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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. Januar 2017 um 9:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Der 3. Weltkrieg droht: NATO-Soldaten retten Osteuropa
  2. Futter für AfD-Wähler
  3. Unser größeres Problem ist Political Profiling
  4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Paritätischer Wohlfahrtsverband weist in aktueller Stellungnahme auf Mängel und Versäumnisse hin
  5. Mitarbeiter der Tafeln sind am Rand der Erschöpfung
  6. Gruppe Verhaltenskodex: Finanzminister müssen Blockade bei Steuergerechtigkeit beenden
  7. Portugal: Sozialistische Minderheitsregierung auf Erfolgskurs
  8. „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“
  9. Snowden: Massenüberwachung verhindert keinen Terrorismus
  10. Der Verfassungsschutz war es – oder auch nicht
  11. Es werde Schuld! – Wie Schuldgefühle gemacht werden
  12. China
  13. Ohne Numerus Clausus Bulgarische Uni bietet Medizin-Studium – in Köln
  14. Der “Spiegel” war immer ein Kind seiner Zeit

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der 3. Weltkrieg droht: NATO-Soldaten retten Osteuropa
    Der US-Star-Autor David A. Andelman hatte es dem Sender CNN anvertraut und der hatte es schleunigst der NATO weitergegeben: Der 3. Weltkrieg beginnt in und um die Suwalki-Gap. Das ist jene unscheinbare Lücke, die zwischen zwei Dreiländerecken verläuft: Dem Dreiländereck Litauen-Polen-Belarus und dem Dreiländereck Litauen-Polen-Russland. Der Suwalki Gap liegt genau zwischen dem Nato-Partner Polen, dem Territorium der russischen Exklave Kaliningrad und Weißrussland. In den nächsten Tagen verlegt deshalb die US-Army eine komplette Panzerbrigade mit 4000 Soldatinnen und Soldaten und mehr als 2000 Panzern, Haubitzen, Jeeps und LKW dorthin. Die militärische Fracht wird in Bremerhaven ausgeladen, um dann mit Zügen, Fahrzeugkolonnen und weiteren Schiffen Richtung Osten, eben in die 3. Weltkriegs-Lücke nach Suwalki geworfen zu werden.
    Etwa 900 Waggons mit militärischem Material werden per Eisenbahn von Bremerhaven nach Polen gebracht werden. Voller Stolz teilt das Landeskommando Mecklenburg-Vorpommern der Bundeswehr mit: „Bildlich gesprochen entspräche dies einer Gesamtzuglänge von zirka zehn Kilometern“. Hinzu kommen ungefähr 600 Frachtstücke, die vom Truppenübungsplatz Bergen-Hohne ebenfalls per Bahn nach Polen transportiert werden. Rund 40 Fahrzeuge sollen direkt über die Straße nach Polen bewegt werden. Räder aller Art sollen rollen für den Sieg im Kampf um die Suwalki-Lücke.
    Quelle: Rationalgalerie
  2. Futter für AfD-Wähler
    Vom ehemals linksextremen Jürgen Elsässer über den Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen bis zum deutschnationalen Stichwortgeber Götz Kubitschek: In einer siebenteiligen Serie stellt CORRECTIV die Medien der Neuen Rechten und ihre Bedeutung vor.
    Quelle: correctiv

    Anmerkung Jens Berger: Es ist schon grotesk, mit was sich vermeintlich professionelle Recherche(sic!)-Journalisten beschäftigen. Da packt man den Kollegen Ken Jebsen und RT Deutsch gleich mal in die Schublade “Neurechts”. Natürlich ohne das mit auch nur einem einzigen überzeugenden Beispiel zu belegen. Warum auch? Man schmeiße einfach so viel Dreck, wie man finden kann … irgendwas wird schon hängen bleiben. Mal im Ernst: Man muss Ken Jebsen ja nicht gut finden, das ist alles Geschmacksache. Aber “neurechts”? Das ist so dämlich, dass ich wirklich nicht weiß, ob man darüber nun lachen oder weinen soll.
    Gefährlich ist dabei vor allem eins: Was die „Journalismus-Plattform“ dort macht, ist eine groteske Verharmlosung der echten neuen Rechten. Ein Götz Kubitschek freut sich sicherlich, wenn er in eine Schublade mit Jebsen und RT Deutsch geworfen wird. Und wen es interessiert: Hier finden Sie eine Liste mit den Finanziers dieser Plattform. An Geld scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Wer die Deutsche Bank, die Rudolf Augstein Stiftung, George Soros Open Society Foundations, die Bundeszentrale für politische Bildung, RTL, Google, das ZDF und die Konrad Adenauer Stiftung zu seinen Unterstützern zählt, ist ohnehin auf der Seite, der „Gewinner”.

  3. Unser größeres Problem ist Political Profiling
    Immer mehr Deutsche werden einander zu Meinungspolizisten. Für das Wahljahr 2017 verspricht das nichts Gutes.
    Würde man Teile der Debatte über das vermeintliche Racial Profiling in der Kölner Silvesternacht nach den Maßstäben guter Polizeiarbeit bewerten, man müsste wohl zu dem Schluss kommen: Was mittlerweile viele Twitter- und Facebooknutzer betreiben, fällt in die Abteilung Political Profiling. Ein oberflächlicher Blick genügt und der Andere ist einsortiert und des Platzes verwiesen. Zwei grobe Kategorien stehen beim Schnellcheck zur Auswahl: Rassist und Linksversiffter.
    Das ist eine bedrohliche Entwicklung. Immer mehr Deutsche werden einander zu Meinungspolizisten, die voreilige Schlüsse übereinander ziehen. Die Ungerechtigkeiten, die sie sich mit 140 oft hingerotzten Zeichen an die Köpfe werfen, erzeugen Wut – und diese Wut erzeugt die nächste Ungerechtigkeit. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, droht diesem Land eine Spaltung, bei der am Ende jeder verliert.
    Vielleicht überlegen einmal alle, denen die Meinungsfreiheit am Herzen liegt, links wie rechts, was Deutschland aus dem vergangenen Jahr in den USA lernen sollte, damit dieses Land im Wahlkampfjahr 2017 nicht in eine ähnliche Freund-Feind-Polarisierung abgleitet.
    Vielleicht ist dieses Land schon gespaltener als wir denken. Vor den US-Wahlen, aber auch vor dem Brexit-Votum in Großbritannien, haben Politiker, Journalisten und Meinungsforscher die Tiefe des Grabens unterschätzt, der sich durch die Gesellschaften zieht.
    Quelle: Zeit Online
  4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Paritätischer Wohlfahrtsverband weist in aktueller Stellungnahme auf Mängel und Versäumnisse hin
    Deutliche konzeptionelle und inhaltliche Kritik am Entwurf des fünften Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung formuliert der Paritätische Wohlfahrtsverband in einer aktuellen Stellungnahme. Der Paritätische erneuert seine Forderung nach einer unabhängigen Armutsberichterstattung durch eine regierungsexterne Kommission.
    Der 655-seitige Berichtsentwurf enthalte zwar durchaus richtige wie alarmierende Fakten, etwa Daten zur wachsenden sozialen Spaltung der Gesellschaft und dem kontinuierlichen Anstieg der Armutsquote, bleibe jedoch eine ehrliche Bewertung und konkrete Handlungsvorschläge schuldig, so die Analyse des Paritätischen. „Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisdefizit und unter Fachleuten ist auch völlig klar, was zu tun wäre, wir haben jedoch ein politisches Handlungsdefizit“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
    Der Paritätische kritisiert in seiner Stellungnahme unter anderem, dass der Bericht an keiner Stelle auf das Problem der „verdeckten Armut“ eingeht und die Perspektive von Armut betroffener Menschen nicht ausreichend berücksichtigt werde. Darüber hinaus werde insbesondere das aktuelle Ausmaß der Vermögensungleichheit in Deutschland nur völlig unzureichend abgebildet. Schließlich setze die Bundesregierung die schlechte Praxis der Vorgängerregierungen fort, wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bericht zu tilgen, wenn sie politisch nicht opportun erscheinen, wie der Verband am Beispiel von Passagen zur politischen Repräsentation und Partizipation einkommensarmer Menschen dokumentiert, die aus früheren Berichtsentwürfen gestrichen wurden.
    Quelle: Der Paritätische

    Anmerkung Christian Reimann: Die vollständige Stellungnahme des Verbandes kann hier nachgelesen werden.

  5. Mitarbeiter der Tafeln sind am Rand der Erschöpfung
    Der Andrang bei den Tafeln wird größer. Auch Studenten und Geringverdiener sind zunehmend auf die günstigen Lebensmittel angewiesen. Vom Staat fühlen sich die Organisatoren im Stich gelassen.
    In dem kleinen Laden der Tafel stapeln sich die Lebensmittelkisten: Salat, Brot, Milch, Gemüse, Bananen, Mandarinen, Schokolade, Aufschnitt – Nahrungsmittel, die eigentlich im Müll landen würden, weil sie gerade abgelaufen sind oder nicht so schön aussehen. Die Zahl der Menschen in NRW, die froh sind über solche Lebensmittel, wird immer größer. „Wir haben im vergangenen Jahr rund ein Drittel mehr Bedürftige gehabt“, sagt Wolfgang Weilerswist, der Landesvorsitzende der NRW-Tafeln. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel bringt das oft an ihre Grenzen.
    In Wilnsdorf im Siegerland sind es an diesem Tag 50 Menschen, die mit Tragetüten und Einkaufstrolleys zur Ausgabestelle gekommen sind. Ein Vater von fünf Kindern packt mithilfe seines Sohnes drei Taschen randvoll. Der Mann ist vor eineinhalb Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen, eine feste Arbeit hat er noch nicht.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und das in der konservativen WELT, die uns doch jeden Tag erzählt, wie toll es den Deutschen geht, dass wir den besten Sozialstaat der Welt haben, Armut ein Randphänomen ist usw. Oder nur deshalb, weil es um NRW und gegen die Rot-Grüne Landesregierung geht? Ist es woanders besser???

  6. Gruppe Verhaltenskodex: Finanzminister müssen Blockade bei Steuergerechtigkeit beenden
    Die britische Tageszeitung The Guardian veröffentlichte zusätzliche Recherchen auf Grundlage von Drahtberichten der Bundesregierung mit detaillierten Informationen aus der Ratsarbeitsgruppe Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung der EU-Mitgliedstaaten. Die Gruppe soll unfaire Steuerpraktiken zu Gunsten von Konzernen durch Mitgliedstaaten angehen. Die Drahtberichte verdeutlichen die Ineffizienz dieser Gruppe, die an den Wirtschafts- und Finanzministerrat (EcoFin) berichtet. So wurden selbst geringfügige Fortschritte durch Mitgliedstaaten blockiert, insbesondere durch Luxemburg, die Niederlande, Belgien, Irland sowie Großbritannien. Zudem haben die europäischen Steueroasen ihre Steuerpraktiken an die veralteten EU-Regeln gegen schädliche Steuerpraktiken angepasst.
    Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen/EFA Fraktion im Europäischen Parlament sowie Fabio De Masi (Linksfraktion GUE/NGL), stellv. Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zu Geldwäsche, Steuerhinterziehung und -vermeidung (PANA) des Europäischen Parlaments, erklären:
    “Die 19 Jahre der Ohnmacht gegen unfaire Steuerpraktiken von Mitgliedstaaten sind eine wesentliche Ursache von Frust über das europäische Projekt. Es ist höchste Zeit, dass die Mitgliedstaaten die Ineffizienz der Gruppe Verhaltenskodex eingestehen. Das Europäische Parlament kann nicht länger hinnehmen, dass der Rat keinerlei ernsthafte Bemühungen zeigt, die Gruppe Verhaltenskodex zu reformieren und die entsprechenden Forderungen des Parlaments nach den Sonderausschüssen zu LuxLeaks ignoriert.
    Quelle: Die Linke. im Europaparlament
  7. Portugal: Sozialistische Minderheitsregierung auf Erfolgskurs
    Portugal wird seit über einem Jahr von einer sozialistischen Minderheitsregierung, die von zwei kommunistischen Parteien gestützt wird, durch die schwierige Wirtschaftslage gesteuert. Die Alternative – eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen frühestens im April 2016 – hätte Portugal noch stärker destabilisiert. Es wäre in einer solchen Konstellation nahezu unmöglich gewesen, einen Haushalt für 2016 zu verabschieden.
    Von vielen Beobachtern wurde die Wahrscheinlichkeit, dass diese linke Regierung eine volle Legislaturperiode durchhält, als äußerst gering eingeschätzt. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den Kommunisten und dem Linksblock, die im Wahlkampf noch den Austritt Portugals aus der Nato, dem Euro und der EU gefordert hatten. Jetzt präsentiert sich diese politische Formation als Erfolgsgeschichte. (…)
    Das erste Halbjahr 2016 sah in der Tat nicht gut aus: Die Jahresrate des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fiel auf 1,0% nach 1,5% in 2015. Um die Prognose von 1,8 Prozent zu erreichen, musste das portugiesische Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr auf 2,6% steigen. Dies wurde der Regierung nicht zugetraut.
    Im September erwartete der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2016 weiterhin ein BIP-Wachstum von nur 1,0%. Anfang Dezember verbesserte er seine Prognose auf 1,3% und überbot sogar die Regierung, die nur 1,2% einkalkuliert hatte. Der IWF sei »positiv überrascht«, freute sich Ministerpräsident António Costa, dessen Regierung von der harten Austeritätspolitik abgerückt ist, um die Wirtschaft mit einer höheren Inlandsnachfrage zu beleben. Noch zu Jahresbeginn sei der IWF skeptisch gewesen, merkte Costa an.
    Die Überraschung steigerte sich, weil Portugal vorfristig einen Teil seiner Schulden tilgte. Portugal ist für viele noch immer ein Sorgenkind der Europäischen Union. So wie Griechenland, Spanien und Irland hatte auch Portugal den Euro-Rettungsschirm in Anspruch genommen. Seitdem zahlen die Portugiesen ihre Hilfskredite langsam wieder zurück. Im November überwiesen sie eine Kredittranche an den IWF, die eigentlich erst Anfang 2019 fällig gewesen wäre (…).
    Quelle: Sozialismus aktuell
  8. „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“
    Der scheidende EU-Parlamentspräsident plädiert für eine entschlossenere Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Positionen. Gegen sie würden „fein ziselierte Argumente“ nicht helfen. Was hilft dann?
    Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) rät zu einer harten Reaktion auf demokratiefeindliche Positionen. Durch „fein ziselierte Argumente“ sei den Parolen der Populisten und Rechtsextremen nicht beizukommen, sagte Schulz der „Süddeutschen Zeitung“ vom Donnerstag: „Auf einen groben Klotz gehört manchmal auch ein grober Keil.“
    Schulz sagte, Verzweiflung gefährde die Demokratie. „Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten, die Gesellschaft für sie aber nichts tut und sie nicht respektiert, werden sie radikal“, sagte der Sozialdemokrat. Sie suchten Alternativen, wenn sie sich durch die Demokratie nicht beschützt fühlen.
    Angesichts der Popularität von Marine Le Pen in Frankreich sagte Schulz: „Wir beobachten, dass die Zerstörer Zulauf haben.“ Es stelle sich die Frage: „Wo kommt diese Wut, Enttäuschung, Verzweiflung her?“ Auch gut situierte Menschen hätten Angst vor der Zukunft. „Diese Angst kann man ihnen nicht durch das Nachahmen verantwortungsloser Parolen nehmen“, sagte Schulz.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Und wo sind die Analysen und Antworten?

  9. Snowden: Massenüberwachung verhindert keinen Terrorismus
    Edward Snowden nimmt auf dem Chaos Communication Congress in einem unangekündigten Kurzvortrag Stellung zu der Behauptung, dass Massenüberwachung gegen Terrorismus schützt. „Ihr müsst aktiv werden. Wenn wir wollen, dass die Dinge besser werden, dann müsst ihr für etwas eintreten“, so sein Appell.
    Seit fast drei Jahren wird im Bundestag versucht, unter anderem die Spionage von ausländischen Geheimdiensten in Deutschland aufzuklären. Der dafür gegründete NSA-Untersuchungsausschuss (NSAUA) befragt zum Beispiel Zeugen, um an Informationen zu gelangen. Eine wichtige Person fehlte dabei bisher immer: Edward Snowden, der Mann, der für die Enthüllung der Massenüberwachung durch die National Security Agency (NSA) verantwortlich war.
    Mit seinem unangekündigten Kurzvortrag per Videoschaltung auf dem 33. Chaos Communication Congress sorgte er für eine Überraschung. Er wandte sich nach einem Vortrag von Anna Biselli und Andre Meister an das Publikum, um über Terror, Überwachung und dem NSAUA zu sprechen.
    Die beiden netzpolitik.org-Autoren gaben im Vorfeld einen Überblick auf die Auswirkungen Snowdens in Deutschland. Sie sprachen darüber, warum der Untersuchungsausschuss nicht richtig arbeiten kann. Bei entscheidenden Fragen mauert die Regierung und will keine Informationen preisgeben. Außerdem empörten sie sich über den Bundesnachrichtendienst (BND), der trotz mehrerer Skandale mehr Befugnisse und Geld erhalten hat.
    Quelle: netzpolitik.org
  10. Der Verfassungsschutz war es – oder auch nicht
    Einen Tag vor Heiligabend war eben dieser gerettet. Gegen die Mittagszeit wurde bekannt, dass der Attentäter von Berlin gefasst wurde. In der bequemsten aller Formen: tot. Zwei Tage vor Heiligabend las ich bei Facebook diverse Statements meiner »Freunde«. Sie ahnten schon, dass wir den vermeintlichen Täter nie lebendig zu Gesicht bekommen würden. Sie ahnten es just von dem Augenblick an, als man ein Ausweisdokument in der Fahrerkabine jenes Lastwagens fand, den er als Waffe missbrauchte. Erfahrungswerte und so. Erst präsentiert man uns Rezipienten den großen Ermittlungserfolg in Gestalt einer liegengelassenen Visitenkarte. Dann gibt man den Tod des Verdächtigen aus, der mit seinem Tod aus dem einstweiligen Verdacht heraustritt, um sprachlich und im Kollektivgedächtnis zum Täter zu werden. Und wie es den Leute in meinem Facebook-Kosmos da so schwante, ärgerten sie sich synchron dazu zur Leistung der Medien in dieser Sache.
    Quelle: Heppenheimer Hiob

  11. Es werde Schuld! – Wie Schuldgefühle gemacht werden
    Ein Gefängnissystem „braucht“ Gefangene, so wie ein Feuer darauf angewiesen ist, dass beständig Holzscheite nachgelegt werden. Es „muss“ also immer Straftaten geben. Nicht wegen des unausrottbaren Bösen in den Köpfen der Menschen, sondern wegen der Arbeitsplätze derer, die an eben diesem Bösen Lohn und Brot haben. Nach dieser Logik sind nicht die Straftäter für eine Gesellschaft schädlich, sondern jene, die sich weigern, der Gefängnisindustrie als Zielgruppe zur Verfügung zu stehen. Schuld wird, wo sie nicht unabweisbar ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, in sehr vielen Fällen „gemacht“. Man kann dabei auch – parallel zur Geldschöpfung – von Schuldschöpfung sprechen. Bei Strafen und Schuldzuschreibungen ist immer das „Cui bono?“ zu beachten: Wem nützt es? (Roland Rottenfußer)
    Leonie fuhr in die Innenstadt von Augsburg ohne eine entsprechende Feinstaubplakette ein. Die Strafe: 67 Euro und ein Punkt in Flensburg. Dabei war ihr Auto nur zwei Jahre alt und natürlich ASU-zertifiziert. Die Strafe entsprach der, die einem wirklichen Umweltverschmutzer gedroht hätte, der mit einer alten Dreckschleuder in die Innenstadt eingefahren wäre. Für die Augsburger Verkehrsbehörden war diese Vorgehensweise folgerichtig. Leonie, die Delinquentin, hatte niemanden geschädigt oder gefährdet. Sie hatte lediglich nicht sichergestellt, dass ihr gesetzeskonformes Verhalten mühelos von den Behörden kontrolliert werden konnte. Schuld und Strafe werden vielfach losgelöst von ihrem ursprünglichen Anlass: der Verursachung eines Schadens. Eine Schuld ohne Opfer, das ist wie ein Geschenk ohne Empfänger. Vielerorts braucht es beträchtliche Geistesgegenwart, um dem überall lauernden Bestraftwerden zu entgehen.
    Quelle: Hinter den Schlagzeilen
  12. China
    1. China hat Marktwirtschaftsstatus
      China ist offiziell Marktwirtschaft, doch die „Freihändler“ beschließen schnell noch neuen Protektionismus.
      Am 11. Dezember 2016 war es so weit. Nach 15 Jahren Wartezeit (seit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation WTO) wurde China in der WTO offiziell der Status einer Marktwirtschaft zuerkannt. Das ist für sich genommen schon ein Witz, weil die einzige Volkswirtschaft der Erde, die in den vergangenen dreißig Jahren genau die Dynamik zeigte, die von den begeisterten Marktwirtschaftlern als ein Charakteristikum „ihres Systems“ angesehen wird, offiziell gar keine Marktwirtschaft war.
      Es ist andererseits eine ungeheure Heuchelei, dass die EU-Kommission in Brüssel (maßgeblich unter deutschem Einfluss) am liebsten verhindert hätte, dass China diesen Status bekommt, weil es jetzt nicht mehr so einfach ist, zu behaupten, in China manipuliere der Staat die Preise und deswegen müsse es ein Leichtes sein, gegen dieses Land Anti-Dumping-Verfahren durchzuführen.
      Nun aber wird es noch peinlicher. Wie EurActiv berichtet (hier), war China davon ausgegangen, dass die Europäer und Amerikaner mit dem 11. Dezember ihre Maßnahmen gegen China, die unter dem alten Regime beschlossen worden waren, sofort fallen lassen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenige Tage vor dem Ende der Frist wurden neue Maßnahmen gegen China beschlossen. Gegen die geht China jetzt bei der WTO juristisch vor. Bevor aber ein solches Verfahren (in der Regel fällt die Entscheidung in einem WTO-internen Schiedsverfahren, das aber auch nicht bindend ist) entschieden wird, können Jahre vergehen.
      Ich habe schon in der Vergangenheit die Posse beklagt (hier z. B.), dass ausgerechnet deutsche Gewerkschaften und Arbeitgeber gegen chinesische Stahleinfuhren demonstrieren und agitieren. Das Land, das durch Lohndumping unter dem Schutz des Eurosystems mehr Arbeitslosigkeit zu seinen Handelspartnern exportiert hat als irgendein anderes auf dieser Welt, beklagt sich, dass seine Importe steigen und ergreift (via Europäische Kommission) protektionistische Maßnahmen. Da zeigt sich, was das ganze alltägliche Geschwafel über den Wert und die Bedeutung des „Freihandels“ wert ist: Genau gleich nichts.
      Gerade die deutsche Stahlindustrie hat sich mit dem Chinahandel in den vergangenen zwanzig Jahren eine goldene Nase verdient. Wer hat denn den Stahl geliefert, den die deutsche Automobilindustrie, der deutsche Maschinen- und Anlagenbau und viele andere Branchen genutzt haben, um in China ihre Produkte zu verkaufen und um ihre Produkte aus China heraus in der Welt zu verkaufen?
      Quelle: Makroskop
    2. Schutz vor Chinas Shoppinggelüsten
      Noch nie haben chinesische Investoren so viele deutsche Unternehmen aufgekauft wie im Jahr 2016. Dahinter steht ein Plan, den die Bundesregierung nun abwehren will.
      Die Warnung fällt sehr deutlich aus. Politik und Wirtschaft sollten sich nicht von kurzfristigen Geschäftschancen täuschen lassen, heißt es in einer aktuellen Untersuchung. Darin hat das Mercator-Institut für Chinastudien (Merics) erarbeitet, welche Bedrohung für die hiesige Wirtschaft entsteht, wenn Investoren aus China deutsche Technologieunternehmen kaufen.
      Das Ergebnis: Die chinesische Führung sei vor allem daran interessiert, ausländische Technologie durch chinesische zu ersetzen. Wie also kann sich die deutsche Volkswirtschaft dagegen wehren, dass hierzulande teuer entwickeltes Know-how das Land verlässt und fortan die Konkurrenz in Asien stärkt?
      Tatsächlich sind Politik und Wirtschaft in Deutschland alarmiert. Schließlich haben chinesische Investoren allein von Januar bis Oktober des vergangenen Jahres 58 deutsche Firmen übernommen – 19 mehr als im Vorjahr. Das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young. Vor allem aber sei die Summe der Investitionen um das Zwanzigfache gegenüber dem Vorjahr gestiegen: auf insgesamt 11,6 Milliarden Euro. Allein für den Industrieroboterhersteller Kuka hatten chinesische Investoren laut Ernst & Young 4,6 Milliarden Euro gezahlt.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung unseres Lesers D.Z.: Anbei ein Link, welcher meiner Meinung nach wunderbar zeigt, mit welcher Doppelmoral wieder berichtet wird. Wenn Fraport jeden Flughafen in Griechenland kauft, haben die Griechen einfach Pech gehabt. Wenn jemand das Gleiche in Deutschland versucht, muss gleich eine Behörde her, die das verhindert. Mich beschleicht das Gefühl, dass die Damen und Herren in Berlin das Prinzip der freien Marktwirtschaft nicht so richtig verstanden haben.

    3. Milch, Mails und bloß keine Kritik
      Statt Facebook oder WhatsApp nutzen Chinesen mit WeChat ihren eigenen Messenger. Der Dienst macht vieles einfacher – auch die Zensur. (…)
      Facebook? Ist vielen Chinesen zwar ein Begriff, ist aber gesperrt. Twitter? Ebenso. Und auch YouTube, Snapchat, Instagram und die meisten Google-Dienste sind in China mit seiner strengen Internetregulierung nur schwer oder gar nicht abrufbar. WhatsApp funktioniert im Reich der Mitte zwar, hat sich aber kaum durchgesetzt.
      Denn digitale Wüste herrscht in der Volksrepublik nicht. Im Gegenteil: Mit über 800 Millionen Nutzern ist China die größte Internetnation der Welt. Und auch auf soziale Netzwerke muss kein Chinese verzichten. Denn sie haben ihre eigenen Dienste. Und diese sind nicht nur bunter und spielerischer als ihre in Europa geläufigen Pendants. Die chinesischen Varianten sind auch sehr viel praktischer und vielseitiger.
      Allen voran der chinesische Messengerdienst Weixin, im Ausland auch bekannt als WeChat, hat es binnen weniger Jahre zur meist genutzten Onlineplattformen der Welt geschafft. Und das in einem Land, in dem das Internet unter der Fuchtel der Zensur steht. Nach Angaben des WeChat-Betreibers Tencent haben sich inzwischen über 900 Millionen zur Nutzung angemeldet. Das sind mehr Nutzer als WhatsApp zählt. Diese hohe Zahl geht freilich auf den großen Nutzerkreis im eigenen Land zurück. Doch auch im Ausland findet WeChat immer mehr Anhänger. Oder es gibt Apps wie Line in Japan oder KakaoTalk in Südkorea mit Funktionen, die denen des chinesischen Dienstes verdächtig ähnlich sind. (…)
      Bei WeChat handelt es sich aber schon lange nicht mehr bloß um einen Messengerdienst. Nicht nur, dass es Voice-Over-IP-Telefonie, Videogespräche und Gruppenchats bei WeChat schon gab, als WhatsApp noch ganz allein für das Versenden von schriftlich verfassten Kurznachrichten gut war. WeChat ist das allumfassende Werkzeug für so ziemlich alle Alltagslagen. (…)
      Doch China ist auch bekannt dafür, den Zugriff auf das Internet stark zu kontrollieren, Inhalte werden zensiert. Erst Anfang November hat der chinesische Volkskongress ein umstrittenes Gesetz zur Verschärfung der Cybersicherheit verabschiedet. Damit solle laut staatlichen Medienberichten besser auf Gefahren wie Hackerangriffe oder Internetterrorismus reagiert und „die Ordnung und Sicherheit des Cyberraums“ gesichert werden. Menschenrechtsgruppen sehen darin jedoch eine weitere Einschränkungen des Rechts auf Meinungsfreiheit und einen erneuten Zuwachs der staatlichen Kontrolle über das Netz.
      Natürlich ist auch WeChat von dieser Kontrolle betroffen. Forscher von Citizen Lab an der Universität von Toronto haben herausgefunden, dass WeChat gezielt Einträge nach politisch heiklen Schlüsselwörtern filtert und bevorzugt Gruppenchats zensiert. Immer wieder würden Mitteilungen einfach heimlich gelöscht. Die Forscher hatten 26.821 sensitive Schlüsselwörter über WeChat versendet. 174 davon lösten die Zensur aus. Es ging meist um die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989, die prodemokratischen Proteste in Hongkong, die in China verbotene spirituelle Bewegung Falun Gong oder Motive mit Witzen oder Kritik an chinesischen Führern.
      Quelle: taz
  13. Ohne Numerus Clausus Bulgarische Uni bietet Medizin-Studium – in Köln
    Wer Medizin studieren will, aber kein Top-Abitur vorweisen kann, braucht entweder viel Geduld oder einen großen Geldbeutel. Denn die Zulassungsberechtigung, der Numerus clausus, ist hoch, an Wartesemester müssen Bewerber schon mal sechs Jahre einplanen.
    Viele Studenten weichen daher auf Medizinische Fakultäten im Ausland aus. Immer beliebter werden Hochschulen in Osteuropa, die ein Studium auf deutsch oder englisch anbieten. So studierten laut Statistischem Bundesamt 2013 – neuere Zahlen liegen nicht vor – etwa 1900 Deutsche Medizin in Ungarn und 250 in Tschechien. Tendenz steigend.
    Die Kölner Firma Studimed gehört zu den größten Vermittlern auf diesem Markt. Eigenen Angaben zufolge hat Studimed seit 2012 Dutzende deutscher Studenten in zehn osteuropäische Staaten und die Türkei vermittelt. Jetzt will das Unternehmen das Geschäftsmodell ausweiten und an der Bonner Straße 271 in Bayenthal einen Medizinischen Campus in Zusammenarbeit mit der staatlichen Medizinischen Universität (MU) Sofia errichten. Im Frühjahr, spätestens im Herbst 2017 will Firmenchef Hendrik Loll mit etwa 100 Studenten an den Start gehen.
    Die Studenten würde das Studium in Bayenthal eine hübsche Stange Geld kosten. 13 600 Euro müssten die angehenden Akademiker an Studimed als Vermittlungsgebühr zahlen, und noch einmal soviel an die MU Sofia – pro Studienjahr. Der Unterricht, der bis zur Vorklinik in Köln und anschließend in Bulgarien stattfinden soll, wird auf englisch von deutschen und bulgarischen Dozenten abgehalten. Letztere müssten für Blockseminare eigens eingeflogen werden. Unklar ist noch, wie die Anatomiekurse durchgeführt werden sollen, in dessen Rahmen die Hochschüler Leichen sezieren. Loll denkt darüber nach, die Studenten entweder nach Sofia ausfliegen zu lassen oder Leichen zum Beispiel aus den USA zu importieren. Studimed stehe im Gespräch mit einem Kölner Pathologen, bei dem die Seminare dann abgehalten würden.
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Bildung gegen Privatgeld. Der Bildungsstandort Köln ist um eine karnevalistische Variante reicher. Leider kein Grund zum Feiern. Diesem monetär-medizinischen Ausrutscher muss man sofort den Zahn ziehen.

  14. Der “Spiegel” war immer ein Kind seiner Zeit
    Der Nimbus des “Spiegels” hat in 70 Jahren manchmal gelitten, doch es gibt Anzeichen für eine Repolitisierung.
    Wenn man dieser Tage den ersten Jahrgang des Spiegels zur Hand nimmt, den von 1947, stößt man in mancher Artikelüberschrift gleich auf das, was das nun 70 Jahre alte Magazin noch heute in seinen besten Momenten ausmacht, aber deutlich seltener geworden ist. Bissig-humorige Formulierungen, die politische Wertungen auf den Punkt bringen: “Heim ins Frankreich” etwa, “Kriegsverbrecherprozess auf Polstern”, “Sex Appeal wie ein Pelikan” oder “Die Partei, die noch gefehlt hat” (das war damals die Deutsche Reichspartei, nicht die AfD). Die Titel zeigen aber auch, dass der Spiegel es mit der Trennung von Nachricht und Kommentar nie genau genommen hat – obwohl er sich doch im Untertitel selbstbewusst über Jahrzehnte “Das deutsche Nachrichtenmagazin” nannte, ein Slogan, der irgendwann heimlich gestrichen wurde. Nein, Spiegel-Storys waren immer süffisant geschrieben und von Werturteilen durchtränkt, von starken Protagonisten geprägt und sogar von Action, nicht nur im szenischen Einstieg. Daran ist zu erinnern, wenn heute viel vom Epischen im Journalismus die Rede ist, von Narrativen und Storytelling. Als sei dergleichen erst jüngst erfunden worden. (…)
    Was es fürs achte Jahrzehnt ganz bestimmt braucht, ist neues Engagement in einer Redaktion, die in ihrem institutionellen und persönlichen Wohlstand auch die Schattenseiten des Saturierten kennengelernt hat: deren Elitenorientierung vor allem, bis man kaum noch etwas weiß vom Leben einfacher Menschen. Diese Entfremdung wird von manchem Populisten beklagt, und teils zu Recht. Es ist den cleveren Hamburgern aber durchaus zuzutrauen, dass sie die Zeichen der Zeit längst erkannt haben und langsam aufwachen.
    Quelle: Süddeutsche


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