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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 25. März 2009 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(MB/WL)
Heute unter anderem mit folgenden Themen:

  • Wir wurden betrogen! Willy Wimmer erinnert an den NATO-Einsatz gegen Jugoslawien
  • Die Ökonomen sind Schuld, nicht die Ökonomie
  • “Milliarden werden ohne Sinn und Verstand verschleudert”
  • James Galbraith: “Es wird höchste Zeit, die Banker für die Allgemeinheit arbeiten zu lassen
  • Untersuchungsausschuss zu HRE gefordert
  • Gysi zum HRE-Gesetz
  • »Es wird grausam für den Arbeitsmarkt«
  • Studie zweifelt an Qualität von Prognosen
  • US-Regierung bereitet Notübernahmen vor
  • Freie Bahn für Kursraketen
  • USA: Die Finanzkrise zeigt ihr Gesicht
  • Geschäfte in Oasen laufen weiter
  • Exportrückgang um 6,0%
  • Chef der Textilkette KiK über den Vorwurf des Lohndumpings
  • Was variable Rentenpolicen bringen
  • Schlauer als die Milliardäre
  • Krankenkassen brauchen 2010 Zusatzbeiträge
  • Stromriesen contra Windkraft
  • Ackermanns Gehalt schrumpft um 90 Prozent
  • Immer mehr Patienten überleben Krebs
  • FDP bekommt Spenden aus der Steueroase Schweiz
  • Gefährdete japanische Mittelstandsgesellschaft
  • Ostdeutsche Milchmädchenrenten

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wir wurden betrogen! Willy Wimmer erinnert an den NATO-Einsatz gegen Jugoslawien
    Als am 24. März 1999 die ersten Bomben auf Belgrad fielen, wollte das in Deutschland noch kein Regierungsmitglied Krieg nennen. Der damalige Außenminister Joschka Fischer beispielsweise nannte den NATO-Einsatz eine “Verteidigung der Menschenrechte”, man müsse eine “humanitäre Katastrophe” verhindern. Dass damals jedoch ganz andere Interessen im Vordergrund standen, erklärt Willy Wimmer im Interview. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war unter Helmut Kohl für Vermittlungen mit Jugoslawien zuständig und 1999 einer der wenigen Gegner des NATO-Angriffs.
    Quelle: wdr5 Politikum (24.03.2009)

    Dazu auch:

    Legitim, aber nicht legal – vor zehn Jahren: Der Kosovo-Krieg und der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr
    Piacenza, 24. März 1999, 19.00 Uhr. Vom Fliegerhorst der italienischen Luftwaffe aus starten zum ersten Mal in der Geschichte Bundeswehr-Kampfflugzeuge in einen Einsatz. Um 20.00 Uhr sollten die Luftoperationen, wie es damals hieß, über dem Kosovo beginnen. Aufgabe der Bundeswehr-Tornados war es, das gegnerische Luftabwehrradar zu identifizieren und zu unterdrücken.
    Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast)

  2. Die Ökonomen sind Schuld, nicht die Ökonomie
    Es waren Ökonomen, die die Ansicht legitimiert und populär gemacht haben, dass eine uneingeschränkte Finanzwirtschaft ein Segen für die Gesellschaft ist. Fast alle waren einer Meinung, wenn es um „die Gefahren der Überregulierung durch die Regierung“ ging. Ihre fachliche Kompetenz – oder was zu der Zeit als solche schien – verlieh ihnen eine privilegierte Position als Meinungsmacher sowie Zugang zu den Schaltstellen der Macht. Sie vergaßen, dass es viele andere Modelle gibt, die in völlig andere Richtungen führen. Durch Hybris entstehen blinde Flecken. An den Lehrbüchern – zumindest denen, die in Kursen für Fortgeschrittene verwendet werden – ist nichts auszusetzen. Während einer weiterführenden Ausbildung in den Wirtschaftswissenschaften setzt man sich im Detail mit Marktversagen und den unzähligen Möglichkeiten auseinander, wie Regierungen dazu beitragen können, Märkte besser funktionieren zu lassen. Tatsächlich ist die Ökonomie ein Werkzeugkasten mit mannigfaltigen Modellen – jedes ist eine andere, stilisierte Darstellung irgendeines Aspektes der Realität. Das Können eines Ökonomen hängt von der Fähigkeit ab, das richtige Modell für die entsprechende Situation auszuwählen. Hinzukommt, dass Ökonomen ihre intellektuellen Zweifel nur widerwillig mit der Öffentlichkeit teilen, um „die Barbaren [nicht zu] ermächtigen“. Kein Ökonom kann vollkommen sicher sein, dass das von ihm bevorzugte Modell korrekt ist. Aber wenn er und andere es in einem Maße verfechten, das Alternativen ausschließt, vermitteln sie letzen Endes einen völlig übertriebenes Maß an Sicherheit darüber, welche Vorgehensweise erforderlich ist.
    Quelle: Projekt Syndicate

    Anmerkung Orlando Pascheit: Etwas einfach macht es sich der geschätzte Dani Rodrik schon und unterschlägt, dass die Mär des sich selbst regulierenden oder stabilisierenden Marktes den Interessen nutzenmaximierender Individuen dient, vor allem den mit Marktmacht ausgestatteten, deren Wohlwollen sich auch gerne Wirtschaftswissenschaftler (und Politiker) versichern.

  3. “Milliarden werden ohne Sinn und Verstand verschleudert”
    Die Regierung gibt für die Bankenrettung Milliarden aus – was künftige Generationen massiv belastet, kritisiert Volker Hauff. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE wirft der Zukunftsberater der Regierung dem Staat vor, keine Strategie zu haben und die “Lahmen und Fußkranken” zu retten.
    SPIEGEL ONLINE: Aber warum schweigt die Öffentlichkeit?
    Hauff: Weil niemand im politischen Bereich die Dinge auf den Punkt bringt. Weil es niemanden gibt, der eine langfristige Strategie entwickelt. Stattdessen werden ohne Sinn und Verstand Milliarden verschleudert. Mich erinnert das an die Erdölkrise in den siebziger Jahren – das damalige Zukunftsinvestitionsprogramm ist komplett verpufft. Deshalb sollte man Verantwortliche fragen, die mit solchen Entwicklungen Erfahrungen haben und Lehren daraus gezogen haben. Stattdessen sind überall die Akteure am Werk, die die Krise verursacht haben. Das kann nicht gut gehen – denn keiner im Bankenbereich redet bislang über die Fehler. Stattdessen sind alle dabei, die Situation schön zu reden.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung WL: Volker Hauff müsste es eigentlich besser wissen: Dass das ZIP komplett verpufft sei, ist kompletter Unsinn.

  4. Untersuchungsausschuss zu HRE gefordert
    Der Niedergang der Bank Hypo Real Estate (HRE) und die massiven Staatshilfen für den Immobilienfinanzierer sollen im Wahljahr von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss durchleuchtet werden. Die Bundestagsfraktion der FDP beschloss die Einsetzung des Gremiums. Zuvor hatte bereits die Partei Die Linke damit geliebäugelt, die Grünen sind ebenfalls dafür.
    Quelle: Handelsblatt
  5. Gysi zum HRE-Gesetz
    Quelle: YouTube
  6. »Es wird grausam für den Arbeitsmarkt«
    Die Konjunkturprogramme sind zu schlapp. Die Abwrackprämie hat zweifelhafte Wirkung. Ein Gespräch mit Heinz-Josef Bontrup, Wirtschaftswissenschaftler an der Fachhochschule Gelsenkirchen
    Quelle: Junge Welt

    Dazu:

    Metallindustrie: „Schwerste Krise seit dem Krieg“
    Wegen des beispiellosen Konjunktureinbruchs droht der Metall- und Elektroindustrie ein kräftiger Personalabbau. „In Umfragen rechnen bis zu 50 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen im Laufe des Jahres mit Beschäftigungsrückgang“, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, am Dienstag in Berlin. Erste Unternehmen hätten bereits betriebsbedingte Kündigungen anmelden müssen. „Und es werden in absehbarer Zukunft sicher noch mehr werden“, warnte Kannegiesser. Die Metallindustrie sei in nur wenigen Monaten vom „höchsten Konjunkturgipfel in die schwerste Krise der Nachkriegsgeschichte“ geschlittert.
    Quelle: Handelsblatt

  7. Studie zweifelt an Qualität von Prognosen
    Soviel Selbstkritik ist selten: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), wegen zu optimistischer Konjunkturvorhersagen selbst in die Kritik geraten, geht in die Offensive und zieht gegen das Prognosewesen der Ökonomen zu Felde. Dazu ließ das Institut eigens eine Studie erstellen mit dem vernichtenden Ergebnis: die Prognostiker haben versagt – nicht einmal, sondern eigentlich schon immer. Zwar würden Konjunkturprognosen schon immer wegen ihrer “vermeintlich zu geringen Verlässlichkeit” kritisiert, heißt es in einer Studie des DIW mit dem Titel “Geben Konjunkturprognosen eine gute Orientierung?”, die Handelsblatt.com vorliegt. Doch in der gegenwärtigen Rezession sei “die Kritik stärker geworden, weil die Prognostiker das Tempo der wirtschaftlichen Talfahrt unterschätzt haben”.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Wir zweifeln diese Prognosen zwar auch an, aber diese Kritik des DIW ist wohl eher ein später Racheakt dafür, dass dieses Institut aus dem Gemeinschaftsgutachten herausgeflogen ist.

  8. US-Regierung bereitet Notübernahmen vor
    Die US-Regierung will den Kongress um weitere Vollmachten für Übernahmen bitten. Künftig sollen auch Verstaatlichungen von Versicherern und Hedgefonds möglich sein. Für die Rettung der Finanzbranche sei wohl mehr Geld nötig, warnt Finanzminister Timothy Geithner. Derweil fordert das DIW erneut eine Bad Bank in Deutschland. Wie die “Washington Post” in seiner Dienstagausgabe unter Berufung auf ein Regierungsdokument schrieb, solle die Machtbefugnis auch für große Versicherer, Investmentfirmen und Hedgefonds gelten, deren Zusammenbruch der Wirtschaft schaden könne. Bisher kann die US-Regierung nur Banken verstaatlichen.
    Quelle: manager-magazin
  9. Freie Bahn für Kursraketen
    Das Rettungspaket der US-Regierung lässt die Kurse fliegen. Wenn tatsächlich private Investoren den Müll aus den Bankbilanzen schaufeln, könnte das der ersehnte Befreiungsschlag sein.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nun haben Raketen die Eigenart, genauso schnell wie sie hinausschießen auch wieder herunterzukommen. Die Wall Street schloss bereits wieder im Minus. Das Erste, was den Börsianer wohl auffiel, war, wie Paul Krugman bemerkte, dass Gewinne ohne hohes Risiko zu machen seien, das eigentliche Risiko trage letztlich der Steuerzahler. Inzwischen hört man aber von Börsianern, warum sollte sich eine Bank von einem Wertpapier trennen, von dem sich die so genannten Public-Private Investment-Funds eine Wertsteigerung gegenüber dem Kaufpreis versprechen. Die Bank habe ja eher ein Interesse, Papiere mit einem Abwärtspotenzial loszuwerden, an denen den Anlegern wiederum nicht gelegen sei. Die Schnittmenge, bei der Anleger als auch Banken die Problempapiere unterschiedlich einschätzten, sei eher klein. Das heißt aber, dass nur wenige Transaktionen zustandekämen.

  10. USA: Die Finanzkrise zeigt ihr Gesicht
    “Tent City”, Zeltstadt in Sacramento – hier landen Menschen, die Haus und Hof verloren haben. Wie vor 80 Jahren, als die “Great Depression” Tausende nach Kalifornien trieb. Doch heute sind es keine Arbeiter und Bauern, die hier Zuflucht suchen.
    Quelle: Tagesspiegel
  11. Geschäfte in Oasen laufen weiter
    Trotz steigenden Drucks betreibt die Deutsche Bank nach wie vor Geschäfte auf den Kanal- und Cayman-Inseln. Die Union blockiert SPD-Gesetzentwurf gegen Steuerflucht. Ihre Dienstleistung für die wohlhabende Kundschaft beschreibt die Deutsche Bank ohne Umschweife: “… der Vorteil besteht oft darin, die Steuerbelastung zu reduzieren …” Mit solchen und ähnlichen Hinweisen wirbt die größte Bank des Landes weiterhin für die Kapitalanlage in Steueroasen. Diese Geschäfte laufen weiter, obwohl der politische Druck auf die Banken und die Regierungen der Steuerhinterzieher-Staaten steigt.
    Quelle: TAZ
  12. Exportrückgang um 6,0%
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, gingen die deutschen Ausfuhren im vierten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 6,0% auf ins­gesamt 233,8 Milliarden Euro zurück. Preisbereinigt sanken die Ausfuhren im gleichen Zeitraum um 7,8%. Für das Gesamtjahr 2008 ergab sich ein Anstieg der Exporte gegenüber dem Jahr 2007 um 3,1% auf insgesamt 994,9 Milliarden Euro. Preisbereinigt erhöhten sich die Ausfuhren 2008 um 1,9%.
    Quelle: Statistisches Bundesamt
  13. Chef der Textilkette KiK über den Vorwurf des Lohndumpings
    Streit mit Ver.di und Marken vom Discounter: “Wir werden falsch verstanden”
    Herr Heinig, Sie sind gerade in der zweiten Instanz zur Lohnnachzahlung verurteilt worden, sprechen dabei aber von zwei Einzelfällen. Heißt das, Sie bezahlen ihre übrigen 14 000 Mitarbeiter nach Recht, Gesetz und den guten Sitten entsprechend?
    Stefan Heinig: KiK bezahlt fair, marktüblich und pünktlich. Und das schon seit Jahren. Im Übrigen geht es hier nicht um alle unsere 14 000 Mitarbeiter, sondern allenfalls um die Gruppe der 3500 so genannten 400-Euro-Kräfte.
    Zumindest in diesen beiden Fällen müssen Sie jetzt statt eines Stundenlohns von 5,20 Euro 8,21 Euro zahlen. Es gibt Leute, die Ihre Praktiken Lohndumping nennen.
    Heinig: Genau das ärgert mich, denn es ist in Wahrheit nichts dergleichen. Wir werden in der Öffentlichkeit falsch verstanden, vielleicht sogar mit Absicht. Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass Ver.di die Angelegenheit fair darstellt. Die Wahrheit ist: Die Mitarbeiterinnen bekommen nach dem Urteil faktisch weniger Geld als vorher. Aber in der Berichterstattung werden äußerst unfair Netto- und Bruttolöhne durcheinender geworfen, da werden Äpfel mit Birnen verglichen.
    Sortieren Sie mal: Was sind die Äpfel, und was sind die Birnen?
    Heinig: Beginnen wir mit dem, was wir in den beiden strittigen Fällen gezahlt haben, nämlich 6,80 Euro pro Stunde. Davon haben wir – was bei den 400-Euro-Jobs möglich ist – pauschal 30 Prozent für Steuer und Sozialversicherungsabgaben abgezogen und weitergegeben, dann müssen sich die Mitarbeiterinnen darum nicht mehr kümmern. Sie haben also 5,20 Euro ausbezahlt bekommen. Das ist der Nettolohn. Von dem geht nichts mehr runter.
    Quelle 1: Welt

    Anmerkung N.T.: Keiner versteht ihn, die Gesellschaft ist ja soo ungerecht. Müssen wir jetzt mit dem Textildiscounter und seinem Chef Mitleid haben?

    Ergänzende Anmerkung: Ohne die beiden vor Gericht verhandelten Minijobs zu kennen – die meisten Minijobs sind für die Arbeitnehmer/innen sozialversicherungsfrei und die Arbeitgeber zahlen nur sehr geringe pauschale Sozialversicherungsbeiträge (15% Rentenversicherungsbeitrag – die Mitarbeiter/innen können die Differenz zu 19,9% aufstocken – und 13% Krankenversicherungsbeitrag). Diese geringen Sozialversicherungsbeiträge sind ja auch seit Jahren der Grund dafür, dass reguläre Beschäftigungsverhältnisse in Minijobs aufgeteilt werden. Die Lohnsteuer ist sehr gering und wird oft pauschal vom Arbeitgeber übernommen.

    Quelle 2: Minijobzentrale
    Quelle 3: Minijobzentrale
    Quelle 4: Minijobzentrale

  14. Was variable Rentenpolicen bringen
    Anbieter variabler Rentenpolicen versprechen gute Renditen und hohe Sicherheit. Doch die Garantie ist für den Anleger nicht billig.
    Quelle: Financial Times Deutschland
  15. Schlauer als die Milliardäre
    Unter dem Titel Perspektiven veröffentlicht die Sächsische Zeitung kontroverse Essays und Analysen zu aktuellen Themen. Texte, die aus der persönlichen Sicht des Autors zur Diskussion anregen sollen. Heute: Wirtschaftsprofessor Gert G. Wagner über die erstaunliche Gelassenheit der deutschen Sparer in der weltweiten Finanzkrise.
    Auch die meisten Rentner können bislang beruhigt sein: Sie beziehen umlagefinanzierte Renten, die von der Finanzmarktkrise nicht direkt betroffen sind. 2009 werden die Renten sogar deutlich steigen. Und da die Riester-Verträge, mit denen man seine Zukunft am Kapitalmarkt absichern soll, sich – trotz neuer Rekordzahlen, die gemeldet werden – nach wie vor nur schleppend verkaufen, müssen die meisten Menschen mittleren Alters auch nicht befürchten, dass ihr künftiges Alterseinkommen von Verlusten geschmälert wird. Insofern stimmt es, dass die derzeit noch halbwegs gute Stimmung etwas mit „finanzieller Unbildung“ zu tun hat. Aber genau andersherum als Ökonomen sich das vorgestellt haben: Weil die Menschen in Deutschland in Finanzdingen sehr konservativ sind, haben jetzt viele zu Recht keine Angst vor der Finanzkrise.
    Zwar stimmen die Prognosen der Finanzberater, dass die gesetzliche Rente langfristig kein besonders gutes Geschäft ist, durchaus, aber dafür sichert sie auch die privat nicht vernünftig versicherbare „Erwerbsunfähigkeit“ ab und die gesetzliche Rente kennt auch keine kurzfristig katastrophalen Entwicklungen. Und wir leben nun einmal in der kurzen Frist. Wer jetzt in Rente geht und auf eine kapitalgedeckte Rente angewiesen wäre, wie das bei vielen Amerikanern der Fall ist, dem ist nicht geholfen, wenn in 20 Jahren sein Vermögen wieder enorm angewachsen sein möge. Denn er kann diesen zwar wahrscheinlichen, aber unsicheren Vermögenszuwachs nicht beleihen und hier und heute nicht davon leben!
    Quelle: Sächsische Zeitung
  16. Krankenkassen brauchen 2010 Zusatzbeiträge
    Kassenpatienten müssen sich darauf einstellen, im nächsten Jahr einen Zusatzbeitrag für ihre gesetzliche Krankenversicherung zu zahlen. Das geht aus dem Monatsbericht der Bundesbank hervor. Auch die Versicherer selber spielen das Szenario durch.
    Quelle: Financial Times Deutschland
  17. Stromriesen contra Windkraft
    Eon und EdF wollen die erneuerbaren Energien deckeln, damit die Atomwirtschaft nicht ins Hintertreffen gerät.
    Quelle: FR

    Dazu:

    Lichtblick
    Es ist schon fast wieder sympathisch, wie offen – man könnte auch sagen unverhohlen – Eon vorgeht beim Verteidigen des eigenen Geschäftsmodells. Dabei ist die Analyse der Konzernstrategen über den britischen Energiemarkt zutreffend: Atomkraft und erneuerbare Energien vertragen sich nicht – ein Argument, das bislang übrigens Kernkraftgegner angeführt haben. Es zeigt, dass die einst als Öko-Spinner verspotteten Erzeuger regenerativer Energie von den ganz Großen inzwischen als Bedrohung wahrgenommen werden. Wenn das so weitergeht, vor allem wenn der Fortschritt der Fertigungstechniken so weitergeht, werden wir in fünf, sechs Jahren auf unseren Hausdächern Strom zum Steckdosenpreis produzieren können. Genau davor haben Eon und Co. furchtbar Angst. Denn dann brauchen wir die Atomkraftwerke nicht mehr. Die Versorgung mit Strom durch große zentrale Kraftwerke wird abgelöst von einer dezentralen Struktur: Viele kleine Erzeuger schließen sich zu Netzen zusammen.
    Quelle: FR

    Dazu auch noch:

    Generation Atom
    Bei der Jugend schwinden die Vorbehalte gegen Kernkraft. Die Branche nutzt die positive Stimmung und verpackt die Kernbotschaft in flotte Sprüche.
    Quelle: Wirtschaftswoche

  18. Ackermanns Gehalt schrumpft um 90 Prozent
    Misserfolg schlägt also doch auf die Managergehälter durch: Dem gesamten Vorstand der Deutschen Bank sind 2008 alle erfolgsabhängigen Komponenten des Gehaltes gestrichen worden. Deutsche-Bank-Chef Ackermann muss damit auf 90 Prozent seiner Bezüge von 2007 verzichten – und bekam 1,39 Millionen Euro…dank üppiger Boni hatte der Vorstandschef zuletzt fast 14 Millionen Euro verdient.
    Quelle: Börse.ARD

    Anmerkung WL: Da muss sich Ackermann aber einschränken.

  19. Immer mehr Patienten überleben Krebs
    Erfolgreicher Kampf gegen Krebs: Einer europäischen Studie zufolge steigt die Zahl derjenigen, die ihre Tumorerkrankung überleben. Doch die Qualität der Therapie unterscheidet sich in den Ländern stark. Während Polen das Schlusslicht ist, glänzt Frankreich.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: In einem gut recherchierten Artikel würde man auch gerne Näheres zur Position Deutschlands erfahren und nicht Interviews aus dem letzten Jahr. Desweiteren fehlt eine Problematisierung des Früherkennungssystems in Deutschland vor den Hintergrund gesundheitspolitischer Entscheidungen der letzten Jahre. Generell ist wieder einmal festzustellen, dass der Standort Deutschland, der sich häufig in seinem ominösen Titel Exportweltmeister sonnt, in vielen anderen Bereichen schwächelt. Die Erfolge des Export- und Handelskapitals sind auch bei der Gesundheit der Bürger nicht angekommen.

  20. FDP bekommt Spenden aus der Steueroase Schweiz
    Über 75.000 Euro aus der Steuerfluchtburg Schweiz, die derzeit bei vielen Politikern am Pranger steht, konnten sich die FDP und ihr Chef Guido Westerwelle freuen. Als Adresse des Absenders firmierte eine Villa in der Dufourstraße 121 in St. Gallen. Rund 50 wenig bekannte Aktiengesellschaften oder Holdings mit Namen wie Alpha, Omega oder Jupiter logieren in dem überschaubar großen Haus.
    Die deutsche Finanzaufsicht BaFin rät möglichen Anlegern bei solchen Anschriften in der Schweiz eher zur Vorsicht.
    Auch einige Weggefährten von Westerwelle sind zumindest formal mit dem Spender-Domizil in der Dufourstraße 121 geschäftlich verbunden.
    Sein Bruder Kai ist laut Handelsregister Verwaltungsrats-Präsident der dort ansässigen Taishan Invest AG. Jörg Arntz, persönlicher Assistent des FDP-Chefs bis 2007, ist danach Vizepräsident der ebenfalls dort gemeldeten Mountain Super Angel AG, deren Aktien im Freiverkehr an der Frankfurter Börse als sogenannte «Pennystocks« derzeit für unter 40 Cent je Stück gehandelt werden.
    Persönlicher Absender der FDP-Spende aus St. Gallen im Jahr 2008 war Cornelius Boersch, der Westerwelle nach eigenen Angaben seit Jahren als Wirtschaftsberater zur Seite steht.
    Der FDP-Chef nahm, wie das Bundestags- Handbuch zu den Nebeneinkünften ausweist, in der Vergangenheit wiederholt Einladungen gegen stattliches Honorar zu Vorträgen vor der Schweizer Finanzwelt an.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten

    Anmerkung WL: Vielleicht verstehen Sie jetzt besser, warum sich Westerwelle so massiv für die Steuerhinterziehungsoasen einsetzt.

  21. Gefährdete japanische Mittelstandsgesellschaft
    Fragt man einen Japaner, wie er seinen sozialen Status beschreiben würde, so wird man in der Regel die Antwort bekommen, dass er sich als Angehöriger des Mittelstands betrachtet. Der wirtschaftliche Aufstieg nach dem Kriege machte es möglich, dass immer mehr Japaner sich ein Häuschen und ein Auto sowie alle möglichen Haushaltsgeräte leisten konnten. Anderseits vermieden es die Angehörigen der Elite, durch protziges Auftreten den Eindruck einer Klassengesellschaft zu schaffen. Mit dem Platzen der Spekulationsblase Ende der achtziger Jahre wurden zwei Eckwerte des bisherigen japanischen Gesellschaftsvertrags, die lebenslange Beschäftigung und das Senioritätsprinzip, im Interesse der Effizienzsteigerung in ihrem Stellenwert kräftig reduziert. Immer mehr Firmen lockerten die Anstellungsverhältnisse und stellten temporäre Arbeitskräfte ein. Es entstand der neue Typ des «Freeter», eine Wortkombination von «freelance» und «Arbeiter». Über die Jahre hinweg sollten schliesslich die «Freeter», die auf Zeit Beschäftigten, einen Drittel aller Arbeitskräfte stellen. Solange zu Beginn des 21. Jahrhunderts der vorwiegend von der Exportindustrie getragene Aufschwung anhielt, waren die «Freeter» in einer Gesellschaft, die mit einem durch die rasche Überalterung bedingten Arbeitskräftemangel zu kämpfen hat, willkommen. Mit der jüngsten Krise sollte sich indessen das Blatt drastisch wenden. Unter den Zehntausenden von Arbeitskräften, die in den letzten Monaten und Wochen entlassen wurden, stellen Ausländer und «Freeter» den Hauptharst. Unter den zunehmend schwierigen Bedingungen kommen nun auch Fakten an den Tag, welche den sozialen Abstieg vieler Japaner aufzeigen und damit Japans Anspruch, eine Mittelstandsgesellschaft zu sein, in Frage stellen.
    In den japanischen Medien ist in letzter Zeit vermehrt das Thema der «working poor» aufgegriffen worden. Betroffen sind neben den «Freeter» vor allem auch die Frauen. Die Menschen arbeiten zwar, vermögen aber aufgrund der minimalen Saläre nicht mehr den Abstieg in die Armut zu verhindern. Extreme Beispiele dieser neuen Armut sind Obdachlose, die in öffentlichen Anlagen ihr Zelt aufschlagen oder die in Internetcafés die Nacht verbringen. Inzwischen kann man auch einige Kleinstunternehmer zu den «working poor» zählen. Das Versiegen von Aufträgen zwingt manch einen Kleinstunternehmer dazu, auf sein Erspartes zurückzugreifen, um den Betrieb noch am Leben zu halten. Im Gegensatz zu den USA, wo die öffentliche Infrastruktur vernachlässigt wurde, braucht Japan keine neuen Strassen und Brücken. Viel grösser ist der Nachholbedarf im Wohnungsbereich. Allzu viele Japaner leben noch sehr beengt und auf jeden Fall nicht in Umständen, die man mit der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt in Verbindung bringen würde. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die OECD Tokio ermahnt hat, die Herausforderung der wachsenden Einkommensunterschiede ernst zu nehmen. Laut der OECD soll Japan inzwischen beim Reichtumsgefälle unter den Industriestaaten an vierter Stelle stehen.
    Quelle: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bemerkenswert ist, dass sich in den beiden wichtigsten Exportnationen unter den hochentwickelten Volkswirtschaften, Deutschland und Japan, ein ähnliche gesellschaftliche Schieflage entwickelt. 41 Prozent der Japaner arbeiten heute entweder befristet, als Leiharbeiter oder in Teilzeit. Bei uns sind das etwa 30 Prozent, aber Japan hat auch etliche Krisenjahre mehr auf den Buckel. Ähnlich auch die politische Reaktion. Würde in Japan heute gewählt, würden 10 Prozent der Wähler links wählen, allerdings “richtig” links. Die KP Japans hat enormen Zulauf, und die Reden des Parteichefs Kazuo Shii werden von Hunderttausenden im Internet heruntergeladen. Der 1929 erschienene, klassenkämpferische Roman “Karnikosen” wurde inzwischen fast 800.000 Mal verkauft gegenüber 5000 Abnehmern pro Jahr in der Zeit davor. Das Beängstigende ist, dass Japan uns die Situation zeigt, wenn alles wirtschaftspolitische Pulver verschossen ist. Die Fiskalpolitik lebt nach den Stützungsprogrammen der 90er sowie den jüngsten inzwischen mit einer Staatsverschuldung von fast 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Bank of Japan kann die Leitzinsen nicht mehr senken. Diese liegen seit 13 Jahren unterhalb der Ein-Prozent-Marke; zurzeit sind es 0,1 Prozent. Die Zentralbank akzeptiert schon längst Anleihen mit niedriger Bonität als Sicherheit. Sie kauft derzeit langfristige Regierungsanleihen von 1,4 auf 1,8 Billionen Yen (14 Mrd. Euro) auf und erwägt, den Geschäftsbanken durch Übernahme nachrangiger Schuldverschreibungen im Umfang von einer Billion Yen (rund acht Milliarden Euro) unter die Arme zu greifen. Wie überall sollen dadurch die Banken ermuntert werden, Firmen stärker mit Krediten zu versorgen.


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