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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. September 2016 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. SPD
  2. Das Erfolgsrezept des ungewöhnlichen Politikers
  3. Realitätsverlust als Deutungshoheit
  4. Marine Le Pen will Volksabstimmung über französischen EU-Austritt
  5. Schluss mit den Steuerdeals!
  6. Luxemburger Steuerpolitik im Visier der EU
  7. McDonald’s droht 500 Millionen Euro Steuernachzahlung
  8. Sinn, Schumpeter und die Zinsen
  9. Rügemer: TTIP und CETA sind Instrumente der globalen Finanz-Eliten
  10. Armutsrisiko steigt auf höchsten Stand seit Wiedervereinigung
  11. Nahles Betriebsrentenpläne – ein Irrweg
  12. Wenn vom amerikanischen Traum nichts bleibt
  13. Die Lohnspreizung ist nicht weiter gewachsen. Ist das so?
  14. Aufstieg der AfD – Abstiegsangst schafft Feinde
  15. Die Freiheit sich abzuwenden
  16. Keine strahlenden, aber langlebige Abfälle
  17. Clanherrschaft und linkes Potential
  18. Interviews mit Juncker: YouTube übte massiven Druck auf Video-Bloggerin aus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. SPD
    1. SPD stimmt für Ceta-Abkommen
      SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seine Partei im Streit um das Freihandelsabkommen Ceta hinter sich gebracht. Beim Parteikonvent in Wolfsburg stimmte eine Mehrheit der Delegierten grundsätzlich für das Abkommen zwischen der EU und Kanada und damit für Gabriels Linie. Der SPD-Chef und Wirtschaftsminister teilte mit, zwei Drittel der Stimmberechtigten seien dem Antrag der Parteiführung gefolgt. Er gehe davon aus, dass die Bundesregierung nun das Abkommen unterzeichnen werde.
      Gabriel hatte sich in den vergangenen Wochen deutlich für das umstrittene Abkommen ausgesprochen. Hätten ihm die Delegierten die Gefolgschaft verweigert, wäre seine politische Zukunft ungewiss gewesen. An dem Konvent hatte als Gast auch die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland teilgenommen, um ebenfalls für Ceta zu werben.
      In der ARD-Sendung “Farbe bekennen” lobte Gabriel die SPD für den Umgang mit dem Thema. “Die SPD ist die einzige Partei, die in Deutschland das sachlich erörtert hat.” In der Union und bei der FDP habe es dagegen sofort Zustimmung gegeben, während Grüne und Linke sofort dagegen gewesen seien – jeweils ohne dass klar gewesen sei, wie das Abkommen letztlich aussehen würde. “Ich finde, die SPD kann richtig stolz auf sich sein, dass sie das Für und Wider solcher Abkommen in Ruhe diskutiert hat mit einem langen Prozess.”
      Quelle: Zeit

      Anmerkung JK: Der bundesweite Protest von 320.000 Bürgern gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta und das desaströse Wahlergebnis in Berlin, war den Delegierten des Parteikonvents offensichtlich absolut egal. Man muss schon in einer völlig anderen Welt leben um vor diesem Hintergrund so zu entscheiden. Doch der SPD geht es schon längst nicht mehr darum, die Interessen der Bürger dieses Landes zu vertreten. Man will sich nur noch, seinem Vorsitzenden folgenden, den herrschenden Eliten und den internationalen Großkonzernen anbiedern.
      Mit der Zustimmung zum Freihandelsabkommen Ceta dürfte die spätestens mit der Agenda 2010 begonnene, Metamorphose der SPD zu einer reinen Erfüllungsgehilfin der deutschen Oligarchie endgültig abgeschlossen sein. Es bewahrheitet sich wieder einmal die alte Parole: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Und vorwärts mit dem Projekt 18!
      Zum Thema TTIP und Ceta scheint bereits alles gesagt zu sein, auf den NachDenkSeiten findet man eine Fülle an Informationen. Man sollte dennoch noch einmal reflektieren, dass faktisch jede öffentliche und subventionierte Einrichtung wie der öffentliche Nahverkehr, wie öffentliche Bibliotheken, wie Kindergärten, wie Oper und Theater, Anlass zu einer Klage wegen Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung von privaten Investoren geben können. Man sollte sich dann erinnern beim wem man sich zu bedanken hat.

      Dazu: Kurt Tucholsky – An einen Bonzen
      Einmal waren wir beide gleich.
      Beide: Proleten im deutschen Kaiserreich.
      Beide in derselben Luft,
      beide in gleicher verschwitzter Kluft;
      dieselbe Werkstatt – derselbe Lohn –
      derselbe Meister – dieselbe Fron –
      beide dasselbe elende Küchenloch …
      Genosse, erinnerst du dich noch?

      Aber du, Genosse, warst flinker als ich.
      Dich drehen – das konntest du meisterlich.
      Wir mußten leiden, ohne zu klagen,
      aber du – du konntest es sagen.
      Kanntest die Bücher und die Broschüren,
      wußtest besser die Feder zu führen.
      Treue um Treue – wir glaubten dir doch!
      Genosse, erinnerst du dich noch?

      Heute ist das alles vergangen.
      Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen.
      Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren,
      du lachst über Straßenhetzer und Narren.
      Weißt nichts mehr von alten Kameraden,
      wirst aber überall eingeladen.
      Du zuckst die Achseln beim Hennessy
      und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.
      Du hast mit der Welt deinen Frieden gemacht.

      Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht
      eine leise Stimme, die mahnend spricht:
      „Genosse, schämst du dich nicht –?“

    2. Sahrah Wagenknecht auf Facebook:
      Was für ein Armutszeugnis für die angebliche Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die sich selbst ja inzwischen lieber als Partei des Freihandels bezeichnet. Ich finde ja: Ehrlicher wäre Partei des Konzernschutzes, denn um nichts anderes geht es bei CETA. Der SPD-Konvent hat dieses unselige Abkommen heute abgesegnet – und dabei TTIP durch die Hintertür gleich mit. Es wäre wirklich schön, wenn es in der SPD eine Mehrheit von Menschen geben würde, die auf die berechtigten sozialen und demokratischen Forderungen aus der Bevölkerung hören würden – anstatt auf den Lobbyisten-Untertan Gabriel. Wir als Linke machen weiter Druck – und mit uns viele Tausende mehr. Das haben wir am Samstag eindrucksvoll gezeigt. Wir werden CETA und TTIP stoppen. CETA-Befürworter wie Gabriel und Merkel gehören abgewählt.
      Quelle: Sahra Wagenknecht
    3. Jetzt kann Gabriel (fast) niemand mehr aufhalten
      Es ist eine große Show, die Gabriel und Schulz in Wolfsburg abliefern. Aber so eine Show funktioniert nur, wenn man richtig gute Laune hat. Besonders der SPD-Vorsitzende hat allen Grund dazu. Dass rund zwei Drittel der Delegierten für Ceta stimmten, ist ein enormer Erfolg für Gabriel. Und vor allem ein überraschender. Denn einen Teil der Anwesenden konnten selbst Kompromissangebote nicht überzeugen, sie waren kategorisch gegen Ceta. Aber andere kritische Delegierte ließen sich dann doch überzeugen.
      An diesem Montagabend darf sich Gabriel so stark fühlen wie lange nicht. Er ist den Kritikern entgegen gekommen, es soll jetzt weitere Konsultationen mit dem Europaparlament geben, bevor Teile von Ceta vorläufig angewendet werden dürfen. Zudem sind rechtsverbindliche Zusatzerklärungen geplant, besonders umstrittene Bereiche wie die Daseinsvorsorge wurden nachgeschärft, private Schiedsgerichte soll es nicht geben. In der Tristesse der Wolfsburger Kongresshalle hat Gabriel ein kleines politisches Meisterstück hingelegt.
      Damit ist klar: Er muss jetzt nur noch zugreifen. Sigmar Gabriel sitzt so fest im Sattel wie lange nicht mehr. Das hat bei den Sozialdemokraten in jüngster Zeit zwar nicht viel zu bedeuten, weil sich die Stimmung in der latent verunsicherten Partei rasch wieder ändern kann. Aber Gabriel hat Momentum. Mit anderen Worten: Wenn er wollte, könnte der SPD-Chef sofort Kanzlerkandidat werden.
      Quelle: SPON

      Anmerkung JK: Sage mir wer deine Freunde sind und ich sage dir wer du bist. Wie wäre dieser Beitrag wohl ausgefallen, wenn die SPD nein gesagt und Gabriel und die SPD-Führung dieses nein akzeptiert hätten?

    4. Achtung SPD: Auch neue CETA-Schiedsgerichte bedrohen Demokratie
      Pünktlich zum heutigen SPD-Parteikonvent veröffentlichen wir gemeinsam mit anderen Organisationen aus Kanada und der EU unsere neue Studie „Verkaufte Demokratie.“ Die Studie befasst sich mit den umstrittenen Schiedsgerichten im CETA-Abkommen mit Kanada. Sie zeigt: Auch mit der angeblich refomierten Schiedsgerichtsbarkeit in CETA (dem sogenannten, Investment Court System ICS) verändert sich nichts grundlegend: Es entstehen einseitige Klagerechte für ausländische Unternehmen gegen Staaten. Von unabhängigen Gerichten kann auch nicht die Rede sein. Uns droht mit CETA und der damit verbundenen Ausweitung des Investitionsschutzes vielmehr ein Klageboom gegen Regulierungen im öffentlichen Interesse.
      Dass sich mit der angeblichen Reform nichts grundlegendes ändert, zeigt auch die Reaktion der in Schiedsverfahren involvierten Anwaltskanzleien selbst. Nigel Blackaby, Co-Chef für internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei der Anwaltskanzlei Freshfields in Washington, geht davon aus, dass die EU-Vorschläge zu refomierten Schiedsgerichten in CETA nichts Grundlegendes an der Schiedsgerichtsbarkeit verändern, „denn die Standards, nach denen geurteilt wird, bleiben die gleichen.“
      Mit anderen Worten: Klagen wie die des Tabakmultis Philip Morris gegen Anti-Tabak-Gesetze in Uruguay wären weiterhin möglich. Und auch, dass zukünftige Schiedsgerichte sie zugunsten der Investoren entscheiden. Es gehe beim jüngsten Vorschlag der Kommission daher lediglich darum, ISDS politisch zu retten, so Blackaby in der Österreichischen Tageszeitung Der Standard.
      Schiedsgerichtsbarkeit wird sich als praktisches Mittel für Lobbyisten erweisen. Denn sie können mit Klagen gegen unliebsame Regulierungen im öffentlichen Interesse drohen. Wie zahlreiche Beispiel der Vergangenheit zeigen, hat dies dazu geführt, dass Staaten erst gar nicht reguliert haben. Während also die umstrittene regulatorische Kooperation in CETA den Lobbyeinfluss bei Regulierungen stärkt, schaffen die Schiedsgerichte zusätzliche Erpressungsmittel, falls eine Regulierung im Raum steht.
      Quelle: LobbyControll
  2. Das Erfolgsrezept des ungewöhnlichen Politikers
    Großbritannien erlebt die Wiedergeburt radikaler Politik. Auf befremdliche Art und Weise, wie der marxistische Autor Richard Seymour findet. Er widmet sein Buch Jeremy Corbyn. Doch ist es keine Biographie, vielmehr ein Blick auf die politischen und sozialen Verhältnisse, die den Politiker an die Spitze der sozialdemokratischen Partei Labour brachten.
    Mit der sozialdemokratischen Partei Labour kann der marxistische Autor Richard Seymour wenig anfangen, aber der 66-jährige Jeremy Corbyn als neuer Parteichef von Labour ist ihm ein ganzes Buch wert. Ein sozialistischer Politiker an der Spitze der britischen Labour Partei, das war eine echte Überraschung für den Publizisten Richard Seymour. Der Wechsel stehe für den Wandel der politischen Kultur im Zusammenhang mit neuen Medien und somit neuen Machtmechanismen. Taktisch gesehen beruhe Corbyns Erfolg auf dem Rückhalt durch die Gewerkschaften und der Glaubwürdigkeit seiner Positionen vor allem aus Sicht junger Wähler. Diese erreicht er direkt über die neuen Medien und elektronischen Netzwerke.
    Strategisch sieht Seymour Corbyns Wahl zum Vorsitzenden von Labour als Fanal – Corbyn sei die Rechnung für die unsoziale Politik von Tony Blair und New Labour. Diese Entwicklung wiederum sieht Seymour in einem europäischen Kontext:
    “Ein Hauptangriffsziel des Neoliberalismus in Europa waren die klassischen sozialdemokratischen Parteien. Fast im gleichen Maß, wenn auch in unterschiedlichem Tempo und zu verschiedenen Graden, fanden letztere sich überwältigt von den Transformationen der globalen Wirtschaft und zugleich vom Widerstand der Unternehmer gegen ihre Versuche, den Status quo zu bewahren. Als die Prioritäten der Nationalstaaten sich änderten – von der Vollbeschäftigung als Grundlage für den alten Klassenkompromiss hin zu ausgeglichenen Haushalten und Inflationsbekämpfung, die als Grundlage für die Investitionsbereitschaft der Unternehmer gelten, da gab die Sozialdemokratie jene politischen Mittel preis, die sie eigentlich ausmachten.”
    Jeremy Corbyn gab die Mittel nicht preis. Seymour beschreibt ihn als engagierten Kämpfer, der als linker Gewerkschaftsfunktionär anfängt, 1974 in die Stadtpolitik von London geht und seit 1983 für Labour im Unterhaus sitzt. Politisch ist Corbyn an vielen Fronten aktiv: Gegen die Apartheid in Südafrika und für die Gewerkschaften in England, gegen die Modelle der Public-Privat-Partnership und für die Abschaffung der Studiengebühren. Kurz – er führt seit Jahrzehnten den Kampf gegen das neoliberale Mainstreaming von New Labour bis in die Tage von Gordon Brown. Seymour fasst zusammen:
    “Es bedeutet einen Kampf gegen den Neoliberalismus an verschiedenen Fronten: die Abkehr von der Privatisierung, die Verteidigung öffentlicher Ausgaben, die Unterstützung von Wohlfahrt und die Rücknahme lokaler Dienstleistungen in die öffentliche Hand. Es geht um die Umkehr der bekannten nationalistischen Außenpolitik von Labour und die Abkehr von der atomaren Bewaffnung.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  3. Realitätsverlust als Deutungshoheit
    Gestern Abend bekam der Zuschauer die Gelegenheit einen kompetenten Politiker kennenzulernen. Er kam sogar aus Berlin, was manche Zeitgenossen für so unwahrscheinlich halten werden, wie die Eröffnung eines neuen Flughafens in der Bundeshauptstadt. Es stimmt aber trotzdem.
    Alexander Ahrens kommt tatsächlich aus Berlin. Allerdings ist er Bürgermeister in Bautzen. Anne Will hatte ihn zu den Vorfällen in dieser ostdeutschen Kleinstadt eingeladen, die seit Mitte vergangener Woche die Republik bewegen. Dort hatten sich zwanzig minderjährige Flüchtlinge im Stadtzentrum daneben benommen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit achtzig Rechtsextremisten, die diese Jugendlichen anschließend durch die Stadt jagten. Die Polizei konnte, wenn auch mit etwas Mühe, eine weitere Eskalation verhindern.
    Ahrens schilderte die Vorfälle in seiner Stadt auf sachliche Art und Weise. Er neigte weder zur Verharmlosung, noch zur Dramatisierung. Dabei räumte er durchaus eigene Fehleinschätzungen ein. So hatte er seit April von den Beschwerden über das Verhalten einiger Flüchtlinge auf dem Bautzener Kornmarkt gewusst, dabei aber das Eskalationspotential unterschätzt, das sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vergangene Woche zeigte.
    Ahrens machte eigentlich alles richtig. Er reagierte etwa mit Dialogangeboten, ohne sich anzubiedern. Und er beschrieb die Probleme mit diesen Flüchtlingen ohne jeden falschen Zungenschlag. Sie gibt es, genauso wie Probleme mit Rechtsextremisten. Dabei wurde jedoch eines deutlich: Der Bürgermeister ist wie die Bürger seiner Stadt handlungsfähig.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Es schon ziemlich schräg, dass man inzwischen die erträglichsten Einschätzungen hinsichtlich der Vorgänge in Bautzen und der Flüchtlingsfrage generell in der FAZ findet. Das Gegenbeispiel ist der hysterische Kommentar “Den Rechtsextremen die Grenzen aufzeigen” auf der Webseite des Deutschlandfunkes, der jeden Hinweis an die jugendlichen Flüchtlinge, dass öffentlicher Alkoholkonsum und anschließende Randale ihrer Sache nicht förderlich ist, als rassistisch, und den “Rechten” in die Hände spielend diffamiert. Die FAZ stellt dazu die richtige Frage: Was würde den “Rechten” nicht nutzen? Wenn man, wie Bastian Brandau, die Jugendlichen Flüchlinge für sakrosankt erklärt und jede Kritik als fremdenfeindlich denunziert?

  4. Marine Le Pen will Volksabstimmung über französischen EU-Austritt
    Ihr Ziel ist der Élysée-Palast – und am Sonntag hat Marine Le Pen ihren langen Marsch begonnen. “Alles für das Volk – nichts ohne es, nichts gegen es”, verspricht die Vorsitzende des rechtsextremen Front National ihren Parteifreunden.
    Die über 3000 Anhänger im südfranzösischen Fréjus, etwa 800 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, antworten, indem sie ihre 48-jährige Chefin bereits zur ersten Frau im Staate ausrufen: “Marine Présidente, Marine Présidente!” hallen die Sprechchöre durch den “Espace Caquot”, den Hangar eines früheren Militärstützpunktes der französischen Armee.
    Auf Schildern oder Stellwänden fehlten die zwei Buchstaben “FN” ebenso wie die blau-weiß-rot lodernden Flammen, das Parteisymbol. Stattdessen entbot per Plakat eine ernst dreinblickende Marine Le Pen eine einfache Botschaft: “La France apaisée”, ein befriedetes Frankreich. Und auf der blauen Bühne stand, hinter drei französischen Fahnen, das Kampagnenmotto der selbst erklärten Volkstribunin: “Im Namen des Volkes”.
    In Fréjus versprach Le Pen, ihr Feldzug für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr kommenden Jahres werde “wie kein anderer” sein. Auf dem Spiel stehe nicht weniger als die nationale Zivilisation und die Frage: “Wird Frankreich Frankreich bleiben?” Unter dem Jubel ihrer Anhänger warnte Le Pen vor einem Vormarsch des Islam in Frankreich und einer angeblichen Überfremdung: “Masseneinwanderung und Multikulti sind Kinder der EU!”
    Quelle: SZ
  5. Schluss mit den Steuerdeals!
    Der Fall Apple zeigt, dass das derzeitige System am Ende ist. Statt im Sinne der Unternehmen müssen die Staaten endlich im Interesse der Öffentlichkeit handeln.
    Die Europäische Kommission sollte dafür gelobt werden, dass sie im Fall Apple keinen Rückzieher macht. Und das US-Finanzministerium sollte nicht als De-facto-Botschafter für den IT-Konzern arbeiten. Mit ihrer Entscheidung, dass Irland 13 Milliarden Euro Steuern von Apple zurückfordern muss, widersetzt sich die Kommission der Lobbyarbeit des amerikanischen Finanzministeriums im Namen von Apple. Das Ministerium behauptet, dass die US-Steuerzahler die Last tragen würden, wenn das Unternehmen die geforderten Steuern an Irland zahlt. Demnach könnte sich Apple die Nachzahlungen in Europa auf Steuern in der Heimat anrechnen lassen.
    Dieses Argument ist so absurd, dass es dem Finanzministerium peinlich sein sollte. Jedes Mal, wenn ein amerikanisches Unternehmen eine Steuer zahlt, die in Europa erhoben wird, tragen die US-Steuerzahler zwangsläufig einen Teil der Kosten als Folge des weltweiten Steuersystems. Geht es nach der Logik des Finanzministeriums, sollte Europa niemals Steuern von amerikanischen Firmen fordern!
    Das Argument des Finanzministeriums verkehrt die Tatsachen. Die Wahrheit ist, dass wir nicht in dieser schwierigen Lage wären, wenn die USA und Irland ihre Steuern ordnungsgemäß eintreiben würden. Aber genau so, wie lasche Regulierung die Finanzkrise von 2008 ermöglicht hat, so erlauben es massive Lücken im Steuergesetz den fünfzig größten US-Unternehmen, darunter auch Apple, schätzungsweise 1,3 Billionen Dollar ins Ausland zu schaffen und unversteuert zu lassen.
    Das wahre Problem dahinter: Unternehmen haben die Möglichkeit, konzerninterne Leistungen so zu verrechnen, dass die Kosten in Ländern mit hohen Steuern anfallen und die Gewinne in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern. Dieses System erlaubt es Unternehmen, ihre Geschäfte künstlich in unendlich viele Tochtergesellschaften aufzusplitten, die als getrennte Unternehmen besteuert werden. Das gibt ihnen großen Spielraum, ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer wie Irland zu verlagern, indem sie frei erfundene interne Preise verwenden. Im konkreten Fall ging Irland noch einen Schritt weiter und erlaubte Apple, Gewinne auf Tochtergesellschaften zu verlagern, die im Cyberspace existieren und überhaupt keine Mitarbeiter beschäftigen.
    Quelle: Erika Siu und Joseph E. Stiglitz in der SZ
  6. Luxemburger Steuerpolitik im Visier der EU
    Die EU-Kommission treibt ihren Kampf gegen Steuersparmodelle von internationalen Konzernen voran und hat ein Verfahren gegen Luxemburg eröffnet. Es geht um den internationalen Energiekonzern Engie.
    Im Visier der Wettbewerbshüter stehen Vereinbarungen zwischen dem Großherzogtum und dem französischen Energieunternehmen Engie, wie die Brüsseler Behörde am Montag mitteilte. Engie firmierte bis zum vergangenen Jahr unter dem Namen GDF Suez und ist einer der größten Energiekonzerne in Europa. Wie bei Fiat Chrysler, Amazon und McDonald’s vermutet die Brüsseler Behörde ungerechtfertigte Steuervorteile auch für Engie.
    Konkret geht es um Steuervorbescheide von 2008 für Steuermodelle von vier Unternehmen des Engie-Vorgängers GDF Suez mit Sitz in Luxemburg. Unternehmenstöchter gaben sich dabei gegenseitig zinslose Darlehen. “Die steuerliche Behandlung scheint zu einer doppelten Nichtbesteuerung sowohl des Darlehensgebers als auch des Darlehensnehmers für Gewinne in Luxemburg zu führen”, schreibt die Kommission. Sie vermutet, dass GDF Suez Steuervorteile erhalten habe, die andere Unternehmen nicht gehabt hätten.
    Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte zuletzt mit einer Entscheidung im Fall Apple Furore gemacht: Der US-Konzern erhielt aus Sicht der Kommission von Irland wettbewerbswidrige Vorteile und soll nun 13 Milliarden Euro nachzahlen. Der Fall Engie ist nicht so groß – die EU nennt noch keine Summen.
    Die Kommission hat bereits unrechtmäßige Beihilfen an Fiat Chrysler in Luxemburg angeprangert. Dagegen zogen sowohl die Regierung des Landes als auch der Konzern vor Gericht. In weiteren Verfahren gegen Amazon und McDonald’s fiel noch keine Entscheidung. Das luxemburgische Finanzministerium erklärte, die Eröffnung des vertieften Verfahrens sei noch keine Vorentscheidung. Man sei überzeugt, dass Engie keine speziellen oder selektiven Vorteile gewährt worden seien.
    Quelle: Deutsche Welle
  7. McDonald’s droht 500 Millionen Euro Steuernachzahlung
    Die Europäische Kommission ermittelt erneut wegen Steuernachzahlungen gegen ein US-Unternehmen. Dem Fast-Food-Konzern McDonald’s droht eine Steuernachzahlung in Höhe von bis zu 500 Millionen US-Dollar. Das berichtet die Financial Times und beruft sich dabei auf eine laufende Untersuchung der EU-Kommission. Die Europazentrale von McDonald’s liegt in Luxemburg. Seit 2009 habe die Firma einen Gewinn von 1,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet aber lediglich einen durchschnittlichen Steuersatz von 1,49 Prozent darauf gezahlt.
    Der Steuersatz in Luxemburg ist mit 30 Prozent im Regelfall deutlich höher. Die EU-Kommission könnte von McDonald’s, genau wie im Fall Apple, eine Nachzahlung fordern. Eine Nachzahlung in Höhe von 500 Millionen Dollar wäre dabei im Vergleich mit anderen Fällen eine mittelschwere Strafe. Der Autohersteller Fiat und die Kaffeekette Starbucks müssen 20 bis 30 Millionen Euro nachbezahlen, gegen Apple verhängte die EU-Kommission die Rekordsumme von 13 Milliarden Euro plus Zinsen.
    Die Ermittlungen im Fall McDonald’s laufen seit Dezember 2015. Bis zum Abschluss der Ermittlungen gilt für den Konzern die Unschuldsvermutung. Die EU-Kommission äußerte sich nicht zum laufenden Verfahren. “Wir zahlen die fälligen Steuern und wurden nicht bevorzugt behandelt”, verteidigte sich das Unternehmen. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kündigt weitere Ermittlungen gegen US-Konzerne an. “Amazon und McDonald’s und andere sehr bekannte Unternehmen sind schon auf unserer Liste”, sagte Vestager dem Handelsblatt.
    Quelle: Zeit
  8. Sinn, Schumpeter und die Zinsen
    Hans Werner Sinn glaubt, dass die niedrigen Zinsen die Investitionstätigkeit und die Innovation behindern. Wir glauben, dass Professor Sinn weder die neoklassische Theorie, auf die er sich üblicherweise beruft, noch die Theorie von Schumpeter verstanden hat, auf die er sich jetzt beruft.
    Es gibt Thesen, die sind so sehr neben der Sache, dass wir sie mit unserer Rubrik „Genial daneben“ eigentlich nicht mehr einfangen können. Wir müssten sie „doppelt genial daneben“ nennen, oder „genial daneben hoch zwei, drei oder vier“. Für eine dieser Rubriken hat sich Hans-Werner Sinn qualifiziert, der in einem Gastbeitrag für die Wirtschaftswoche (hier) die Entwicklungstheorie Joseph Alois Schumpeters bemüht, um die niedrigen Zinsen zu kritisieren.
    Sinn schreibt, die Ökonomie gerate bei fallenden Zinsen in ein permanentes Siechtum und dieses fände erst ein Ende, wenn es in der Geldpolitik „eine echte Kulturrevolution“ gebe. Das passiere, so Sinn, weil durch niedrige Zinsen die „schöpferische Zerstörung als Basis eines neuen Aufschwungs“ verhindert würde. Es fänden sich bei dieser Politik nicht genügend junge Unternehmer und Investoren bereit, neu einzusteigen, weil die alten Zombiefirmen von dieser Geldpolitik künstlich am Leben gehalten werden.
    Quelle: Makroskop
  9. Rügemer: TTIP und CETA sind Instrumente der globalen Finanz-Eliten
    Werner Rügemer sieht hinter sogenannten Freihandelsabkommen vor allem die Interessen der ungewählten Eliten des globalen Finanzkapitalismus. In Kombination mit der militärischen Präsenz in Europa hält Rügemer TTIP und CETA für gefährlich. Dass es auch anders geht, beweise die Praxis von China.
    Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten
  10. Armutsrisiko steigt auf höchsten Stand seit Wiedervereinigung
    Die Armutsrisikoquote ist 2015 nach Informationen von SPIEGEL ONLINE auf 15,7 Prozent gestiegen – der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Außer Familien und Alleinerziehenden ist eine weitere Personengruppe besonders betroffen.
    Kein Zweifel, die Wirtschaftslage in Deutschland ist gut – doch ein großer Teil der Bevölkerung profitiert davon nicht. Und dieser Anteil ist zuletzt sogar wieder gewachsen: 15,7 Prozent der Menschen in Deutschland waren 2015 von monetärer Armut bedroht, 0,3 Prozentpunkte mehr als 2014 und so viel wie nie seit der Wiedervereinigung. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor, die SPIEGEL ONLINE vorliegen. Offiziell veröffentlichen die amtlichen Statistiker die Armutsquote erst am kommenden Donnerstag. (…)
    “Die Daten zeigen, dass es beim Thema Armut keine Entwarnung gibt. Der Aufschwung kommt offensichtlich nicht bei allen an”, sagt Eric Seils vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. (…)
    Wenn relative – also vergleichsweise – Armut gemessen wird, gibt es selbstverständlich einen engen Zusammenhang mit Ungleichheit. Und auch wenn Armut weitere Lebensbereiche wie Gesundheit, Wohnung oder Sozialleben betrifft, bleibt das Einkommen ein wichtiger Indikator.
    So hilft die Statistik auch, besonders von Armut gefährdete Bevölkerungsgruppen zu erkennen. Sehr hoch ist das Risiko – außer für Empfänger von Arbeitslosengeld und Erwerbslose – für Menschen ohne Schulabschluss, aber auch Single-Haushalte sind überdurchschnittlich gefährdet.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Völlig rätselhaft bleibt, wieso SPON schreibt: “Kein Zweifel, die Wirtschaftslage in Deutschland ist gut”. Kann die ökonomische Situation eines Landes überhaupt gut sein, wenn die Armutsrisikoquote so hoch ist?

  11. Nahles Betriebsrentenpläne – ein Irrweg
    Ein Steckenpferd von Andrea Nahles scheinen die Betriebsrenten zu sein: Noch in diesem Jahr will die Ministerin ein Konzept präsentieren, wie auch Klein- und Mittelverdiener in großem Stil für diese zusätzliche Altersvorsorge gewonnen werden können. Womöglich gibt es direkte Zulagen wie bei Riester. Womöglich eine Art Zwang zum Abschluss von Betriebsrenten. Nichts Genaues weiß man noch nicht. Was hingegen fest steht: Betriebsrenten sind keineswegs so lukrativ wie uns immer erzählt wird. Sie werden von denselben Versicherungskonzernen organisiert, die uns bei Riester-Renten und anderen Lebensversicherungen auf Rendite-Schmalkost setzen. Verschärfend kommt hinzu: In der Auszahlung haben gerade Betriebsrenten gravierende Nachteile. Volle Besteuerung ab dem ersten Euro. Und gesetzlich Versicherte zahlen die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge inklusive Arbeitgeberanteil. Außerdem sinkt für alle, die ihre Betriebsrente per Entgeltumwandlung finanzieren, die spätere gesetzliche Rente erheblich. Im Klartext: Wenn Andrea Nahles die Betriebsrenten fördert, ruiniert sie die gesetzliche Rente als Hauptsäule der Altersversorgung weiter.
    So schießt sich die Ministerin selber ins Knie. Frohlocken kann hingegen die Versicherungswirtschaft: Da es mit den normalen Renten und Lebenspolicen nicht mehr so toll läuft, sollen es nun die Betriebsrenten richten. Bereits heute kassiert die Branche in diesem Bereich jährlich annähernd 20 Milliarden Euro. Darf’s noch etwas mehr sein?
    Und was sagen all die, die schon in der Vergangenheit freiwillig zum Beispiel in eine betrieblich angebotene Direktversicherung eingezahlt haben? Die fühlen sich glatt betrogen, weil sie in vielen Fällen nur rund die Hälfte von dem rausbekommen, was sie zuvor eingezahlt hatten. Sie haben sich deshalb bereits massenhaft im Verein Direktversicherungsgeschädigte e.V. organisiert. Es sind Bürger, die früher meist recht ordentlich verdient haben und den Politikern vertraut haben. Bürger, die viele Jahre lang gutgläubig eingezahlt haben und dachten, sie machten alles richtig. Viele von ihnen sind zu Wutbürgern geworden. Und nun will Andrea Nahles auch den Rest der Bevölkerung in ein solches Abzocksystem zwingen. Weiß sie eigentlich, was sie da vorhat?
    Quelle: vorsorgeluege.de
  12. Wenn vom amerikanischen Traum nichts bleibt
    Du wirst krank, verlierst deinen Job, und dann geht es ganz schnell: 43 Millionen US-Amerikaner leben in Armut. Der Fotograf Joakim Eskildsen hat Betroffene porträtiert. Viele waren froh, dass jemand ihnen zuhörte.
    Quelle: SPON
  13. Die Lohnspreizung ist nicht weiter gewachsen. Ist das so?
    Endlich mal wieder gute Nachrichten, wird der eine oder andere gedacht haben, als das Statistische Bundesamt mit dieser Meldung an die Öffentlichkeit gegangen ist: Trend gestoppt: Lohnspreizung nicht weiter gewachsen. Was ist passiert? Dazu die Bundesstatistiker: »Der Verdienstabstand zwischen Gering- und Besserverdienern ist zwischen 2010 und 2014 nahezu konstant geblieben. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist damit der langjährige Trend einer zunehmenden Lohnspreizung gestoppt. Das sogenannte Dezilsverhältnis lag 2014 mit 3,41 leicht unter dem Niveau von 2010 (3,45). 2006 hatte es noch 3,33 betragen.« Das hört sich nicht wirklich simpel an. Also lesen wir weiter: »Das Dezilsverhältnis ist ein Maß zur Messung des Abstands zwischen Geringverdienern (untere 10 % der Lohnskala) und Besserverdienern (obere 10 %). Hierfür wird der Bruttostundenverdienst, ab dem man als Besserverdiener zählt (2014: 31,00 Euro), ins Verhältnis gesetzt zum Bruttostundenverdienst, bis zu dem Geringverdiener reichen (9,10 Euro). Dabei werden sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte einschließlich der geringfügig Beschäftigten betrachtet.«
    Nun ist die positiv daherkommende Botschaft einer nicht mehr wachsenden Lohnspreizung vorsichtig formuliert nur eine halb richtige Ableitung aus den Zahlen, auf die man sich hier bezieht. Man könnte auch sagen, dass hier so einiges durcheinander geht.
    Schauen wir uns zuerst die Datengrundlage an. Seit 2006 wird regelmäßig alle vier Jahre die Verdienststruktuerhebung durchgeführt. Es handelt sich um eine Stichprobenerhebung. Für das Berichtsjahr 2014 wurden die Daten von 60.000 Betrieben und 1,0 Millionen Beschäftigungsverhältnissen erfasst und ausgewertet.
    Bis einschließlich 2010 wurden in der Verdienststrukturerhebung nur Beschäftigte in Betrieben des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs mit mehr als zehn Beschäftigte erfasst – das ist ein wichtiger Punkt für das hier relevante Thema, denn dadurch war der gesamte kleinbetriebliche Sektor nicht in den Daten enthalten. Das hat sich mit der Erhebung im Jahr 2014 geändert. Denn seit 2014 sind nun zum einen der Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und zum anderen die Betriebe mit weniger als zehn Arbeitnehmern aufgenommen worden in die Erhebung der Verdienste. Das hat natürlich Auswirkungen.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  14. Aufstieg der AfD – Abstiegsangst schafft Feinde
    Politiker erklären den Aufstieg der AfD gerne mit der Angst vor Flüchtlingen. Dabei sind die Gründe womöglich viel profaner – und eher im Nachbarsgarten zu suchen als bei Burka tragenden Frauen. Ein Erklärungsversuch.
    Der Befund scheint naheliegend. Wenn derzeit fast überall die Populisten von rechts Aufwind haben, dann muss das etwas damit zu tun haben, dass es fast überall eine Menge Verlierer der Globalisierung gibt. Das schafft Unmut. Klar.
    Die Frage ist dann nur, warum in Deutschland so viele Leute AfD wählen – als nächstes wohl am Sonntag in Berlin? Wo wir als Land doch zu den (Export-)Gewinnern zählen, es bei uns so wenige Arbeitslose gibt wie lange nicht, die Einkommen steigen und der Staat trotz aller Unkenrufe über teure Flüchtlinge steigende Überschüsse einfährt. Und warum ist der Unmut über alles Mögliche auch unter denen so groß, die gar nicht zu den Tagelöhnern mit Wackeljob und Billigkonkurrenz aus dem Osten zählen, sondern gelegentlich sogar zur Elite der Ingenieure, Chemiker und Ärzte?
    Der Grund für die Stimmungslage muss woanders liegen. Eine Erklärung könnten die Ergebnisse einer höchst spannenden Studie einer Forschergruppe um das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) geben.
    Die Ökonomen haben ausgewertet, ob und wie stark die wirtschaftliche Unzufriedenheit von Menschen im eigenen Land auf den persönlichen Hang wirkt, Hass auf Ausländer zu schieben. Und zwar weniger gemessen an der absoluten Höhe des Einkommens – also an der Frage, ob man in der Gesellschaft unten oder oben steht – sondern daran, wie man sich im Vergleich gegenüber denen entwickelt, die zum persönlichen Umfeld gehören. Also Familie, Nachbarn und Freunde.
    Quelle: SPON
  15. Die Freiheit sich abzuwenden
    Zur Religionsfreiheit gehört das Recht, eine Religionsgemeinschaft zu kritisieren oder sie zu verlassen. Das sagte der Theologe Heiner Bielefeldt im Deutschlandfunk. Er ist Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Bielefeldt plädierte dafür, nicht zu verallgemeinern. Religion sei veränderbar. Auch durch Kritik.
    Main: Also braucht es auch den “Islamkritiker” – in Anführungszeichen? In der Öffentlichkeit ist ja durchaus zu beobachten, dass die Bezeichnung “Islamkritiker” undifferenziert und auch oft diffamierend benutzt wird. Da wird alles in einen Topf geworfen: die intellektuelle islamische Reformerin, der linksliberale Nichtmuslim in einen Topf mit Verängstigten, mit Islamhassern. Wie bekommen wir das entwirrt? Das ist dann für mich eine ganz offene Frage.
    Bielefeldt: Ja. Ich meine, Sie haben im Grunde die Antwort gegeben – eigentlich schon bei der Anmoderation. Also diese pauschalen Begriffe, diese verächtlichen Begriffe, die bringen ja gar nichts weiter. Und es gibt eine berechtigte “Islamkritik”. Es gibt überhaupt natürlich eine ganz große Berechtigung zur Religionskritik, aber auch die Notwendigkeit, die Religionskritik ihrerseits noch mal kritisch zu beleuchten. Denn da gibt es, sagen wir mal, brachiale Varianten, “Hau-drauf-Varianten”, die eigentlich nur auf Abschottung zielen oder politische Stimmungsmache, wo gar nichts geklärt werden soll, wo dann also auch der Gestus der Aufklärung beinahe schon so ein bisschen lächerlich rüberkommt.
    Und es gibt die notwendige schwierige Auseinandersetzung, bei der eben Genauigkeit und vor allem die Bereitschaft zum Hinhören Voraussetzung sind. Also ich mag es nicht, dass man den Begriff “Islamkritiker” irgendwie denunzierend, verächtlich verwendet, genauso wenig, wie ich das irgendwie sinnvoll finde, wenn “Islamkritik” oder Religionskritik selbst einen verächtlichen Ton anschlägt. Das erleben wir aber manchmal.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Keine strahlenden, aber langlebige Abfälle
    Kraftwerke produzieren nicht nur Strom und Wärme, sondern auch Müll. Über die radioaktiven Abfälle von Atomkraftwerken wird häufig diskutiert, bei anderen Energieträgern sind mögliche Gefahren weniger im Blick. Dabei können auch die riesigen Mengen an Flug- und Kesselasche, die in Kohlekraftwerken anfallen, zum Risiko werden.
    Rund 7.000 Kohle-Kraftwerke gibt es weltweit nach offiziellen Statistiken. Forscher haben kürzlich ausgerechnet, wieviel Kessel- und Flugasche sie jedes Jahr produzieren. Fast 800 Milliarden Tonnen sollen es sein. Eine Abfallmenge, die ausreichen würde, um 100 Fußballfelder unter einer einen Kilometer dicken Kruste verschwinden zu lassen:
    “Bei Kernenergie ist der Abfall natürlich immer ein Thema, gerade auch weil er sehr langlebig ist. Aber die Flugasche bei der Kohle, das ist so ein Thema, das eigentlich auch in der Öffentlichkeit nie breit diskutiert wird. Aber wir wissen, dass es immer wieder Unfälle gibt. Und darum haben wir jetzt beschlossen, das anzuschauen.”
    Peter Burgherr ist Umweltwissenschaftler am Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz und beschäftigt sich mit den Risiken von Energietechnologien. Dazu rechnet er auch die Aschehalden der Kohle-Kraftwerke:
    “Diese Abfallberge aus Kohleasche oder eben dann auch aus dem Abfall, der aus der Mine kommt, die werden teilweise zu richtigen Hügeln aufgeschichtet. Das Problem ist: Viele dieser Aufschüttungen werden durch so eine Art Erddämme zurückgehalten. Und die können natürlich auch einmal brechen.”
    Besonders viele Asche-Halden gibt es in den USA. Nach Daten der Umweltbehörden sind davon fast zwei Dutzend mindestens 30 Meter hoch.
    Quelle: Deutschlandfunk
  17. Clanherrschaft und linkes Potential
    Berlin ist bei Wahlen nicht repräsentativ für die Bundesrepublik – ähnlich wie es London jüngst beim »Brexit«-Referendum nicht für Großbritannien war. Die Gründe dafür sind vor allem sozialer Natur. Die Hauptstadt ist die Armutsmetropole der Republik. Die mit bösartigen Methoden betriebene Entindustrialisierung Ostberlins nach dem DDR-Anschluss hat Folgen bis heute, ebenso der Wegfall der »Zitterprämie«, der Steuervergünstigungen für Betriebsansiedlungen im Westberlin des Kalten Krieges.
    Berlin bedeutet weit überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, ein konstanter Rekordanteil bei Hartz-IV-Beziehern – 16,4 Prozent der Bevölkerung im Juni 2016 gegenüber 9,4 Prozent in den östlichen und 6,4 Prozent in den westlichen Flächenländer –, eine Altersarmut, die in manchen Stadtteilen 14 Prozent der Bevölkerung zu Beziehern von »Hilfe zum Lebensunterhalt« macht, und eine Armut unter Kindern (32 Prozent), die nur von Bremerhaven oder Ruhrgebietsstädten knapp übertroffen wird. Die Stadt ist einmalig zerrissen. Lagen in den 90er Jahren die durchschnittlichen Familieneinkommen in Marzahn noch gleichauf mit denen in Zehlendorf, klaffen heute Welten zwischen dem Südwesten und dem Nordosten der Stadt. Vor 20 Jahren wohnten dort DDR-Arbeiter und -Intellektuelle, heute hat sich dieses Milieu weitgehend aufgelöst und wurde durch einen soziologischen Flickenteppich ersetzt. Oft handelt es sich um ghettoähnliche Verhältnisse – für Alte, für Russlanddeutsche, für Langzeitarbeitslose.
    Es bleibt dabei: Kein nennenswerter Konzern siedelt seine Zentrale in der deutschen Hauptstadt an. Fertigungsstätten sind eine Art Almosen. Der Medienrummel um sogenannte Kreative, die am wie am Fließband »Start Ups« gründen ist ein Hype, mehr nicht.
    Die kulturelle und politische Spaltung der Stadt hat sich erhalten, auch wenn die abgewickelten Wissenschaftler, Künstler und Journalisten der DDR-Hauptstadt mehrheitlich nicht mehr im Erwerbsalter sind. Die in Ostberlin erscheinenden Regionalzeitungen haben wenige Leser im Westteil, die dort herausgegebenen werden im Osten ignoriert und alle zusammen verlieren Jahr für Jahr meist zweistellig an verkaufter Auflage.
    Die Nazis vertrieben jede Menge Nobelpreisträger in Mathematik, Physik und Medizin aus Berlin, die Bundesrepublik veranstaltete bei Bibliotheken, Kunst und Medien, an Hochschulen und Akademien Ostberlins einen personellen Kahlschlag, der in Bezug auf seinen Umfang weltgeschichtlich seinesgleichen sucht. Ähnliches gab es in keinem ehemals sozialistischen Land, in dieser Dimension auch in keinem anderen ostdeutschen Bundesland. Wenn sich Berlin auf Wunsch der Kanzlerin eine Sanierung der Staatsoper leistet, deren Kostensteigerung prozentual mit der Elbphilharmonie in Hamburg oder dem Flughafen BER mithalten kann, wird das im Berliner Lokalwahlkampf kein Thema.
    Quelle: junge welt
  18. Interviews mit Juncker: YouTube übte massiven Druck auf Video-Bloggerin aus
    Letzte Woche stellte sich der EU-Kommissionspräsident den Fragen dreier junger Europäer. Unter anderem YouTube organisierte die Begegnung und hatte den Video-Bloggern zugesichert, freie Fragen stellen zu können. Nun kam heraus: Das Unternehmen wollte kritische Stimmen unterbinden. […]
    Wie New Europe und Politico berichten, waren die Fragesteller nicht jedoch so frei, wie das im Vornherein kommuniziert wurde. Laetitia Birbes, die französische YouTuberin, hat ein versteckt gefilmtes Video veröffentlicht, in dem klar zu sehen ist, wie ein YouTube-Mitarbeiter sie bei der Notizbesprechung zu überzeugen versucht (man könnte auch sagen bedroht), nicht die „falschen“ Fragen zu stellen:
    YouTube Mitarbeiter: Aber dies, wie ich dir gesagt habe, muss ich mit Natasha [Bertaud, Junckers Pressesprecherin, Anm. d. Redaktion] besprechen. Es gibt also immer das Risiko, dass es hier eine rote Flagge gibt.
    Birbes: Dass da eine rote Flagge ist, was soll das heißen?
    YouTube Mitarbeiter: Eine rote Flagge. Wir können das nicht machen. […]
    Du stellst Mr. Juncker schon sehr schwierige Fragen, du sprichst über Lobbying von Unternehmen. Du möchtest nicht auf der falschen Seite von YouTube, der Europäischen Kommission oder den Leuten, die dir vertrauen, stehen … außer dir ist eine lange Karriere auf YouTube egal.
    [unsere Übersetzung]
    Quelle: Netzpolitik


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