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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. Februar 2009 um 9:56 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/AM/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • HRE hat Milliardengeschäfte nicht in der Bilanz
  • EU-Kommission plant Boni-Grenzen für Manager
  • Dicke Boni sind ein Fall für den Staatsanwalt
  • Schaeffler-Familie warnt vor massiven Jobverlusten bei Zerschlagung
  • Keine Abwrackprämie bei Hartz IV
  • Abwrackprämie für Fahrräder
  • Tarifliche Regelungen zur Kurzarbeit
  • Zweifel an schneller Wirkung von Rettungspaket
  • Finanzaufsicht: UBS-Mitarbeiter haben Gesetz «massiv verletzt»
  • Müssen wir jetzt Staaten retten?
  • Gemeinnützigkeit ist ein gutes Geschäft
  • Bochum, ich häng an dir
  • Kleber attackiert Partei-Seilschaften
  • Naom Chomsky: Warum die Mainstreammedien „Mainstream“ sind
  • Wegbereiter wie Mißfelder
  • Kontrolle oder Kollaboration? Seilschaften und Netzwerke der Agro-Gentechnik in Medien und Politik
  • Sparkassenklüngel
  • Guantánamo im Einklang mit Genfer Konventionen?
  • Finanzkrise: Großdemo gegen irische Wirtschaftspolitik
  • Israels Linke ohne Perspektive

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. HRE hat Milliardengeschäfte nicht in der Bilanz
    Die Kette der Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit der in Schieflage geratenen Hypo Real Estate reißt nicht ab. Einem Medienbericht zufolge hat der Immobilienfinanzierer Geschäfte in Milliardenhöhe getätigt, die nicht in der Bilanz auftauchen. Diese seien zum Teil hochspekulativ gewesen, berichtet die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” (HAZ). Damit stellt sich die Lage noch wesentlich schlimmer dar, als bislang angenommen. Insgesamt habe der Münchener Finanzkonzern Kredite im Volumen von einer Billion Euro herausgegeben. Gegenüber der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung” bestätigten mehrere Finanzpolitiker, dass die HRE Verträge in Höhe von einer Billion Euro abgeschlossen habe, insbesondere in “außerbilanziellen Geschäften”. Öffentlich bekannt war bislang nur die Bilanzsumme in Höhe von 400 Milliarden Euro.
    Quelle: FinanzNachrichten

    Kommentar AM: In diesem Zusammenhang ist – weil es in den deutschen Medien in der Regel verschwiegen wird – daran zu erinnern, dass der Spiritus Rector und Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Professor Dr. Hans Tietmeyer (CDU), im Aufsichtsrat der HRE saß. „Der frühere Bundesbankchef saß mehrere Jahre auch im Verwaltungsrat der irischen Depfa-Bank, die die Probleme beim heutigen Mutterkonzern HRE zu großem Teil verursacht hat“, berichtete die Financial Times Deutschland vom 15.10.2008. Hat er von den Machenschaften in Dublin und München nichts mitbekommen? Oder entsprach das Verhalten der Unternehmensleitung von HRE und Depfa-Bank seinen Vorstellungen von sozialer Marktwirtschaft? Wusste Tietmeyer nichts davon, dass die HRE, diese Unternehmensgründung der HypoVereinsbank, eine Art Bad Bank darstellte?

  2. EU-Kommission plant Boni-Grenzen für Manager
    Regeln gegen die Gier: Die EU will strenger gegen exzessive Bonuszahlungen für Manager vorgehen. Kommissionpräsident Barroso sieht solche Prämien als eine Ursache der Finanzkrise. Die Marschroute für ein neues System soll beim nächsten EU-Gipfel festgelegt werden.
    Brüssel will den Managern ans Portemonnaie. EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso kündigte am Samstag ein Konzept der EU-Kommission gegen übertriebene Sonderzahlungen an. Ein erster Fahrplan solle beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 1. März diskutiert werden, sagte Barroso dem “Hamburger Abendblatt”. Details werde die Kommission “im April oder Mai” vorstellen.
    Quelle: Spiegel Online

    Kommentar AM: Man sollte diese Meldung vor dem Hintergrund des folgenden Artikels sehen. Offenbar ist bei Herrn Barroso in Brüssel noch nicht angekommen, dass die Boni in vielen Fällen auf kriminellen Machenschaften beruhen. Die Staats und Regierungschefs sollten sich nicht mit dem geradezu lächerlichen Vorhaben der Begrenzung der Boni, sondern mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beschäftigen. Und sie sollten sich auch nicht so viel Zeit lassen.
    So interessant und lesenswert der folgende Beitrag ist, der Autor und frühere Bankenanalyst sieht die strafrechtliche Relevanz etwas eng, wenn er nur Untreue vermutet. Bei den Vorgängen auf den Finanzmärkten, bei dem, was Investmentbanker angestellt haben und wofür sie heute noch Boni beziehen, handelt es sich auch um Betrug. Und bei der Übernahme dieser Papiere und ihre Auslagerung in Zweckgesellschaften handelt es sich auch um Hehlerei, beziehungsweise um Betrug und Hehlerei.
    Ich verweise in diesem Kontext auf einen frühen Beitrag in den NachDenkSeiten vom 17. August 2007: „Die Blase – das Werk von Kriminellen, kriminellen Vereinigungen und Hehlern“. Ergänzend zum folgenden Beitrag, der verdienstvollerweise konkrete Zahlen über Bonizahlungen und gleichzeitige Verluste der zahlenden Firmen enthält, sei an einen anderen Bericht in den NachDenkSeiten erinnert. Im Hinweis Nr. 4 vom 20. Oktober 2008 weisen wir auf einen Artikel in der FTD: „Die 70-Mrd-Dollar-Boni-Bonanza“.

  3. Dicke Boni sind ein Fall für den Staatsanwalt
    Milliardenrisiken für die Steuerzahler, Extra-Geld für Spitzenbanker – die Finanzbranche hat jedes Maß verloren, kommentiert Karl-Heinz Goedeckemeyer. Der frühere Bankenanalyst fordert: “Es wird Zeit, dass jene haften, die uns den Scherbenhaufen eingebrockt haben.”
    Viele Top-Banker beharren auf ihre Bonuszahlungen – trotz Milliarden-Abschreibungen und hoher Verluste. Die Entrüstung darüber ist fernsehtauglich inszeniert, doch oft geht die Diskussion am eigentlichen Thema vorbei. Denn mit Bonusverzicht allein kann der Scherbenhaufen nicht beseitigt werden. …
    Die Schieflage hat Merrill nicht davon abgehalten, die für das vergangene Jahr vereinbarten Gehaltszulagen früher als normalerweise zu überweisen. So soll das Institut bereits im Dezember an fast 700 Mitarbeiter Boni von jeweils mindestens einer Million Dollar überwiesen haben, heißt es in einem Brief des Oberstaatsanwalts von New York, Andrew Cuomo. Insgesamt soll die Bank ihren Managern laut Cuomo absichtlich zu Lasten der Steuerzahler großzügige Boni über insgesamt 3,6 Milliarden Dollar gezahlt haben. Es sei noch einmal darauf hingewiesen: Merrill hat für das vierte Quartal 2008 einen Verlust von 15,3 Milliarden Dollar vermeldet.
    Auch bei der Citigroup wurde weiter verteilt, wenngleich die Vorstände auf ihre Boni verzichteten. Die Summe “Compensation and Benefits” lag im Jahr 2008 bei 32,4 Milliarden Dollar und damit nur vier Prozent unter der des Rekord-Vorjahres.
    Mit Scheinargumenten versuchen die Banker nun zu rechtfertigen, was sich nicht rechtfertigen lässt. Man kann nicht Tausende von Mitarbeitern entlassen, Staatsgarantien und Steuergelder anfordern und gleichzeitig Erfolgsprämien in Milliardenhöhe ausschütten. Nichts gegen hohe Gewinne. Aber wenn diejenigen, die den Gewinn kassieren, das Risiko nicht tragen, dann ist das ein Fall für den Staatsanwalt. Es wird Zeit, dass jene haften, die uns den Scherbenhaufen eingebrockt haben. In den Privatvermögen der Verantwortlichen dürfte es genügend Reserven geben, die man heranziehen kann, um den Schaden zumindest ansatzweise zu begleichen.
    Quelle: Spiegel Online
  4. Schaeffler-Familie warnt vor massiven Jobverlusten bei Zerschlagung
    Autozulieferer Schaeffler rechnet im Fall seiner Zerschlagung mit dem Verlust von Tausenden von Jobs. Unternehmerin Schaeffler begegnet zudem der Kritik, sie habe sich mit der Conti-Übernahme übernommen und wolle nun Staatshilfe: Das Geld werde “mit Zinsen auf Heller und Pfennig” zurückbezahlt.
    Eine Zerschlagung der Schaeffler-Conti-Gruppe könnte nach den Worten der Eigentümer-Familie Tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland kosten und hätte schwerwiegende Folgen für die Autoproduktion weltweit. Georg F. W. Schaeffler, dem das Unternehmen zu 80 Prozent gehört, sagte der “Bild am Sonntag”: “Der Verbund der Unternehmen schafft mit der Hochpräzisionsmechanik von Schaeffler und der Elektronik von Conti eine technologische Zukunftsperspektive. Dadurch behalten Tausende von hochqualifizierten Arbeitnehmern einen sicheren Arbeitsplatz in Deutschland. Das kann aber nur funktionieren, wenn die Einheit von Schaeffler und Conti erhalten bleibt.”
    Quelle: Spiegel Online

    Kommentar AM: Das mag ja alles richtig sein, es bleibt dennoch die Frage, warum die Familie Schäffler nicht mit ihrem Privatvermögen stützend eintritt. Diese Frage ist auch an Gewerkschafter zu stellen, die sich für öffentliche Subventionen stark machen und die ich wegen ihrer Sorge um Arbeitsplätze gut verstehen kann. Aber: Die Übernahme von Conti durch Schaeffler war eine private Entscheidung der Unternehmensleitung. So sollte auch die Finanzierung der Fehlentscheidung bitte privat getätigt werden.

  5. Keine Abwrackprämie bei Hartz IV
    Hartz-IV-Empfänger profitieren nicht von der Abwrackprämie für Altautos. Laut Bundesregierung werden die 2500 Euro auf die Grundsicherung angerechnet. Die Linkspartei spricht von einem “unglaublichen Vorgang”.
    Die Bundesregierung definiert die Abwrackprämie als eine “Einnahme in Geldeswert”, berichtet die “Lausitzer Rundschau”. Das bedeutet, dass die Prämie mit dem Hartz-IV-Grundeinkommen verrechnet wird.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Wenn die Abwrackprämie als „Einnahme eines Geldwertes“ definiert wird, warum müssen dann die Empfänger dieser Prämie den Betrag nicht versteuern? Oder müssen sie das tun?

  6. Abwrackprämie für Fahrräder
    Geld nur für Neuwagen? Der Verkehrsclub Deutschland fordert symbolisch eine Abwrackprämie für Fahrräder. Auch Bus- und Bahntickets sollen gefördert werden.
    Von der Abwrackprämie und den dafür eingesetzten 1,5 Milliarden Euro würden bislang nur Autofahrer profitieren, begründet VCD-Bundesvorsitzender Michael Gehrmann die symbolische Aktion. “Diejenigen, die statt des Autos lieber mit den umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln Bus, Bahn oder Rad fahren, gehen leer aus.”
    Quelle: taz
  7. Tarifliche Regelungen zur Kurzarbeit
    Mit Kurzarbeit versucht eine täglich wachsende Zahl von Betrieben, Beschäftigung zu sichern und Kündigungen zu vermeiden. In zahlreichen Wirtschaftszweigen sehen die Tarifverträge Regelungen zur Einführung und Ausgestaltung von Kurzarbeit vor. Im Mittelpunkt stehen die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte, Ankündigungsfristen sowie die Einkommenssicherung bei Kurzarbeit. Das zeigt eine aktuelle Auswertung, die das WSI-Tarifarchiv in der Hans-Böckler-Stiftung für 18 Branchen vorlegt.
    Quelle: WSI-Tarifarchiv
  8. Zweifel an schneller Wirkung von Rettungspaket
    Die Bundesrepublik hat das größte Konjunkturpaket ihrer Geschichte – doch nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Bofinger lässt seine Wirkung auf sich warten. Hilfreich sei aber das Instrument Kurzarbeit. Trotz aller Bemühungen halten Experten Massenentlassungen jedoch für unvermeidbar.
    Quelle: Spiegel Online
  9. Finanzaufsicht: UBS-Mitarbeiter haben Gesetz «massiv verletzt»
    Nach dem Deal mit den USA wird die UBS von der Finanzmarktaufsicht aufs Schärfste kritisiert. Angestellte hätten die Rechtsrisiken im USA-Geschäft ignoriert und das Bankengesetz massiv verletzt.
    Die Finanzmarktaufsicht gab in der letzten Nacht das Ergebnis der Untersuchung der Eidgenössischen Bankenkommission gegen die UBS in der Steueraffäre bekannt. Einzelne Mitarbeitende der Grossbank hätten in einer beschränkten Zahl von Fällen den Bestimmungen von Abkommen mit den USA zuwider gehandelt. So akzeptierten sie zu US-Steuerzwecken eingeholte schriftliche Erklärungen ihrer Kunden, von denen sie wussten oder hätten wissen müssen, dass sie den US-Steuerstatus des Kunden nicht zutreffend wiedergaben.
    Quelle: Der Bund
  10. Müssen wir jetzt Staaten retten?
    Ist der Staatsbankrott eines Eurolandes vorstellbar? Theoretisch ja. Der große Unterschied der Währungsunion zu allen anderen Nationen besteht darin, dass es zwar eine gemeinsame Währung, aber keinen gemeinsamen Staat gibt. Der Maastricht-Vertrag verbietet der Europäischen Zentralbank (EZB) ausdrücklich, dass sie Staatsanleihen von EWU-Mitgliedern kaufen darf. Deshalb kann es so weit kommen, dass ein Mitgliedsland an den Kapitalmärkten kein Geld mehr aufnehmen kann und zahlungsunfähig wird.
    Die USA, England oder Japan kennen dieses Problem nicht. Solange sie sich in inländischer Währung verschulden, können sie nie bankrott gehen. Denn die Notenbanken dieser Länder drucken zur Not Geld und kaufen damit die Staatsanleihen auf. Das mag die Inflation anheizen, aber der Bankrott ist ausgeschlossen. Anders geht es Entwicklungs- und Schwellenländern, die sich in fremden Währungen verschulden müssen, um an Finanzmittel zu gelangen. Sie laufen ständig Gefahr pleitezugehen. Von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR-online
  11. Sarrazin: Stilgerechter Abschied
    Berlin: Bald wechselt Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) von der Regierungs- zur Bundesbank. Vorher will er die Mietobergrenzen im öffentlichen Wohnungsbestand torpedieren.
    Quelle: Junge Welt
  12. Gemeinnützigkeit ist ein gutes Geschäft
    Die Bertelsmann-Stiftung gibt sich selbstlos und spart dadurch Steuern. Nicht nur dagegen regt sich Widerstand. Die “Bertelsmann-kritische Bewegung” sieht durch das Geschäftsmodell auch die Demokratie in Gefahr.
    Quelle: ver.di Publik
  13. Bochum, ich häng an dir
    Die Verhaftung von Klaus Zumwinkel war der größte Coup der Staatsanwaltschaft Bochum. Doch nun stocken die Ermittlungen gegen Steuersünder, weil um Kompetenzen gerangelt wird. Viele Täter könnten glimpflich davonkommen.
    Die “harten Hunde” von der Ruhr, wie sie einst genannt wurden, haben anscheinend ihren Biss verloren. Steuerfahnder klagen, dass Hunderte Fälle auf Eis liegen, in denen es um Steuerflucht über Stiftungen bei der Treuhandtochter der liechtensteinischen LGT Bank geht. Und von Tag zu Tag wächst ihre Angst, dass am Ende so mancher dieser Steuersünder mit einer milden Strafe davonkommt.
    Die Verteidiger nutzen geschickt die stockenden Ermittlungen, um die Zuständigkeit der Schwerpunktstaatsanwälte infrage zu stellen. Die Vergabe der Verfahren aus ganz Deutschland an Bochum sei nicht plausibel, sagen sie. Zuständig seien Staatsanwaltschaften, in deren Einzugsgebiet die Beschuldigten wohnen oder die Tat begangen wurde. “Warum soll ein Verfahren gegen einen Starnberger vor dem Landgericht Bochum geführt werden?”, fragt Anwalt Leisner.
    Quelle: FTD
  14. Kleber attackiert Partei-Seilschaften
    Aufstand beim ZDF: Weil die unionsnahe Mehrheit im Verwaltungsrat Chefredakteur Nikolaus Brender loswerden will, wehren sich jetzt Kritiker gegen diese Einmischung der Politik. Die geplante Abberufung sei ein “verheerendes Signal”, sagte Moderator Claus Kleber dem SPIEGEL.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung des NDS-Lesers K.F.: Hut ab, Herr Kleber. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

    Siehe dazu auch ein weiterer SPIEGEL-Beitrag:

    ZDF-Prominenz will Chefredakteur vor Absetzung durch Union retten
    Quelle: Spiegel Online

    Ergänzung AM: Ich trau dem Braten nicht. Die Kritik an Brender aus Unionskreisen und jetzt die Unterstützungsaktion von Kolleginnen und Kollegen, die auf wirtschafts- und unionsnahem Kurs segeln, kann auch das Ziel haben, sich selbst als unabhängig darzustellen und Brender als einen quasi Linken erscheinen zu lassen, den man wegen der Pluralität im ZDF schützen muss. Wenn dann das Image so geprägt ist, kann man lustig weitermachen mit einer eindeutig CDU/CSU- und wirtschaftsnahen Medienarbeit. Deshalb Vorsicht mit „Hut ab“.

  15. Naom Chomsky: Warum die Mainstreammedien „Mainstream“ sind
    Die Elitemedien stecken den Rahmen ab, in dem die restlichen Medien operieren.
    Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im Wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten. Sollen die Leute sich mit etwas anderem beschäftigen, Hauptsache, sie stören uns nicht (wobei “wir” die Leute sind, die das Heft in der Hand halten).
    Es gibt hier drei wichtige Bestandteile des Systems, die man sich ansehen sollte. Erstens haben wir die Public-Relations-Industrie, das heißt, die Propagandamaschine der Geschäftswelt. Was sagen also die Topmanager der PR-Industrie? Zweitens sollten wir uns ansehen, was die sogenannten “in der Öffentlichkeit stehenden” Intellektuellen, die großen Denker, die Verfasser der Meinungsseiten in den Zeitungen sagen – all die Leute, die hochbedeutende Bücher über das Wesen der Demokratie und ähnliches mehr schreiben? Als Drittes sollte man den akademischen Bereich untersuchen, besonders diejenigen Aspekte der Kommunikations- und Informationswissenschaften, die schon seit etwa 70 bis 80 Jahren integraler Bestandteil der Politikwissenschaft sind.
    Das sind also drei Bereiche, in denen man einmal darauf achten sollte, was ihre Vertreter so von sich geben und sich ansehen kann, was die führenden Leute geschrieben haben. Wie sich herausstellt, sagen die wichtigen Leute in diesen Bereichen alle im Wesentlichen das Gleiche.
    Mitte der vierziger Jahre schrieb George Orwell als Satire auf einen totalitären Staat, nämlich die Sowjetunion, seinen Roman Animal Farm, der damals ein großer Erfolg war. Alle Welt war begeistert. Später stellte sich heraus, dass er eine Einleitung zu Animal Farm geschrieben hatte, die aber nicht gedruckt wurde. Sie erschien erst dreißig Jahre später, als sie in seinem Nachlass gefunden wurde. Thema dieser Einleitung war die “Literarische Zensur in England”. Orwell sagt dort, dass er sich in seinem Buch natürlich über die Sowjetunion und ihre totalitäre Struktur lustig macht. Aber außerdem schreibt er auch, dass England sich gar nicht so sehr davon unterscheidet. Im Westen werden wir nicht auf Schritt und Tritt von einem KGB kontrolliert, aber das Resultat ist doch weitgehend dasselbe. Wer in seinem Denken zu unabhängig ist oder auf die falschen Gedanken kommt, bekommt keine Chance, seine Ideen zu verbreiten.
    Quelle: znet

    Anmerkung WL: Das ist zwar ein zwölf Jahre alter Text, aber er ist heute so aktuell wie damals.

  16. Wegbereiter
    Es geht in diesen Tagen nicht um Mißfelder. Soviel der Ehre hat diese Karikatur eines Berufspolitikers gar nicht verdient. Es geht darum, dass die Verrohung schon seit Jahren fester Bestandteil der Sozialpolitik ist, und es geht darum, dass eine lang anhaltende Krise zu bitteren Rückgriffen in der deutschen Geschichte führen kann. Es ist nicht damit getan, einen neuen Tyrannen zu vermeiden, denn bereits in der Weimarer Republik wurden Stimmen laut, die mehr Härte gegen Schmarotzer forderten. Wäre Hitlers Kanzlerschaft nie Wahrheit geworden: Wer weiß wie die Vertreter der ersten deutschen Demokratie reagiert hätten, wer weiß, ob nicht sie Zwangslager und Reichsarbeitdienst entworfen hätten. Man braucht keinen Tyrannen und keine rassisch motivierte Ideologie – es reicht Mißfelders, Becks, Metzgers, Sarrazins und Schmidts zu haben, die wie der steten Tropfen den Stein höhlen, die immer wieder verheilte Wunden aufreißen, immer wieder Wege bereiten, die wir dann vielleicht eines Tages, wenn ethisches Denken noch weniger als heute wert ist, zu gehen bereit sind.
    Quelle: ad-sinistram
  17. Kontrolle oder Kollaboration? Seilschaften und Netzwerke der Agro-Gentechnik in Medien und Politik
    Inwieweit arbeiten die zuständigen Ämter in den Bundesländern mit den Großkonzernen Monsanto, Syngenta, Agrevo (heute BAYER CropScience), KWS und BASF bezüglich der Agro-Gentechnik zusammen? Das fragt man sich, wenn man den präzise recherchierten Bericht “Kontrolle oder Kollaboration? Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden” von Antje Lorch und Christoph Then gelesen hat. Er wurde in Auftrag von Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Verbraucherfragen in der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen erstellt.
    Während PolitikerInnen in Parlamenten und Regierungen kamen und gingen, herrschte in den Behörden, die für die Überwachung der Agro- Gentechnik zuständig waren und sind, über Jahrzehnte hinweg eine weitgehende personelle Kontinuität. Sogar in den Fällen, in denen Ämter wie das Bundesgesundheitsamt (BGA) und später das Robert-Koch-Institut (RKI) umstrukturiert wurden, blieb diese Kontinuität weitgehend gewahrt. Die so über die Jahre gewachsenen Seilschaften und Netzwerke sind der Politik oft nicht nur einen Schritt voraus, sondern die betreffenden Experten versuchen in einigen Fällen sogar, politische Entscheidungen aktiv zu unterlaufen bzw. vorwegzunehmen. Es entsteht der Eindruck, dass hier eine Art Parallel-Struktur entstanden ist, die der politischen Kontrolle zunehmend zu entgleiten droht. Unter diesen Rahmenbedingungen haben die Akteure an den Behörden über Jahrzehnte hinweg eine Agenda verfolgt, die eher an einer Zusammenarbeit mit der Industrie ausgerichtet zu sein scheint als an deren unabhängiger und kritischer Kontrolle.
    Quelle: nrhz
  18. Sparkassenklüngel
    Eine Sparkasse macht Schlagzeilen. Dubiose Beraterverträge in Millionenhöhe, bemerkenswerte Geschäftspartner, ein undurchsichtiges Netzwerk und am Ende gigantische Verluste – für den Steuerzahler. Sie zählen zu den Gewinnern in einem Kölner Milliarden-Monopoly. Die Banker von Europas größter Privatbank Salomon Oppenheim und ihr Geschäftspartner, der Baulöwe Josef Esch. Wenn es in Köln lukrative Geschäfte an Land zu ziehen gilt, sind sie zur Stelle. Beste Renditen versprachen öffentliche Bauaufträge – und Geschäfte mit der örtlichen Sparkasse. Der Mann im grauen Anzug ist Gustav-Adolf Schröder, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Köln-Bonn. Er ließ sich auf das Spiel mit den gewieften Privatbankern ein. Ein riskantes Spiel. Mit Steuergeldern. Nachdem der Chef Schröder vorzeitig aus dem Amt und damit aus dem Spiel war, kam heraus: Deutschlands größtes kommunales Kreditinstitut machte dreistellige Millionenverluste. Es geriet in eine dramatische Schieflage. Die Rücklagen weitgehend erschöpft. Das geht aus einem internen Gutachten hervor, das MONITOR jetzt vorliegt…
    Quelle: Monitor wdr
  19. Guantánamo im Einklang mit Genfer Konventionen?
    Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte US-Präsident Obama angekündigt, das umstrittene Gefangenenlager Guantánamo schließen zu wollen. Zudem ordnete er eine Überprüfung der Haftbedingungen an. Jetzt zog ein Regierungsvertreter ein erstes Fazit: Die Gefangenen würden human behandelt. […]
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung KR: Die Zusammenfassung der Tagesschau ist falsch. Der Regierungsvertreter hat keineswegs das Fazit gezogen, dass die Gefangenen gut behandelt werden. Er hat nur mitgeteilt, dass dies im Bericht eines Admirals behauptet wird. Nun kommt es wohl darauf an, ob Obama an seiner Absicht festhält, das Lager zu schließen.

  20. Finanzkrise: Großdemo gegen irische Wirtschaftspolitik
    Kundgebung gegen die Regierung: In der irischen Hauptstadt Dublin sind zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die Wirtschaftspolitik zu zeigen. Innerhalb weniger Monate stürzte die Finanzkrise Irland vom Vorzeigeland Europas an den Rand des Staatsbankrotts.
    Quelle: Spiegel Online

    Kommentar des NDS-Lesers B.H.: Wie war das noch einmal mit dem vielbeschworenen “irischen Tigerstaat”?

  21. Israels Linke ohne Perspektive
    Wirtschafts- und sozialpolitische Themen spielten bei der Wahl kaum eine Rolle. Die linken Parteien haben aber nicht nur zu diesen, sondern auch zu friedenspolitischen Fragen keine Alternativen anzubieten.
    Es ist ein trauriges Häufchen, das von der einstmals so stolzen israelischen Arbeitspartei übrig geblieben ist. Nur knapp über zehn Prozent der Stimmen konnte sie bei den Wahlen auf sich vereinigen. Die Hoffnung des Parteivorsitzenden, Verteidigungsminister Ehud Barak, durch seine gute Presse während der Militäroffensive im Gaza-Streifen den seit mehreren Wahlen anhaltenden Niedergang zu stoppen, hat sich nicht erfüllt. Auch in Israel bestätigte sich einmal mehr die Regel, dass mit rechter Politik kein linker Wahlkampf zu gewinnen ist, da jeder weiß, dass die politische Rechte rechte Politik besser macht
    Quelle: jungle-world


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