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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 27. Oktober 2008 um 9:27 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • The Guys From ‘Government Sachs’
  • Nichts gelernt aus der Finanzkrise – Zocken als ob nichts gewesen wäre
  • Ifo-Chef kritisiert Rettungspaket
  • Autohersteller in der Krise: Mercedes verdient nichts mehr
  • Kommentar: Sperrt die Devisenbörsen zu!
  • Das Kartenhaus stürzt ein
  • Biedenkopf vertritt Länder im Lenkungsausschuß des Bankenhilfsfonds
  • Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker – Mehr Greenspan für Europa
  • Helmut Schmidts Konjunkturpakete waren besser als ihr heutiger Ruf
  • Millionenzahlungen an Bahnvorstände
  • Cross-Border-Leasing: Zocken mit der Müllabfuhr
  • Bis zu 900.000 Deutsche vom Einbruch britischer Lebensversicherungen betroffen
  • Policensparern drohen Einschnitte
  • Boeing: Erbitterter Kampf um Auslagerung
  • Pflegenotstand: Die Fesseln des Richters
  • Annette Schavan über die Ergebnisse der Bildungskonferenz
  • Solche und solche Nonkonformisten

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. The Guys From ‘Government Sachs’
    This summer, when the Treasury secretary, Henry M. Paulson Jr., sought help navigating the Wall Street meltdown, he turned to his old firm, Goldman Sachs, snagging a handful of former bankers and other experts in corporate restructurings.
    In September, after the government bailed out the American International Group, the faltering insurance giant, for $85 billion, Mr. Paulson helped select a director from Goldman’s own board to lead A.I.G.
    And earlier this month, when Mr. Paulson needed someone to oversee the government’s proposed $700 billion bailout fund, he again recruited someone with a Goldman pedigree, giving the post to a 35-year-old former investment banker who, before coming to the Treasury Department, had little background in housing finance.
    Indeed, Goldman’s presence in the department and around the federal response to the financial crisis is so ubiquitous that other bankers and competitors have given the star-studded firm a new nickname: Government Sachs.
    Some people say that all of these Goldman ties to the New York Fed are simply too close for comfort. “It’s grotesque,” said Christopher Whalen, a managing partner at Institutional Risk Analytics and a critic of the Fed. “And it’s done without apology.”
    “Paulson put Goldman people into these positions at Treasury because these are the people he knows and there are no constraints on him not to do so,” Mr. Whalen says. “The appearance of conflict of interest is everywhere, and that used to be enough. However, we’ve decided to dispense with the basic principles of checks and balances and our ethical standards in times of crisis.”
    Ultimately, analysts say, the actions of Mr. Paulson and his alumni club may come under more study.
    Quelle: New York Times
  2. Nichts gelernt aus der Finanzkrise – Zocken als ob nichts gewesen wäre
    Banken können auch weiterhin ungestört risikovolle Geschäfte machen. Denn noch immer können Risiken außerhalb der Bilanz versteckt werden. Noch immer kann die Bankaufsicht nicht hart prüfen. Noch immer kann mit geliehenem Geld gezockt werden. Nur klare Regeln für deutsche Banken können das ändern. Das Hilfspaket für die Banken und die Hoffnung auf internationale Regelungen reichen nicht aus.
    Quelle: RBB
  3. Ifo-Chef kritisiert Rettungspaket
    Kritik am Bankenrettungspaket: Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, warnt laut einem Medienbericht davor, bei der staatlichen Hilfe auf Freiwilligkeit zu setzen. Das Abwarten der Bundesregierung sei verfehlt. Auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn fordert mehr staatlichen Zwang.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung: Wenn das keine Nachricht ist: Professor Sinn hat etwas Sinnvolles gesagt! Mit einer anderen Äußerung wurde er seinem Ruf aber sogleich wieder gerecht. Auf diese wollen wir nicht verweisen, wohl aber auf eine angemessene Replik von Roberto J. De Lapuente heute in den NachDenkSeiten („Professor (Un-)Sinn: Manager als die neuen Juden – wenn Ideologie blind macht“).

  4. Autohersteller in der Krise: Mercedes verdient nichts mehr
    Wenn noch Beweise gefehlt hätten, dass das Desaster der Banken auf die Fabriken durchschlägt, dann hat Daimler-Chef Dieter Zetsche die vorigen Donnerstag geliefert: „Die Finanzkrise entwickelt sich zur Wirtschaftskrise“, hat er gesagt und die Börse – zum zweiten Mal binnen weniger Monate – mit einer Gewinnwarnung schockiert. Mercedes verdient mit Autos kein Geld mehr. Im vorigen Quartal ist der Gewinn um 92 Prozent eingebrochen, die Umsatzrendite streift die Nulllinie.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Roger Strassburg: Autos kaufen keine Autos. Hans-Werner Sinn hat einmal gesagt, dass er diese Selbstverständlichkeit für einen dummen Spruch hält. Gerade eben hat er auch gemeint, die Firmen hätten noch “gut zu tun”, weshalb kein Konjunkturprogramm notwendig sei.
    Jetzt sieht man bei Daimler, dass Autos in der Tat keine Autos kaufen, und dass manche Firmen eben nicht “gut zu tun” haben.
    Der Gewinneinbruch betrug bei Daimler im vorigen Quartal 92 Prozent, die Umsatzrendite liegt nahe Null, und keine Besserung ist in Sicht.
    Deshalb werden die Bänder fünf Wochen stillstehen, Leiharbeitern werden auf die Straße gesetzt – soviel zum “gleitenden Übergang in ein normales Arbeitsverhältnis”.
    Hier sieht man auch deutlich, dass man die Angebotsbedingungen noch so verbessern kann, ohne Nachfrage geht nichts.
    Aber daran wird wohl noch lange keiner denken. Hans-Werner Sinn am allerwenigsten.

  5. Robert von Heusinger: Sperrt die Devisenbörsen zu!
    Die Zocker müssen ihre Positionen schließen und reißen die Hochzinswährungen, die Aktien und selbst manche Staaten in den Abgrund. Alles geht so schnell, dass erneut Kettenreaktionen ausgelöst werden. Kettenreaktionen, die die Kernschmelze des kapitalistischen Systems wieder wahrscheinlicher machen. Die Milliarden, die es braucht, um Osteuropa, Asien und Lateinamerika gleichzeitig zu stabilisieren dürften locker an die Dimension der Rettungspakete für die Banken heranreichen.
    Deshalb sind jetzt rasche und radikale Eingriffe die erste Pflicht. Der freie Devisenhandel muss verboten werden. Von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR

    Anmerkung Heiner Flassbeck: Panik an den Märkten: Reden wir nicht über Aktien, der Schweizer Franken hat heute 1.45 zum Euro erreicht (nach 1.67 vor einem Jahr), der japanische Yen gar 117 (nach 165 vor einem Jahr). Die Finanzkrise ist jetzt eine Weltwährungskrise.

  6. Das Kartenhaus stürzt ein
    Wissen Sie, was ein Currency-Carry-Trade ist? Nein? Macht nichts, für den Einstieg ist es jetzt sowieso zu spät. Das Spekulieren auf Pump lohnt sich nicht mehr.
    Quelle: FR
  7. Verwendungszweck: Luxus und Spekulation
    Milliarden an Steuergeldern flossen so aus dem öffentlichen Sektor ab, auf die Konten von nur 10 Prozent der Deutschen, der Reichsten im Lande. Verwendungszweck: vor allem Luxus und Spekulation.
    Es waren Peer Steinbrück und sein Adlatus Jörg Asmussen, die die gesetzlichen Sicherheitsschleusen öffneten und höchstministeriell die Empfehlung ausgaben, in Finanzabenteuer wie Zertifikate, Verbriefungen, ABS (Asset Backed Securities) und PPP (Public Private Partnerships) einzusteigen. Die Kommunen folgten dem Rat und ließen sich, meist aus purer Finanznot, auf die von Bankenchefs, von Clement, Steinbrück und Co empfohlenen Geschäfte ein. Die Konzernchefs, Vermögensmillionäre und Bestverdienenden taten dasselbe, allerdings aus “Überfinanzierung”, sprich, weil ihre Schatullen dank Schröders “Reformen” überquollen.
    Durch Panikmache mit der demographischen Lüge, durch systematischen Sozialabriss, durch Aushöhlung des Sozial- und Rentensystems erzeugte die Agenda-Nomenklatur jahrelang Stimmung, um die Bürger in die private Risiko- und Altersvorsorge und damit in den Wertpapiermarkt, in Aktien- und Versicherungsfonds zu treiben.
    So wurden Hunderte von Milliarden an redlich erwirtschaftetem und erspartem “gutem” Geld lukriert und in den undurchsichtigen globalen Finanzmarkt, in angeblich vielversprechende und “todsichere”, in Wahrheit jedoch transnationale, unkontrollierbare Wertanlagen gelenkt.
    Quelle: Linkszeitung
  8. Biedenkopf vertritt Länder im Lenkungsausschuß des Bankenhilfsfonds
    Kurt Biedenkopf kommt zu neuen Ehren. Ab sofort vertritt der Politiker die 16 Bundesländer im Lenkungsausschuß der gerade gegründeten Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Biedenkopf war als sächsischer Ministerpräsident nicht zuletzt wegen undurchsichtiger Finanzgeschäfte zum Rücktritt genötigt worden. Er gilt als einer der Gründungsväter der Sachsen-LB, jener Landesbank, die im vergangenen Jahr als erste Milliardenverluste nach Spekulationen mit US-Wertpapieren einräumen mußte.
    Quelle: Junge Welt
  9. Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker – Mehr Greenspan für Europa
    Wenn die Zentralbank die Zinsen senkt, werden Finanzanlagen relativ zu Sachinvestitionen unattraktiver. Potenzielle Investoren stecken ihr Geld lieber in Sachanlagen, als dass sie es zur Bank tragen.
    Die Lehre vom bösen Greenspan sagt genau das Gegenteil: Wenn die Zinsen niedrig sind, wird mehr gezockt. Erstens weil so viel Geld da ist, mit dem man nicht weiß, wohin. Und zweitens weil mit einer normalen Anlage nur eine geringe Rendite erzielt werden kann, während die professionellen Anleger, also etwa Pensionsfonds, mindestens 20 Prozent sehen wollen.
    Doch auch dieses Argument ist grandioser Unsinn. Angenommen, jemand will mit Gewalt 20 Prozent Rendite auf sein Eigenkapital erzielen und hat ein vielversprechendes Projekt vor Augen, dessen Gesamtrendite bei fünf Prozent liegt. Sind die Notenbankzinsen niedrig, muss er sein Eigenkapital weniger mit Fremdkapital hebeln – also weniger Risiko eingehen – als wenn der Zinssatz hoch ist. Greenspan hat mit seiner Zinspolitik also genau das Gegenteil dessen getan, was ihm unterstellt wird. Dass er darüber hinaus falsch lag in seinem blinden Vertrauen auf das Funktionieren der Marktkräfte, ist zwar richtig, hat aber mit seiner Zinspolitik nichts zu tun.
    Quelle: FTD
  10. Helmut Schmidts Konjunkturpakete waren besser als ihr heutiger Ruf
    Der Verweis auf die 70er-Jahre fällt in der Diskussion um Konjunkturprogramme fast zwangsläufig. Angeblich seien die Versuche damals gescheitert, heißt es oft. Tatsächlich hatte es antizyklische Finanzpolitik in Deutschland traditionell immer schwer.
    So gelang es der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt, die Rezession 1974/75 tatsächlich einzudämmen: Dazu legte sie zwei größere Konjunkturprogramme in Höhe von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um umfangreiche öffentliche Investitionen, befristete Investitionszulagen, die Förderung der Energieeinsparung und Beschäftigungshilfen wie Lohnzuschüsse. Hinzu kam eine schon vorher geplante, zeitlich genau richtige Steuersenkung 1975 in Höhe von 1,4 Prozent des BIP. Der Erfolg war nicht zu leugnen: Das Wachstum kletterte im Jahr 1976 auf 5,3 Prozent.
    “Die These, Konjunkturpolitik bringt nichts, ist Unsinn”, sagt Ullrich Heilemann, Professor an der Uni Leipzig.
    Quelle: FTD
  11. Millionen-Bonuszahlungen für Bahn-Vorstände geplant
    Weder der ins Schlingern geratene Börsengang noch die chaotischen Zustände im Fernverkehr aufgrund von Sicherheitsdefiziten bei einigen ICE-Baureihen halten die Topmanager der Deutschen Bahn AG davon ab, sich millionenschwere Boni zu genehmigen. Die Bahn schiebt die Schuld für die Misere auf die Hersteller der Züge. Diese hätten nach dem Unfall keine »belastbaren Garantien für den sicheren Einsatz der ICE-T-Fahrzeuge« abgegeben, sagte Konzernchef Hartmut Mehdorn der Bild am Sonntag. Man werde daher Schadenersatzforderungen gegen die Industrie prüfen. Das Bündnis Bahn für alle wies dagegen am Wochenende erneut darauf hin, dass dem Bahn-Management die Risiken der verwendeten Radwellen bereits seit Jahren bekannt seien, aber systematisch vertuscht wurden, um den Börsengang nicht zu gefährden.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung WL: Wir habe schon immer die These vertreten: Bei Privatisierungen muss man immer danach fragen, wer daran verdient.

  12. Cross-Border-Leasing: Zocken mit der Müllabfuhr
    Viele Städte haben sogar ihre Entsorgungsbetriebe an US-Investoren verkauft und sich auf riskante Leasing-Geschäfte eingelassen. Doch der Bankencrash ging auch am Geschäft mit dem Müll nicht spurlos vorbei – nun drohen peinliche Nachzahlungen.
    Quelle: STERN
  13. Bis zu 900.000 Deutsche vom Einbruch britischer Lebensversicherungen betroffen
    Bis zu 900.000 Deutsche sind nach einem Bericht der WirtschaftsWoche vom Einbruch britischer und irischer Lebensversicherungen betroffen. Einige Versicherer haben gerade die Guthaben ihrer Kunden bei den sogenannten With-Profit-Policen um bis zu 22 Prozent gesenkt.
    Quelle: Wiwo
  14. Policensparern drohen Einschnitte
    Verglichen mit den Banken stehen die Lebensversicherer stabil da. Das Kapital in fondsgebundenen Lebensversicherungen schmilzt dennoch. Die Krise schmälert aber auch die Rendite klassischer Verträge.
    Quelle: FTD
  15. Pflegenotstand: Die Fesseln des Richters
    700 Anfragen pro Jahr. Das war Amtsrichter Michael Irmler zu viel. Deshalb ließ er Bewohner von Pflegeheimen an die Betten fesseln, ohne die Notwendigkeit solcher „Fixierungen“ nachzuprüfen. Jetzt steht er wegen Freiheitsberaubung vor Gericht. Und mit ihm ein unmenschliches System, das hilfsbedürftigen Menschen anstelle von Zuwendung immer öfter nur noch den Lederriemen oder das Eisengitter bereithält. Weil in den meisten Pflegeeinrichtungen das Personal fehlt, nehmen die Anträge auf Fixierungen vor allem während der Nachtzeit ständig zu. Auch, weil sich die Heime rechtlich absichern wollen und im Falle von Stürzen aus dem Bett die Regressforderungen der Angehörigen fürchten. In München ergab eine Studie vor wenigen Jahren, dass von den rund 6000 untersuchten Heimbewohnern 41 Prozent zumindest zeitweise an Bett oder an den Rollstuhl „fixiert“ wurden. Eine erschreckende Zahl, die in anderen Regionen nicht viel niedriger liegen dürfte. Noch erschütternder ist das Ergebnis einer Untersuchung von Rechtsmedizinern der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie fanden heraus, dass im Zeitraum von 1997 bis 2006 insgesamt 29 Menschen in Münchner Heimen durch das fehlerhafte Anlegen der Gurte zu Tode kamen. Die meisten von ihnen hatten sich selbst stranguliert.
    Quelle: Tagesspiegel
  16. Annette Schavan über die Ergebnisse der Bildungskonferenz
    Quelle: ZDF

    Anmerkung: Ein Leser schrieb uns: „Bitte geben Sie den Link an die Leserinnen und Leser der NDS weiter. Es reicht darauf hinzuweisen, wie sich Schavan im ZDF-Interview zur 500-Milliarden-Frage für die Bildung äußert. Dies und den Rest muss man genießen – auch wenn dies nur ironisch gemeint ist.“

  17. Torsten Bultmann: Stiftungen in der jüngeren Hochschulgeschichte
    Die Rechtsform der Stiftung bedeutet bezogen auf Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen zunächst die Kooperation etwa von Hochschulen mit nicht-staatlich verfassten gesellschaftlichen Interessen zum Zwecke der Bildungs- und Wissenschaftsförderung.
    Allerdings kann man auf dieser – vermutlich unstrittigen – Betrachtungsebene nicht stehen bleiben. Die Frage muss immer auch die nach den strukturwirksamen Effekten dieser Rechtsform mit Blick auf das gesamte Hochschulsystem sein.  
    So gesehen ist die Stiftungsform ein Katalysator, um die Hochschulen über eine selektive Forschungsförderung und über die Erschließung industriepolitisch interessanter Wissensgebiete umzubauen. Damit entfaltet sie auch eine Wirkung auf die staatliche Grundfinanzierung.
    Über die Rechtsform der Stiftung nimmt der Einfluss öffentlicher, politisch verfasster Interessen auf das Hochschulsystem ab; umgekehrt proportional nimmt der Einfluss privater Interessen im Gewande der Gemeinnützigkeit zu – und dies im Rahmen einer auch weiterhin überwiegend staatlichen steueraufkommensbasierten Finanzierung, auf die der politische Souverän immer weniger Einfluss hat.
    Quelle: GEW
  18. Solche und solche Nonkonformisten
    Ob man Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich gleichermaßen als Nonkonformisten einstufen kann, ist höchst zweifelhaft. Immerhin – und da hat Grass nicht ganz unrecht – war Reich-Ranicki lange Zeit Teil des von ihm kritisierten Apparates und hat die Literaturkritik durch Trivialisierung medientauglich gemacht. Was vor allem diesen Zweifel nährt ist sein Auftritt bei der Plauderrunde mit Thomas Gottschalk.
    Quelle: ad sinistram

    Nachbemerkung des Autors Roberto De Lapuente: Eben habe ich per Zufall gesehen, dass irgendeine Sendung in RTL (Explosiv?) sich dieses Themas annahm. Dies war ein Musterbeispiel von Verdummung! Ein Lehrstück, wenn man so will.
    Zunächst wurde anmoderiert. Da meinte die Dame, dass man sich nicht wundern dürfe, entlassen zu werden, wenn man seinem Arbeitgeber aufmüpfig entgegentritt. Aha! Kritik ist Aufmüpfigkeit! Und Kritik am Arbeitgeber scheinbar sogar ein Frevel ganz besonderer Art. Dabei war Heidenreich für die ZDF-Sendung “Lesen” eingestellt, und nicht, um jede Kleinigkeit betreffend ZDF abzusegnen oder als mündiger Mensch – als Bürger mit Meinungsfreiheit – zum ewigen Schweigen verurteilt zu sein.
    Dann ging die Hetze los. Man zeigte Heidenreich wie sie bei einer Buchmesse – womöglich die Frankfurter – gefragt wurde, ob sie denn das ZDF feuern wird – diese Frage wurde Tage vor der Entlassung gestellt. Sie antwortete nur mit einem “Ach was”. Dann folgte der Spott, denn Frau Heidenreich habe sich da wohl gründlich verschätzt. Dass Elke Heidenreich in ihrem FAZ-Artikel schrieb: “Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde”, wurde einfach unterschlagen. So überraschend kam der Rauswurf also nicht, denn sie hat ja in diesem ominösen FAZ-Artikel schon scheinbar damit gerechnet. Aber erwähnt wurde diese Zeile mit keinem Wort – man ließ den Zuseher im Glauben, dass die Heidenreich aus allen Wolken fallen musste, als sie davon erfuhr, dass sie quasi ein vollkommen blauäugiges Naivchen sei.
    Danach hat man natürlich einen Medienexperten zu Wort kommen lassen. Auftritt Hans-Hermann Tiedje, ehemaliger BILD-Chefredakteur! Ein wahrlicher Experte dafür, Menschen in den Dreck zu reiten oder einfach mal einen Gegenstand ein wenig verdreht darzustellen – dies immer mit einer beleidigenden Note natürlich, man hat ja die BILD-Schule im Blut. Und diese spitze Note fehlte auch hier nicht: Heidenreich leide unter Selbstüberschätzung. Freilich! Klar! Selbstverständlich! Kennen wir ja, der Kritiker ist irre, total verblödet, ein Fall für den Nervenarzt…
    Ein ZDF-Mann, einer dieser blassen Karrieristen – jedenfalls sah er arg danach aus und redete auch wie ein solcher -, musste freilich seinen Mist auch noch loswerden. Heidenreich habe alle ZDF-Mitarbeiter beleidigt! Ja, lesen kann der Typ scheinbar gar nicht! Und außerdem habe sie den Top-Moderator des ZDF angegriffen. Na was! Welch Frevel! Sie ist nicht in Ehrfurcht erstarrt vor der Supernase – ja, wahrlich, sie ist ja wirklich ein ganz dreistes Frauenzimmer! Was verlangt denn das ZDF? Soll man einen Kotau zelebrieren, wenn das Wort “Gottschalk” fällt?
     
    Das Ende vom Lied: Es wird erklärt, dass Reich-Ranicki Heidenreichs drastische Ausdrucksweise im FAZ-Artikel missbilligte und er süffisant gesagt haben soll: “Jetzt brauchen Sie – Anm.: er siezt, distanziert sich also – sich nicht mehr zu schämen!” So einer ist Reich-Ranicki also, ganz wie ich in meinem Artikel heute darlegte – ein ganz hinterlistiger Kerl. Am Ende frage ich mich gar, ob die ganze Sache nicht verabredet war, ob man Reich-Ranicki nicht sogar dazu ermunterte, ein wenig auf den Tisch zu hauen – solange er nicht zu konkret würde.

  19. Anmerkung zum gestrigen Presseclub:
    Unsägliche Presseclubsendung, die sogar auf den üblichen Quotenlinken unter den Gästen verzichtet. Schon während der Sendung wird das Gästebuch aus “technischen Gründen” geschlossen und im Presseclub nachgefragt funktioniert die Telefonanlage bereits nach dem 3. oder 4. Anrufer angeblich ebenfalls nicht mehr.
    Schönenborn selbst gab dann Zuschaueranfragen zum Besten.
    So kann man es natürlich auch machen.
    Durch das Abstellen des Gästebuchs war es dann nicht einmal möglich, sich zur wieder einmal höchst einseitigen Sendung zu äußern. (T.S-U.)
  20. Als Bürgerinitiative getarnte Kampagne der CDU gegen Ypsilanti
    Information unseres Lesers S.S.: „Ich bin im Internet über die Seite www.wortbruch.info gestolpert. Hier wird in der üblichen Polemik gegen die von Frau Ypsilanti geplante Minderheitsregierung vorgegangen. Auch das Sammeln von Unterschriften der besorgten Bürger ist als Ziel angegeben. Getarnt ist die Aktion als neutrale Bürgerinitiative von “Unten”. Wirft man einen Blick hinter die Kulissen erfährt man/frau, dass die Eigentümerin der Domain eine gewisse Frau Charlotte Schmidt-Imhoff ist.
    Recherchiert man ein wenig weiter [PDF – 4.4 MB], taucht Frau Schmidt-Imhoff als Vorsitzende des Fachausschuss Wirtschaftspolitik und Technologie der Frankfurter CDU auf. Auch das Unternehmen, in welchen Frau Schmidt-Imhoff als Geschäftsführerin tätig ist, arbeitet eng mit der Frankfurter CDU Fraktion zusammen.

    Als Verantwortlicher für die Homepage ist der Unternehmensberater Alexander Demuth genannt. Die Adresse seines Unternehmens ist identisch mit der auf der Homepage. Demuth berät laut eigener Aussage u.a. folgende Kunden: Altana, BASF, BHF-Bank, Boehriger Ingelheim, Chrysler, Deutsche Bank, Dresdner Bank, DiBa, E.on, Helaba, Hyundai, Messe Frankfurt, Naspa, Reckitt Benckiser, Roche, Sal.Oppenheim, Shell, Talanx und VHV Versicherungen. Somit scheint Herr Demuth auch nicht so ganz unabhängig zu sein.
    Außerdem ist er mit der CDU über den Wirtschaftsclub-Rhein-Main eng mit der CDU verbandelt.
    Es wird also deutlich, dass die CDU mit ALLEN Mitteln verhindern will, dass die Regierung von Frau Ypsilanti sich konstituiert.“

  21. Boeing: Erbitterter Kampf um Auslagerung
    Ginge es ums Geld, hätte man sich wahrscheinlich längst geeinigt. Doch dieses Mal geht es um viel mehr. Es geht um die Zukunft der Flugzeugindustrie in Amerika: 70 Prozent der Arbeiten hat Boeing bereits an Zulieferer im Ausland vergeben, weitere Verlagerungen sollen folgen. “Die Zeit steht nicht still”, argumentiert Boeings Verhandlungsführer Doug Kight. “Wir können hier keine Jobs garantieren.” Das wollen die Flugzeugmechaniker nicht gelten lassen. “It’s our time – this time” haben sie in großen roten Lettern auf ihre Schilder geschrieben.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein wenig vom Geist  der Mechaniker-Gewerkschaft International Association of Machinists (IAM) hätte man sich auch bei der IG Metall Küste gewünscht. Während die französische Gewerkschaft CGT wenigstens Bedenken äußerte, der chinesische Standort werde Arbeitsplätze in Europa kosten, hat die IG Metall den Bau einer dritten Produktionsstätte für den Airbus A320 nahe Peking einfach abgenickt. Boeing bezieht zwar genau wie Airbus Flugzeugteile aus chinesischer Produktion, hat aber derzeit keine derartige Montagelinie in China. China machte den Kauf von 160 Airbus-Flugzeugen von dieser Verlagerung inklusive Technologietransfer abhängig. Im Gegensatz zu den amerikanischen Mechanikern, die den Gewerkschaftschef  Tom Wroblewski praktisch zu diesem Streik gezwungen hatten, interessiert die Langfriststrategie von Airbus anscheinend niemanden.

    Siehe dazu auch Labournet.

  22. High dropout rate adding to economic concerns
    The nation’s “persistently high” high-school-dropout rate is adding to concerns about the growing economic crisis, the Wall Street Journal reports. According to a recent study by the nonprofit America’s Promise, only about 70 per cent of public high school students graduate in four years, with only 52 percent in the 50 largest cities doing so. The study says a 50-percent reduction in the number of dropouts would generate an additional $45 billion a year in tax revenue. Marguerite Kondracke, president of America’s Promise, calls dropouts “our next class of nonperforming assets.” Public officials also are worried about rising costs for social programs and the criminal justice system, where dropouts account for 75 percent of state prison inmates.
    Read more at online.wsj.com

    Anmerkung GL: Als direkte Auswirkung der Testmanie in den USA machen nur 70 % der Jugendlichen einen Schulabschluss. In den Großstädten sind es nur noch knapp 50 %.
    Dies hebt den Mittelwert der auf der Schule verbleibenden Jugendlichen, ist aber verheerend für die Jugendlichen und belastet die Gesellschaft. 75% aller Gefängnisinsassen sind “Schulabbrecher”, was ein ideologischer Begriff ist, da er suggeriert, dass  es in der freien Entscheidung der Jugendlichen liegt, die Schule abzubrechen. In der Wirklichkeit sind es “push-outs” — Kinder, die aus der Schule ausgestoßen wurden, um in dem Rattenrennen, das die Gesellschaft in und mit den Schulen veranstaltet, obenauf zu bleiben.

  23. Irak – kein Weg vorwärts
    Nicht nur die US-Regierung, sondern auch die Mainstream-Medien zeichnen seit einiger Zeit wieder ein positives Bild von der Entwicklung im Irak. Die neue Strategie “Ein neuer Weg vorwärts” hätte Früchte getragen, die als “Surge” (dt.: Woge, Flut, Zunahme …) bezeichnete zeitweilige Erhöhung der Truppenstärke und die Ausweitung der Militäroperationen, so der Tenor, habe gewirkt. Die Lage sei nun unter Kontrolle und die Gewalt zurückgegangen. Wirklich belegbar bei den Erfolgsmeldungen aus Washington ist nur der Rückgang US-amerikanischer Verluste.  Doch lässt sich daraus auch auf verbesserte Sicherheitsbedingungen für die irakische Bevölkerung schließen? Azzaman, eine der renommiertesten irakischen Zeitungen, verneint die Frage und verweist nicht zuletzt auf die zahlreichen Militäroperationen US-amerikanischer und irakischer Truppen, die nach wie vor in verschiedenen Provinzen “eine Spur der Zerstörung und zahlreiche Opfer zurücklassen” würden. “Der drastische Fall der US-Verluste geht einher mit einem drastischen Anstieg von irakischen Toten und Verletzten”, so das Blatt. Doch “die USA führen keine Liste der Iraker, die sie töten, ebenso wenig die irakische Regierung.”
    Gemäß Statistiken, die auf Basis von westlichen Medienberichten zusammengestellt wurden, ging die monatliche Zahl getöteter Iraker, nach Rekordhöhen in der Hochphase der “Surge”, wieder auf das Niveau von 2005 zurück, d.h. auf den Stand, bevor die Gewalt nach dem Anschlag auf die Goldene Moschee in Samara explodierte. Doch auch damals schon wurden gemäß der Lancet-Studie von 2006 fast 4.000 IrakerInnen pro Woche getötet. Mit der Truppenerhöhung hat dieser Rückgang der Gewalt allerdings wenig zu tun, dort wo er am deutlichsten ist, in der sunnitischen Widerstandshochburg Anbar und in Basra, waren sogar Truppen abgezogen worden. Entscheidend waren vielmehr andere Faktoren, vor allem das Bündnis mit sunnitischen Stammesmilizen und die einseitige Waffenruhe, die der prominente Kleriker Muqtada al Sadr seiner Miliz, der Mehdi-Armee, verordnete. Auch das Ende der Angriffe und des Terrors durch schiitische Milizen und sunnitische Extremisten nach der erfolgreichen Vertreibung der bekämpften Minderheiten trug erheblich zum Rückgang innerirakischer Gewalt bei.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V.
  24. Zu guter letzt:
    Als Josef noch ein junger Mann war, zog es ihn nach Bayern.
    In einem kleinen Dorf im Allgäu kaufte er von einem Bauern einen Esel zum Preis von 100 Mark. Der Bauer willigte ein, den Esel am nächsten Tag zu liefern. Doch es kam anders. „Tut mir sehr Leid“, sagte der Bauer tags drauf, „aber ich habe schlechte Nachrichten für dich: der Esel ist gestern Abend gestorben.“ Josef erwiderte: „Macht nix, gib mir einfach mein Geld zurück!“ „Geht nicht“, sagte der Bauer, „ich hab es leider schon ausgegeben.“ „Na, dann bring mir eben den toten Esel!“ „Was, zum Teufel, willst du mit einem toten Esel?“ Mit einem leichten Grinsen antwortete Josef: „Ich werde ihn verlosen.“ „Aber du kannst einen toten Esel unmöglich verlosen!“ „Klar, kann ich. Pass auf: Ich sag einfach keiner Menschenseele, dass das arme Tier tot ist.“

    Einen Monat später trafen sich der Bauer und Josef wieder.
    „Na, wie ist deine Verlosung gelaufen?“ wollte der Bauer wissen.
    „Prima! Ich habe 500 Lose zu 2 Mark das Stück verkauft und einen Gewinn von 998 Mark gemacht.“ Der Landwirt war skeptisch:
    „Ja, hat sich denn niemand beschwert?“ „Doch: der Bursche, der gewonnen hat. Ich hab ihm seine 2 Mark zurückgegeben.“

    Hier endet die kleine Anekdote.
    Wo Josef heute arbeitet, wissen wir. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass er kurz nach Bekanntwerden seines Gesellenstücks einen lukrativen Vorstandsposten bei der Bayrischen Landesbank glatt abgelehnt hat.
    Recht hat er, der Spezi! Leistung hat eben ihren Preis.

    Diese Anekdote hat uns unser Leser J.R. zukommen lasen.


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