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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. November 2016 um 8:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wahlen in den USA
  2. Syrien
  3. „Bei Merkel ist nicht eindeutig, was Inszenierung und was Überzeugung ist“
  4. „Kein Linker spricht über den Finanzsektor“
  5. So gefährlich ist der deutsche Sparwahn wirklich
  6. Täuschende Wirtschaftsweise 2016 (3): Verschwiegene Interessenkonflikte
  7. Schwarzarbeit in Berlin 0 bis 4 Euro Stundenlohn
  8. Jobcenter streichen Tausenden die Leistungen komplett
  9. Steuervorwürfe gegen BASF
  10. Bittners Rezept gegen den Wahnsinn – Ein Interview
  11. Geheimsache Elbphilharmonie
  12. Korruption in Afrika – über falsches Schubladendenken und versteckte Täter
  13. Schlager gegen Rechts – Da muss ich meinen Manager fragen
  14. Wenn hessische Unternehmerverbände was gegen Langzeitarbeitslosigkeit machen wollen – und ein “Spielhallenverbot für arbeitslose Hartz-IV-Empfänger” herauskommt
  15. Wohin soll das führen?
  16. Willy Wimmer: „Wir haben unsere Werte verraten“
  17. Das Allerletzte – Raus aus Hartz IV mit Heinz Buschkowsky

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wahlen in den USA
    1. Bei wem der Aufschwung nicht angekommen ist
      Die Europäer schütteln ungläubig den Kopf. Wie kann jemand wie Donald Trump Präsidentschaftskandidat werden? Wie kann jemand wie er eine realistische Chance auf das höchste Amt der USA haben? Dabei muss man sich nur die US-Wirtschaft anschauen, um das zu verstehen. „It’s the economy, stupid“: Das wusste bereits Bill Clinton und schaffte es mit diesem Wahlspruch ins Weiße Haus. Heute steht die US-Wirtschaft eigentlich sehr gut da. Doch die Betonung liegt auf „eigentlich“.
      Die USA erleben den Zahlen nach einen Aufschwung, die Finanzkrise scheint vergessen. Um 2,9 Prozent ist die US-Wirtschaft im dritten Quartal gewachsen. Die Arbeitslosenquote ist so niedrig, dass manche Ökonomen bereits die Vollbeschäftigung ausrufen. Und doch hat jemand wie Trump Erfolg. Mit seiner Parole von mehr Protektionismus. Mit seinem Versprechen, um jeden Preis Jobs zurück in die USA zu holen. Mit der Aussicht auf weniger Steuern für Erben und die Abschaffung der Krankenversicherungspflicht.
      Der Grund: Bei vielen Amerikanern kommt der Aufschwung nicht an.
      Zwar haben heute sehr viel mehr US-Bürger einen Job als kurz nach Ausbruch der Finanzkrise. Doch das heißt nicht, dass all diese Amerikaner auch eine gut bezahlte Stelle haben. Ein Großteil der neuen Jobs ist im Niedriglohnsektor entstanden, gleichzeitig sind Industriejobs weggefallen. Auch finden viele Menschen nur eine Teilzeitstelle oder schlagen sich als Dauerpraktikanten durch. Etliche haben deshalb Schwierigkeiten, ihre Rechnungen zu bezahlen. In einer Umfrage der Notenbank Fed gaben kürzlich 46 Prozent der Amerikaner an, Probleme zu bekommen, sollten sie unerwartete Ausgaben von 400 Dollar haben. Fast die Hälfte der US-Bürger hat also nicht genug Geld für den Fall auf der Seite liegen, dass das Auto oder die Waschmaschine kaputtgeht.
      Quelle: Tagesspiegel
    2. Wie Milliardäre die US-Wahl beeinflussen
      Geld regiert die Welt. In den USA mischen einflussreiche Spender kräftig mit, wenn es gilt, den neuen Präsidenten zu bestimmen. Besonders in Swing-States werden die Menschen mit Wahlwerbung bombardiert. Auch 2016 fließen Milliarden.
      Wenn republikanische Präsidentschaftsbewerber in den USA zur Wahl antreten, beeilen sie sich zumeist, die sofortige Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verkünden. Warum diese außenpolitische Festlegung auf politisch extrem heiklen Terrain, wenn doch Wähler jüdischen Glaubens für den Wahlsausgang keine signifikante Bedeutung haben? Es geht um das Geld eines Mannes: Sheldon Adelson. Der Milliardär aus Las Vegas gilt traditionell als der größten Einzelspender des US-Wahlkampfes und sein Geld fließt traditionell den Republikanern zu.
      Vorausgesetzt, er mag den Kandidaten. Bei Donald Trump hat er ungewöhnlich lange gezögert. Der 83-jährige Adelson, dessen Eltern aus dem Zarenreich Russlands in die Vereinigten Staaten geflohen waren, stieg mit erfolgreichen Immobilien- und Kasino-Geschäften zum Multi-Milliardär auf.
      Im Wahlkampf 2016 hat Adelson einen Großteil seines Geldes lange zurückgehalten. Erst eine Woche vor dem Wahltag spülte er weitere satte 25 Millionen US-Dollar in die Kasse der Organisation Future 45 – eines sogenannten Super-Pacs. Dieser fällt nicht unter die Spendengesetzgebung und darf somit soviel Geld annehmen, wie er bekommen kann. Natürlich darf er nicht in direkter Verbindung mit einem Kandidaten stehen. Natürlich nicht.
      Quelle: Stern
    3. Ayn Rand und der Geist der USA
      “Altruismus”, sprach Rand bei ihrem letzten Vortrag 1981, “ist ein monströser Gedanke und nicht kompatibel mit dem Kapitalismus.” Rand hasste den Staat wie jedes Kollektiv. Die kleine Frau mit dem herben Akzent avancierte zur kältesten Kriegerin gegen alles Rote und eifrigsten Verfechterin eines entfesselten Kapitalismus. Ronald Reagan war ihr zu lasch. Das Feuilleton kritisierte ihre Mammutwerke als Seifenopern der Propaganda.
      Rand selbst hielt ihre Weltsicht des Objektivismus für vollkommen rational. Bald wuchs eine treue Anhängerschar heran, die sie mit Vorträgen beglückte. Bis heute wird die Autorin vom Silicon Valley bis an die Wall Street kultisch verehrt.
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung JK: Ein interessanter Beitrag zu einer Ikone der Neoliberalen in den USA. Die Ergüsse Rands sind deren Heilige Schrift. Obwohl die „Philosophie“ Rands großen Einfluss auf das politische und ökonomische Denken in den USA hat, Steve Jobs nannte sie einmal seine „Richtschnur“, und obwohl die Gründer von Uber, Paypal und vielen anderen Konzernen glühende Rand-Fans sind, ist Ihre bizarre Gedankenwelt in Europa faktisch unbekannt.

  2. Syrien
    1. Steht der Einmarsch der Türkei in den Irak bevor?
      Die regierungstreue Presse versucht die türkische Bevölkerung nun schon seit Wochen auf die neuen (alten osmanischen) Gebietsansprüche der Türkei in Griechenland, Bulgarien und vor allem in Nord-Syrien und dem Nord-Irak einzuschwören. Immer wieder kursieren in den Medien Karten der “neuen” Türkei nach der Annexion. Der Lausanner Vertrag, der nach dem 1. Weltkrieg die Grenzen der heutigen Türkei bestimmte und damit für die Kemalisten das Fundament der säkularen Republik Türkei legte, wird von Erdogan als Niederlage umgedeutet (Der Traum vom Großtürkischen Reich).
      Wer denkt, dass dies nur irreale Großmachtphantasien bleiben, könnte irren. Denn Erdogan scheint entschlossen, zur Tat zu schreiten. Deswegen sollten bei den Europäern, den USA und Russland alle Alarmglocken klingeln.
      Ganz aktuell steht der Irak auf der Agenda. Die türkische Regierung ist überzeugt davon, dass allein sie in Mosul für Ordnung sorgen könne. Sie wollen unbedingt verhindern, dass das ihrer Meinung nach vom Iran kontrollierte regierte Bagdad die Kontrolle über Mosul erlangt.
      Im Sinne der neoosmanischen Gebietsansprüche ist zu befürchten, dass die türkischen Truppen mit ihren Panzern von Silopi gen Mosul marschieren werden, dann über Tel Afar nach Westen bis in das ezidische Shengal-Gebiet, wo sie vermuten, dass dort ein zweites Hauptquartier der PKK entsteht.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung unseres Lesers U.D.: Es ist offensichtlich, dass Erdogan sein Drehbuch zur Machtausweitung von den Nazis übernommen hat und Merkel verhält sich zu den Machenschaften eines Erdogan, wie einst Chamberlain zu Hitler. Scheinbar ist Erdogan der “gute Schurke, denn er ist ja unser Schurke”. “Putin ist der “schlechte Schurke”, dem fast alles im Nahen Osten angelastet wird und von der Bundesregierung mit erheblichen Sanktionen belegt wurde, die im Falle Erdogans nur in leeren Worthülsen bestehen. Die Bundeswehr wird wieder für einen Grundgesetz widrigen Angriffskrieg Syrien und zur Kriegsvorbereitung eines NATO-Mitgliedes gegen den Irak missbraucht.

      Anmerkung JK: Beachtlich ist hier auch die Zurückhaltung der deutschen „Qualitätsmedien“. Man vergleiche einmal deren Rhetorik gegen Putin und Russland mit der Berichterstattung zu Erdogan und seinem agieren im syrischen Bürgerkrieg.

    2. Die Schlacht um Mossul
      Die Vereinten Nationen äußern “tiefe Beunruhigung” über die steigende Zahl ziviler Todesopfer in der Schlacht um Mossul. Recherchen bestätigen, dass den Luftangriffen der US-geführten Anti-IS-Koalition auf die Großstadt und ihre Vororte mittlerweile – wie befürchtet – zahlreiche Zivilisten zum Opfer gefallen sind. So sind am 21. Oktober in einem Dorf nahe der Millionenstadt acht Mitglieder einer Familie bei einer Attacke von US-Bombern getötet worden. In die Luftkriegführung der Anti-IS-Koalition ist die Bundeswehr mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen involviert. Darüber hinaus sind deutsche Offiziere im Luftwaffenhauptquartier auf dem US-Stützpunkt Al Udeid stationiert, das die Luftangriffe auch auf Mossul steuert. Bei Luftoperationen gegen die Stadt, die punktuell bereits seit November 2014 Ziel westlicher Militärschläge ist, sind in den letzten zwei Jahren laut Recherchen der US-NGO Airwars mehr als 450 Zivilpersonen zu Tode gekommen. Darüber hinaus hat die Anti-IS-Koalition, der Deutschland angehört, bei ihrer Kriegführung in Syrien Uranmunition verschossen. Dies bestätigen die US-Streitkräfte. Uranmunition ist radioaktiv und hochgiftig; in Gebieten, in denen sie eingesetzt wurde, sind schwerste gesundheitliche Schäden verbreitet.
      Die Vereinten Nationen äußern “tiefe Beunruhigung” über die steigende Zahl ziviler Todesopfer in der Schlacht um Mossul. Jüngste Berichte über Zivilisten, die in den Kämpfen umgekommen oder verletzt worden seien, seien höchst verstörend, erklärt die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe im Irak, Lise Grande. Grande äußert sich, nachdem die US-geführte Anti-IS-Koalition ihre Luftangriffe auf Mossul und die umliegenden Orte stark ausgeweitet hat. Vom Beginn der Operationen am 17. Oktober bis einschließlich 1. November hätten westliche Kampfflieger mindestens 191 Attacken durchgeführt, wird eine Sprecherin des Air Forces Central Command zitiert; allein in den ersten drei Tagen des Angriffs auf Mossul habe man im Durchschnitt alle acht Minuten eine Bombe abgeworfen – deutlich mehr als in früheren Operationen gegen den IS. In die Luftkriegführung der Anti-IS-Koalition ist auch die Bundeswehr involviert, die sich mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen am Kampf gegen Daesh beteiligt. Die deutschen Tornados, die von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik in den Einsatz starten, können Bilder aus Mossul und Umgebung liefern. Zudem sind deutsche Offiziere im taktischen US-Luftwaffenhauptquartier auf dem Stützpunkt Al Udeid in Qatar stationiert; von dort aus werden alle Luftangriffe der Anti-IS-Koalition gesteuert.
      Quelle: German Foreign Policy
  3. „Bei Merkel ist nicht eindeutig, was Inszenierung und was Überzeugung ist“
    Politker nennen ihre Handlungen oft alternativlos. Die Politikwissenschaftlerin und Körber-Preisträgerin Astrid Séville erklärt im Interview, warum das der Demokratie schadet.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Ein erhellendes Interview, das Merkles Politik gut charakterisiert: „Hier wird Ideologielosigkeit inszeniert, um ein politisches Projekt durchzusetzen.“ Wer behauptet Merkel hätte die Union nach links bewegt oder die Grenzöffnung für Flüchtlinge sei Merkels tiefgehenden Humanismus geschuldet, ist entweder interessengeleitet oder darf getrost als naiv bezeichnet werden. Merkel geht es um die knallharte Durchsetzung der neoliberalen Agenda im Sinne der herrschenden Eliten.

  4. „Kein Linker spricht über den Finanzsektor“
    Ein Finanzsektor unter öffentlicher Kontrolle und der Erlass aller die Welt drückenden Schulden – so will der US-Ökonom Michael Hudson den Finanzkapitalismus überwinden. In seinem im November auf Deutsch erscheinenden Buch Der Sektor schreibt er: „Wir müssen die unvollendete Revolution des 19. Jahrhunderts durch eine Reform der Finanzmärkte ergänzen, um die fortbestehenden Ungerechtigkeiten post-feudaler Landnahme, der Aneignung von Gemeingütern und der Schaffung von Monopol-Privilegien zu beseitigen.“ Hudson wurde 1939 in Minneapolis geboren, dem Herzen der US-Arbeiterbewegung, sein Vater gehörte zu den Führern der US-Trotzkisten. Er selbst wurde Ökonom, Wall-Street-Analyst, Regierungsberater in Griechenland, Island, Lettland, China und Fundamentalkritiker des kapitalistischen Finanzsystems. Die Vorhersage von Krisen gilt als seine größte Stärke.
    Welche Blase wird als Nächstes platzen?
    Ich sehe einen langsamen Abstieg für Europa kommen. Dort kaufen US-Investoren gerade eine Menge Grundbesitz, vor allem in Deutschland. Sie treiben die Mieten hoch, kaufen die Energieversorgung auf. Die USA wollen verhindern, dass Europa im post-sowjetischen Raum investiert. Die Ukraine etwa soll als Investitionsstandort für George Soros freigehalten werden. Es wird keinen plötzlichen Crash geben, es wird eine langsame Entwicklung sein. Solange ihr hier Politiker habt, die sich mehr um Geld aus den USA sorgen als um eigene Wähler, solange die EU statt pro-europäischer Wachstumspolitik US-Außen-politik betreibt, wird es in diese Richtung gehen. Wenn es mit der Austerität in Europa so weitergeht, werdet ihr kränker werden, früher sterben und immer höhere Selbstmordraten haben.
    Na ja. In Südeuropa gibt es ja nun immerhin ein paar Mitte-links-Regierungen, die für Alternativen zur Austerität sorgen könnten.
    Nein, können sie absolut nicht. Die Politik der sozialdemokratischen Parteien ist das Gegenteil von dem, was sie vor 100 Jahren war. Damals waren sie für öffentliche Investitionen und den Ausbau der Infrastruktur. Sie wollten Straßen oder Gesundheitsversorgung zu geringen Preisen zur Verfügung stellen und damit die Wirtschaft konkurrenzfähiger machen. Heute sind doch alle Sozialdemokraten für Privatisierung. Die Linke ist auf die Seite der Rechten gezogen. Sie wurde zu Thatcher auf Steroiden. Es gibt zurzeit keine politische Linke.
    Quelle: Freitag
  5. So gefährlich ist der deutsche Sparwahn wirklich
    Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss kann dieses Jahr erstmals die Marke von zehn Prozent überspringen.
    Langfristig gefährden die zu geringen Investitionen den Wohlstand, wenn die Unternehmen im internationalen Wettbewerb zurückfallen sollten. […]
    Das Durchbrechen der Marke von zehn Prozent wäre eine neue Dimension – auf solche Werte kommen üblicherweise nur Erdölexporteure. Berechnet wird die Zahl, indem ein Saldo aus Ein- und Ausfuhren von Waren, Dienstleistungen und Kapital errechnet wird. Erzielt ein Land dabei einen Überschuss, heißt das, verknappt gesagt, dass es mehr einnimmt, als es verbraucht. Und das wiederum bedeutet, dass es gegenüber dem Ausland ein Guthaben hat, das Vermögen des Landes im Ausland steigt also. Sprich: Deutschlands Bürger arbeiten hart, sparen und legen das Vermögen dann im Ausland an. […]
    Die Kritik, dass Deutschland durch seinen riesigen Leistungsbilanzüberschuss die Ungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone vergrößere, greift also nicht mehr. Im Gegenteil: Viele der einstigen Defizitländer erzielen inzwischen selbst Überschüsse, zumeist ebenfalls gegenüber dem Nicht-Euro-Ausland. Es bleibt aber die Tatsache, dass die Überschüsse Deutschlands auf einen neuen Rekord zumarschieren und die Deutschen damit deutlich unter ihren Verhältnissen leben. Doch was treibt sie dazu?
    Das erhellt ein Blick auf die einzelnen Bereiche der deutschen Wirtschaft – Staat, Unternehmen, Banken und private Haushalte. Dabei zeigt sich, dass sie in den vergangenen 15 Jahren alle den Gürtel drastisch enger geschnallt haben. Oder wie es der Ökonom Krämer ausdrückt: „Seit Deutschland im Jahr 2001 zum letzten Mal ein Leistungsbilanzdefizit auswies, haben sie ihre Finanzierungssalden spürbar verbessert.“
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Unerwartet, daß gerade die konservative Welt so klare Worte findet: “Deutschland lebt deutlich unter seinen Verhältnissen” und “Vermögen im Ausland […] kann auch schnell [weg] sein” und die krassen Probleme des Leistungsbilanzüberschusses halbwegs plausibel beschreibt. Blödsinn sind allerdings die Erklärungen für den Leistungsbilanzüberschuß: “Deutschlands Bürger arbeiten hart, sparen und legen das Vermögen dann im Ausland an.” Nachdem sie, wie im Artikel beschrieben, den Gürtel enger geschnallt, sprich immer weniger verdient haben… „Und die Deutschen sparen deshalb mehr als ihre Nachbarn, weil die deutsche Bevölkerung schneller altert“, glaubt Krämer. – Welche Deutschen? Die Niedriglöhner und die Hartz-IV-Betroffenen??? “Für die Unternehmen verweist Krämer hierbei auf […] sich verschlechternde Bedingungen in Deutschland aufgrund eines teilweisen Zurückdrehens der schröderschen Reformen.” – Die Unternehmen haben bis jetzt wahnsinnig gespart (und sind jetzt Nettogläubiger, total verrückt), weil die Arbeitnehmer “den Gürtel enger geschnallt” haben, und jetzt sparen sie, weil die Löhne und die Renten wieder minimal mehr steigen? Logik? Ach ja: der erwähnte “Ökonom Krämer” ist “Chefvolkswirt der Commerzbank” und hilft dieser sicher gerne weiter auf dem Weg in den Bankrott.

  6. Täuschende Wirtschaftsweise 2016 (3): Verschwiegene Interessenkonflikte
    Als nach Ausbruch der Finanzkrise herauskam, dass viele der renommierten Wirtschaftswissenschaftler, die vorher für die fatale Deregulierung der Finanzbranche geworben hatten, sehr viel Geld für Reden und Beratungsleistungen für eben diese Finanzbranche bekommen hatten, erließ die international tonangebende American Economic Asssociation Ethikregeln, die von den Mitgliedern verlangen, alle Quellen potenzieller Interessenkonflikte in ihren wissenschaftlichen und Presseveröffentlichungen anzugeben. Das deutsche Pendant, der Verein für Socialpolitik (VfS), zog ein paar Jahre später nach und erließ ähnliche Regeln. Schaut man in die Gutachten der „Wirtschaftsweisen“, so sucht man derartige Hinweise auf potentielle Interessenkonflikte der Mitglieder vergeblich. Es gibt auch keinen expliziter Hinweis auf deren Abwesenheit. Dort hätten insbesondere die folgenden Offenlegungen stehen können und müssen (Formulierungsvorschlag): 1. Der Vorsitzende Christoph M. Schmidt ist Mitglied des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die als größte Aktionärin 23 Prozent der Anteile des Unternehmens ThyssenKrupp AG kontrolliert. Dieses ist ein großer Zulieferer der Öl- und Gasindustrie und von Windkraftanlagenbauern und könnte insofern ein positives oder negatives Interesse insbesondere an energiepolitischen, aber auch an arbeitsmarktpolitischen und handelspolitischen Aussagen des Sachverständigenrats haben. Schmidt ist des weiteren Vorstandsvorsitzender des Vereins Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Dessen Mitglieder sind insbesondere Wirtschaftsunternehmen der Region, die, gemeinsam mit Unternehmensverbänden das Lenkungsorgan Verwaltungsrat mehrheitlich besetzen. Im Verwaltungsrat ist Führungspersonal und ehemaliges Führungspersonal der Unternehmen und Verbände Commerzbank AG, National-Bank, Sparkasse Düsseldorf, Signal-Iduna Hochtief AG, Wirtschaftsvereinigung Stahl, IHK-Duisburg und Handwerkskammer Düsseldorf vertreten. Diese Unternehmen könnten ein positives oder negatives Interesse an bestimmten geld- und zinspolitischen, rentenpolitische, arbeitsmarktpolitischen und allgemein wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Sachverständigenrats haben. Christoph Schmidt und das von ihm geleitete Institut RWI haben außerdem in der Vergangenheit eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz wissenschaftlich begleitet.
    Quelle: Norbert Häring
  7. Schwarzarbeit in Berlin 0 bis 4 Euro Stundenlohn
    Der Backshop nahe dem U-Bahnhof Pankstraße ist für Orhan Bayrak und bis zu 20 weitere Bulgaren fast jeden Tag die erste Anlaufstelle. Woche für Woche, von Montag bis Sonnabend, stehen die Männer ab fünf Uhr dort. Der zehn Meter lange Gehweg vor dem Eingang gehört zu Berlins „Arbeiterstrichen“. Manche nennen diese Orte so und spielen damit auf die Arbeitsbedingungen an. Die Männer werden hier von Türken, Kurden, Arabern, Serben, aber auch Deutschen mit dem Auto eingesammelt und auf Baustellen, in Gartenbetriebe oder zu Umzügen mitgenommen. Dort angekommen, werden sie zu Tagelöhnern in einer Welt, die mit deutschen Gesetzen nichts mehr zu tun hat. Orhan Bayrak und seine „Kollegen“ arbeiten schwarz. Sie werden bar ausgezahlt. Es ist schnell gemachtes Geld, ohne Papiere, ohne Steuern.
    Leichte Arbeit ist es nicht. „Wir schuften zwölf bis 14 Stunden am Tag. Wenn wir Pause machen, wollen die Chefs, dass wir mit der rechten Hand buddeln und mit der linken unser Brot essen“, sagt Bayrak. „Am Ende des Tages gehen wir meistens mit 40 bis 60 Euro nach Hause.“ Auf den Stundensatz gebrochen sind das drei bis vier Euro – weit unter dem Mindestlohn. Weit unter der Menschenwürde.
    Quelle: tagesspiegel
  8. Jobcenter streichen Tausenden die Leistungen komplett
    Die Jobcenter haben im ersten Halbjahr 2016 jeden Monat im Durchschnitt rund 7.100 Hartz-Beziehern die Leistungen komplett gestrichen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei diese Zahl um 7,7 Prozent gestiegen, berichtete die »Bild« unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Die Gründe für die Streichung der Leistungen bestanden in der Regel darin, dass die Hartz-Bezieher Arbeitsstellen abgelehnt oder Termine nicht eingehalten hätten.
    Wie das Blatt weiter berichtet, stieg auch die Zahl der so genannten vollsanktionierten Hartz-Empfänger im ersten Halbjahr 2016 an. Es habe insgesamt 45.267 Hartz-Bezieher gegeben, die wegen wiederholter Verstöße gegen Hartz-Regeln mit zwei oder mehr Sanktionen belegt worden seien. Darunter seien 27.056 Empfänger mit zwei Sanktionen, 10.824 mit drei Sanktionen, 4183 mit vier Sanktionen und 3204 mit fünf oder mehr Sanktionen.
    Quelle: neues deutschland

    Anmerkung Christian Reimann: Und das ist verfassungskonform – insbesondere hinsichtlich von Existenzsicherungen im “sozialen Bundesstaat” (Art. 20 GG) bzw. “sozialen Rechtsstaates” (Art. 28 GG)?

  9. Steuervorwürfe gegen BASF
    Der Chemiekonzern BASF vermeidet nach Erkenntnissen der Grünen im Europäischen Parlament seit Jahren systematisch Steuerzahlungen. Nach einer von der Grünen-Fraktion an diesem Montag veröffentlichten Studie nutzt das Unternehmen gezielt Steuervorteile in einzelnen Mitgliedstaaten.
    BASF bediene sich besonders der „Steueroasen“ Belgien, Malta und den Niederlanden, teilte der Grünen-Parlamentarier Sven Giegold mit. Zwischen den Jahren 2010 und 2014 habe das Unternehmen so 923 Millionen Euro gespart. BASF habe ein „perfides System zur Steuervermeidung“ aufgebaut, kritisierte Giegold.
    Die von ihm beauftragte Studie zeige, dass die bisherigen Maßnahmen der EU gegen Steuervermeidung nicht ausreichten. Das Unternehmen
    betonte in einer ersten Stellungnahme, es habe die Steuergesetze überall strikt eingehalten. „In allen Ländern, in denen BASF operativ tätig ist, zahlt BASF
    die sich nach jeweiligem Landesrecht ergebenden Steuern“, teilte der Konzern mit. Das wird in der Studie auch nicht bestritten.
    Giegold forderte vielmehr für die EU harmonisierte Mindestsätze in der Unternehmensbesteuerung. Nach Erkenntnissen der Studie nutzte das Unternehmen unterschiedliche Anreize im Steuerrecht der drei Länder.
    Im Zentrum hätten dabei die Niederlande gestanden, die Einkünfte aus Lizenzen und Patenten mit nur fünf Prozent besteuern und Dividenden aus konzerninternen Hybridanleihen vollständig steuerfrei stellen. Über das holländische Firmennetz von BASF seien außerdem in
    der EU erwirtschaftete Gewinne in niedrig besteuerte Tochtergesellschaften auf Puerto Rico und in der Schweiz transferiert worden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Man kann es nur wiederholen, dies ist nur möglich, weil es politisch geduldet wird.

  10. Bittners Rezept gegen den Wahnsinn – Ein Interview
    Der deutsche Schriftsteller und Jurist Wolfgang Bittner, der den Aktivitäten der USA in Europa kritisch gegenübersteht, erzählt, warum das Abendland in eine Katastrophe abzugleiten droht.
    Kolokol Rossii: Die Hauptidee ihres Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“ ist, dass sich in Europa die Katastrophe des Jahrhunderts abzeichnet. Könnten Sie bitte unseren Lesern, die das Buch noch nicht kennen, erklären, warum Sie die Entwicklung in Europa für katastrophal halten?
    Wolfgang Bittner: Theoretisch sind die europäischen Länder souveräne Staaten. Aber die USA nehmen sehr stark Einfluss auf sie, besonders auf Deutschland. Die USA haben nach wie vor zahlreiche Militärstützpunkte in Europa. Deutschland wird immer mehr zu einem „Amerika-Gebiet“, und der Einfluss nimmt kontinuierlich zu. Diese Entwicklung legt das Bild eines mit Spinnweben umwobenen Europas nahe, und mitten darin sitzt die Spinne – die USA. Das ist fatal für Europa. Zurzeit wird über die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit den USA verhandelt [Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – KR]. Die deutsche Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen, doch die führenden Politiker sind dafür. Man braucht natürlich Handelsbeziehungen, der Handel sollte aber auf Augenhöhe betrieben werden. Was die USA anbetrifft, so wollen sie offensichtlich über den angestrebten Handelsverbund die Kontrolle über die europäische Wirtschaft übernehmen. Was da beabsichtigt wird, halte ich für unlauteren Wettbewerb. Schon jetzt machen die USA von ihrer Machtposition Gebrauch und wollen deutsche Unternehmen unverhältnismäßig hoch bestrafen. So ist gegen die Deutsche Bank eine Strafe von 14 Milliarden Dollar im Gespräch, und auch der Volkswagen-Konzern soll Milliardenstrafen und Schadenersatz in zweistelliger Milliardenhöhe wegen überschrittener Emissionswertezahlen. Ich habe den Eindruck, dass hier Unternehmen aus Wettbewerbsgründen geschädigt werden sollen.
    Quelle: KenFM
  11. Geheimsache Elbphilharmonie
    Die Hamburger Elbphilharmonie wird heute teileröffnet. Doch das Gebäude war deutlich teurer als die von der Stadt genannten 866 Millionen Euro. Denn es gibt noch einen privaten Teil, über den fast nichts bekannt ist. (…)
    Denn, worüber heute niemand mehr gern spricht: Das Gebäude ist seit der ersten Entwurfsskizze 2003 als Private-Public-Partnership geplant worden. Die Ursprungsidee war, dass Erlöse aus dem Bau einer Garage, eines Hotels und von Wohnungen die Konzertsäle weitgehend finanzieren. Tatsächlich baute die Stadt alles auf ihre Rechnung – bis auf die Wohnungen.
    Diese Wohnungen tauchen in den Senatsdrucksachen nur an Rande auf: Gerade einmal 7,6 Millionen Euro kann die Stadt von den Baukosten abziehen. Diese zahlten die Wohnungsbauer für ihren Anteil am Grundstück an die Stadt. Wieviel aber die Errichtung der Wohnungen konkret kostet, wollen die Erbauer Hochtief und Quantum nicht sagen. Über das erwartete Ergebnis sprechen sie sowieso nicht.
    Die Wohnungen gelten als die teuersten in der Hansestadt. Im Schnitt sind sie 190 Quadratmeter groß, der Preis je Quadratmeter soll zwischen 15.000 und 36.000 Euro liegen. Diese Preise will sich Hochtief offenbar durch die Veröffentlichung der Baukosten nicht verderben lassen: „Wenn Sie bei einem Bauträger eine Wohnung oder ein Haus kaufen, wird er Ihnen auch nicht sagen, welche Kosten er für die Realisierung hatte. Sie zahlen einen verhandelten Marktpreis“, teilte ein Hochtief-Sprecher mit.
    Rechnerisch ergibt sich aus den bekannten Daten ein Verkaufserlös irgendwo zwischen 150 und 300 Millionen Euro. Die Stadt sieht davon keinen Cent. Sie verpachtet lediglich das Hotel für 20 Jahre an die Kette Westin. Das bringt sechs Millionen Euro im Jahr – oder 120 Millionen über die gesamte Vertragslaufzeit. Glück für Hochtief: Die Hamburger Immobilienpreise sind seit dem Projektbeginn deutlich gestiegen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung Christian Reimann: Sollte sich insbesondere der Hamburger Bürgermeister, Herr Scholz, nicht mehr Sorgen machen oder macht er bereits jetzt lediglich „gute Miene zum bösen Spiel“?

  12. Korruption in Afrika – über falsches Schubladendenken und versteckte Täter
    Das bekannteste und am häufigsten zitierte Messinstrument für Korruption ist der Korruptionswahrnehmungsindex der NGO Transparency International. Wie der Name schon sagt, wird nicht Korruption direkt gemessen, sondern die Wahrnehmung, die Menschen von der Korruption in einem Land haben. Dabei gibt es zwei grundlegende Probleme:

    1. Korruption wird nur als Bestechlichkeit von Amtsträgern und Politikern definiert.
    2. Es sind nicht die Bürger der jeweiligen Länder, die befragt werden, sondern hauptsächlich Geschäftsleute und (externe) Länderexperten.

    Das Problem dabei ist, dass die wahrgenommene Korruption „aufgebläht“ werden kann und somit eventuell viel größer gemacht wird, als sie vor Ort ist. Wenn sich befragte Geschäftsleute über ihre Erlebnisse in bestimmten Ländern austauschen und bei der Befragung dann ähnliche Antworten geben, obwohl nur einer von Ihnen im betreffenden Land eine Korruptionserfahrung gemacht hat, dann wird das Problem durch den Wahrnehmungsindex größer als es in Wirklichkeit ist. Gleiches gilt für die Medienberichterstattung. Brasilien beispielsweise wird häufig als korruptes Land dargestellt. Dementsprechend landete es auf dem Wahrnehmungsindex auf einem schlechten Platz. Ein anderer Index hingegen, das Global Corruption Barometer, befragte Brasilianer über ihre Korruptionserfahrungen. Die Ergebnisse: Nur jeder 25. Brasilianer hat schon einmal Bestechungsgelder bezahlt. Eine Quote, die unter der anderer lateinamerikanischer Länder und sogar unter der der USA liegt. Länder, die im Wahrnehmungsindex allerdings besser abschneiden.
    Dementsprechend ist anzuzweifeln, ob der Wahrnehmungsindex immer ein korrektes Bild über die Korruptionssituation vor Ort gibt und inwiefern die Menschen vor Ort von Korruption betroffen sind. Sogar viele Mitarbeiter und Ländergruppen von Transparency International lehnen den Index aus diesem Grund mittlerweile ab.
    Quelle: zebralogs

  13. Schlager gegen Rechts – Da muss ich meinen Manager fragen
    Udo Lindenberg wirft Helene Fischer vor, sie sage nichts zur politischen Situation. Das zu tun ist aber auch ein Geschäftsmodell.Demnächst wird Udo Lindenberg als „Düsseldorfer des Jahres“ geehrt. Das tut dieser Stadt am Rhein gut, auf den 5. Dezember, den Tag der Ehrung, freut sich der Einvernommene sehr. Im Interview mit der Rheinischen Post, dem Zentralorgan der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, verbreitet der gebürtige Gronauer viel gute Laune – wird dann aber auch böse.
    Seiner Kollegin Helene Fischer nämlich macht er den Vorwurf, sie sage, anders als Udo Lindenberg und viele andere aus seinem Milieu, nichts zur aktuellen politischen Situation: „Wenn mehr Leute was machen, sich positionieren würden, auch aus der Schlagerecke. Wenn von Helene Fischer auch mal ein Statement käme gegen Rechtspopulismus. Aber es gibt viele, die äußern sich prinzipiell gar nicht, die sagen, wir sind reine Entertainer.“ Und führt dann noch die – klassische – Riege jener an, die, was die Statement-Aussagerei anbetrifft, es Lindenberg gewöhnlich gleichtun: Herbert Grönemeyer, BAP & Niedecken, die Toten Hosen, Jan Delay oder Clueso.
    Allerdings geht der Vorwurf ins Leere – denn sich zum Guten, Wahren & Schönen, also zum klassischen linken und alternativen Welthaltungsprogramm zu bekennen, mag auch eine krasse Herzenssache sein, aber: Es gehört mit zum Geschäftsmodell. Jeder Musiker, jede Musikerin verkauft nicht nur Noten und Texte, sondern auch sich selbst. Menschen, die, wie es so unschön heißt, „für etwas einstehen“.
    Quelle: taz
  14. Wenn hessische Unternehmerverbände was gegen Langzeitarbeitslosigkeit machen wollen – und ein “Spielhallenverbot für arbeitslose Hartz-IV-Empfänger” herauskommt
    Und besonders zu beklagen ist die Tatsache, dass mit solchen Vorschlägen wie einem “Spielhallenverbot für Hartz IV-Empfänger” und den mit diesem Vorschlag ausgelösten Assoziationen bei vielen Menschen, die nur das lesen oder hören, eine hoch problematische Entwicklung befördert wird, die bereits in dem Beitrag Irrungen und Wirrungen der Diskussion über “den” Arbeitsmarkt, “die” Arbeitslosen – und natürlich darf “die” Armut nicht fehlen vom 7. April 2015 angesprochen wurde – mit erschreckenden Zahlen aus einer Studie:
    Im Jahr 2014 wurde die die folgende Studie veröffentlicht: Andreas Zick und Anna Klein: Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. Bonn 2014.
    In der Zusammenfassung dieser Studie findet man eine Abbildung mit der Darstellung der Zustimmungswerte zu einzelnen Facetten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in der Gesellschaft und deren Teilgruppen weit verbreitet. Schaut man sich die konkreten Ausprägungen innerhalb der Bevölkerung genauer an, dann überraschen auf den ersten Blick sicher nicht solche Anteilwerte: 44 Prozent hinsichtlich der Abwertung asylsuchender Menschen oder 26,6 Prozent hinsichtlich der Abwertung von Sinti und Roma. Das was irgendwie zu erwarten. Aber dass der absolute Spitzenreiter hinsichtlich der Abwertung einer Gruppe mit 47,8 Prozent die langzeitarbeitslosen Menschen betrifft, wird sicher viele überraschen und erschrecken. Anders ausgedrückt: Nach dieser Studie sind es die langzeitarbeitslosen Menschen, denen die meisten Abwertung und Abneigung entgegenschlägt – noch vor den Asylsuchenden oder den Sinti und Roma. Das ist ein erschütterndes Ergebnis. Es verdeutlicht, wie weit fortgeschritten und radikalisiert das ist, was als Individualisierung, Personalisierung und Moralisierung von Arbeitslosigkeit bezeichnet wurde.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  15. Wohin soll das führen?
    Kann die SPD noch leidenschaftlich sein? In Großbritannien schaffte es der faltige Jeremy Corbyn, als Labour-Chef zum Star einer neuen linken Generation zu werden; bei den US-Vorwahlen bejubelten Tausende junge Amerikaner den Demokraten Bernie Sanders, wenn er über seine Ideen für eine gerechtere Welt sprach. Beiden gelang, was der Partei von Sigmar Gabriel schon lange nicht mehr geglückt ist: Politik mit Emotionen zu verbinden, mit Herzensthemen und Begeisterung.
    In der SPD haben sie Corbyn und Sanders zunächst etwas ratlos zugeschaut. Nun aber glaubt die Parteispitze, selbst ein leidenschaftliches Thema gefunden zu haben: Wie halten wir’s mit Russland? Diese Frage soll den Wahlkampf 2017 prägen. Wegen Syrien. Wegen der Ukraine. Wegen der zunehmenden Angst vieler Deutscher, die Krisen an Europas Rändern könnten sich ins Zentrum des Kontinents verlagern. Ein Drittel der Deutschen fürchtet einer aktuellen Umfrage zufolge einen Krieg mit Russland.
    Auch deshalb wollen sich die Sozialdemokraten im kommenden Wahlkampf – das ist in der SPD-Spitze verabredet – als “Friedenspartei” präsentieren. Und das heißt: Nein zu neuen Sanktionen gegen Russland, Nein zu einer verschärften Konfrontation mit Wladimir Putin, Ja zu weiteren Gesprächen. Damit will man sich von Angela Merkel und der CDU abgrenzen. Dass die SPD mit dieser Strategie auch Putin-freundliche Wutbürger von links wie rechts ansprechen dürfte, ist Teil des Plans. Nur erwischen lassen wollen sich die Sozialdemokraten dabei nicht.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Christian Reimann: Kaum könnte die SPD-Spitze planen, zumindest in Wahlkampfzeiten eine Annäherung an Russland zu wagen, wird schon der mögliche Versuch in Mißkredit gebracht. Die SPD könne so “auch Putin-freundliche Wutbürger von links wie rechts ansprechen”. Das ist ein Indiz für die Atlantik-Nähe der “Zeit”.
    Fraglich ist, ob diese “Wutbürger” sich wirklich so von der SPD ansprechen lassen. Scheinbar wäre es der “Zeit” lieber, diese Wählerschaft macht ihr Wahlkreuz bei der AfD, oder?

  16. Willy Wimmer: „Wir haben unsere Werte verraten“
    Der ehemalige Staatssekretär und Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer (CDU) geht mit der Politik der Europäischen Union hart ins Gericht. Gleichzeitig macht er die Westmächte für die schlechter gewordenen Beziehungen zu Russland verantwortlich. Am Dienstagabend (19 Uhr) referiert der 73-Jährige im Parlament der DG. Im Vorfeld führte das GrenzEcho mit ihm ein Gespräch.
    Quelle: GrenzEcho
  17. Das Allerletzte – Raus aus Hartz IV mit Heinz Buschkowsky
    Der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln und SPD-Politiker Heinz Buschkowsky soll kommendes Jahr Experte in einer RTL-Doku-Show rund um Hartz IV werden. In der Sendung sollen Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind, 25.000 Euro auf einen Schlag bekommen und versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen, teilte der TV-Sender am Samstag mit. Zusammen mit zwei weiteren Experten, die bislang noch unbekannt sind, soll Buschkowsky die betroffenen Familien beraten. „Zahltag – Ein Koffer voller Chancen“ soll ab 2017 bei RTL zu sehen sein.
    Buschkowsky soll auch bei der Auswahl der Kandidaten beteiligt sein, hieß es weiter. Das Startkapital bekämen nur Familien, die „eine realistische Chance auf Erfolg“ hätten, so der Sender. Dabei seien „Motivation, psychische Verfassung und die persönliche Vision der Familien“ entscheidend.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Sozialdarwinismus als Volksbelustigung. Geht es noch zynischer und menschenverachtender? So lässt sich eine gesellschaftliche Debatte über die zunehmende soziale Polarisierung auch konterkarieren.


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