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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. April 2009 um 8:52 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(MB/AM/WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • US-Ökonom Stiglitz: “Deutschland muss mehr tun”
  • Thomas Fricke – Steinbrück begeht Harakiri
  • Einzelhandelsumsatz im Februar 2009 gegenüber Februar 2008: real – 5,3%
  • Arbeitskampf in der Krise: Der Aufstand der Verzweifelten
  • HSH-Nordbank-Rettung: “Ein ganzes Parlament als Geisel”
  • Lasst die Banken pleitegehen
  • Bilanzkosmetik gegen die Finanzkrise
  • Geld für Lehman-Opfer – Fraspa zahlt mal zwei Drittel, mal gar nichts
  • Was vom Sparplan übrig bleibt
  • Franz Walter: Fatale Furcht ergreift die ewigen Verlierer
  • Rasterfahndung mit Telekom-Kundendaten
  • Kassenpatienten sollen deutlich mehr bezahlen
  • Labile Demokraten in den Hörsälen
  • Uni Bolognese – “Bachelorstudenten ticken anders”
  • “Bild” als Wahlkämpfer – das Beispiel 2002
  • Streitfall ZDF: Polit-Kampagne gegen Chefredakteur – Klage vor dem Verfassungsgericht?
  • Safety 1st plus – Das Schulportal für soziale Sicherung und private Vorsorge
  • Mit Verlaub, Herr Präsident: Wer ist „Wir“?

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. US-Ökonom Stiglitz: “Deutschland muss mehr tun”
    Die Industriestaaten geben Billionen aus, um die Krise zu bekämpfen. Zu wenig, kritisiert US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: Im SPIEGEL-ONLINE-Interview spricht er über Fehler bei der Bankenrettung, zaghafte Politiker – und erklärt, warum wir trotzdem glimpflicher davonkommen als in der Großen Depression.

    SPIEGEL ONLINE: Herr Stiglitz, viele Ökonomen vergleichen die Finanz- und Wirtschaftskrise mit der Großen Depression. Wird es wirklich so schlimm?

    Stiglitz: Es wird schlimm, sehr schlimm. Wir erleben den tiefsten Wirtschaftseinbruch nach dem Krieg, und wir haben die Talsohle noch nicht erreicht. Ich bin sehr pessimistisch. Zwar reagieren die Regierungen heute besser als während der Weltwirtschaftskrise im vergangenen Jahrhundert. Sie senken die Zinsen und kurbeln die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen an. Das geht in die richtige Richtung, aber es reicht nicht aus.

    SPIEGEL ONLINE: Die US-Regierung hat mehr als eine Billion Dollar für die Bankenrettung und 789 Milliarden Dollar als Konjunkturspritze eingesetzt. Wollen Sie behaupten, das ist zu wenig?

    Stiglitz: In der Tat. Mehr als 700 Milliarden klingt viel, ist es aber nicht. Zum einen wird ein Großteil des Geldes erst im kommenden Jahr ausgegeben und kommt damit zu spät. Zum anderen versickert ein Drittel in Steuersenkungen. Die bringen den Konsum nicht richtig in Schwung, weil die Leute einen Großteil des Geldes sparen. Ich befürchte, dass die Wirkung des US-Konjunkturprogramms nicht einmal halb so groß ausfallen wird wie erwartet.

    Quelle: Spiegel online

  2. Thomas Fricke – Steinbrück begeht Harakiri
    Japans Premier schimpft, Herr Steinbrück habe nicht verstanden, warum Konjunkturpakete wichtig sind. Herr Steinbrück richte eine Menge Schaden an, urteilt Nobelpreisträger Paul Krugman. Andere zweifeln an Herrn Steinbrücks Grundverständnis für Ökonomie. Nur einer sieht das anders: Herr Steinbrück. Der findet, dass Historiker mal loben werden, wie gut das war, dass es in der Krise 2008/09 die Große Koalition (mit Finanzminister Sie-wissen-schon) gab. Wahnsinn. Dabei ist noch gar nicht sicher, ob die Historiker nicht eher klagen werden, wie schlimm die Krise durch Herrn Steinbrück wurde. Immerhin lässt der deutsche Finanzminister derzeit kaum eine Gelegenheit aus, vor furchtbarer Inflation zu warnen, damit bloß keiner weitere Konjunkturpakete fordert – obwohl das erstens erstaunlich leichtfertig diffuse deutsche Ängste bedient und zweitens womöglich in die Dauerkrise führt.

    Im realen Weltwirtschaftsleben ist entscheidend, wie schnell sich die Wirtschaft erholt, nicht, wie viel Geld geschaffen wird. Und das Fatale ist: Je weniger aus diffuser Teuerungsangst heute für die Rettung der Konjunktur getan wird, desto wahrscheinlicher wird ein Szenario, in dem die Welt in eine Dauerkrise rutscht und von steigenden Preisen irgendwann träumt wie die Japaner. Es bringt relativ wenig, die Weltwirtschaft jetzt in den Tod zu stürzen, nur weil sie vielleicht in ein paar Jahren als Folge erfolgreicher Konjunkturpolitik einen vorübergehenden Inflationsschub erleidet. Angesichts der Alternative wäre das wunderbar.
    Quelle: FTD

    Anmerkung AM: Wenn die SPD-Führung Herrn Steinbrück weiter gewähren lässt, wenn sie ihn nicht aus seinem Amt als Finanzminister zurückzieht, dann verdient sie bei den Wahlen ein Ergebnis unter 20 %. Denn das Unglück einer massiv werdenden Krise mit zweistelliger Arbeitslosigkeit und dem Zusammenbruch vieler Firmen verdanken wir dieser Person und der mit ihm zusammen wirkenden Bundeskanzlerin. Beide zusammen gehören abgestraft. Eine bessere Gelegenheit als die Bundestagswahlen gibt es nicht. – Die SPD-Führung hat es in der Hand, das Blatt noch zu wenden. Viel Zeit bleibt ihr nicht, denn das Gegensteuern braucht auch Zeit, bis es wirkt.

    Für mich ist es übrigens unvorstellbar, wie eine Partei, die eine große Zahl von ausgezeichneten bis guten Ökonomen in ihren Reihen und sogar in der Parteispitze hatte, so auf den makroökonomischen Hund kommen kann, wie das mit Steinbrück und vorher mit Eichel geschehen ist. Ich erinnere an die Reihe: Karl Schiller, Klaus Dieter Arndt, Herbert Ehrenberg, Alex Möller, Helmut Schmidt, Wolfgang Roth, Oskar Lafontaine, selbst der Fraktionsvize und für die Wirtschaftspolitik zuständige Junghans war noch einsame Spitze verglichen mit Steinbrück und jenen in der Bundestagsfraktion, die in den letzten Jahren und heute für die Wirtschaftspolitik zuständig sind. Und auch die Nichtökonomen Alex Möller und Oskar Lafontaine waren um Welten qualifizierter als der studierte Nationalökonom Steinbrück.

    Zu Steinbrück siehe auch das Kapitel 5 im Kritischen Jahrbuch 2008/2009: „Klippschul-Ökonomie à la Peer Steinbrück“

  3. Einzelhandelsumsatz im Februar 2009 gegenüber Februar 2008: real – 5,3%
    Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Februar 2009 nominal und real jeweils um 5,3% niedriger als im Februar 2008. Der Februar 2009 hatte allerdings mit 24 Verkaufstagen einen Verkaufstag weniger als der Februar 2008. Das Ergebnis für Februar 2009 wurde mit Daten aus sieben Bundesländern berechnet, in denen circa 76% des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel getätigt werden. Im Vergleich zum Januar 2009 stieg der Umsatz im Februar 2009 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,2% und sank real um 0,2%.

    Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im Februar 2009 nominal 6,4% und real 7,3% weniger um als im Februar 2008. Dabei verzeichneten Supermärkte, SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte einen Rückgang von nominal 6,6% und real 7,4%. Beim Facheinzelhandel mit Lebensmitteln lagen die Umsätze nominal um 4,4% und real um 6,2% niedriger als im Vorjahresmonat.

    Auch im Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln wurde im Berichtsmonat nominal und real weniger als im Februar 2008 umgesetzt (nominal – 4,0%, real – 3,9%). Dabei lagen die Umsatzwerte in allen Unterpositionen dieses Bereichs nominal und real unter denen des Vorjahresmonats.

    In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal und real jeweils 3,3% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

    Dazu auch eine tabellarische Übersicht auf destatis.de

    Anmerkung AM: In der Phoenix Runde vom vergangenen Dienstag wies ich darauf hin, dass der Einzelhandelsumsatz schon seit längerer Zeit stagniert und zurückgeht. Dem widersprach das Mitglied im Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Karl Brenke, heftig. Ich war erstaunt bis sprachlos, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie der Vertreter eines als bedeutend geltenden Instituts so wenig Bescheid wissen kann. Heute dann die erneute Bestätigung durch das Statistische Bundesamt. Vor einem Monat war das nicht anders und im letzten Jahr auch nicht und im Jahr davor auch nicht. Die Einzelhandelsumsätze gehen seit 2007 real zurück. Sie sind auch in den Jahren davor nur minimal gestiegen. – Das hat sich bis zum DIW in Berlin noch nicht herumgesprochen. Auch das sagt viel über den Zustand des herrschenden Teils der Nationalökonomie.

  4. Arbeitskampf in der Krise: Der Aufstand der Verzweifelten
    Hungerstreiks, Geiselnahmen, Selbstverbrennungen – in der Krise greifen Beschäftigte mittlerweile weltweit zu aufsehenerregenden Mitteln, um gegen ihre Entlassung zu protestieren. Auch hierzulande geben sich die ersten nicht mehr mit Transparenten und Demos zufrieden. Vier Beispiele.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  5. HSH-Nordbank-Rettung: “Ein ganzes Parlament als Geisel”
    Mitten im Poker um den Rettungsplan für die HSH Nordbank taucht eine Strafanzeige auf. Der Hamburger Staranwalt Gerhard Strate wirft Vorständen und Aufsichtsräten der Krisenbank kollektiv schwere Untreue vor – bei einer Verurteilung drohen den Bankern bis zu zehn Jahre Gefängnis.
    Quelle: Manager-Magazin

    Anmerkung MB: Da frage ich mich schon, ob der Herr Staranwalt das für die gute Sache oder zur Pflege seines Images macht.

  6. Lasst die Banken pleitegehen
    Die Krise spitzt sich zu, die Notrufe, ob von Opel oder Schaeffler, werden lauter. Die Bundeskanzlerin sieht Deutschland in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945. „Eine solche Rezession, die gleichzeitig in allen Ländern der Welt stattfindet, hatten wir seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie“, verkündet Angela Merkel am 11. März via „Bild“-Zeitung dem deutschen Wahlvolk. Gleichzeitig will die Bundesregierung weiterhin „Maß halten“. Dennoch tut sie, was in ihren Kräften steht, um alle Banken zu retten. In diesem Punkt sind die CDU-Kanzlerin und der SPD-Kanzlerkandidat völlig einer Meinung. Aber, so muss einmal gefragt werden, ist wirklich jede Bank systemrelevant?
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  7. Bilanzkosmetik gegen die Finanzkrise
    Amerikanische Banken erhalten mehr Spielraum bei der Bilanzierung toxischer und illiquider Papiere. Damit müssen sie deutlich weniger Abschreibungen vornehmen. Der US-Kongress und diverse Banken hatten in den vergangenen Wochen auf eine Lockerung der Bilanzierungsregeln gedrängt, weil sie sonst kein Ende der Milliarden-Abschreiber sehen. Durch Abschreibungen wird das Eigenkapital der Banken aufgezehrt, was die Institute wiederum zwingt, ihr Kreditgeschäft einzuschränken. Die Entscheidung des Financial Accounting Standards Board erhöht den Druck auf die für Europa verantwortlichen Rechnungslegungsorganisation IASB. Verschiedene Banken beklagen sich schon länger die unterschiedlichen Regeln in den USA und Europa.
    Quelle: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bereits im vorigen Jahr war bereits in den USA und Europa die Bilanzierungsregeln gelockert worden. Die neuen Regeln scheinen noch weiter weg vom Marktwert gewisser Papiere zu gehen. Wenn dies nun auch der neue Kurs der G-20 nach London sein wird, heißt das für die Bürger jener Regierungen, die toxische Papiere aufkaufen, dass sie noch mehr bluten müssen.

  8. Geld für Lehman-Opfer – Fraspa zahlt mal zwei Drittel, mal gar nichts
    Um die 5000 ihrer Kunden hatten Zertifikate der inzwischen insolventen Investmentbank gekauft, Entschädigungszahlungen, mit denen das Haus Beratungsfehler eingestehen würde, erhält keiner. Trotzdem gehen nicht alle leer aus wie der Lehrer im Ruhestand. In einer Reihe von Fällen beteiligt sich die Sparkasse am entstandenen Schaden mit einem Drittel, der Hälfte oder auch zwei Drittel. Freilich nur, wenn sie einen „wirtschaftlichen Härtefall“ sieht, und ausdrücklich nur aus Kulanz. Nach den Worten von Hartmut Tschacksch, der als Rechtsanwalt für die Verbraucherzentrale Hessen arbeitet, wird vor allem älteren Menschen solch eine Zahlung angeboten und solchen, die vor dem Zertifikate-Kauf niemals in Wertpapieren investiert hatten.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine
  9. Was vom Sparplan übrig bleibt
    Fondssparpläne gehören zu den Lieblingsanlagen der Deutschen. Doch Abgeltungsteuer und Verwaltungskosten können die Erträge aufzehren.
    Quelle: Tagesspiegel
  10. Franz Walter: Fatale Furcht ergreift die ewigen Verlierer
    Wut und Frustration wachsen im unteren Drittel der deutschen Gesellschaft – die sogenannten kleinen Leute verlieren jede Zukunftszuversicht: Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Mit Begriffen wie Chance können die Abgehängten nichts anfangen, ihre Verbitterung über die Parteien wächst.

    Mit dem Begriff der “Chance” können sie nichts anfangen. Auf die Formel “Chance durch Bildung” reagieren sie gar wütend. Jeder oder jede von ihnen, der/die – sagen wir – über 16 Jahre ist, erfasst ganz realistisch, dass die Chancen-Bildungs-Gesellschaft für ihn oder sie bedeutet, in den nächsten Jahrzehnten ohne Aussichten, ohne Ansehen, erst recht ohne Möglichkeiten des Weiterkommens zu bleiben. Denn Bildung war ja der Selektionshebel, der sie in die Chancenlosigkeit hineinsortiert hatte. Bildung bedeutet für sie infolgedessen das Erlebnis des Scheiterns, des Nicht-Mithalten-Könnens, der Fremdbestimmung durch andere, die mehr gelesen haben, besser reden können, gebildeter aufzutreten vermögen.

    Das Leben und die Arbeit der früheren Schreiner, Tischler, Bergarbeiter, Hausfrauen und Näherinnen wurden so aus der “Leistungsgesellschaft” der postindustriellen Eliten verbannt. Seither ist an der früheren, alt gewordenen Basis der arbeitsamen Industriegesellschaft eine Verbitterung zurückgeblieben, die auch die Erosion der Volksparteien in Teilen erklärt. Denn diese waren nicht mehr die Schutzmächte der “kleinen Leute”, als die sie ursprünglich Stimmen gesammelt hatten.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung MB: „Mit Begriffen wie Chance können die Abgehängten nichts anfangen …“ Wie sollten sie im Jahr 5 der Hartz-Reform Nummer 4?
    Was die Studie aber verkennt, ist die Tatsache, dass ein wachsender Arbeitsmarkt, auch Menschen aufnehmen könnte, die eine geringe oder eine dem Strukturwandel zum Opfer gefallene Qualifikation haben.

  11. Rasterfahndung mit Telekom-Kundendaten
    Die Deutsche Telekom habe dem Bundeskriminalamt (BKA) nach dem 11. September 2001 ohne ersichtliche Rechtsgrundlage Millionen von Kundendaten für groß angelegte Rasterfahndungen bereitgestellt, berichten gut informierte Konzernkreise der FR. Dabei sei es jedoch nicht um die Suche nach bestimmten Straftätern oder konkrete Gefahren gegangen, sondern um eine umfassende Durchrasterung von nahezu allen Kunden-Datenbeständen der Telekom, berichten Zeugen. Hatte das Privatunternehmen Telekom überhaupt das Recht, seine vertraulichen Kundendaten für den massenhaften Abgleich den Behörden zur Verfügung zu stellen? “Datenschutz und Datensicherheit für Kunden und Nutzer haben für die Deutsche Telekom konzernweit eine hohe Priorität”, heißt es in den Richtlinien des Unternehmens. “Deshalb ist uns auch der Schutz personenbezogener Daten während aller Geschäftsprozesse sehr wichtig.” Doch es gibt Zweifel daran, ob diese Grundsätze eingehalten wurden. In den Kundendaten sei nach den Terroranschlägen von New York 2001 anhand bestimmter Kriterien nach potenziellen “Schläfern” gesucht worden, heißt es aus dem Konzern. Die Rasterfahndung habe unter anderem in einem Rechenzentrum der Telekom stattgefunden. Führungskreise des Unternehmens sehen bis heute keine ausreichende Rechtsgrundlage für das heimliche Durchforsten von Millionen Kundendaten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  12. Kassenpatienten sollen deutlich mehr bezahlen
    Die Experten des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung in Kiel wollen Kassenpatienten künftig viel mehr aus eigener Tasche bezahlen lassen. Die Krankenkassen stellen dann nur noch eine „Grundversorgung“, Zusatzleistungen müssten die Patienten privat begleichen. Das bisherige System von Zuzahlungen – die Praxisgebühr, Arzneimittel- und Krankenhauszuzahlungen – mache das System der gesetzlichen Krankenversicherung zunehmend unübersichtlich, erläuterten die Wissenschaftler am Donnerstag in Berlin. „Wir brauchen endlich klare und einsehbare Regelungen bei Zuzahlungen und Festbeträgen im Rahmen eines Gesamtkonzepts“, erklärte Institutsleiter Fritz Beske.
    Quelle: Focus
  13. Labile Demokraten in den Hörsälen
    Das Interesse vieler Studierenden an der Politik schwindet. Einer Untersuchung zufolge sind in den Hörsälen und Seminaren überzeugte und gefestigte Demokraten inzwischen in der Minderheit.
    Quelle: Böckler
  14. Uni Bolognese – “Bachelorstudenten ticken anders”
    Diplom und Magister waren gestern, die Hochschulen stellen massiv um auf Bachelor und Master: Überfälliger Aufbruch oder Verschlimmbesserung? Für seine Doktorarbeit hat der Politologe Roland Bloch Studenten befragt – und sieht einen Trend zum stromlinienförmigen Akademiker.

    Die Verschulung des Studiums ist ein deutscher Sonderweg. Hier wurde strukturiert, wo Flexibilität gefördert werden sollte. Alles spricht dafür, dass die Reformen eher die Mobilität hemmen. Wegen der eng definierten Module und des straffen Zeitplans ist es kaum möglich, während des Studiums die Uni zu wechseln.
    Quelle: Spiegel

  15. “Bild” als Wahlkämpfer – das Beispiel 2002
    Als die “Financial Times Deutschland” ihren Lesern am 16. September 2002 in einem ganzseitigen Leitartikel empfahl, bei der Bundestagswahl für die CDU/CSU zu stimmen, löste das große Aufregung aus. Die “Bild”-Zeitung sprach davon, dass die Zeitung “ein journalistisches Tabu in Deutschland” breche und behauptete: “Erstmals in der Pressegeschichte der Bundesrepublik gibt eine Zeitung eine Wahlempfehlung zugunsten einer Partei ab!” Dabei gibt die “Bild”-Zeitung selbst regelmäßig Wahlempfehlungen ab — sie steht nur nicht dazu.
    Quelle: BildBlog
  16. Streitfall ZDF: Polit-Kampagne gegen Chefredakteur – Klage vor dem Verfassungsgericht?
    Ulrich Wickert, ehemaliger Moderator der “Tagesthemen”: “Ich halte die Proteste der Politiker nicht für sehr glaubwürdig. Denn sie sagen etwas, aber sie handeln nicht. Politiker könnten, und das ist das einzig Vernünftige was sie machen könnten, nämlich das Bundesverfassungsgericht anrufen.” Und so die Zusammensetzung der ZDF-Gremien überprüfen lassen. Das könnte jede Landesregierung. Auch die, in der die FDP mitregiert. Oder ein Drittel der Bundestagsabgeordneten, zum Beispiel die SPD-Fraktion. Auch die Grünen könnten über ihre Hamburger Regierung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: “Eine Klage gegen diese Zusammensetzung hätte hohe Chancen. Weil das Verfassungsgericht immer gesagt hat, der Staat darf zwar begrenzt Vertreter in Rundfunkgremien entsenden und auch politische Parteien, aber es darf kein beherrschender, kein übermäßiger Einfluss sein.” Trotz der Erfolgsaussichten: Nur vollmundige Beteuerungen. Vor Gericht will bislang keine der Parteien ziehen. Weder die kleinen noch die große SPD. Aus gutem Grund. Steffen Grimberg, Medienredakteur der “taz”: “Weil natürlich die SPD, genau wie die CDU, schon da ihren Einfluss bei den öffentlich-rechtlichen weiter wahrnehmen will. Vielleicht nicht ganz so stark – vielleicht nicht ganz so dümmlich, wie das jetzt von Koch und Stoiber veranstaltet wird – mit Blick auf Brender und die ganze Klamotte. Aber ich glaube nicht, dass die SPD wirklich bereit sein wird, da komplett rauszugehen.” Spielwiese ZDF. Doch was immer deutlicher wird: Es geht beim Streitfall Brender letztlich nicht um einen Sender, sondern um das gesamte öffentlich-rechtliche System. Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man darüber lachen. Ausschnitt “Pelzig unterhält sich” vom 24.03.2009: “Aber hören Sie mal, dass ein Ministerpräsident direkt Einfluss nimmt auf Personalentscheidungen eines Fernsehsenders, ganz ehrlich, bei uns hier in Bayern völlig undenkbar – Spaß muss sein, oder?”
    Quelle: NDR-Zapp
  17. Safety 1st plus – Das Schulportal für soziale Sicherung und private Vorsorge
    Wie funktioniert die Rente und die soziale Sicherung? Was muss jeder selbst tun und wo hilft einem der Staat? Für Schülerinnen und Schüler liegt die Rente noch in ferner Zukunft. “Safety 1st plus” ist ein umfassendes Lern- und Informationsangebot für Schülerinnen und Schüler für die Sekundarstufe II.
    Quelle 1: Wirtschaft und Schule (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)

    Anmerkung MB: „Safety1st plus“ ist ein Projekt von „Jugend + Bildung“ (Partner sind u.A. verschiedene Bundesministerien, das Handelsblatt, die Frankfurter Rundschau sowie die Bertelsmann Stiftung) und das Informationszentrum der deutschen Versicherer “Zukunft klipp + klar”, eine Einrichtung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV).
    Quelle 2: Safety1st
    Quelle 3: Jungend und Bildung
    Quelle 4: Zukunft klipp + klar

  18. Mit Verlaub, Herr Präsident: Wer ist „Wir“?
    Carl-Ludwig Holtfrerich, Wirtschaftshistoriker (bis zu seiner Emeritierung Professor an der FU Berlin) in der Financial Times Deutschland:

    In seiner nunmehr vierten Berliner Rede hat sich Bundespräsident Horst Köhler am 24. März 2009 mit den Ursachen, Lehren und möglichen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auseinander gesetzt. Seine zentrale Erkenntnis lautet: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt.”

    Ich reibe mir verwundert die Augen und lese den Satz ein zweites Mal. … Aber was hat die Aussage mit der Realität in Deutschland zu tun?

    Noch nie gab es in der Bundesrepublik eine so lange Periode stagnierender oder gar sinkender Realeinkommen von Arbeitern, Angestellten, Beamten, Rentnern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern wie in den letzten 15 Jahren. In dieser Zeit bauten die Fehlentwicklungen des globalen Kapitalismus Druck auf, der sich in der New-Economy-Krise 2000/01 nur teilweise entlud. Als Folge der amerikanischen Subprime-Hypothekenkrise rumorte der Vulkan im Sommer 2007 erneut, bis er mit der Lehman-Pleite im September 2008 mit voller Wucht ausbrach. In dieser ganzen Zeit haben die privaten Haushalte, d.h. die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung, keineswegs über ihre Verhältnisse gelebt. Im Gegenteil, die realen Konsumausgaben stagnierten oder sanken, während die Sparquote der privaten Haushalte angesichts der tendenziell steigenden Arbeitslosenquote und damit der finanziellen Unsicherheit eher anstieg.

    Die Masse der deutschen Bevölkerung hat unter dem Lebensstandard gelebt, der ihr zugestanden hätte und möglich gewesen wäre, wenn nach der jahrzehntelang bewährten Regel die Reallohnentwicklung mit dem Produktivitätswachstum der Wirtschaft Schritt gehalten hätte. Weil im Inland zu wenig konsumiert und investiert wurde, also die Binnennachfrage zu gering war, hat sich (in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) in den letzten Jahren der höchste Exportüberschuss entwickelt, den es je in Deutschland nicht nur seit 1945, sondern seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert gab. Auch in dieser gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zeigt sich, dass „Wir“ in der Bundesrepublik nicht über, sondern unter unseren Verhältnissen gelebt haben. Bei uns hätte die Binnennachfrage kräftig erhöht werden können, ohne das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu gefährden. Auch im Euroraum wäre so das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung gestärkt worden. Es wäre sogar ein wirksamer Beitrag zum Abbau der globalen Ungleichgewichte gewesen.

    Quelle: FTD

    Anmerkung eines unserer Leser:

    Dem Beitrag Prof. Carl-Ludwig Holtfrerich ist über weite Strecken zuzustimmen.

    Zu zwei Anmerkungen von Prof. Holtfrerich möchte ich jedoch Widerspruch anmelden:

    1. Zu Köhlers Satz “Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt” schreibt Prof. Holtfrerich:
      “Er bedient das menschliche Bedürfnis, in Zeiten großer Unsicherheit und Gefahr zusammenzurücken und zusammenzuhalten.”

      Nach meiner Auffassung ist Köhlers Hauptmotiv, von dem politischen und ökonomischen Versagen vieler unserer “Eliten” abzulenken und die Schuld für die heutige desaströse Finanz- und Wirtschaftskrise auch den “kleinen Leuten” in die Schuhe zu schieben. Köhlers Motto:

      “Wir sind doch alle kleine Sünderlein.”

    2. Prof. Holtfrerich schreibt:

      “Aber ein Anstieg der Staatsverschuldung bedeutet nur dann, dass die Bevölkerung heute über ihre Verhältnisse und zu Lasten zukünftiger Generationen lebt, wenn daraus nicht Investitionen in die Zukunft finanziert werden. Denn diese kommen den nachfolgenden Generationen zugute, wie die Ausgaben für die Infrastruktur und den Bildungssektor, die das Konjunkturprogramm der Bundesregierung jetzt vorsieht. Nicht der Anstieg der Staatsverschuldung als solche ist ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit, sondern nur die Schuldenfinanzierung staatlicher Konsum- und Sozialausgaben sowie anderer Transferleistungen.”

      Prof. Holtfrerich bleibt die Begründung für seine Behauptung von der “Schuldenfinanzierung staatlicher Konsum- und Sozialausgaben sowie anderer Transferleistungen” schuldig.

      Diese These läßt sich nicht aufrechterhalten.

    Hierzu drei Anmerkungen:

    • Die staatliche Neuverschuldung liegt unterhalb des Niveaus der staatlichen Investitionen. Somit ist selbst nach den Kriterien von Prof. Holtferich die staatliche Neuverschuldung nicht problematisch: “Aber ein Anstieg der Staatsverschuldung bedeutet nur dann, dass die Bevölkerung heute über ihre Verhältnisse und zu Lasten zukünftiger Generationen lebt, wenn daraus nicht Investitionen in die Zukunft finanziert werden.”
    • Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) im März 2008 zur Entwicklung der Sozialleistungen sowie der Transfereinkommen für den Zeitraum 4. Quartal 2004 bis 3. Quartal 2007: “Noch gravierender waren allerdings die Auswirkungen bei den Transferempfängern. Die realen Transfers an die privaten Haushalte sind in diesem Aufschwung um fast 6% zurückgegangen. Im vorigen Aufschwung waren sie noch um knapp 4 % gestiegen. Dahinter verbergen sich die Nullrunden bei den nominalen Renten, stagnierende nominale Leistungen bei Kindergeld, BAföG und anderen staatlichen Leistungen. Nur zu einem geringen Teil hat auch die niedrigere Arbeitslosenzahl dazu beigetragen.”

      Quelle: Wer profitiert vom Aufschwung?

      Der im Vergleich zu den Vorjahren stärkere Anstieg der Renten im Wahljahr 2009 ändert nichts am negativen Entwicklungs-Trend der Sozialleistungen und Transfereinkommen. Die Rentenanpassung wird mit aller Wahrscheinlichkeit bereits im Jahre 2010 wieder zu einem inflationsbereinigten Rentenminus führen.

    • Das Staatsdefizit hatte sich in den vergangenen Jahren aufgrund günstiger Rahmenbedingungen der Weltkonjunktur verringert. Mit dem Ausbruch der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise rächt sich nun jedoch die seit ca. 15 Jahren betriebene staatliche Steuersenkungspolitk zu Gunsten der Spitzenverdiener und der Besitzer großer Vermögen (drastische Senkung des Spitzensteuersatzes, Abschaffung der Vermögensteuer, mehrmalige Senkung der Unternehmensteuern, sowie aktuell: die von der Bundesregierung beschlossene Senkung der Erbschaftsteuer).

      Diese Steuersenkungen in Verbindung mit der immer ungleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung haben zusätzliches Spekulationskapital in das “internationale Spielkasino” gespült und sind somit mitverantwortlich für die heutige schwere Finanz- und Wirtschaftskrise.

    Zusammengefaßt: Die These von Prof. Holtfrerich bezüglich der Schuldenfinanzierung von Sozialausgaben bzw. Transfereinkommen läßt sich nicht aufrechterhalten.


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