter letzt:
    Marcy Kaptur: Let’s Play “WALLSTREET BAILOUT”. The Rules Are…
    Quelle: YouTube


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