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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 31. Oktober 2016 um 8:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ceta
  2. Europa, bitte links abbiegen
  3. Russland fliegt aus UN-Menschenrechtsrat
  4. Furcht vor der Freiheit
  5. Mariano Rajoy ist wieder regulärer spanischer Ministerpräsident
  6. Zwischen Eurofetischismus und Nationalismus
  7. Steueroase Deutschland
  8. Auf der Spur des verlorenen Geldes
  9. Zwei Mittel gegen den Rentenkollaps
  10. Leiharbeit per Gesetz und Schmuddeltarif
  11. Sanktionen auch in der Arbeitslosenversicherung: Sperrzeiten treffen Hunderttausende
  12. Das Recht der Macht
  13. Der vergessene Krieg im Jemen
  14. Protestbündnis Campact – Wachsendes Misstrauen gegen die Kampagnenprofis
  15. Berlin für die Bombe
  16. Rheinmetall Tochterunternehmen sollen Waffen an Kriegsparteien verkaufen
  17. Rot-Rot-Grün im Bund – “Wir können nicht den Kern unserer Politik aufgeben”
  18. Egoistisch. Anmaßend. Schädlich.

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ceta
    1. Der Kampf um Ceta geht weiter
      Nach tagelangem Hin und Her unterzeichnen EU und Kanada das Abkommen. Der Streit um Ceta ist damit noch lange nicht vorbei. […]
      Ceta bleibt damit im Kern das neoliberale Abkommen, als das es konzipiert worden war. Mit mehr als 1.500 Seiten greift es tief in die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. Die zwölf Seiten starke, nachträglich eingefügte Auslegungserklärung erscheint demgegenüber als demokratisches Feigenblatt, die das Misstrauen der Belgier und vieler anderer EU-Staaten dokumentiert. […]
      as Abkommen muss außerdem noch vom Europaparlament abgesegnet werden, damit es wie geplant vorläufig in Kraft treten kann. Dies ist für Januar geplant. Danach muss Ceta noch von allen 28 EU-Staaten ratifiziert werden, einschließlich der mehr als 40 regionalen und nationalen Parlamente. Dabei könnte es erneut Probleme geben. So haben die Wallonen bereits erklärt, dass sie Ceta in der vorliegenden Form, mit einem Investor-Schiedsgericht, nicht zustimmen werden. Das Abkommen ist also unterzeichnet – der Kampf darum jedoch noch lange nicht beendet.
      Quelle: taz

      Anmerkung Jens Berger: Die „Hoffnung“ der CETA-Kritiker, die nun auf den nationalen Parlamenten ruht, ist trügerisch. Wie die NachDenkSeiten bereits im Juli feststellten geht es nach der Rechtsauffassung der EU-Kommission und der kanadischen Regierung nun nicht mehr um das gesamte Abkommen, sondern nur um wenige Punkte, die in die nationale Zuständigkeit fallen – und auch die nur auf nationaler und nicht auf EU-Ebene. Sollte beispielsweise Wallonien sich nun querstellen, dann werden die nationalen Bestandteile lediglich in Belgien nicht in Kraft treten. Auf den Rest der EU hat dies keine Auswirkung.

    2. Linkspartei will CETA gerichtlich stoppen
      Die Linkspartei will verhindern, dass die Bundesregierung das Handelsabkommen CETA unterzeichnet. Die Partei stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht. Merkel und Gabriel hätten die Auflagen nicht erfüllt.
      Die Linkspartei will die von der Bundesregierung bereits beschlossene Unterzeichnung des CETA-Abkommens zwischen der EU und Kanada kurzfristig gerichtlich stoppen. “Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel haben die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt und dürfen daher dem CETA-Abkommen nicht zustimmen”, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Daher habe die Fraktion einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verfassungsgericht gestellt. (…)
      Das Bundesverfassungsgericht hatte das CETA-Handelsabkommen der EU mit Kanada vor zwei Wochen unter Auflagen vorläufig gebilligt. Dem Urteil zufolge kann die Bundesregierung das Abkommen unterzeichnen, wenn sichergestellt ist, dass Deutschland aus CETA wieder aussteigen kann, falls es dazu durch ein späteres Karlsruher Urteil gezwungen wird. Dies sei “nicht hinreichend sichergestellt” und die geplante Zustimmung der Bundesregierung somit ein “Skandal”, erklärten Wagenknecht und Bartsch. “Das ist eine gravierende Missachtung des Rechtsstaats.”
      Quelle: tagesschau.de

      Dazu: DIE LINKE will vorläufige Anwendung von CETA in Karlsruhe stoppen
      „Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel haben die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt und dürfen daher dem CETA-Abkommen nicht zustimmen. Deshalb hat DIE LINKE kurzfristig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellt“, erklären die Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, zur laufenden Debatte über die geplante Unterzeichnung des CETA-Abkommens. Wagenknecht und Bartsch weiter:
      „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung offensichtlich beabsichtigt, das CETA-Abkommen zu unterschreiben, obwohl unter anderem – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – nicht hinreichend sichergestellt ist, dass die vorläufige Anwendung von CETA jederzeit durch eine Entscheidung eines Mitgliedsstaates beendet werden kann. Das ist eine gravierende Missachtung des Rechtsstaats. DIE LINKE im Bundestag hat deshalb erneut das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen. Unabhängig davon wird DIE LINKE politisch alles tun, um CETA zu verhindern. Dies gilt sowohl für die anstehenden Abstimmungen im Bundestag als auch für die unverzichtbare Entscheidung im Bundesrat. CETA ist TTIP durch die Hintertür. Beide sogenannten Freihandelsabkommen bringen Demokratieabbau und die weitere Absenkung von Arbeitnehmerrechten sowie von sozialen und ökologischen Standards.“
      Quelle: Sahra Wagenknecht

    3. Abkommen gegen Kritiker demokratisch nicht durchsetzbar
      Auch nach der Einigung zwischen der belgischen Zentralregierung mit Wallonien und Brüssel ist CETA nach Einschätzung nicht in trockenen Tüchern. Attac fordert, die Bedingungen Belgiens in den Vertrag aufzunehmen und alle Punkte im Abkommen zu entfernen, die Sonderrechte für Konzerne vorsehen sowie die Handlungsfähigkeit von Parlamenten und Regierungen massiv einschränken. Dazu zählen insbesondere die Schiedsgerichte und die regulatorische Kooperation.
      Die Regionen Wallonien und Brüssel sowie die französisch- und die deutschsprachige Gemeinschaft angekündigt, den Vertrag nicht zu ratifizieren, sollte das in Kapitel 8 des Abkommens festgelegte Schiedsgerichtssystem so bestehen bleiben. Anders als auch von der Bundesregierung behauptet, besteht dabei nicht Kanada, sondern die EU-Kommission darauf, die Schiedsgerichte beizubehalten, wie der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette der französischen Zeitung Libération berichtete.
      Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis: “Der Widerstand aus Belgien zeigt: CETA wird auf demokratischem Weg nicht gegen seine Kritiker durchsetzbar sein. Die EU-Kommission und nationalen Regierungen müssen sich entscheiden: Entweder sie nehmen die Kritik großer Teile der europäischen Zivilgesellschaft an der Freihandelspolitik der EU ernst und ändern den Vertrag substanziell. Oder sie versuchen, CETA mit seinen fatalen Auswirkungen auf Demokratie und Rechtsstaat auf Biegen und Brechen durchzuboxen, wie es EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag in den Tagesthemen angekündigt hat. Damit würden sie die Demokratie und das Vertrauen in das europäische Projekt weiter schwer beschädigen.”
      Quelle: attac
    4. Mit Zorn kommen wir bei CETA nicht weiter
      Die Wallonen wurden als Helden gefeiert. Dabei wollten sie nur einen Kompromiss. Aber das geht unter. Ein Kommentar.
      Ganz schön viel Häme, die zurzeit über der EU ausgeschüttet wird. Zwischentöne oder Kompromisse hört man kaum. Es scheint, als sei CETA ein weiteres Opfer des Populismus geworden: Wallonen werden als Helden gegen die EU gefeiert. Politiker pauschal als gekauft bezeichnet. Das ist brandgefährlich.
      Sieben Jahre lang haben die EU und Kanada das Freihandelsabkommen CETA verhandelt. Bis zuletzt wurde an dem Deal herumgeschraubt. Zurecht wurden die Handelsschiedsgerichte reformiert, zurecht wurde zugesichert, dass CETA keinen zwingt, seine Wasserwerke oder Krankenhäuser zu privatisieren. Das deutsche Verfassungsgericht fordert zudem, CETA dürfe kein Eigenleben an der Demokratie vorbei entwickeln.
      Könnte der Pakt noch besser sein? Sicher. Die Wallonen wollten sinnvolle Verbesserungen erreichen, vor allem bei den Schiedsgerichten. Nicht CETA stoppen.
      Quelle: Correct!V

      Anmerkung unseres Lesers M.B.: Das sogenannte gemeinnützige Recherchezentrum bezieht ganz offen Stellung für CETA. (…)
      Das Recherchezentrum finanziert sich aus Spenden und es zeigt sich einmal mehr, dass der Spruch: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ auch heute noch die volle Gültigkeit besitzt. Die Sponsoren allein aus diesem Jahr habe ich unten aufgeführt.
      Frau Anneliese Brost war Verlegerin und gehörte zu dem „erlesenen“ Kreis der deutschen Milliardäre. Und die OSF ist die Stiftung vom Herrn George Soros.

      2016 (1.1.-31.8.)
      Brost-Stiftung 750.000 Euro
      Schöpflin Stiftung 70.000 Euro
      Stichting Adessium 57.000 Euro
      Deutsche Bank AG 54.750 Euro
      Stiftung Vielfalt und Partizipation gGmbH 40.000 Euro
      Rudolf Augstein Stiftung 35.000 Euro
      Open Society Foundations 26.884 Euro
      Bundeszentrale für politische Bildung 13.050 Euro
      Journalismfund.eu 10.000 Euro
      Pro Rauchfrei e.V. 4.250 Euro
      GLS Treuhand e.V. 3.500 Euro
      Rotary Hilfe e.V. 3.000 Euro
      Stiftung Erneuerbare Freiheit 3.000 Euro
      Zeitenspiegel Reportagen Reinhardt & Partner 2.000 Euro
      Gruner + Jahr GmbH & Co KG 1.785 Euro
      ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 1.500 Euro
      Quelle: Correct!V

      Um auf den Artikel der NDS vom 28.10.2016 Bezug zu nehmen, reden wir nicht mehr von Verschwörungstheorien, sondern von einem tatsächlichen Kampf um die vorherrschende Meinungsmacht.

  2. Europa, bitte links abbiegen
    Rechtspopulisten sind im Aufwind. Und die EU schwächelt. Mit einer Streitschrift wollen Rot-rot-grüne ein solidarisches und demokratisches Europa kreieren.
    Die EU schwächelt, sie bröckelt, überall sind Rechtsnationalisten im Aufwind. Ist Europa noch zu retten? „Europa geht auch solidarisch“, postulieren die Politologin Gesine Schwan, Verdi-Chef Frank Bsirske, Wirtschaftswissenschaftler und führende Finanzpolitiker der Linkspartei und plädieren für eine radikale Reform der EU.
    In einer Streitschrift, die der taz vorab vorliegt, kombinieren sie linke Kritik mit linken Visionen. Forderungen aus dem eigenen Spektrum nach einem Ausstieg aus dem Euro erteilen sie eine Absage und skizzieren die Vision einer Europäischen Ausgleichsunion mit einer demokratisch gewählten europäischen Wirtschaftsregierung, die Einfluss auf die Haushalte der Nationalstaaten nimmt und in der Lage ist, aktuelle Herausforderungen, wie die der Flüchtlinge, gütlich und solidarisch zu lösen. Die Verfasser wollen die EU also retten, indem sie deutlich mehr Europa fordern, mithin eine Art Lightversion der Vereinigten Staaten von Europa.
    Schwan gehört der Grundwertekommission der SPD an, Bsirske ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und ein weiterer Autor, Harald Wolf, war zehn Jahre lang Berlins Wirtschaftssenator und handelt gerade für die Linkspartei den Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen aus. „Das ist mal eine andere Art von Rot-Rot-Grün“, frohlockt Linksparteivize Axel Troost, der das Autorenteam maßgeblich zusammenschmiedete. Der Finanzpolitiker, der in der Linkspartei die zwischen rechtem und linkem Flügel angesiedelte Strömung „Mittelerde“ vertritt, gewann auch Wirtschaftswissenschaftler wie Mechthild Schrooten, eine der Sprecherinnen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandum-Gruppe), und Politologen wie Klaus Busch, der die Gewerkschaft Verdi europapolitisch berät.
    Quelle: taz
  3. Russland fliegt aus UN-Menschenrechtsrat
    Die Vollversammlung der UN hat Russland eine Wiederwahl in den Menschenrechtsrat verwehrt. Zuvor hatten mehr als 80 Organisationen gegen den Sitz Russlands protestiert.
    Russland ist überraschend nicht mehr Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen. Das Land scheiterte bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung mit nur 112 Stimmen. 14 von 47 Sitzen wurden für das kommende Jahr neu bestimmt. In der Osteuropa-Gruppe standen zwei Sitze zur Abstimmung, die nun an Ungarn (144 Stimmen) und Kroatien (114 Stimmen) gehen.
    Der UN-Menschenrechtsrat wurde 2006 gegründet und hat insbesondere mit seinem Untersuchungsbericht zur Menschenrechtssituation in Nordkorea für Aufsehen gesorgt. Am vergangenen Freitag hatte sich das Gremium auch mit der Situation in der umkämpften syrischen Metropole Aleppo befasst und eine gesonderte Untersuchung zu den Menschenrechtsverletzungen in der belagerten Stadt gefordert.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers H.B.: Doch die gute Nachricht ist, dass die USA, dank Guantanamo Bay, wo man die Werte der westlichen Welt mit allen Mitteln verteidigt, wieder Mitglied geworden sind. Man muss da schon gewisse Ansprüche im Bereich Folter und Völkerrechtsverbrechen erfüllen um hier Mitglied zu werden und zu bleiben und genau das können die Russen eben nicht.

    Dazu: UN-Menschenrechtsrat: Russland ausgeschlossen, Saudi-Arabien gewählt
    Menschenrechtsorganisationen haben mit ihrer Kampagne den Schutz der Menschenrechte einseitig politisiert, die UN-Vollversammlung hat den Schaden vollendet
    Der UN-Menschenrechtsrat hat gestern beschlossen, die Bombardierung von drei Schulen in Haas in der Provinz Idlib zu untersuchen, bei der am Mittwoch 25 Zivilisten, meist Kinder, getötet worden sein sollen. Obgleich sowohl die Bombardierung als auch die Verantwortlichen umstritten sind, weist der Menschenrechtsrat in seiner Erklärung darauf hin, dass es angeblich Pro-Regierungsstreitkräfte waren, womit offen gelassen wurde, ob es russische oder syrische Flugzeuge gewesen sind (Syrien: Luftangriff auf Schulen?). Russland behauptet jetzt, es habe gar keinen Luftangriff und keine Opfer gegeben, die Bilder aus dem veröffentlichten Video seien manipuliert.
    Der Vorsitzende des Rats, Paulo Pinheiro, bezeichnete den Angriff, sofern er absichtlich gewesen sein sollte, als Kriegsverbrechen, da es bislang keine Hinweise gebe, dass die Schulen von bewaffneten für militärische Zwecke genutzt wurden.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Geht es noch verlogener? Die gesamte “Qualitätspresse” verschweigt diesen Vorgang mit Saudi Arabien.

  4. Furcht vor der Freiheit
    Sie sind gegen freien Handel und Zuwanderer. Ihre Angst speist sich aus Terrorismus, Flüchtlingsbewegungen und Finanzkrise. Es ist eine seltsame Koalition von Rechten und Linken, die unsere offene Gesellschaft gefährdet. […]
    Das Fatale ist, dass Terror, Finanzkrise und Flüchtlingskrise zur gleichen Zeit auftreten. Deshalb potenziert sich das Unwohlsein, deshalb wächst die Angst vor der Bedrohung von außen, und deshalb finden immer stärker jene Gehör, die auf Abschottung setzen und den Eindruck erwecken, damit ließen sich alle Probleme lösen.
    Bei den Linken überwiegt dabei das Bestreben, den Markt einzuschränken, also den Fluss der Waren und des Kapitals; den Rechten geht es eher darum, die Flüchtlinge abzuwehren und die heimischen Konzerne zu beschützen. Aus unterschiedlichen Ecken kommend, befördern Linke wie Rechte wechselseitig den Geist der Unfreiheit. Und so könnte es sein, dass wir vor einer Zeitenwende stehen: hin zu einer teils geschlossenen Gesellschaft.
    Quelle: Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: „Die Feinde der offenen Gesellschaft“ stehen also links und rechts. Kritik an der herrschenden Politik ist demnach im Kern immer Kritik von den Rändern und damit automatisch eine Gefahr für die Demokratie. So kann man die nötigen Debatten natürlich auch verhindern. Denn wer will schon links- oder rechtsradikal sein? Was Schäfer da mit dem Vokabular der Neoliberalen mit Bezugnahme auf Karl Popper fabuliert, ist nichts anderes als die „Querfront-These“ aus libertärer Position. Und das ist schon drollig, sind die Libertären doch die eigentlich Radikalen im Staate. Erst schleifen sie den Sozialstaat bis zur Unkenntlichkeit ab und preisen die neu gewonnene Freiheit und dann wundern sie sich tatsächlich darüber, dass die Mehrheit der Bürger dies nicht bejubelt.

  5. Mariano Rajoy ist wieder regulärer spanischer Ministerpräsident
    Die politische Hängepartie in Spanien ist vorbei: Rajoy wurde im zweiten Anlauf zum Ministerpräsidenten gewählt. Möglich war das nur durch die Enthaltung der Sozialisten. Tausende protestierten gegen seine Wiederwahl.
    Das spanische Parlament hat Mariano Rajoy, Chef der konservativen Volkspartei (PP), in der zweiten Vertrauensabstimmung zum Regierungschef gewählt. In der Wahl stimmten 170 Abgeordnete für ihn, 111 dagegen, 68 enthielten sich. Um gewählt zu werden, reichte eine einfache Mehrheit. Rajoy hatte am Donnerstag beim ersten Votum die absolute Mehrheit von 176 Stimmen verpasst.
    Spanien hat damit erstmals seit zehn Monaten wieder eine reguläre Regierung. Vor rund einer Woche hatte die sozialistische Partei (PSOE) ihren Widerstand gegen eine Minderheitsregierung unter Rajoy aufgegeben und angekündigt, sich beim Parlamentsvotum zu enthalten. Ohne das Einlenken der oppositionellen Sozialisten hätten die Spanier im Dezember zum dritten Mal binnen eines Jahres ein neues Parlament wählen müssen.
    Quelle: Deutsche Welle

    Anmerkung JK: Vielen Dank, PSOE! Wieder sorgt eine sozialdemokratische Partei dafür, dass die neoliberale Agenda in Europa weiter durchgesetzt werden kann und verhöhnt dabei den Wählerwillen gleich mit. Möglich wurde das erst, nach dem der Vorsitzende der PSOE Pedro Sánchez, der mit der linken Podemos koalieren wollte, durch einen internen Putsch der neoliberalen Kräfte, mit tatkräftiger Beihilfe der spanischen “Qualitätsmedien”, gestürzt wurde.

  6. Zwischen Eurofetischismus und Nationalismus
    Bisher ist die Diskussion über die Zukunft „Europas“ in hohem Maße von einer binären Logik bestimmt. Zugespitzt: entweder „Rückfall in die Kleinstaaterei“ oder „vorwärts in die lichte Zukunft der Vereinigten Staaten von Europa“.
    Und das Ganze wird mit viel Emotionen vertreten. Vor allem in Deutschland – und hier insbesondere im linken Spektrum – geht es dann schnell um Krieg und Frieden, um Internationalismus und Nationalismus. Als ob es nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse gäbe!
    Spätestens der BREXIT hat die Grundfrage nach Ziel und Zweck des Integrationsprozesses, die sog. Finalitätsfrage, auf die Tagesordnung gesetzt. Es genügt jetzt nicht mehr, sich gegen TTIP, die Kapitalmarktunion oder Austerität zu wenden und dabei aber die Zielrichtung der Integration im Nebulösen oder Utopischen zu belassen. Die Krise der EU ist existentiell. Ein Ausweg hängt in hohem Maße auch davon ab, ob er der Strategie von „Mehr Europa!“ oder „Weniger Europa!“ oder einer anderen Logik folgt. Grundlegende Weichenstellungen sind nicht nur notwendig, sondern auch möglich geworden. Umbruchzeiten bringen auch immer Gestaltungsmöglichkeiten mit sich. Es öffnet sich jetzt ein window of opportunity. Es muss genutzt werden, bevor es sich wieder schließt, bevor die Krise sich auf eruptive und konfrontative Weise entlädt.
    Zur Wahl stehen drei grundsätzliche Optionen:

    1. „Mehr Europa“ oder dessen linke Variante „Mehr Europa aber anders!“, d.h. das Festhalten an der „immer engeren Union der Völker Europas“, wie es in der Präambel der Verträge heißt und was am Ende auf einen föderalen Bundesstaat hinausläuft;
    2. die Rückkehr zu einem rein nationalstaatlichen System;
    3. ein dritter Typus bzw. Dritter Weg von europäischer Kooperation, den man als Flexible Integration oder differentielle Integration bezeichnen könnte.

    Quelle: Makroskop

  7. Steueroase Deutschland
    Eine Präsentation von Markus Meinzer
    Quelle: Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften in Osnabrück
  8. Auf der Spur des verlorenen Geldes
    Ein gigantischer Teil des deutschen Auslandsvermögens hat sich in Luft aufgelöst. Der Grund: Es geht der Exportwirtschaft zu gut.
    Eine Billion Euro sind einfach weg. Verschwunden. Dieses deutsche Vermögen gibt es nicht mehr; es ist im Ausland abhandengekommen. Doch niemand regt sich auf. Die allermeisten Deutschen wissen nicht einmal, dass Jahr für Jahr Milliarden verlorengehen.
    Die verschwundene Billion lässt sich nämlich nur entdecken, wenn man zwei Statistiken miteinander abgleicht, die beide – auf den ersten Blick – nicht besonders aufregend wirken. Das erste Zahlenwerk sind die deutschen Exportüberschüsse. Bei der zweiten Aufstellung handelt es sich um das deutsche Auslandsvermögen, das die Bundesbank erhebt. Diese beiden Statistiken passen nicht mehr zusammen.
    Das deutsche Netto-Auslandsvermögen belief sich Ende 2015 auf 1,476 Billionen Euro. Diese Summe ergibt sich, wenn man von den deutschen Geldanlagen die deutschen Schulden im Ausland abzieht.
    1,476 Billionen Euro, das wirkt sehr stattlich. Doch eigentlich müssten die Deutschen noch viel mehr Nettovermögen im Ausland besitzen. Denn seit 1999, seit der Einführung des Euros, exportiert Deutschland permanent mehr Güter und Dienstleistungen, als es importiert.
    Quelle: taz
  9. Zwei Mittel gegen den Rentenkollaps
    Wer das Problem der Altersarmut lösen will, hat genau zwei Möglichkeiten: Rente mit 75 und mehr Zuwanderung. Beides unpopulär, beides nötig. Mein Großvater ging Ende der Sechzigerjahre in Rente. Da war er 65 Jahre alt. Seine statistische Lebenserwartung lag damals noch bei knapp 13 Jahren. Tatsächlich starb er im Alter von 78 Jahren. Insofern war er typisch für seine Generation von Männern, die meist nur eine einfache Ausbildung genossen, körperlich hart gearbeitet und den Krieg als Soldaten durchlitten hatten.
    Die Enkel und Urenkel dieser Generation werden 2030, nach einem meist leichteren und unbeschwerteren Leben, im Alter von 65 eine um zehn Jahre längere Lebenserwartung haben. Warum sollten sie nicht zehn Jahre später in Rente gehen?
    Viel ist derzeit von drohender Altersarmut die Rede. Montag trifft sich Sozialministerin Andrea Nahles zur Abschlusssitzung des “Rentendialogs” mit Vertretern von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Arbeitgebern. Zunehmend rückt die Generation der heutigen Beitragszahler in den Fokus: Ab dem Jahr 2030 droht ein weiteres Absacken der Ruhestandsbezüge.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Leser M.K.: Kaum ist die Rente mit 67 durch, schon fantasieren die Eifrigsten unter den schwäbischen Hausfrauen über die Rente mit 75. Die Möglichkeit, über Lohnerhöhungen und Beitragsanpassungen eine verständliche und verlässliche Rente für alle zu realisieren, existiert in deren Universum gar nicht mehr. Die politisch gewollte Zerstörung der gesetzlichen Rente ist schlicht ein Naturereignis, an das man sich nun alternativlos anzupassen hat. Es ist doch nur noch zum Heulen.

    Anmerkung Jens Berger: Schon Müllers Einleitung zeigt kurz und prägnant, wie er die Wahrheit verdreht. Die Höhe der Renten hängt direkt von der Höhe der Löhne der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ab. Ändert sich an diesen Löhnen durch Zuwanderung etwas? Wohl kaum und wenn dann eher in die andere Richtung. Ändert sich an diesen Löhnen etwas durch eine Anhebung des Renteneintrittsalters? Auch das ist zu verneinen. Das dritte und einzig logische „Mittel gegen den Rentenkollaps“ ist also eine gesunde Lohnentwicklung. Nur, dass man damit natürlich nicht für neoliberale „Reformen“ werben kann.

  10. Leiharbeit per Gesetz und Schmuddeltarif
    Im Mai diesen Jahres legte die Ex-Juso-Vorsitzende und gegenwärtige Ministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, den Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vor, großspurig »Gesetz zur Bekämpfung von Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen« genannt, welches es nach Intervention der Arbeitgeber, des CSU-Vorsitzenden Seehofer und der Kanzlerin tatsächlich nicht ist. Im September erfolgte die erste Lesung im Bundestag, im November sollen die Parlamentarier das Gesetz verabschieden. Damit folgt Nahles einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag, in der es eigentlich um eine Verbesserung der Bedingungen für Leiharbeiter gehen sollte, die ihre eigene missliche Lage oft als »moderne Sklaverei« beschreiben. Es ging eigentlich um Re-Regulierung der Deregulierung und Schaffung eines großen Niedriglohn-Sektors im Zuge der Schröderschen Agenda-Politik. Im Übrigen ist der Begriff »Leiharbeit« beschönigend, denn tatsächlich werden keine Arbeitskräfte »verliehen«, sondern vermietet: Mietarbeiter, wenngleich sachlich korrekt, wäre wohl inhaltlich zu entlarvend, wie Michael Kittner in der Einleitung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der »Arbeits- und Sozialordnung«, 40. Auflage, schreibt. Fast eine Million Leiharbeiter gibt es in Deutschland inzwischen, hauptsächlich in den großen Industriebetrieben der Metall- und Elektroindustrie zwecks Senkung der Lohnkosten um rund 40 Prozent und Verschärfung der Konkurrenz. Die Zeitarbeitsbranche, so schreibt die Bundesagentur für Arbeit, »ist von hoher Dynamik geprägt. Im zweiten Halbjahr 2015 wurden 691.000 Beschäftigungsverhältnisse neu abgeschlossen und 717.000 beendet. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse endet nach weniger als drei Monaten. Die Bruttoarbeitsentgelte in der Zeitarbeit liegen deutlich unter den im Durchschnitt über alle Branchen erzielten Entgelten.« (Arbeitsmarktberichterstattung, Juli 2016)
    Quelle: Ossietzky
  11. Sanktionen auch in der Arbeitslosenversicherung: Sperrzeiten treffen Hunderttausende
    Die Arbeitsagenturen verhängten zwischen September 2015 und August 2016 752.000 Sperrzeiten gegen Empfänger von Arbeitslosengeld I. Damit wurden monatlich etwa sieben Prozent der Arbeitslosengeldzahlungen zeitweise aufgehoben. Häufigster Grund ist eine verspätete Meldung vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Das zeigt eine Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für O-Ton Arbeitsmarkt.
    Das Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen ein, um den Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitslosigkeit bis zu ein Jahr lang (bei älteren Arbeitslosen bis zu 24 Monate) finanziell abzusichern. Er erhält dann 60 Prozent des letzten Nettogehalts.
    Durch „versicherungswidriges Verhalten ohne wichtigen Grund“ kann der Arbeitnehmer allerdings einen Teil seines Anspruchs verwirken. Die Arbeitsagenturen verhängen dann Sperrzeiten, in denen kein Arbeitslosengeld I gezahlt wird. Versicherungswidrig verhält sich der Arbeitnehmer, wenn er ein laufendes Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund kündigt, ein Jobangebot oder eine berufliche Eingliederungsmaßnahme, zum Beispiel eine Schulung, ablehnt, eine Maßnahme abbricht, sich nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht, nicht zu Beratungsterminen oder zu ärztlichen Untersuchungen erscheint (Meldeversäumnis) oder zu spät meldet, dass er arbeitslos werden wird. (…)
    Im Vergleich mit dem Hartz-IV-System ist der Anteil der Leistungsempfänger, bei denen die Zahlung zeitweise ausgesetzt wurde, in der Arbeitslosenversicherung deutlich höher. 2015 erhielten drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher im erwerbsfähigen Alter mindestens eine der so genannten Sanktionen, das Pendant zu den Sperrzeiten in der Arbeitslosenversicherung.
    Hintergrund ist möglicherweise die intensivere Betreuung der Empfänger von Arbeitslosengeld I. Zudem befindet sich unter den Hartz-IV-Empfängern eine große Gruppe an Personen, die nicht verpflichtet ist, eine Arbeit aufzunehmen. Dazu gehören zum Beispiel Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren oder Schüler. Für diesen Personenkreis kommt die Mehrzahl der möglichen Sanktionsgründe (zum Beispiel wegen der Weigerung, eine Arbeit oder Maßnahme aufzunehmen) überhaupt nicht in Betracht.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt
  12. Das Recht der Macht
    Unter Protest verlassen die ersten Staaten Afrikas den von der Bundesrepublik maßgeblich unterstützten Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Seit seiner Errichtung bis Anfang 2016 habe der IStGH ausschließlich Verfahren gegen Bürger afrikanischer Staaten eröffnet, heißt es zur Begründung; trotz zahlreicher Kriegsverbrechen von Soldaten der westlichen Staaten sei kein einziger Prozess gegen diese eingeleitet worden. Tatsächlich erweist sich der Gerichtshof, wie kritische Beobachter bereits bei seiner Gründung warnten, als flexibles Instrument der mächtigen westlichen Staaten zur Disziplinierung schwächerer Länder, vor allem missliebiger Regierungen Afrikas. Wie deutsche Völkerrechtler urteilen, bleibt selbst dann, wenn wie geplant militärische Aggressionen im kommenden Jahr zum Straftatbestand erklärt werden, genügend Interpretationsspielraum, um etwa die Angriffskriege gegen Jugoslawien 1999 sowie gegen den Irak 2003 von der Strafverfolgung auszunehmen. An der Gründung des IStGH ist Deutschland führend beteiligt gewesen.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Der vergessene Krieg im Jemen
    Seit anderthalb Jahren fliegt Saudi-Arabien Angriffe gegen Aufständische im Jemen. Gewalt, Not und Hunger lassen die Menschen verzweifeln. Doch der Konflikt wird von der Welt kaum wahrgenommen.
    Im Jemen gehören Angst, Not und Armut zum Alltag. Keine Jobs, kein Geld für Einkäufe, dazu immer wieder Gefechte und Bombenangriffe – Folgen eines Kriegs, dem die Welt kaum Beachtung schenkt. Alle Augen scheinen auf Aleppo und die Schlacht um Mossul gerichtet zu sein. Dabei ist das Ausmaß der humanitären Katastrophe im Jemen womöglich noch größer als in Syrien und dem Irak. Allein am Wochenende gab es dutzende zivile Opfer. Die Bundesregierung appellierte an die Konfliktparteien, die Gewalt zu beenden und Hilfe für die Bevölkerung zu ermöglichen.
    Vor gut eineinhalb Jahren hat das benachbarte Saudi-Arabien in den jemenitischen Bürgerkrieg eingegriffen. Seitdem geht eine von Riad befehligte Koalition vor allem mit Luftschlägen gegen die aufständischen Huthi-Rebellen vor – ohne großen Erfolg. Dabei hatte die Golfmonarchie anfangs verkündet, der Feldzug werde allenfalls einige Wochen dauern. Das hat sich als Trugschluss erwiesen. Trotz des Einsatzes einer Militärmaschinerie konnten die Huthis nicht besiegt werden. Alle Friedensgespräche sind bisher gescheitert. Chaos und Gewalt haben inzwischen dazu geführt, dass sich der Staat weitgehend aufgelöst hat. Dieses Machtvakuum nutzen bewaffnete Stämme und Terrororganisationen wie Al Qaida, um ihren Einfluss kontinuierlich auszuweiten. Die Gegenwehr ist gering. Expertin Mareike Transfeld ist überzeugt: „Es geht im Jemen nicht um Sunniten oder Schiiten. Ideologien und politische Visionen spielen kaum noch eine Rolle. Es geht allein um Macht.“ Und die Bevölkerung ist zum Spielball verschiedener Interessen geworden. „Das Leid der Menschen wird als Verhandlungsmasse missbraucht.“
    Quelle: Tagesspiegel
  14. Protestbündnis Campact – Wachsendes Misstrauen gegen die Kampagnenprofis
    Die Kampagnenplattform Campact ist der Platzhirsch unter den zivilgesellschaftlichen Protestbündnissen in Deutschland. Doch eine Recherche der NachDenkSeiten trübt nun das Bild der vermeintlich unabhängig arbeitenden Graswurzel-Organisation.
    „Ist Campact zu trauen?“, fragte Albrecht Müller, Herausgeber der NachDenkSeiten, schon vor zwei Wochen und bat seine Leser, diese Frage zusammen mit ihm im Dialog zu beantworten. Immerhin kann die durchaus professionell gemanagte Kampagnenplattform einige beachtliche Erfolge ihr Eigen nennen.
    So übernahm Campact für die großen Proteste gegen TTIP und CETA einen guten Teil der Mobilisierungsarbeit. Bis zu einer Million Mitglieder hat die Organisation, viele davon unterstützen die Arbeit des Apparats mit Kleinspenden. Neben dem Widerstand gegen die unbeliebten Freihandelsabkommen TTIP, TiSA und CETA streitet Campact auch für ein Verbot der Gentechnik, für eine Steuer auf Wertpapierspekulationen und gegen Massentierhaltung. Der Erfolg von Campact liegt auch darin begründet, dass die Plattform gekonnt auf Themen setzt, die eine breite Mehrheit der Bevölkerung ohnehin unterstützt.
    Gerade zivilgesellschaftlichen Bewegungen und außerparlamentarischen Akteuren kommt im politischen Prozess die ureigene Rolle zu, wichtige, aber bis dahin randständig behandelte Themen überhaupt erst auf die Agenda zu setzen. Eine möglicherweise gesteuerte Protestbewegung hat hingegen die Aufgabe, eben diese Themen im Interesse der Mächtigen aus dem Diskurs zu drängen. Besonders gegenüber den Unterstützern und Mitgliedern an der Basis sind dann oft recht plumpe Manipulationen nötig, um die die Bewegung unter Kontrolle zu halten.
    Quelle: KenFM
  15. Berlin für die Bombe
    Nordkorea ist bereit, über ein weltweites Verbot aller Atomwaffen zu verhandeln – die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich (und auch Südkorea) sind es nicht. Auch der deutsche Botschafter Michael Biontino votierte am Donnerstag (Ortszeit) im sogenannten Ersten Komitee der UN-Vollversammlung gegen eine von Österreich, Brasilien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika eingebrachte Resolution, nach der im kommenden Jahr Verhandlungen für eine atomwaffenfreie Welt aufgenommen werden sollen. Mit ihrem negativen Votum stellte sich Deutschland gemeinsam mit den meisten NATO-Staaten gegen eine überwältigende Mehrheit der Staaten der Welt. 123 Delegation votierten für den Entwurf, 38 dagegen, und 16 enthielten sich, unter ihnen die Atommächte China, Indien und Pakistan.
    Der Resolution zufolge soll im kommenden Jahr in New York eine UN-Konferenz stattfinden, auf der über ein rechtlich bindendes Instrument zum Verbot der Atomwaffen und ihre vollständige Beseitigung verhandelt wird. Auftakt soll demnach eine viertägige Sitzung vom 27. bis 31. März sein, gefolgt von dreiwöchigen Beratungen im Juni und Juli. Das Papier wird nun an das Plenum der UN-Vollversammlung weitergeleitet, das voraussichtlich im Dezember darüber entscheiden wird. Mit einer Annahme kann nach dem Votum vom Donnerstag gerechnet werden.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Dieses (deutsche) Abstimmungsergebnis und auch die nachträgliche Begründung durch das Auswärtige Amt sind irritierend: Hätte nicht den Verhandlungen zugestimmt werden können in der Hoffnung, die Atommächte könnten sich diesen später anschließen?

  16. Rheinmetall Tochterunternehmen sollen Waffen an Kriegsparteien verkaufen
    Pünktlich zur Vorlage der frischen Quartalsbilanz des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall am kommenden Montag (31.10.) prangern Menschenrechtler und Investigativmedien die Exportpraxis des Düsseldorfer Unternehmens an: Laut verschiedenen Quellen verkaufen ausländische Tochterfirmen des deutschen Konzerns Munition und Waffen an Kriegsparteien, die ihre Waffen in akuten Krisenregionen einsetzen – derzeit zum Beispiel an die saudi-arabische Militärallianz, der Kriegsverbrechen im Jemen vorgeworfen werden. Auch die Opposition im Bundestag sieht Handlungsbedarf.
    So hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Abwurf von 500-Kilo-Bomben aus der MK-Serie durch saudische Kampfflugzeuge dokumentiert, etwa im Mai 2015. Ein Code auf der Bombenhülle verweist demnach auf RWM Italia als Hersteller hin: eine Tochterfirma von Rheinmetall. Auch die US-Enthüllungsplattform reported.ly berichtet von Fällen, in denen Rheinmetall auf diese Weise ganz legal deutsche Rüstungskontrollregeln umgehen konnte.
    Tatsächlich müssen deutsche Behörden zwar jeden Waffenexport aus der Bundesrepublik genehmigen. Nicht zuständig sind sie freilich für Ausfuhren aus Italien, selbst wenn der Besitzer der italienischen Rüstungsproduktion in Deutschland sitzt.
    Die Opposition im deutschen Bundestag sieht da eine Gesetzeslücke: „Wenn ein deutsches Schiff italienische Waffen nach Saudi-Arabien transportieren will, braucht es eine Transportgenehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz“, sagte der Linken-Verteidigungsexperte Jan van Aken dieser Zeitung. „Ich finde, die Rechtslage sollte so geändert werden, dass das auch für die Eignerschaft der Produktion gilt.“
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
  17. Rot-Rot-Grün im Bund – “Wir können nicht den Kern unserer Politik aufgeben”
    Der Linken-Politiker Oskar Lafontaine sieht derzeit keine Chancen für ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene. Viele redeten darüber, ohne sich Gedanken zu machen, was das inhaltlich heiße, sagte Lafontaine im DLF. Im Kern sollte es darum gehen, was man an Verbesserungen für die Menschen erreichen könne etwa bei der Renten- oder der Krankenversicherung.
    Lafontaine betonte, immer vor Wahlen stünden Veränderungen in der Politik an. In den Programmen von SPD, Grünen und Linken für die Bundestagswahl 2013 habe es viele Gemeinsamkeiten in der Steuer- und in der Sozialpolitik gegeben. “Aber in der praktischen Politik haben SPD und Grüne nicht immer unbedingt diese Ziele verfolgt.” Bis zum heutigen Tag habe sich daran nichts geändert.
    Zu Berichten, wonach er selbst ein Hindernis für ein rot-rot-grünes Bündnis sei und noch alte Rechungen mit der SPD offen habe, meinte Lafontaine, es belustige ihn, wenn er so etwas lese. “Auf die Idee, dass jemand tatsächlich für soziale Gerechtigkeit eintritt und dass jemand eine Friedenspolitik tatsächlich für besser hält als ständige Interventionskriege, kommt so gut wie kaum jemand.” Er sei in dem Sinne ein Hindernis, als er nicht bereit sei, etwa Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit aufzugeben.
    Quelle: Deutschlandfunk
  18. Egoistisch. Anmaßend. Schädlich.
    Das Leitmedium schlechthin, als das sich »Der Spiegel« weiterhin selbst einschätzt und schätzt, hat ein gravierendes Problem mit der Demokratie. Sagen wir mal so. Es berichtet viel von ihr und spielt sich als deren publikativer Retter auf. Das Nachrichtenmagazin tut dabei gerne so, als sei redaktionelle Arbeit immer auch rationale Arbeit im Sinne von: Die Demokratie gegen die massenhafte Unvernunft in Schutz nehmen. Daher überzieht man etwaige Spielräume eines gesunden Demokratieverständnisses mit Vorwürfen, man würde es hier mit Auswüchsen zu tun haben, die der Demokratie schaden würden. Letzte Woche musste man erst wieder eingreifen und etwas zum »Möchtegern-Asterix« der Wallonen veröffentlichen. Also zum Widerstand der belgischen Regionalregierung gegen Ceta ausschlachten, um ihn uns allen als »egoistisch, anmaßend und schädlich für die Demokratie« zu enttarnen.
    Quelle: ad sinistram


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