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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. Februar 2017 um 8:21 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Merkel verteidigt Agenda 2010 – und kritisiert Schulz
  2. Ist Martin Schulz tatsächlich eine Alternative?
  3. Butterwegge fordert Politikwechsel von Rot-Rot-Grün
  4. Bannon nennt Rückbau des Staates als Ziel Nummer eins
  5. Quellen des Reichtums – die Familie Albrecht
  6. Knorr-Bremse
  7. Jobcenter verheizen Fördergeld für Arbeitslose
  8. Entscheidung hinter verschlossenen Türen
  9. Bürgerrechten eine Stimme geben
  10. Gefährder-Gesetz: Sorge um Freiheitsrechte von “Normalbürgern”
  11. Wie gefährdet ist unser Recht?
  12. Minidrohnen verbreiten Angst
  13. Migration
  14. Liberale Weltordnung auf dem Prüfstand
  15. Abrechnung mit Renzi
  16. Das Letzte – Die Eliten verteidigen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Merkel verteidigt Agenda 2010 – und kritisiert Schulz
    Jetzt mischt sich auch Bundeskanzlerin Merkel in die Debatte um die Agenda 2010 ein: Von möglichen Änderungsvorschlägen hält sie gar nichts. Die SPD schäme sich offenbar für ihre Vergangenheit.
    Merkel verteidigt Agenda 2010 – und kritisiert Schulz
    CDU-Chefin Angela Merkel hat die SPD für die Debatte über ein Abrücken von Agenda-2010-Reformen kritisiert. Die 2003 auch von der Opposition unterstützten Beschlüsse des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder seien gut für das Land gewesen, sagte Merkel am Samstag auf einer CDU-Veranstaltung in Stralsund. „Deshalb habe ich schon zum Amtsantritt vor elf Jahren öffentlich gesagt, dass sich der frühere Bundeskanzler Schröder mit der Agenda 2010 um Deutschland verdient gemacht hat.“
    Seit 2005 hätten die von ihr geführten Koalitionsregierungen Veränderungen vorgenommen, wenn sich negative Entwicklungen wie bei der Werk- und Leiharbeit gezeigt hätten. Zudem sei das Arbeitslosengeld nach Alter differenziert worden. „Aber den Kern dieser Agenda, den haben wir immer durch unsere politischen Entscheidungen gestärkt“, sagte Merkel. Denn es seien mehr Menschen in Arbeit gebracht worden, die Zahl der Arbeitslosen habe sich seit 2005 halbiert.
    „Aber die Sozialdemokraten mögen sich bis heute zu dieser Erfolgsgeschichte nicht bekennen„, kritisierte die CDU-Chefin. Stattdessen schäme sich die SPD offenbar, jedenfalls hadere sie „unablässig“ mit der Vergangenheit.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Noch Fragen? Eine deutlichere Indikation, welche zentrale Rolle die Agenda 2010 für die herrschenden Eliten spielt, gibt es nicht. Und nochmals, Schulz hat die Agenda 2010 mit keinem Wort in Frage gestellt. Die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Arbeitslose ab 50 ändert an einem Kernelement der Agenda 2010, den Hartz-IV Gesetzen, rein gar nichts. Ob ein Betroffener drei oder vier Monate später den Schikanen und Demütigungen des Hartz-IV Sanktionsregimes anheimfällt ist im Vergleich zu gesamten Paket eher eine Kleinigkeit. Wie die SPD weiter in der Agenda-2010-Falle sitzt, zeigt auch die Reaktion von SPD-Spitzenpolitikern, die nach Merkels Vorwurf die SPD würde nicht mehr zur Agenda 2010 stehen, nichts Besseres zu tun haben als geflissentlich zu erklären, dass die Agenda 2010 für die SPD nach wie vor sakrosankt ist.

    dazu: Agenda 2010 – SPD will nicht an Grundpfeilern rütteln
    Nach der harschen Kritik der Kanzlerin stellen die Sozialdemokraten klar: Die wichtigsten Säulen der Agenda 2010 bleiben. “Das ist keine Abkehr, sondern eine Korrektur”, erklärt SPD-Generalsekretärin Barley.
    Die SPD will die Agenda 2010 in Teilen nachbessern, aber nach Angaben von Spitzenpolitikern nicht an den Grundpfeilern der Reform aus dem Jahr 2003 rütteln. “Das ist keine Abkehr, sondern eine Korrektur”, sagte Generalsekretärin Katarina Barley im ZDF zu Ankündigungen von Kanzlerkandidat Martin Schulz.
    Sie widersprach damit Kritik aus der Union, die SPD wolle die Agenda 2010 weitgehend rückgängig machen. Es gehe etwa um die Abschaffung sachgrundloser Befristungen und eine längere Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I, sagte Barley. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sagte, die Kernelemente der Agenda stünden überhaupt nicht zur Diskussion. “Die wichtigsten Säulen dieses Konzepts, die sind völlig unstrittig.”
    Quelle: n-tv

  2. Ist Martin Schulz tatsächlich eine Alternative?
    Der SPD-Kanzlerkandidat soll neuen Schwung in die Politik bringen. Doch seine politische Praxis und das Verhalten im EU-Parlament nähren daran Zweifel.
    Mehr Gerechtigkeit bei Löhnen und Steuern, klare Kante gegen Trump, für ein solidarisches und demokratisches Europa – Schulz trifft den richtigen Ton, und die Bürger danken es ihm. Umfragen und Mitgliederzuwachs zeigen an, wie verbreitet die Sehnsucht nach einer wahren SPD ist, einer linken Volkspartei also, die sich der Ungleichverteilung von Vermögen, Einfluss und Lebenschancen mutig entgegenstellt, anstatt Umverteilung von unten nach oben zu betreiben und das als „moderne Wirtschaftspolitik“ zu verklären wie einst Gerhard Schröder.
    Aber ist Martin Schulz der richtige Mann dafür? Seine politische Praxis weckt Zweifel. Als Präsident des Europaparlaments hat sich der neue Aspirant aufs Kanzleramt nicht gerade als Vorkämpfer für Steuergerechtigkeit, Solidarität und Demokratie hervorgetan. Zwar schimpft er gerne, dass es nicht angehe, „wenn der kleine Bäckerladen anständig seine Steuern zahlt, aber der globale Kaffeekonzern sein Geld in Steueroasen parkt“. Doch nach den Enthüllungen über die Steuerdeals der Konzerne in Luxemburg pflegte Schulz seine private große Koalition mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sabotierte die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, um dem Luxemburger Ex-Premier den Rücken freizuhalten. Widersprüchlich war auch sein Umgang mit der vordemokratischen Verfassung der EU. Da forderte er, man müsse „die Kommission zu einer echten europäischen Regierung umbauen, die der Kontrolle des Europaparlaments unterworfen wird“. Aber gleichzeitig sah er tatenlos zu, wie dieses Parlament beim Krisenregime in den Euro-Staaten systematisch degradiert wurde. Die Technokraten der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission agierten „intergouvernemental“ jenseits aller demokratischen Kontrolle und setzten im Bruch mit dem EU-Vertrag Lohnsenkungen und die Abschaffung von Tarifverträgen durch.
    Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel
  3. Butterwegge fordert Politikwechsel von Rot-Rot-Grün
    Nach seinem Achtungserfolg vom 12. Februar, als Christoph Butterwegge für die Linkspartei in der Wahl des Bundespräsidenten antrat und 128 Stimmen auf sich vereinen konnte, schlüpft der Kölner Politologe jetzt in die Rolle eines Postillions für Rot-Rot-Grün. Von einer künftigen Koalition unter Martin Schulz fordert er in einem offenen Brief an den SPD-Kanzlerkandidaten nichts weniger als einen fundamentalen Politikwechsel.
    Doch von diesem Ziel sieht der Armutsforscher Schulz noch weit, sehr weit entfernt – was insofern erstaunt, als er sich ihn ausdrücklich als Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht. Trotzdem wirft Butterwegge Schulz vor, er gehe „nicht über Andeutungen hinaus“, wie er die ungleiche Verteilung der Vermögen in Deutschland korrigieren wolle. Seit Jahren macht Butterwegge die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen als zentrales Problem aus – und die „Agenda 2010“ von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) dafür verantwortlich. „Zwar konzedieren Sie, dass die SPD im Rahmen der »Agenda«-Politik bestimmte Fehler gemacht hat, schreibt Butterwegge jetzt an Schulz.
    „In Wirklichkeit war die Agenda 2010 aber selbst der entscheidende Fehler und ihre Konzeption des »aktivierenden« Sozialstaates grundfalsch.“ Faul seien nicht die Arbeitslosen, „sondern das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, in dem sie leben“. Wenn Schulz es ernst meine mit Idealen wie Solidarität und sozialer Gerechtigkeit, müsste er daher „mit Hartz IV auch den Kern des Reformwerks in Frage stellen“. Dagegen sei nutzlos, was Schulz bisher an Korrekturen vorgeschlagen habe. Eine verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I etwa erreiche die Mehrheit der Arbeitslosen gar nicht.
    Quelle: Kölner Stadtanzeiger

    Dazu: Soziale Gerechtigkeit für alle! – Offener Brief an Martin Schulz

  4. Bannon nennt Rückbau des Staates als Ziel Nummer eins
    Am Freitag spricht Donald Trump selbst bei der CPAC-Konferenz in Washington. Zuvor trat aber schon mal sein Chefstratege Stephen Bannon gemeinsam mit dem Stabschef des Weißen Hauses, Reince Priebus, bei dem Treffen konservativer bis radikaler Aktivisten auf und machte seine Vorhaben deutlich.
    Eines der obersten Ziele ist für Bannon ein radikaler Rückbau des Staates. Die beiden anderen Prioritäten seien die Bereiche Einwanderung und nationale Sicherheit sowie der Handel. Ein Zurückschneiden des Staates aber sei das Wichtigste. Die Regierung befindet sich laut Bannon in einem unaufhörlichen Kampf für die “Dekonstruktion des administrativen Staates”.
    Bannon, der als Architekt der Trump’schen Politik gilt, meinte mit dem Begriff “Administrativer Staat” ein verschränktes System aus Steuern, Regulierungen und internationalen Abkommen. Seiner Ansicht nach hindert dies das Wachstum und verletzt die persönliche Souveränität.
    Es war nicht klar, ob Bannon mit dem von ihm gewählten Begriff der “Dekonstruktion” letztlich die Zerstörung meint. Bannon sagte, die Kabinettsmitglieder seien alle aus einem bestimmten Grund ausgewählt worden: “Und das ist Dekonstruktion.” Den Rückzug der USA aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP bezeichnete Bannon als einen der entscheidendsten Momente in der modernen US-Geschichte.
    Quelle: SPON

    passend dazu: Trump kündigt massive Erhöhung des Verteidigungsetats an
    “Wir müssen wieder Kriege gewinnen”: US-Präsident Donald Trump will die Verteidigungsausgaben um 54 Milliarden Dollar anheben – ein Plus von zehn Prozent. Andere Ministerien müssen mit Kürzungen rechnen. […]
    Trump sprach von einer “historischen Steigerung”. Im Gegenzug solle der gleiche Betrag in anderen Bereichen eingespart werden, ein großer Teil davon bei der Entwicklungshilfe, hieß es aus dem Weißen Haus. Auch die meisten Bundesbehörden müssten sich auf Kürzungen einstellen.
    Ein Schwerpunkt seiner mit Spannung erwarteten Rede vor dem Kongress werde das Thema der nationalen Sicherheit sein, sagte Trump am Montag im Weißen Haus bei einem Treffen mit Gouverneuren. Der Budgetentwurf solle im März an den Kongress übermittelt werden.
    Trump sagte, Details zu seinem Budget wolle er in seiner Rede darlegen. In gefährlichen Zeiten wie diesen sei sein Haushalt einer der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Er fügte hinzu: “Wir müssen wieder Kriege gewinnen.”
    Auch nach Informationen der “New York Times” sieht der Budgetentwurf massive Einsparungen unter anderem bei der Umweltbehörde EPA vor.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Unverständlich, dass einige eigentlich vernünftige Zeitgenossen Trump immer noch verteidigen. Der Mann ist eine Katastrophe – vollkommen unabhängig davon, dass die Medien nicht immer fair zu ihm sind. Der „Feind meines Feindes“ ist halt nicht immer mein „Freund“.

  5. Quellen des Reichtums – die Familie Albrecht
    Als die beiden „Springquellen des Reichtums“ bezeichneten Karl Marx und Friedrich Engels die menschliche Arbeit und die Natur. Und tatsächlich ist im modernen Kapitalismus die weltweite Ausbeutung der lebendigen Arbeitskraft und der Boden- und Naturschätze die Grundlage für den Reichtum unserer Gesellschaft. Aber der Reichtum ist keineswegs gleich verteilt. Die Länder des globalen Südens sind bitterarm, obwohl dort die reichsten Naturschätze gehoben werden und dort die Menschen am härtesten arbeiten müssen. Doch die Erträge fließen in die reichen Länder des Nordens, in die USA und nach Europa. Wo ist also der Reichtum zu finden?
    Heute konzentriert sich der Reichtum dieser Welt in den Händen einer kleinen Gruppe von Menschen. Es sind die Oligarchen, die Multimilliardäre, bei denen alles Geld zusammenfließt und immer mehr anwächst. In Deutschland befindet sich der Reichtum zu einem großen Teil im Besitz von Familiendynastien, zum Beispiel den Familien Quandt, Oetker und Albrecht.
    In Essen ist der Name Albrecht ein Begriff. Wo die „Hauptstadt“ zwar nicht politisch, aber landschaftlich tatsächlich grün ist, im beschaulichen Stadtteil Schuir, ist die Familie Albrecht zu Hause. Aber die Albrechts sind keine normale Durchschnittsfamilie, sie zählen zu den reichsten Menschen der ganzen Welt! Die Familie Theo Albrecht jr. („Aldi Nord“) besitzt mehr als 17 Milliarden Euro. Wie kam die Familie Albrecht zu ihrem Reichtum? Durch harte Arbeit! So sagen sie es selbst – und so stimmt es auch. Allerdings nicht durch die eigene Arbeit, sondern durch die Ausbeutung fremder Arbeitskraft, wuchs und wächst das Vermögen des Clans. Im Kapitalismus gilt nun mal das Gesetz: Je größer die Ausbeutung, umso größer der Profit.
    Quelle: Die Freiheitsliebe
  6. Knorr-Bremse
    Das operative Geschäft des Konzerns ist in zwei große Bereiche strukturiert: die Knorr Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH und die Knorr Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH. An ersterer GmbH hält die Knorr-Bremse AG 100 Prozent des Kapitals, an letzterer „nur“ 80 Prozent. Die anderen 20 Prozent fallen an die Robert Bosch GmbH. Die Knorr-Bremse AG ist nicht börsennotiert. 2015 wurden laut Geschäftsbericht 395,969 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet. Davon gingen an die „anderen Gesellschafter“ – also die Anteilseigner der Robert Bosch GmbH – 83,968 Millionen Euro. Den „Rest“ von 312 Millionen Euro erhielten die Besitzer der Knorr Bremse AG, das ist die Familie Thiele. Die wird vertreten von Heinz Hermann Thiele (geboren 1941). Thiele war von 1987 bis 2007 Vorstandsvorsitzender des Konzerns und leitete dann bis März 2016 den Aufsichtsrat. Er ist inzwischen nur noch Ehrenvorsitzender… Unter seiner Ägide liefen die erwähnten Umstrukturierungen, aber auch ein rabiater Abbau von Arbeitnehmerrechten.
    Es gibt allerdings zwei „gallische“ Dörfer im Konzern, in denen aktuell noch die gewerkschaftlich erkämpfte 35-Stunden-Woche gilt, die beiden Standorte der Knorr-Bremse PowerTech GmbH im bayerischen Holzkirchen und in Berlin-Tegel. Das Unternehmen produziert an fünf Standorten weltweit (die anderen befinden sich in Sydney/Australien, Mount Olive/USA und Wuxi/China) elektrische Energieversorgungssysteme für Bahnen und Industrieanlagen. Mit Wirkung zum 31. Dezember trat PowerTech jetzt aus dem tarifgebundenen Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg aus. Ab 1. April gilt an beiden deutschen Standorten die 42-Stunden-Woche, natürlich ohne Lohnausgleich. Die zahmen Proteste der IG Metall – „Die Knorr Bremse zeichnet sich selten durch einen sozialen Umgang mit ihren Beschäftigten aus, im Zweifel geht etwas mehr Profit immer vor.“ – konterte der Konzern mit dem Hinweis, dass es bei Knorr-Bremse seit 2006 keine Tarifbindung mehr gebe und die 42-Stunden-Woche für die rund 5000 Mitarbeiter in Deutschland üblich sei.
    Quelle: Das Blättchen

    Anmerkung JK: 42-Stunden-Woche für die Mitarbeiter, 312 Millionen Euro für die Eigentümerfamilie, das nennt man wohl Kapitalismus.

  7. Jobcenter verheizen Fördergeld für Arbeitslose
    Die 404 Jobcenter in Deutschland haben im vergangenen Jahr 5,1 Milliarden Euro an Bundesmitteln für ihre Personal- und Verwaltungskosten ausgegeben. Das waren 764 Millionen Euro mehr, als dafür im Bundeshaushalt eigentlich vorgesehen waren. Der zusätzliche Bedarf wurde von den Jobcentern dadurch gedeckt, dass sie weniger Geld für die Förderung von Langzeitarbeitslosen ausgaben als im Bundeshaushalt vorgesehen. Das zeigt die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Grünen. Das Schreiben liegt der F.A.Z. vor.
    Von insgesamt 4,5 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt 2016 für sogenannte Eingliederungsmaßnahmen ursprünglich zur Verfügung standen, wurden laut Ministerium nur knapp 3,4 Milliarden Euro für diese Zwecke ausgegeben. Zwar blieben damit trotz der Umschichtungen am Ende 363 Millionen Euro im Fördertopf übrig. Doch haben die tatsächlichen Verwaltungsausgaben nun schon zum wiederholten Mal die zugehörigen Etatansätze überschritten; die jüngste Überschreitung liegt knapp unter dem Höchstwert von 785 Millionen Euro aus dem Jahr 2015.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine
  8. Entscheidung hinter verschlossenen Türen
    Der weltweite Waffenhandel hat deutlich zugelegt und Deutschland ist als fünftgrößter Rüstungsexporteur vorn mit dabei. David Lauer plädiert für eine transparente politische Abwägung über Waffenexporte. Sonst könnten wirtschaftlichen Interessen über moralische Bedenken gestellt werden.
    Waffen als solche betrachtet sind nicht böse. Böse sind allenfalls bestimmte Zwecke, zu denen sie als Mittel eingesetzt werden können. Darin unterscheiden sie sich nicht von Küchenmessern – oder, wie wir seit Nizza und Berlin wissen, von Lastkraftwagen. So lautet eines der Mantras von Waffenlobbyisten.
    Verblüffend ist allerdings, dass dieser Gedanke häufig als Prämisse in Argumenten verwendet wird, die sich gegen Einschränkungen des Waffenhandels richten sollen. Tatsächlich müsste der Gedanke zur gegenteiligen Konklusion führen: Wenn es allein auf die Ziele der potenziellen Waffennutzer ankommt, dann sollte man sich deren anzunehmende Absichten so genau wie möglich anschauen, bevor man ihnen die Wumme in die Hand drückt – und im Zweifelsfall auf den Deal verzichten.
    Dieselbe Überlegung trifft auch auf den internationalen Handel mit Rüstungsgütern zu. Dessen Volumen steigt seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an. Und Deutschland, der fünftgrößte Rüstungsexporteur der Welt, ist vorneweg dabei. Dass dieser Handel schwerwiegende moralische Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand. Jeder Waffenexport ist eine Intervention in einen aktuellen oder potenziellen kriegerischen Konflikt. Eine solche Intervention ist nie moralisch neutral. Es muss also in jedem Einzelfall gefragt werden: Sind die Zwecke, zu denen der Käufer die gelieferten Waffen einzusetzen plant, moralisch gerechtfertigt? Wer könnte zum Opfer eines Missbrauchs der gelieferten Waffen werden? Ist der Käufer in der Lage, dauerhaft zu garantieren, dass sie nicht in falsche Hände geraten?
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  9. Bürgerrechten eine Stimme geben
    Terrorangst, Furcht vor Wohnungseinbrüchen, der Verlust des Gefühls von Sicherheit im öffentlichen Raum – wer heute härtere Gesetze, Überwachungsprogramme und Strafverschärfungen durchsetzen will, hat es sehr leicht. Viel zu leicht. Denn weder die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wird im öffentlichen Diskurs hinterfragt noch ihre Effizienz oder Wirkung – siehe Fußfesseldebatte. Noch unpopulärer ist es, die Einhaltung von Grundrechten anzumahnen. Progressive, antirassistische und ganz einfach zu vernünftigen, rationalen Überlegungen aufrufende Stimmen sind in letzter Zeit deutlich in die Defensive geraten. (…)
    Niemand kann garantieren, dass die sicherheitsstaatlichen Befugnisse nicht missbraucht werden. Eine diesbezügliche Skepsis ist allemal berechtigt, wie allein ein Blick auf den NSU-Komplex zeigt. Dort ist bis heute nicht vollständig geklärt, wo die Sicherheitsbehörden, gedeckt von der herrschenden Politik, die Grenze zu wohlwollendem Wegschauen von den Naziterroristen überschritten haben. Auch die Erfahrungen etwa von Murat Kurnaz, für dessen Freilassung aus Guantanamo trotz seiner Unschuld verschiedene Bundesregierungen jahrelang gar nichts unternommen haben, lässt erahnen, wie weit Union, SPD und Grüne gehen, wenn es um ihr Verständnis von Sicherheit geht. (…)
    Der Zulauf für die AfD lässt hier ohnehin die Alarmglocken schrillen. Die rechten Hetzer schöpfen genau wie andere Architekten des präventiven Sicherheitsstaates aus den gleichen Quellen – aus Angst und Misstrauen. Demokratie und Rechtsstaat sind alles andere als unverwundbar. An der Türkei sehen wir ganz aktuell, wie rasant nationalistische Autokraten die Demokratie zerstören können – übrigens mit derselben verlogenen Begründung, die sogenannte Sicherheitspolitiker auch hierzulande für Grundrechtseinschnitte präsentieren, nämlich Schutz der Bevölkerung und Kampf gegen Terror. Auch der neue US-Präsident lässt eine starke Tendenz in diese Richtung erkennen.
    Quelle: junge Welt
  10. Gefährder-Gesetz: Sorge um Freiheitsrechte von “Normalbürgern”
    Langsam und weitgehend von der großen Öffentlichkeit unbemerkt bauen neue Gesetzesvorhaben Polizeibefugnisse aus, die nicht nur auf Terroristen oder Terrorismusverdächtige angewendet werden können. Darauf machte der bayrische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, vergangene Woche in einem bemerkenswerten Statement aufmerksam.
    Darin heißt es schon in der Überschrift, dass das geplante Gesetz “zur Überwachung gefährlicher Personen über das Ziel hinausschießt”. Die Freiheitsrechte von “Normalbürgern” seien gefährdet, so der promovierte Jurist mit den Forschungsschwerpunkten Verfassungsrecht, Polizeirecht und Rechtsphilosophie, was ihm ganz offensichtlich einen wachen Blick eingetragen hat.
    Seine Wachsamkeit zeigte er bei seiner kritischen Beurteilung des neuen “Gefährdergesetzes” angesichts des dort formulierten Vorhabens, die Höchstspeicherfristen für Videoüberwachung zu verlängern. Wie Christiane Schulzki-Haddouti am Freitag bei heise.de berichtete übte Petri “harte Kritik” an diesem Vorhaben, weil “eine solche Speicherfrist regelmäßig nicht ansatzweise erforderlich” ist.
    Nun gehört die Wachsamkeit bei Datenspeicherungen zur klassischen Disziplin eines Datenbeauftragten, Petri aber hat seinen Blick auch darüber hinaus scharf auf Bestimmungen im neuen Gesetzesentwurf gerichtet, wie man es nicht unbedingt von einem Datenschutzbeauftragten erwartet. Der heise.de-Bericht deutet es an.
    Petri kritisiert demnach an dem Gesetzesvorhaben, das in der Öffentlichkeit vor allem wegen der Fußfessel-Überwachung von Gefährdern bekannt sein dürfte, dass das Gesetz so genannte “Gefährder”, die bekämpft werden sollen, nicht definiert und präventive Befugnisse der Polizei bei Durchsuchungen und Gewahrsamnahme ausgebaut werden.
    Quelle: heise online
  11. Wie gefährdet ist unser Recht?
    Unschuldig im Gefängnis sitzen, lebenslang. Diese Szenerie stammt nicht aus einem Film, sie ist für den einen oder anderen grausame Realität – auch in Deutschland. Doch wie kann so etwas in einem Rechtssystem wie dem unseren heute überhaupt noch passieren? Es gibt viele Fallstricke in der deutschen Justiz. Keine Frage: Auch in der Paragraphenwelt der Justiz spielt der menschliche Faktor eine Rolle. Doch wie groß ist er? Und wie sehr bemüht sich die Politik, diesen möglichst klein zu halten?
    Am wichtigsten scheint zunächst die Unabhängigkeit in den Beurteilungen. Doch die ersten Verstrickungen beginnen bereits bei der Gerichtsmedizin: Die Hauptauftraggeber der Obduktionen sind Gerichte und Staatsanwälte. Wenn es zu einer Verhandlung kommt, wird der Gerichtsmediziner zum Gutachter vor Gericht. Allgemein bekommt rund ein Viertel aller Gutachter vom Gericht schon vorab Hinweise, welche Ergebnisse gewünscht sind, wie eine Studie der LMU München zeigt. Das Problem: Die Hälfte der Gutachter ist existenziell abhängig von diesen Gerichtsaufträgen.
    Quelle: BR
  12. Minidrohnen verbreiten Angst
    Pentagon rüstet mit israelischer Antidrohnenwaffe auf, die auch gegen Schwärme einsetzbar sein soll
    Der Islamische Staat scheint in Mosul zwar auf verlorenem Posten zu stehen, da die irakischen Truppen und Milizen weiter vorrücken. Doch der IS hat seit einigen Wochen eine Waffe entwickelt, mit der weiter die schon befreiten Gebiete in Ost-Mosul terrorisiert. Massenhaft werden Drohnen, ausgerüstet mit Sprengstoff oder kleinen Bomben, ausgeschickt, mit denen Menschen, Fahrzeuge und Gebäude gezielt angegriffen werden können. Zwar werden viele der Drohnen abgeschossen, aber der Aufenthalt im öffentlichen Raum in Reichweite der von West-Mosul ausgeschickten Angriffsdrohnen ist vor allem für Zivilisten riskant (Der Islamische Staat steigt auf bewaffnete Drohnen um).
    Zwar sind die Drohnen klein und damit auch die Bomben, die Genauigkeit ist auch nicht sehr groß, aber sie fliegen so hoch, dass sie kaum zu sehen und zu hören sind. Menschen werden nur selten damit getötet, aber täglich werden nach Berichten ein Dutzend Menschen verletzt, in der Regel handelt es sich um Schrapnellwunden an den Beinen, wenn die Bomben auf den Boden auftreffend explodieren (Der Tod von oben). Angriffe gab es auch in Syrien, es ist anzunehmen, dass auch IS-Zellen in anderen Ländern solche bewaffneten Drohnen bauen und einsetzen. Dafür wurde schon eine detaillierte Bauanleitung gefunden.
    Quelle: Telepolis
  13. Migration
    1. Von Südafrika lernen
      Am südlichen Punkt des Globus ist Südafrika für Flüchtlinge das, was Deutschland weiter im Norden ist: Das gelobte Land, das ein besseres Leben verspricht. Bis zur Syrien-Krise war Südafrika eines der Länder mit den meisten Asylbewerbern weltweit – insgesamt gut eine Millionen Menschen haben hier Schutz gesucht. Südafrika hat also reichlich Erfahrung mit legalen und illegalen Einwanderern. Und Südafrika hat eine der weltweit progressivsten Flüchtlingsgesetzgebungen, die sogar umfassender ist als die UN-Flüchtlingskonvention. Könnten also Deutschland und die EU von den Erfahrungen Südafrikas etwas lernen? (…)
      Auf dem Papier hat Südafrika eine der fortschrittlichsten Flüchtlingsgesetzgebungen weltweit, sagt Zaheera Jinnah vom Zentrum für Migration und Gesellschaft der Wits-Universität Johannesburg: “Ihnen werden praktisch alle Rechte zugesichert, die Südafrikaner auch haben. Sie können sich frei bewegen und niederlassen. Sie dürfen arbeiten, Handel betreiben, studieren.” Auch hätten sie Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem und teilweise Anrecht auf Sozialleistungen.
      Wer sich nicht legal in Südafrika aufhält, dem droht allerdings die Abschiebung. 2014 sind gut 50.000 Menschen von der südafrikanischen Regierung in ihre Heimat zurückgebracht worden. Für Migranten ohne gültige Papiere ist eigens ein Abschiebelager mit Platz für bis zu 4000 Insassen gebaut worden, um die Gefängnisse zu entlasten. (…)
      Allerdings: Der Kontrast zwischen dem, was auf dem Papier steht und der Realität als Flüchtling in Südafrika ist groß. Da sind zum einen bürokratische Hürden: Die Bearbeitung der Asylanträge ist extrem langsam. Mindestens 400.000 Asylbewerber warten auf eine Entscheidung. Teilweise schon seit Jahren.
      Außerdem mögen die Flüchtlinge theoretisch viele Rechte haben. In der Realität sind sie aber auf sich allein gestellt. Der Staat bietet die Rahmenbedingungen an, alles weitere müssen die Flüchtlinge selbst hinbekommen. Organisierte Integration im großen Stil findet nicht statt.
      Die Flüchtlinge bekommen höchstens Hilfe von ein paar wohltätigen Organisationen. Die große Masse sucht Unterstützung bei Menschen aus Ihrer Heimat, die schon länger in Südafrika leben. Ein täglicher Kampf ums Überleben mit Hilfe von Gelegenheitsjobs und prekäre Lebensbedingungen sind für viele Flüchtlinge die Folge.
      Quelle: tagesschau.de
    2. Asylentscheider unter Druck
      Mitarbeiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheiden über Leben und Perspektiven – oft nicht nur für einen Menschen, sondern für ganze Familien. Obwohl die Zahl der Asylentscheider aufgestockt wurde, ist die Belastung für viele hoch. Sie machen dafür auch die neue Chefin verantwortlich.
      Als Jutta Cordt Anfang des Jahres ihr neues Amt als Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – kurz BAMF – antrat, sagte sie selbst über diese Herausforderung:
      “Meine Hauptaufgabe wird sein, die Behörde so auszurichten, dass wir krisenfest sind, dass die Anzahl von Menschen deutlich steigen, auch in kürzerer Zeit steigen, dass wir vorbereitet sind, und wir nicht wieder in der Situation sind wie in 2015, dann erst zu überlegen, wie kriege ich Mitarbeiter.”
      Eine weitere – wie sie es nannte “hohe Last” – war die große Zahl der noch unbearbeiteten Asylanträge. Zwar hatte ihr Vorgänger Frank-Jürgen Weise die Mitarbeiterzahl auf fast 10.000 vervierfacht, doch noch immer waren rund 430.000 Asylanträge offen. Viele noch aus dem Jahr 2015 oder früher. Die sollten möglichst schnell abgearbeitet werden – bis Ende des Frühjahrs werde das BAMF dies erreichen, sagte Cordt in Interviews, etwa mit der FAZ Mitte Januar.
      Quelle: Deutschlandfunk
  14. Liberale Weltordnung auf dem Prüfstand
    Die Europäische Union ist in der Krise, ein neuer Nationalismus erstarkt: Der Philosoph und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin plädiert für ein europäisches Verfassungsreferendum und eine Aufgabenverteilung zwischen einer demokratisch legitimierten EU und den Nationalstaaten.
    Die Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin tagt vom 24.-25.2. zu der Frage “Internationale Gerechtigkeit und demokratische Legitimation”.
    Wie können die europäischen Institutionen zukunftsfähig werden und das europäische Einigungsprojekt wieder Vitalität gewinnen? Diskutiert wird über das Spannungsverhältnis zwischen der demokratischen Legitimation vieler Nationalstaaten und der weitgehend fehlenden demokratischen Legitimation internationaler Institutionen. Mit-Initator der Tagung ist der Philosophieprofessor und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin.
    Der Professor für Philosophie und politische Theorie an der Universität München, Julian Nida-Rümelin, plädiert für mehr demokratische Legitimierung der EU und fordert den Aufbau globaler institutioneller Verantwortung.
    Angesichts des Erosionsprozesses der Europäischen Union und eines neuen Nationalismus sei all das, “was oft als liberale Weltordnung bezeichnet wird, auf dem Prüfstand”, sagte Nida-Rümelin im Deutschlandradio Kultur.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

    Anmerkung Christian Reimann: Die gute Absicht des Philosophen wird unterstellt. Aber begibt sich Herr Nida-Rümelin nicht in Widersprüchlichkeiten? Er stellt eine Krise in der EU fest, zugleich fordert er jedoch ein europäisches Verfassungsreferendum, das lediglich von den Mitgliedsstaaten und deren Regierungen, die die EU in diese Krise geführt haben dürften, legitimiert werden könnte. Die dürften andere Interessen verfolgen.

    Dazu: Merkel mahnt Reformen in der EU an
    Bundeskanzlerin Merkel hat eine stärkere Beschränkung der Europäischen Union auf ihre Kernaufgaben angemahnt.
    Sie sagte in Stralsund, Europa befinde sich in einer krisenhaften Situation. Beim bevorstehenden Treffen der EU-Partner am 25. März in Rom werde man darüber sprechen müssen, was wichtig sei für Europa und wo die EU eventuell ein wenig zurücktreten könne. Merkel nannte als Beispiele Regelungen im Umweltschutz und bei Ausschreibungsverfahren. Bei der Bundestagswahl am 24. September wird Merkel in ihrem Wahlkreis, der Nordvorpommern mit der Insel Rügen umfasst, erneut als Direktkandidatin antreten. Heute bestimmt die dortige CDU die Landesliste.
    Quelle: Deutschlandfunk

  15. Abrechnung mit Renzi
    “Ehrgeiz, arrogante Anmaßung und einen Rechtsdrall” bescheinigen Mitglieder des linken Flügels der Demokraten ihrem ehemaligen Vorsitzenden Renzi. Sie haben nun die Konsequenzen gezogen und sich abgespalten. Profitieren könnten die Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung.
    Als Matteo Renzi vor drei Jahren als neue jugendliche Hoffnung der italienischen Politik an die Macht stürmte, hatte er rauflustig zur Rottamazione, zur Verschrottung der alten Eliten in der Demokratischen Partei aufgerufen. Das zielte unter anderem auf den damaligen Vorsitzenden Bersani und den früheren Ministerpräsidenten D’Alema ab. Jetzt recyceln sich die vermeintlich Verschrotteten in einer neuen Konkurrenzpartei. In dieser Woche soll, mit vielen Prominenten, links neben Renzis Demokraten eine neue Parlamentsfraktion entstehen.
    “Wir wollen eine Mitte-Links-Kraft, die frei ist vom Übel der Selbstbezogenheit, die nicht krampfhaft nach einem Führer sucht, der alles und alle nur auf sich selbst bezieht”, sagte der ehemalige Fraktionschef Roberto Speranza bei einem ersten öffentlichen Treffen der Rebellen am Wochenende im Rom – mit einer unüberhörbaren Spitze gegen Renzi. Speranza, D’Alema, Bersani, dazu mit Epifani ein weiterer ehemaliger Vorsitzender: In der neuen politischen Kraft sammeln sich bekannte Größen des bisherigen Parteiestablishments. Der Trennung ging ein monatelanger, erbitterter innerparteilicher Kampf voraus.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung JK: Selbst in Italien ist man politisch konsequenter als in Deutschland. Hier hat die Partei-Linke der SPD, sofern man diese als solche überhaupt bezeichnen kann, nichts Besseres zu tun als Ergebenheitsadressen an den Ex-Bürgermeister von Würselen zu versenden.

  16. Das Letzte – Die Eliten verteidigen
    Wenn es eines gibt, dass heute alle Feinde der Republik von links bis rechts eint, dann ist es die abschätzige Haltung gegenüber Eliten. Für jedes Elend werden sie verantwortlich gemacht, man rückt sie in die Nähe von „Volksfeinden“ und tut so, als würde ohne Eliten alles bald wieder gut werden. In der Tat, ohne diejenigen, die der Präsident der USA real people nennt, würde kein Krankenhaus, kein Supermarkt, keine Tiefgarage, keine Schule, keine Universität, keine Fabrik, kein Labor funktionieren. Kein Flugzeug käme in die Luft, kein Verkehr flösse, kein Kranker würde operiert, kein alter Mensch gepflegt. Aber umgekehrt gilt eben auch, dass buchstäblich nichts davon ohne Fachleute, gut Ausgebildete, kurz: ohne Eliten möglich wäre.
    Angesichts des sich abzeichnenden Sturms gegen Eliten müsste es die originäre Aufgabe einer Partei sein, die sich bürgerlich nennt, mit Kraft und selbstbewusster Verve die Heranbildung und Pflege der so unverzichtbaren Eliten zu fördern und dazu auch zu stehen. Was aber tut die Union? Das Wort „Elite“ kommt in ihrer Rhetorik fast gar nicht vor. Und wenn doch, dann meist nur verschämt-verlogen um die Ecke herum: Ja, es braucht Eliten, weil ohne sie Sozialpolitik nicht möglich wäre. Die offene Gesellschaft ist nun einmal eine Gesellschaft von Ungleichen. Eine Gesellschaft, in der Ungleichheit ein Motor der Veränderung, der Verbesserung, des Aufstiegs ist.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers C.L.: Genau – Fachleute und Ausgebildete: Das sind die wahren Eliten, denen gegenüber wir eine abschätzige Haltung haben. Diese sind für jedes Elend verantwortlich. Nicht (korrupte) Politiker und Journalisten, Manager, Lobbyisten, Investment-Banker, Monarchen, Steuerflüchtlinge, charakterlose Unternehmer…


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