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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 2. Dezember 2016 um 16:26 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bürgerkrankenversicherung – ein Jobkiller?
  2. Grundsicherung nicht diskreditieren, sondern weiterentwickeln
  3. Habemus Tarifabschluss. Für die Leiharbeit. Das gefällt nicht jedem
  4. Europaweite Stärkung der Kollektivvertragssysteme gefragt
  5. Referendum in Italien: Vorsitzende der Gewerkschaft CGIL ruft zum “Nein” auf
  6. Die SNB und ihre Buchungspraxis
  7. Zu wenig Geld für mehr Studierende
  8. Beabsichtigte Strafverschärfung bei Wohnungseinbruch kann zu massenhafter Funkzellenabfrage führen
  9. Bauernopfer für CETA
  10. Bundesregierung räumt Wissen über Drohnenkrieg ein
  11. Aleppo: Al-Qaidas Niederlage wird begleitet von westlicher Propagandakampagne
  12. Auf dem Weg zur Autonomie
  13. Studie stellt Asylverfahren in Deutschland mangelhaftes Zeugnis aus
  14. Indigene Völker kämpfen gegen Erdölförderung
  15. Wie ein deutscher Unternehmer auf Amerikas Terrorliste geriet
  16. Clintons Vorsprung steigt auf 2,5 Millionen Stimmen
  17. Das Letzte: US-Investor nennt Schuldenberg “die Lüge des Jahrhunderts”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bürgerkrankenversicherung – ein Jobkiller?
    Die Fusion von privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu einer Bürgerkrankenversicherung ist ein ökonomisch rationales Projekt. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird nun dazu benutzt, die Bürgerkrankenversicherung als Jobkiller zu diskreditieren. Anmerkungen zu einer seltsamen Debatte. (…)
    Der PKV geht es nicht gut. Ihre Beiträge werden im kommenden Jahr um durchschnittlich 11 Prozent angehoben (hier). Die FAZ spricht von einem „Überfall auf die Versicherten“, macht aber dafür nicht das PKV-System verantwortlich, sondern die SPD (hier). Sie habe eine gleitende Tarifanpassung verhindert, die einen solchen Beitragsschock vermieden hätte. Damit habe sie die PKV systematisch schwächen wollen. Das ist paranoider Quatsch. Der Versicherungswirtschaft werden keine gleitenden Tarifanpassungen untersagt, sondern Vertragsabschlüsse mit regelmäßigen Beitragsanhebungen wie etwa bei Staffelmietverträgen. Da der FAZ zur Verteidigung des unwirtschaftlichen PKV-Systems sachlich nichts einfällt, kreiert sie eine Verschwörungstheorie. Die SPD ist eh an allem schuld, sogar für einen verregneten Sommer, wie wir von Rudi Carrell wissen.
    Neben der SPD muss auch die EZB als Sündenbock herhalten. Deren Nullzins-Politik habe zu einem Abschmelzen der Erträge aus den Rückstellungen zur Absicherung der Altersrisiken geführt, so die offizielle Begründung des PKV-Verbandes für die Beitragsanhebungen. Seine Mitglieder führen durchschnittlich 30 Prozent der Beitragseinnahmen in Rückstellungen ab, aus denen die steigenden Behandlungskosten der älteren Versicherten finanziert werden sollen. Jetzt sprudelt diese Quelle aber nicht mehr so wie früher. Die Erträge reichen offenbar nicht, um die Ausgabenzuwächse insbesondere für die Altersgruppe der über 60-Jährigen zu decken. Das Geschäftsmodell eines Hedgefonds mit angeschlossener Krankenversicherung funktioniert nicht mehr wie gewünscht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die großen Versicherungskonzerne kaum noch Interesse am wenig ertragreichen Krankenversicherungsgeschäft haben, es aber aus Prestigegründen nicht fallen lassen wollen.
    Es zeigt sich mal wieder, dass das Kapitaldeckungsverfahren ein teurer Fehler ist (siehe dazu auch hier). Hinzu kommt, dass die PKV im Unterschied zur GKV über keine effektiven Instrumente zur Kostensteuerung verfügt. Ihre Leistungsausgaben haben eine um 50 Prozent höhere Steigerungsrate als die der GKV. Privatpatienten bringen den Arztpraxen bei vergleichbaren Leistungen mehr als das Doppelte der Vergütungen für Kassenpatienten. Auch für Arzneimittel muss die PKV deutlich mehr ausgeben als die GKV. Gegen das Erwerbsstreben von Ärzten und Pharmaindustrie ist sie machtlos. Sie kennt keine Vergütungs- oder Rabattverträge und muss zahlen, was auf den Arztrechnungen und Rezepten ihrer Versicherten steht. Alles in allem ist die PKV eine Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen. Ihre Überführung in ein einheitliches Krankenversicherungssystem für alle Bürger („Bürgerversicherung“) ist ein ökonomisch rationales Projekt.
    Quelle: Makroskop
  2. Grundsicherung nicht diskreditieren, sondern weiterentwickeln
    Der Sozialstaat steht sich selbst im Weg, kritisiert der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes Georg Cremer. Das Hilfenetz des Sozialstaats sei nur ungenügend auf die Prävention sozialer Notlagen ausgerichtet. Er fordert eine Politik der Armutsprävention.
    In der öffentlichen Debatte gilt die Zahl der Empfänger von Hartz IV und der Grundsicherung im Alter als wichtiger Armutsindikator. Es wird argumentiert: Je höher diese Zahl, desto schiefer die soziale Lage des Landes. Allerdings hängt dieser Indikator davon ab, wie gut oder knauserig unser Sicherungssystem ist. Daraus ergeben sich argumentative Fallstricke, die in der Debatte zu sozialer Sicherung und Armut sehr häufig nicht beachtet werden.
    Das zeigt sich beispielhaft an der Grundsicherung im Alter. Erinnern wir uns: Sie wurde 2003 von der Rot-Grünen Koalition eingeführt und hat die Hilfe für arme alte Menschen sehr verbessert. Denn der Rückgriff auf das Einkommen der Kinder, der bis dahin in der Sozialhilfe erfolgte, wurde faktisch aufgehoben. Sehr viele arme Alte hatten bis dahin keine ergänzende Sozialhilfe beantragt, um ihnen Kindern nicht zur Last zu fallen. Es gab also in weit höherem Maße als heute verdeckte Armut. Nach 2003 stieg die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Alter deutlich an, die verdeckte Armut ging zurück. Doch genau dieser Anstieg wurde den Politikern als Versagen des Sozialstaats um die Ohren gehauen.
    Quelle: Gegenblende
  3. Habemus Tarifabschluss. Für die Leiharbeit. Das gefällt nicht jedem
    Am 25. November 2016 hat der Bundesrat die vom Bundestag bereits beschlossenen Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gebilligt. Damit hat die heftig umstrittene Neuregelung der Leiharbeit (vgl. dazu den Beitrag Ein “kleingehäckseltes” koalitionsvertragsinduziertes Abarbeitungsgesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen vom 21. Oktober 2016) seinen parlamentarischen Weg beendet. Und nur wenige Tage später werden wir mit dieser Nachricht aus der Leiharbeitswelt konfrontiert:
    “Wir haben seit Dienstag mehr als 24 Stunden Non-Stop verhandelt und eine deutliche Erhöhung der Entgelte erreicht. Der Kompromiss enthält viel von dem, was wir gefordert hatten. Die Gewerkschaften haben die vollständige Ost-West-Angleichung ab 2021 sowie eine überproportionale Anhebung der unteren Entgeltgruppen durchgesetzt.” Mit diesen Worten wird Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer für die DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit zitiert: Verhandlungsergebnis für die Beschäftigten der Leiharbeit erreicht. Und weiter erfahren wir über das Verhandlungsergebnis: Die Entgelte in der Leiharbeit steigen im Westen jährlich zwischen 2,5 und 3,2 Prozent pro Stunde. Im Osten steigen sie jährlich bis zu 4,82 Prozent pro Stunde. Die vollständige Ost-West-Angleichung in allen neun Entgeltgruppen erfolgt zum 01.04.2021. Die Entgelttabelle Ost entfällt zu diesem Zeitpunkt. Die dann gültige Tabelle West wird dann im gesamten Bundesgebiet angewendet. Und auch das sollte erwähnt werden: Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 36 Monaten und endet zum 31.12.2019.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  4. Europaweite Stärkung der Kollektivvertragssysteme gefragt
    In der EU ist derzeit eine Sichtweise auf Löhne und Kollektivvertragssysteme vorherrschend, die diese einseitig als Problem für die Wettbewerbsfähigkeit definiert. Diese Sichtweise führte zu Reformen der „Economic Governance“ bzw. der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU, die als neuer lohnpolitischer Interventionismus verstanden werden kann. In unserem neuen Sammelband analysieren wir die Auswirkungen dieser Politik auf die Arbeitsbeziehungen in den einzelnen Ländern, aber auch auf den Verlauf der wirtschaftlichen und sozialen Krise, die auf diese Art nicht überwunden werden konnte. Demgegenüber steht eine alternative Sichtweise, die auf eine expansivere und solidarischere Lohnpolitik in Europa setzt. (…)
    Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in zahlreichen westeuropäischen Ländern ein Wirtschafts- und Sozialmodell herausgebildet, dass auf einem inklusiven Wachstumspfad beruhte, der in der Lage war ökonomische Prosperität mit sozialem Fortschritt zu verbinden. Zu den konstituierenden Faktoren dieses Modells gehörten starke Gewerkschaften und umfassende Kollektivvertragssysteme, bei denen die große Mehrheit der Beschäftigten durch Kollektivverträge erfasst wurde. Während starke Gewerkschaften als notwendiges soziales und politisches Gegengewicht zu den destruktiveren Tendenzen des Kapitalismus anerkannt wurden, galten umfassende Kollektivvertragssysteme als Garanten für eine relativ egalitäre Einkommensverteilung, die wiederum eine wesentliche Vorbedingung für nachhaltiges und inklusives Wachstum bildete. […]
    Seit den 1990er Jahren haben innerhalb der EU jedoch auch die gegenteiligen Positionen zunehmend an Einfluss gewonnen. Gestützt auf große Teile der neoklassisch geprägten Wirtschaftswissenschaft und befördert durch neoliberale ÖkonomInnen werden Gewerkschaften und Kollektivvertragssysteme vorrangig als „institutionelle Rigiditäten“ angesehen, die ein effizientes Wirken der Marktmechanismen behindern. In der Konsequenz werden daher ein „Rückgang der Kollektivvertragsbindung“ und eine „allgemeine Reduzierung der Lohnfestsetzungsmacht der Gewerkschaften“ gefordert, wie dies in aller Offenheit in dem mittlerweile berühmten Bericht der GD Wirtschaft und Finanzen aus dem Jahr 2012 formuliert wurde.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
  5. Referendum in Italien: Vorsitzende der Gewerkschaft CGIL ruft zum “Nein” auf
    Die Vorsitzende der größten italienischen Gewerkschaft CGIL, Susanna Camusso, ruft gemeinsam mit den Vorsitzenden der Partisanen-Organisation ANPI und der antifaschistischen Organisation ARCI dazu auf, beim Referendum über eine Verfassungsreform am 4. Dezember mit “No” zu stimmen.
    Der italienische Regierungschef Matteo Renzi beabsichtigt, durch eine Verfassungsänderung Italien stärker zu zentralisieren und politische Mehrheiten mächtiger zu machen, als sie es laut Wahlergebnis eigentlich sind. Letztlich zielen seine Vorschläge darauf ab, zahlreiche demokratische Sicherungsmechanismen abzubauen, die Italien nach dem Zweiten Weltkrieg als Lehre aus dem Faschismus eingeführt hatte. Dies ist wohl der wesentlichste Grund für die Ablehnung, die gerade von ehemaligen PartisanInnen und von AntifaschistInnen gegenüber Renzis Vorhaben geäußert wird. Dieser hat für den Fall des Scheiterns seinen Rücktritt angekündigt.
    Quelle: annotazioni
  6. Die SNB und ihre Buchungspraxis
    Im August 1971 kündete US-Präsident Richard Nixon die Bindung des Dollars an Gold auf. Fünf Jahre später empfahl der Internationale Währungsfonds allen seinen Mitgliedern, die Goldbindung aufzugeben. Damit war der Regime-Wechsel vollzogen, für die Notenbanken galten ab sofort neue Spielregeln: Sie müssen nicht mehr mit ihrem Vermögen für die Noten haften, die sie emittieren. Das Notenbankgeld ist kein Schuldschein der Notenbanken mehr, sondern bloß noch ein Warengutschein. Sein Gegenwert ist das BIP des emittierenden Landes, nicht das Vermögen der Zentralbank.
    Diese Änderung der Spielregeln hat sich allerdings nie in der Buchungspraxis der Notenbanken niedergeschlagen. Sie verbuchen den Geldumlauf immer noch auf der Passivseite der Bilanz. Das ist insofern nicht korrekt, als die Besitzer der Notenbankgeldmenge keinen Anspruch auf die Aktiven der Notenbank erheben können. Zwischen dem Geldumlauf und den Währungsreserven gibt es keinen buchhalterischen oder rechtlichen, sondern bloß einen volkswirtschaftlichen Zusammenhang: Die Notenbank kann (und soll) ihre Währungsreserven im Rahmen ihres volkswirtschaftlichen Auftrags veräußern, um den Außenwert der Währung zu stärken oder um die Inflation zu bekämpfen, oder sie kann Währungsreserven gegen Banknotengeld erwerben, wenn sie die eigene Währung schwächen und/oder die Inflation ankurbeln will.
    Doch spielt es wirklich eine Rolle, wie die Zentralbanken ihr Geld verbuchen? Im Prinzip nicht. Es sei denn, die Buchungspraxis hindere die Notenbanker daran, die richtige Entscheidung zu treffen. Beispielsweise, weil schlecht informierte politische Kreise Druck ausüben.
    Quelle: Werner Vontobel auf Ökonomenstimme
  7. Zu wenig Geld für mehr Studierende
    Hochschulen in Deutschland sind weiterhin unterfinanziert. Zwar stehen heute deutlich mehr Mittel als noch vor zehn Jahren zur Verfügung, aber gemessen an der steigenden Zahl der Studierenden immer noch zu wenig. Das ist das Ergebnis einer Studie von Benjamin Baumgarth, Justus Henke und Peer Pasternack vom Institut für Hochschulforschung (HoF) Halle-Wittenberg im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Die Forscher haben die Finanzierung des gesamten Hochschulsystems untersucht. Neben der Grundfinanzierung der Hochschulen zählen dazu unter anderem Ausgaben für Investitionen oder Studienförderung sowie Drittmittel. Ausgenommen sind Universitätskliniken.
    Insgesamt flossen im Jahr 2013 rund 33,6 Milliarden Euro in das Hochschulsystem. Davon gingen 29,4 Milliarden Euro direkt an die Hochschulen, 4,2 Milliarden Euro in die Förderung von Studierenden und Wissenschaftlern. 94,5 Prozent dieser Mittel stammten aus öffentlichen Kassen. Die private Wirtschaft einschließlich privater Stiftungen kam auf einen Anteil von 5,5 Prozent.
    Die größte Bedeutung für die Finanzierung des Hochschulsystems haben die laufenden Grundmittel. Sie beliefen sich im Jahr 2013 auf 18,3 Milliarden Euro – und sind damit seit 2004 bundesweit betrachtet um 29 Prozent gestiegen. Die laufenden Grundmittel, mit denen Hochschulen zum Beispiel Personal, Verwaltung oder Gebäude bezahlen, werden zum allergrößten Teil von den Ländern bereitgestellt. Die Zuwächse bei der Grundfinanzierung schwanken stark nach Bundesländern: Am größten waren sie in Hamburg (+85 Prozent), Baden-Württemberg (+51 Prozent) und Hessen (+50 Prozent), am geringsten in Sachsen (+6 Prozent), Thüringen (+18 Prozent) und Bremen (+19 Prozent). Das einzige Bundesland, das weniger für seine Hochschulen ausgab, war Berlin mit einem Minus von 9 Prozent.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  8. Beabsichtigte Strafverschärfung bei Wohnungseinbruch kann zu massenhafter Funkzellenabfrage führen
    Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf ihrer Herbsttagung darauf verständigt, den Tatbestand des minder schweren Wohnungseinbruchs abzuschaffen. Minister Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern erklärt dazu: „Nach Wohnungseinbrüchen bleiben die Opfer oft schwer traumatisiert zurück. Ich kann einem normalen Bürger nicht erklären, was daran „minderschwer“ sein soll. Ein Wohnungseinbruch ist eine schwere Straftat und sollte aus Sicht der Union mit einer Mindeststrafe von einem Jahr belegt werden.“ Dazu ist es erforderlich, den §244 des Strafgesetzbuches zu ändern und die Strafprozessordnung anzupassen. Bundesjustizminister Maas, SPD, wurde gebeten, dazu einen Vorschlag vorzulegen. Es ist zu erwarten, dass der mit der satten Mehrheit der Großen Koalition in Kürze den Bundestag passieren wird.
    Daraus ergeben sich mögliche Konsequenzen für jeden einzelnen Bürger, zumindest dann, wenn er ein Handy hat. Denn Straftaten, auf die eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis steht, sind im Strafgesetzbuch als ‚Verbrechen‘ eingestuft. [„§12. Abs. 1 StGB: „Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.“]
    Für Verbrechen bzw. (in §100a, Abs. 2) ausdrücklich aufgeführte ’schwere Straftaten‘ sieht die Strafprozessordnung die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung vor [§100a StPO), sowie – und das ist hier wichtig – die Möglichkeit der „Erhebung von Verkehrsdaten“, allgemeiner bekannt als Funkzellenabfrage (nach §100g StPO).
    Quelle: Cives
  9. Bauernopfer für CETA
    TTIP ist auch mit der Wahl des erklärten »Freihandelsgegners« Donald Trump zum künftigen US-Präsidenten nicht tot. Dafür würden schon seine Berater sorgen, zu denen auch Vertreter der Agrarindustrie zählen. Davon ist Sharon Treat überzeugt. Die Wissenschaftlerin, Politikerin und Gegnerin der geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA stellte am Donnerstag in Berlin gemeinsam mit ihrer Kollegin Shefali Sharma die deutsche Fassung einer Studie vor, die deutlich macht, welche Folgen TTIP wie auch CETA, das Abkommen mit Kanada, für die europäische Landwirtschaft hätten.
    Deren Befund könnte man in einem Satz zusammenfassen: Die EU-Bauern werden früher oder später plattgemacht. Oder sie werden, wie viele ihrer Kollegen in den USA, über Kontrakte zu Sklaven der Fleischindustrie. Landwirte in den Vereinigten Staaten sind heute in ihrer Mehrheit Franchise-Unternehmer für die großen Schlacht- und Fleischverarbeitungs- oder für Getreidehandelskonzerne. Die Tierhalter unter ihnen tragen das gesamte Risiko schwankender Preise sowie die Kosten der Kredite für den Bau von Stallanlagen – und sind zugleich zur Abnahme bestimmter Futterstoffe und anderer Betriebsmittel von denselben Großunternehmen verpflichtet.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Neue Studie präsentiert: Ausverkauf der Landwirtschaft – Agrarkonzerne wollen mit TTIP das Ruder übernehmen
    Neue Deutsche Fassung der Studie: „Ausverkauf der Landwirtschaft – Agrarkonzerne wollen mit TTIP das Ruder übernehmen“. Am 1. Dezember veröffentlichen die Studienherausgeber Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirschaft (AbL), Compassion in world farming, Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und PowerShift die neue transatlantische Studie. Die 106 Seiten starke Studie untersucht die unterschiedlichen Produktionssysteme in den USA und in Europa, die durch den vermehrten Handel und die neue Generation von Handelsabkommen immer schonungsloser gegeneinander ausgespielt werden. Die Kurzfassung gibt einen Überblick auf 8 Seiten. Autoren der Studie sind Sharon Treat und Shefali Sharma, beide IATP.
    Quelle: PowerShift

  10. Bundesregierung räumt Wissen über Drohnenkrieg ein
    Bekannt war es zwar schon lange, nun gibt es auch die Bundesregierung zu: Der weltweite Drohnenkrieg der US-Armee wird auch von der US-Airbase Ramstein aus geführt
    Der weltweite Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten, an dem auch der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein beteiligt ist, geschieht mit Wissen der Bundesregierung. Dies räumte das Auswärtige Amt nun erstmals offiziell ein. In einem Antwortschreiben auf eine Kleine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko heißt es, die US-Air Base im rheinland-pfälzischen Ramstein unterstütze die “Planung, Überwachung und Auswertung von zugewiesenen Luftoperationen.” Dies habe man am 26. August 2016 von Mitgliedern der US-Botschaft erfahren.
    Nach Jahren des Dementierens bestätigt die Bundesregierung damit, was Beobachtern längst bekannt ist: Den US-Luftwaffenstützpunkt gilt als informationstechnischer Knotenpunkt im weltweiten Drohnenkrieg der USA, ohne den die tödlichen Einsätze in Afrika und Nahost nicht möglich wären (Deutschlands Rolle im geheimen Krieg). Das ganze Ausmaß der deutschen Beteiligung war zuerst im Jahr 2012 durch den ehemaligen Drohnenpilot und Whistleblower Brandon Bryant öffentlich gemacht worden. Vertreter der Bundesregierung hatten jegliches Wissen dennoch stets abgestritten. In der offiziellen Sprachregelung hieß es meist, der Bundesregierung lägen “keine eigenen Erkenntnisse vor” (Bundesregierung: Augen zu und durch).
    In einer Stellungnahme wirft Andrej Hunko der Bundesregierung nun bewusste Täuschung vor: Drei Jahre lang wurden Abgeordnete hierzu an der Nase herumgeführt und die Öffentlichkeit getäuscht. Die Bundesregierung ist auf diese Weise beteiligt an völkerrechtswidrigen extralegalen Tötungen. Das erfüllt aus meiner Sicht den Tatbestand der Billigung einer Straftat und der Strafvereitelung.”
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Viel zu spät kommt dieses quasi Eingeständnis über die Bedeutung der US-Air Base in Ramstein nach dem Motto: Warum länger leugnen, was längst bekannt ist. Ändern wird es an der bisherigen Praxis vermutlich nichts.

  11. Aleppo: Al-Qaidas Niederlage wird begleitet von westlicher Propagandakampagne
    In der vergangenen Woche ist es der syrischen Armee und ihren Verbündeten gelungen, rund sechzig Prozent des von Aufständischen kontrollierten Gebietes in Ostaleppo zurückzuerobern. Begleitet wird der rasche Vormarsch der syrischen Truppen von einer Propagandakampagne hiesiger Medien und Politiker, bei der kaum ein Superlativ aus der Mottenkiste der Dämonisierung ausgelassen wird, um fernab von jeglichen Grautönen ein Schwarz-Weiß-Bild zeichnen zu können, in dem die Rollen „gut“ und „böse“ eindeutig verteilt sind.
    Während sich die Süddeutsche Zeitung über einen vermeintlich „monströsen Zivilisationsbruch“ echauffiert, unterstellt Spiegel-Online der syrischen Armee, „ethnische Säuberungen“ zu betreiben. Die BILD-Zeitung packt noch einen drauf und schreibt von einem „Vernichtungskrieg“, die israelische Haaretz vergleicht das Geschehen gar mit dem „Holocaust“. Es drohe „eines der schlimmsten Massaker an der Zivilbevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg“, behauptet der französische UN-Botschafter François Delattre.
    Quelle: Hintergrund

    dazu: Der Syrien-Komplex: Die blockierte Diplomatie
    Zu dem komplexen Krieg in Syrien gebe es nur eine einzige Alternative: Diplomatie. Doch die werde von den geopolitischen Interessen und Rüstungslobbys, von den USA und Russland blockiert. Der Krieg sei in Wahrheit ein „Killer-Geschäft“. Verhandlungen seien eine Farce, solange Waffen in die Region geliefert und das Land bombardiert würden, sagt Phyllis Bennis. Die USA und ihre Verbündeten seien mitverantwortlich für das Chaos in Syrien. Von Afghanistan bis zur „Befreiung Mossuls“ erstrecke sich das blutige Panorama einer gescheiterten US-Außenpolitik. Dass der Westen Menschen „befreie“, sei schlicht eine Lüge.
    Quelle: Kontext TV

  12. Auf dem Weg zur Autonomie
    Aktuelle Medienberichte legen erstmals US-amerikanische Eingriffe in deutsche Geschäfte mit missliebigen Staaten detailliert offen. Demnach intervenieren US-Behörden direkt bei deutschen Unternehmen, die etwa Finanztransaktionen mit Iran durchführen; dabei hat Washington immer wieder durchgesetzt, dass – in Deutschland legale – Geschäfte eingestellt und zuständige Angestellte und Vorstände entlassen wurden. Begründet wird dies damit, dass Firmen, die Standorte in den Vereinigten Staaten unterhalten, sich US-Recht zu unterwerfen hätten; dazu zählen auch bilaterale US-Sanktionen etwa gegen Iran. In der Tat gelingt es Washington damit, nationales US-Recht faktisch auf andere Staaten, darunter Deutschland, zu übertragen. Aktuellstes Beispiel sind Überlegungen in Washington, ein Veto gegen die Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch einen chinesischen Konzern einzulegen; darüber soll US-Präsident Barack Obama am heutigen Freitag entscheiden. Die Berichte über die US-Praktiken werden während einer Umbruchphase bekannt, in der Berlin mit Macht EU-Streitkräfte zu bilden sucht, um “strategische Autonomie” zu erreichen und eine Weltmacht zu werden. Für die ersehnte “Supermacht Europa” wären anmaßende US-Interventionen in die deutsch-europäische Wirtschaft ein nicht akzeptables Tabu.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Studie stellt Asylverfahren in Deutschland mangelhaftes Zeugnis aus
    Sozialverbände, Juristenvereinigungen und Menschenrechtler sehen aufgrund der derzeitigen Fülle an Asylentscheidungen die Rechte von Flüchtlingen gefährdet. Die Vorgabe nach dem großen Andrang Asylsuchender, möglichst viele Anträge abzuarbeiten, habe zu einer „fehlerträchtigen Entscheidungshektik“ geführt, kritisierten Diakonie und Pro Asyl am Mittwoch in Berlin. In einem von zehn weiteren Organisationen unterzeichneten „Memorandum“ fordern sie unter anderem mehr Sorgfalt bei den Anhörungen und eine bessere Ausbildung von Dolmetschern.
    Für das Memorandum haben die Autoren 106 Fälle von Asylberatungsstellen oder Anwälten analysiert. Die Studie knüpft an eine ähnliche Untersuchung aus dem Jahr 2005 an. Ihr Ergebnis: Viele der damals festgestellten Mängel bestehen heute immer noch. Dazu zählen die Organisationen unter anderem das Fehlen ausreichender Informationen für die Antragsteller und einen Mangel an Rechtsberatung.
    Eines der gravierendsten Probleme in ihren Augen ist derzeit, dass die Entscheidungen oft nicht von den Behördenmitarbeitern gefällt werden, die auch in den Anhörungen sitzen. Per Mausklick würden die Gesprächsprotokolle in Entscheidungszentren abgegeben, kritisierte der Asylanwalt Reinhard Marx. Der unmittelbare Eindruck des Gesprächs sei aber die Basis für eine Entscheidung, sagte er. Marx hält die Trennung von sogenannter Ermittlung und Entscheidung für nur schwer vereinbar mit den rechtlichen Vorgaben.
    Quelle: Migazin

    Anmerkung Christian Reimann: Die vollständige Studie kann hier eingesehen werden.

  14. Indigene Völker kämpfen gegen Erdölförderung
    Sarayaku: Der Name ist Symbol geworden für den Widerstand indigener Völker im Amazonas gegen die Erdölförderung. Für den Erhalt ihres Lebensraums zogen die Kitchwa Indianer 2010 bis vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof – mit Erfolg. Nun geht ihr Kampf weiter, denn Ecuador hat erneut Lizenzen für Erdölförderung in dem Gebiet vergeben.
    Galo muss all sein Geschick aufbieten, um das schwer beladene Kanu durch die Stromschnellen zu navigieren. Den Motor musste er hochklappen: Der Río Bobonaza führt zu wenig Wasser. Galo hofft, dass es regnen wird und der Wasserpegel steigt. Seine Hoffnung wird enttäuscht. Mehr als fünf Stunden dauert deshalb die Fahrt von Canelos nach Sarayaku, vorbei an teils felsigen, teils sandigen Uferböschungen eines üppigen Regenwaldes in allen nur erdenklichen Grün-Schattierungen.
    Fische springen, Papageien kreischen. Die Idylle eines letzten intakten Fleckchens Regenwald trügt. Im ecuadorianischen Amazonasgebiet sind die Klimaveränderungen deutlich zu spüren. Der extrem niedrige Wasserpegel ist da nur ein Indiz. Industrielle Land- und Holzwirtschaft, Bergbau und Erdölförderung gefährden akut den Lebensraum der Kitchwa und anderer indigener Völker.
    Quelle: Deutschlandfunk
  15. Wie ein deutscher Unternehmer auf Amerikas Terrorliste geriet
    Ulrich Wippermann war in seiner Firma zuständig für Exporte nach Iran. Von einem Tag auf den nächsten erfährt er: Amerika wirft ihm Terrorfinanzierung vor. Die Geschichte eines Albtraums. […]
    Was könnten wir gemacht haben?“ Ulrich Wippermann versetzt sich zurück in den Albtraum des 6. Februar 2014. An jenem Tag wurde der deutsche Firmenmanager beschuldigt, die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika zu gefährden. Der Vorwurf kam von mächtiger Stelle, dem Finanzministerium in Washington. Der „Treasury“ hatte den Deutschen und seine Firma auf die Schwarze Liste der „Specially Designated Nationals“ gesetzt.
    Wer dort aufgeführt ist, dem unterstellen die Vereinigten Staaten, den Terror zu finanzieren oder Massenvernichtungswaffen zu verbreiten oder beides. Für Wippermann bedeutete die öffentliche Brandmarkung das wirtschaftliche Aus. Dem ARD-Magazin „Panorama“ und der F.A.Z. erzählt der 60 Jahre alte Wippermann erstmals seine Geschichte. Sie offenbart Unbekanntes über Macht und Ohnmacht in den internationalen Handelsbeziehungen.
    Quelle: FAZ
  16. Clintons Vorsprung steigt auf 2,5 Millionen Stimmen
    Bei der Auszählung in den USA wächst der Vorsprung von Hillary Clinton auf Donald Trump stetig an. Er beträgt nun mehr als zweieinhalb Millionen Stimmen. Trump steht als Präsident dennoch fest. Er hat zudem einen Rekord auf republikanischer Seite aufgestellt. Schon in der Wahlnacht auf den 9. November stand fest, dass der Republikaner Donald Trump als nächster Präsident der USA ins Weisse Haus einziehen würde. Doch das genaue Resultat liegt bis heute nicht vor. Drei Wochen nach der Schliessung der Wahllokale ist die Auszählung in mehreren Staaten weiterhin im Gange.
    Dabei bestätigt sich immer deutlicher, dass die Verliererin Hillary Clinton wesentlich mehr Stimmen erhalten hat als Trump. Dies ändert nichts an ihrer Niederlage, da Trump im alles entscheidenden Elektoren-Kollegium eine klare Mehrheit errungen hat – 306 von 538 Elektoren.
    Aber Trump wird mit dem Makel leben müssen, dass er nur eine Minderheit der Wähler hinter sich gebracht hat. Clintons Vorsprung ist in den vergangenen drei Wochen von wenigen hunderttausend auf mehr als 2,5 Millionen Stimmen angewachsen. Laut dem Wahlexperten David Wasserman, der die verfügbaren Teilresultate ausgewertet hat, kommt die Demokratin auf 65,2 Millionen Stimmen gegenüber 62,7 Millionen für Trump (Stand 1.12.).
    Quelle: NZZ
  17. Das Letzte: US-Investor nennt Schuldenberg “die Lüge des Jahrhunderts”
    Griechenlands Kreditlast ist zu groß – das wird seit Jahren berichtet. Für US-Investor Paul Kazarian ist das ein Mythos. Der größte private Gläubiger Athens fordert neue Regeln für die griechische Schuldenbilanz. Vier Jahre ist es her, dass Griechenland sich mit seinen Gläubigern auf die größte Umschuldung einigte, die es je für Staatsschulden gegeben hat. Jetzt stehen die Euro-Partner kurz davor, dem Land neue Schuldenerleichterungen zu gewähren. Einige könnten bereits am kommenden Montag beim Treffen der Finanzminister beschlossen werden.
    Nur: Hat Griechenland überhaupt ein Schuldenproblem? Oder ist die sprichwörtlich gewordene Schuldenlast “die größte Lüge des Jahrhunderts”, wie Paul Kazarian sagt – ein bequemer Mythos für die griechische Elite, hinter der sie ihre Inkompetenz und ihr Missmanagement verstecken kann?
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: “…. zuvor war er Banker bei Goldman Sachs. …. Der 61-jährige US-Amerikaner ist der größte private Gläubiger Griechenlands.” Noch Fragen? Die Intention ist eindeutig, bei einem Schuldenschnitt würde Kazarian wohl einige Dollars verlieren. Das versteht Spiegel Online dann also unter “Qualitätsjournalismus”, man macht sich zum Sprachrohr der Finanzindustrie.

    dazu: Griechenland droht ein neues Memorandum
    Das Geschachere um Griechenland wird immer verrückter. Als Gegenleistung für vage Schuldenerleichterungen soll Athen neuen Austeritäts-Maßnahmen nach 2018 zustimmen – es wäre das vierte Memorandum. Wir erinnern uns: Der IWF will am laufenden dritten “Programm” nur teilnehmen, wenn es signifikante Schuldenerleichterungen gibt. Die lehnt jedoch Bundesfinanzminister Schäuble ab. Doch nun haben Schäuble und seine Gehilfen, womöglich auch der IWF, einen teuflischen Plan ausgeheckt:
    Quelle: Lost in Europe


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