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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 25. Juli 2017 um 8:47 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. How economics became a religion
  2. War‘s das schon, Emmanuel Teflon?
  3. Die Geheimtreffen der „Vereinigten deutschen Motorenwerke“
  4. Wie Amerikas Sanktionen gegen Russland Deutschland treffen
  5. Cash ist out! – Paypal, Square & Co starten durch
  6. Warum die Ungleichheit in Städten weltweit zunimmt
  7. Immobilienpreise durchbrechen eine Schallgrenze
  8. Der Boden stellt eine gigantische Umverteilungsmaschinerie dar
  9. Warum Paris, London und Rom schuld an der Krise sind
  10. Beihilfe zur Hungersnot
  11. Williger Komplize der Militärdiktatur
  12. Leben wir bald in einer Technokratie?
  13. Darum ist Microsoft Office 365 ein Fall für den Betriebsrat
  14. Die israelische Administrativhaft
  15. Und ewig grüßt der Freiherr zu Guttenberg
  16. Nachhilfe in Euphorie
  17. Die überregionalen Medien haben die Bevölkerung vergessen
  18. Warum informieren Sie sich im Internet?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. How economics became a religion
    Its moral code promises salvation, its high priests uphold their orthodoxy. But perhaps too many of its doctrines are taken on faith.
    lthough England has an established church, few of us today pay it much mind. We follow an even more powerful religion, around which we have oriented our lives: economics. Think about it. Economics offers a comprehensive doctrine with a moral code promising adherents salvation in this world; an ideology so compelling that the faithful remake whole societies to conform to its demands. It has its gnostics, mystics and magicians who conjure money out of thin air, using spells such as “derivative” or “structured investment vehicle”. And, like the old religions it has displaced, it has its prophets, reformists, moralists and above all, its high priests who uphold orthodoxy in the face of heresy.
    Over time, successive economists slid into the role we had removed from the churchmen: giving us guidance on how to reach a promised land of material abundance and endless contentment. For a long time, they seemed to deliver on that promise, succeeding in a way few other religions had ever done, our incomes rising thousands of times over and delivering a cornucopia bursting with new inventions, cures and delights.
    This was our heaven, and richly did we reward the economic priesthood, with status, wealth and power to shape our societies according to their vision. At the end of the 20th century, amid an economic boom that saw the western economies become richer than humanity had ever known, economics seemed to have conquered the globe. With nearly every country on the planet adhering to the same free-market playbook, and with university students flocking to do degrees in the subject, economics seemed to be attaining the goal that had eluded every other religious doctrine in history: converting the entire planet to its creed.
    Yet if history teaches anything, it’s that whenever economists feel certain that they have found the holy grail of endless peace and prosperity, the end of the present regime is nigh. On the eve of the 1929 Wall Street crash, the American economist Irving Fisher advised people to go out and buy shares; in the 1960s, Keynesian economists said there would never be another recession because they had perfected the tools of demand management.
    The 2008 crash was no different. Five years earlier, on 4 January 2003, the Nobel laureate Robert Lucas had delivered a triumphal presidential address to the American Economics Association. Reminding his colleagues that macroeconomics had been born in the depression precisely to try to prevent another such disaster ever recurring, he declared that he and his colleagues had reached their own end of history: “Macroeconomics in this original sense has succeeded,” he instructed the conclave. “Its central problem of depression prevention has been solved.”
    Quelle: John Rapley im Guardian
  2. War‘s das schon, Emmanuel Teflon?
    Emmanuel Macron will sich als der „French Obama“ inszenieren. Nach Putin, Trump, Merkel empfängt er nun Bono und Rihanna. Doch nach nicht einmal 100 Tagen im Amt erlebt er einen spektakulären Absturz.
    „Emmanuel Teflon“ nennen sie ihn bereits, den Präsidenten, an dem alle Probleme abzugleiten scheinen wie an einer beschichteten Pfanne. Auf dem internationalen Parkett mag Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron eine gute Figur gemacht haben, aber bei den Franzosen wachsen Zweifel daran, ob der neue Präsident wirklich halten wird, was er versprochen hat. […]
    Kommunikation ist wichtig, aber nicht alles. Denn trotz der schönen Fotos von Macron als U-Boot-Kommandanten, im Anzug eines Kampffliegers oder beim Abendessen mit den Trumps im Eiffelturm quittieren die Franzosen seine ersten zehn Wochen mit einem spektakulären Absturz seiner Beliebtheitswerte: Innerhalb eines Monats hat Macron zehn Punkte verloren, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop ergab.
    Noch 54 Prozent der Befragten sind zufrieden mit dem neuen Präsidenten. Nach der Wahl im Mai waren es 62, dann stieg sein Beliebtheitsbarometer sogar auf 64 Prozent. Nur Jacques Chirac hatte die Franzosen noch schneller enttäuscht als Emmanuel Macron.
    Quelle: WELT

    Anmerkung JB: Das war zu erwarten und ist sicher noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

    dazu: Der “Mutant” tritt in die Konfliktzone
    Die Umfragewerte sinken und in der Libyen-Politik steuert der französische Präsident einen Konfrontationskurs mit Italien an […]
    Indessen wundert man sich in Italien über den politischen Kurs, den der laute Protagonist einer starken europäischen Gemeinschaft mit seiner Libyen-Politik fährt. Für morgen ist ein Treffen angesetzt, zu welcher der offizielle libysche Regierungschef Fayez al-Serraj und General Khalifa Haftar eingeladen sind.
    Das Treffen findet in der Region Paris statt, auf Initiative von Macron. Also nicht in Rom, nicht auf Betreiben der italienischen Regierung. Darin steckt Konfliktstoff, beanspruchte doch Italien bislang die Führungsrolle in der EU, wenn es um Libyen ging. Italien sei am Limit wegen der vielen Migranten, die aus Libyen ins Land kommen, es werde allein gelassen und baue auf europäische Solidarität – der Rettungsruf Italiens war dominierendes Thema der letzten Wochen, wenn es um die EU und ihren Zusammenhalt ging.
    Der Kommentar des italienischen Direktors des Institute of Global Studies in Rom, Nicola Pede, macht auf Bruchlinien zwischen Frankreich und Italien aufmerksam. Er gibt den Eindruck wieder, dass Macron in Libyen “ganz eigene wirtschaftliche und politische Ziele verfolgt”. Dass es ihm weniger um die EU oder die Solidarität zu Frankreich gehe, sondern mehr darum, das Standing Frankreichs zu verbessern und die außenpolitischen Kontakte etwa zu den Vereinigten Arabischen Staaten zu vertiefen.
    Quelle: Telepolis

  3. Die Geheimtreffen der „Vereinigten deutschen Motorenwerke“
    Jahrzehntelang gaben sich Deutschlands Autokonzerne als unschlagbare Elite, die technische Maßstäbe setzt. Dahinter steckte womöglich das größte Kartell der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Der Diesel-Skandal droht nun zu eskalieren.
    Es sollte die ganz große Bühne sein, als sich Daimler und Volkswagen bei der Los Angeles Auto Show anschickten, den Amerikanern endlich die Liebe zum Diesel beizubringen. Also luden die Deutschen ins Kodak Theatre, im Herzen Hollywoods – wo einige Monate zuvor die Oscars an die besten Schauspieler, Regisseure, Kameraleute und Kostümdesigner verliehen worden waren.
    An diesem Abend im November 2006 nun sollte es nur deutsche Gewinner geben. Deshalb standen statt US-Filmstars der damalige VW-Markenchef Wolfgang Bernhard, Mercedes-Technikvorstand Thomas Weber und Wolfgang Hatz von Audi auf der Bühne und präsentierten in seltener Eintracht ihre Diesel-
    Der Treiber dieser Kooperation war Harnstoff. Mit dessen Hilfe sollten die Abgase von giftigen Stickoxiden gereinigt werden, sodass der Diesel endlich auch die strengen US-Abgasgrenzwerte einhalten würde. 2008 sollte es so weit sein.
    Es hätte eine saubere Sache werden können: weniger Abgase, weniger Gift, eine offene Allianz. Die Rede war damals von den „Vereinigten deutschen Motorenwerken“, dem großen Pakt der Deutschen. Ein bisschen Welt AG, nur anders. Der Deal damals platzte. Doch womöglich war die Bluetec-Allianz der Beginn von Absprachen der großen deutschen Autohersteller – und Keim von Dieselgate.
    Damals, 2006, sah es so aus, als sei die Allianz einfach nur so eine Idee gewesen. Bernhard, der erst kurz zuvor von Daimler zu Volkswagen gewechselt war, verschwand wieder Richtung Stuttgart. Und in Wolfsburg wollte man von Bluetec bald nichts mehr wissen.
    Zu teuer soll VW der Einbau der neuen Technik gewesen sein. Stattdessen tüftelte man an einer Software, um die Abgaswerte manipulieren zu können. Die Diesel würden damit die Grenzwerte auf den Prüfständen einhalten können – allerdings nur dort. Seit Anfang 2007 führte Martin Winterkorn den VW-Konzern.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Man beachte: „Zu teuer soll VW der Einbau der neuen Technik gewesen sein.“ Der Schutz der Umwelt und die Gesundheit der Menschen hätten die Rendite geschmälert, sprich die Dividendenausschüttungen an die Reichen und Superreichen wären wohl zu gering gewesen, das ist der Punkt.

  4. Wie Amerikas Sanktionen gegen Russland Deutschland treffen
    Hinter Amerikas neuen Russland-Sanktionen stecken knallharte Wirtschaftsinteressen. Es sieht nicht gut aus für die Freundschaft zwischen Amerika und Europa.
    An diesem Dienstag könnte das amerikanische Repräsentantenhaus einen Gesetzesentwurf verabschieden, der das Potential hat, das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union auf Dauer zu trüben. Das Gesetz soll die Sanktionen gegen Russland verschärfen, das verdächtigt wird, die amerikanischen Wahlen manipuliert zu haben.
    Eine erste Version hat in der anderen Kammer des Parlaments, dem Senat, eine überwältigende Mehrheit von 97 der 100 möglichen Stimmen gefunden. Das ist Beleg für eine parteiübergreifende Harmonie, die im polarisierten Washington selten geworden ist. […]
    Eines der im Gesetzesentwurf klar formulierten Ziele ist Nord Stream 2. Die Pipeline soll russisches Erdgas nach Deutschland bringen. Die amerikanische Außenpolitik hat schon lange schwere Bedenken gegen die Pipeline und warb bereits unter Präsident Barack Obama dafür, sie nicht zu genehmigen. Aus amerikanischer Sicht verstärkt sie die Abhängigkeit der EU von Russland und schwächt ihre wichtigen Partner Polen und Ukraine, die in Washington eine starke Lobby haben.
    Quelle: FAZ
  5. Cash ist out! – Paypal, Square & Co starten durch
    Nur Bares ist Wahres? Das war einmal! Vor allem junge Menschen bezahlen lieber bargeldlos. Das Marktpotenzial für die Anbieter entsprechender Infrastruktur ist riesig, Übernahmefantasie in der Branche – wie nach den jüngsten Angeboten für Worldpay und Paysafe – facht die Kurse der Payment-Anbieter zusätzlich an. Die wichtigsten Aktien im Check. Die Deutschen sind bekanntlich ein Volk der Barzahler. Vor allem bei kleineren Summen bis 49 Euro greift die absolute Mehrheit zu Münzen und Scheinen – Beträge bis zehn Euro zahlen laut einer GfK-Studie 95 Prozent bar. Zwar wächst mit der Höhe der Beträge auch die Bereitschaft zum bargeldlosen Bezahlen mit Bank- oder Kreditkarten, im Laden mit dem Smartphone zu bezahlen sorgt hierzulande dagegen häufig noch für fragende Blicke – meist auch vom Kassenpersonal selbst. Andere Länder sind da schon viel weiter. Doch auch hierzulande sind junge Menschen, die mit Internet und Smartphones aufgewachsen sind, deutlich experimentierfreudiger. Hinzu kommt, dass beim boomenden Online-Shopping sowieso kein Weg an bargeldlosen Zahlungen mehr vorbeiführt. Laut dem World Payments Report gab es 2016 weltweit rund 433 Milliarden bargeldlose Transaktionen. Analysten von HSBC rechnen damit, dass deren Zahl auf Sicht der kommenden fünf Jahre um zehn Prozent pro Jahr weiter wächst. Grund genug für einen genauen Blick auf die aussichtsreichsten Unternehmen der Payment-Branche. Vantiv: Neuer Payment-Gigant Mit seinem zehn Milliarden Dollar schweren Übernahmeangebot für den britischen Konkurrenten Worldpay hat der US-Zahlungsabwickler Vantiv Anfang Juli nicht nur den Grundstein für einen neuen Payment-Riesen gelegt, sondern womöglich auch den Startschuss für eine Konsolidierung in der Branche gegeben. Die Idee hinter dem geplanten Zusammenschluss: Vantiv, der größte Abwickler von Kreditkartenzahlungen in den USA, erwirtschaftet bisher etwa die Hälfte der Umsätze mit großen Einzelhandelsketten.
    Quelle: Der Aktionär

    Anmerkung JK: Wie bereits erwähnt (Bargeldlos gegen Geldwäsche und Kriminalität? So einfach ist es dann doch nicht) geht es bei der Bargeldabschaffung um ein gigantisches Geschäft und die politische Elite ist wieder einmal der beflissene Diener der Finanzindustrie.

  6. Warum die Ungleichheit in Städten weltweit zunimmt
    Das Problem hoher Mieten in den Großstädten ist weltweit zu beobachten. Was sind die Gründe dafür? Eine nicht unerhebliche Rolle spielt der Immobilienmarkt als internationale Geldanlage-Möglichkeit – was sich auch in deutschen Großstädten, speziell in Berlin seit einigen Jahren verstärkt beobachten lässt.
    Deutschland brauche im Prinzip ein neues Wohnungsbauförderungsgesetz, wie es 1989 abgeschafft wurde, sagte der Stadtforscher Sebastian Schipper im Deutschlandfunk Kultur. Denn die Folgen der Nicht-Förderung seien unübersehbar: Deutlich mehr Geld für Miete muss ausgegeben werden. Das bedeute zwangsläufig Verzicht in anderen Bereichen des Lebens, etwa beim Urlaub. Wie können Stadtgesellschaften funktionieren, wenn eine Mehrheit der Bewohner die Mieten kaum zahlen kann bzw. besteht nicht die Gefahr, dass die Situation kippt?
    Schipper sagt, aus heutiger Sicht sie es eine Fehlentscheidung gewesen, 1989 das Wohngemeinnützigkeitsgesetz abzuschaffen. Das Gesetz förderte private Investoren, Institutionen oder Genossenschaften, die sich verpflichteten, gemeinnützig zu wirtschaften und maximal eine kostendeckende Miete zu erheben sowie die Eigenkapitalrendite zu begrenzen. Knapp fünf Millionen Wohnungen seien in Deutschland auf diese Weise entstanden. Doch Ende der 80er-Jahre sei man der Ansicht gewesen, man brauche diese Wohnraumförderung nicht mehr.
    Watty: Das Problem hoher Mieten in den Großstädten ist weltweit zu beobachten, welche sind die wichtigsten Gründe dafür?
    Schipper: Das ist natürlich eine breite Debatte, die stark argumentiert, dass eben die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen gestiegen wäre, das Angebot einfach zu knapp wäre. Ich denke, diese Art der Erzählung reicht ein Stück weit zu kurz beziehungsweise blendet zwei zentrale Megatrends der Wohnungspolitik aus. Das eine ist die Vermarktlichung oder Neoliberalisierung von Wohnungspolitik, also ein Stück weit ist ein Bestand von bezahlbarem Wohnraum verloren gegangen durch Privatisierungstendenzen, durch Rückzug aus sozialem Wohnungsbau.
    Der zweite Trend ist vielleicht der, den man als Finanzialisierung bezeichnen kann, dass ebenfalls in vielen Ländern neue Akteure entstanden sind, halt institutionelle Investoren, börsennotierte Wohnungsunternehmen, die jetzt zunehmend eben in Immobilien investieren, eben auch in Wohnimmobilien und die halt systematisch darauf ausgerichtet sind, entsprechende Mietsteigerungen auch durchzusetzen.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  7. Immobilienpreise durchbrechen eine Schallgrenze
    In immer mehr Landkreisen durchbrechen die Kaufpreise für Wohneigentum eine symbolische Schallmauer. Dort müssen für eine 100 Quadratmeter große Durchschnitts-Immobilie inzwischen Beträge gezahlt werden, die das 30-Fache der erzielbaren Jahresnettokaltmiete übersteigen.
    Auch in Berlin dürfte die 30-Jahresmieten-Grenze bald überschritten sein. Dort müssen Käufer für eine Durchschnittswohnung bereits 29,3 Jahresnettokaltmieten bezahlen. Auch wegen der hohen Kauf-Nebenkosten wird Wohneigentum damit für viele Haushalte unerschwinglich. Da viele Käufer es zudem darauf anlegen werden, den hohen Kaufpreis wieder einzuspielen, dürften in der Folge auch die Mieten weiter steigen.
    Das Verhältnis aus Kaufpreis und Jahresmiete ist ein entscheidender Indikator für Anleger, die eine Immobilie als Renditeobjekt kaufen. Je kleiner dieser sogenannte Vervielfältiger ausfällt, umso höher die Ertragschancen. Ein Vervielfältiger von 30 und mehr gilt unter Experten als ungünstig. Wer so hohe Kaufpreise bezahlt, kann mit normalen Mieteinnahmen kaum noch Gewinne erzielen.
    Das HWWI berechnete auch die Kostenbelastung für Mieter. Demzufolge mussten Mieter in München 2016 mehr als 44 Prozent ihres Einkommens für eine 70-Quadratmeter-Wohnung ausgeben. In Hamburg waren es 36,7 Prozent, in Frankfurt 40,7 und in Berlin fast 38 Prozent.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Die rasant steigenden Mieten bedeuten eine nicht unerhebliche Gefahr für die konjunkturelle Entwicklung. Das Geld, das für die Miete aufgewendet werden muss steht für andere Ausgaben nicht mehr zur Verfügung. Gerade Menschen mit geringerem Einkommen werden dadurch stark belastet. Zu verdanken haben wir dies, dem nach seinem Tod fast heiliggesprochenen früheren Bundeskanzler Kohl, unter dessen Regierung dem sozialen Wohnungsbau der Garaus gemacht wurde.

  8. Der Boden stellt eine gigantische Umverteilungsmaschinerie dar
    Prof. Dr. Dirk Löhr über Bodenpolitik – ein im öffentlichen Diskurs ausgeblendetes und gewaltig unterschätztes Thema.
    Der Wert eines Grundstücks ist das Resultat von Investitionen der öffentlichen Hand, also des Steuerzahlers. Von den oft enormen Wertsteigerungen profitieren jedoch fast nur die privaten Grundstückseigentümer. Eine andere Bodenpolitik wäre nicht nur gerechter, sondern würde dem Gemeinwohl auch noch weitere Vorteile bringen. Dirk Löhr ist Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld. Löhr schreibt in seinem Blog Rent Grabbing über ökonomische Renten und ihre Aneignung.
    Herr Löhr, warum ist das Thema “Boden” ein wichtiges politisches Thema?
    Dirk Löhr: Wenn wir die aktuelle Situation auf dem Immobilienmarkt betrachten, dann fallen teilweise enorme Preissteigerungen in bestimmten Städten und Regionen auf, aber auch recht unterschiedliche Entwicklungen.
    Fragen wir nach den Ursachen, dann stellen wir fest, dass die Baupreise wesentlich geringer gestiegen sind als die Bodenpreise, zumindest in den Ballungsräumen. So kostet eine identische Wohnung heute in München mehr als das Siebenfache wie in Gelsenkirchen. Das liegt an der unterschiedlichen Attraktivität bezüglich Arbeitsplätzen und Arbeitskräften, Infrastruktur, Kultur- und Freizeitangebot, Sicherheit usw.
    Die Voraussetzungen hierfür sind öffentliche Leistungen und Infrastruktur, die vor allem vom Bund, von den Ländern und von den Kommunen bereitgestellt werden. Finanziert werden diese Leistungen durch Abgaben, die größtenteils von Verbrauchern und Arbeitnehmern aufgebracht werden. Nutznießer sind die privaten Grundstückseigentümer, die von der Inwertsetzung der Standorte enorm profitieren, denn die Besteuerung des Bodens ist ja minimal. Der Boden stellt somit eine gigantische Umverteilungsmaschinerie dar. Die Ungerechtigkeit bei der Bodenrente ist eine der Hauptursachen für die zunehmende Arm-Reich-Schere. Seltsamerweise ist das bisher kaum jemandem bewusst
    Quelle: Telepolis
  9. Warum Paris, London und Rom schuld an der Krise sind
    Der Historiker Götz Aly hat eine klare Meinung zur derzeitigen EU-Flüchtlingspolitik: desaströs. Denn diejenigen, die durch die Zerschlagung Libyens die Flüchtlingskatastrophe mit voran getrieben hätten, säßen in Frankreich, Großbritannien und Italien – und täten nichts, um die Lage zu verbessern.
    Die Ursache für die derzeitige Situation liegt Aly zufolge in der Zerschlagung Libyens 2011 durch eine Koalition aus Frankreich, Großbritannien und Italien – ohne darüber nachgedacht zu haben, welches Chaos aus Stammeskriegen, radikalen Islamisten und “KZ-ähnlichen” Flüchtlingsauffanglagern daraus entstehen könnte.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Über Alys Merkel-Beweihräucherung sollte man hinwegsehen, da der Hinwies von Aly, dass man in Libyen einen Regime Change inszeniert hat ohne sich zu überlegen was danach kommt, absolut stichhaltig ist. Leider vergisst Aly darauf hinzuweisen, dass die USA wesentlich am Sturz Gaddafis mitbeteiligt waren.

  10. Beihilfe zur Hungersnot
    Die Bundesrepublik setzt entgegen anderslautenden Ankündigungen die Aufrüstung Saudi-Arabiens fort und beliefert die saudische Küstenwache mit Patrouillenbooten. Vergangene Woche sind zwei solche Boote aus der Wolgaster Peene-Werft nach Saudi-Arabien ausgeschifft worden; sie sind Teil eines rund 1,5 Milliarden Euro umfassenden Deals, der die Lieferung von mehr als 100 Booten an die Küstenwache sowie die Marine des Landes umfasst. Hauptauftragnehmer ist die Bremer Lürssen-Werft. Die Lieferung erfolgt, obwohl Riad im Jemen einen weltweit heftig kritisierten Krieg führt und das Land mit einer Seeblockade abschottet, die eine verheerende Hungersnot ausgelöst hat und eine grassierende Cholera-Epidemie verschärft. Für die Seeblockade kann Saudi-Arabien vermehrt auf deutsche Patrouillenboote zurückgreifen. Wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Untersuchung bestätigt, begünstigt der auch mit deutschen Waffen geführte Krieg Saudi-Arabiens im Jemen nicht zuletzt Al Qaida; das US-Verbot, Laptops auf bestimmte Passagierflüge mitzunehmen, geht mutmaßlich auf Anschlagspläne der erstarkenden Al Qaida im Jemen zurück.
    Quelle: German-Foreign-Policy.com
  11. Williger Komplize der Militärdiktatur
    Die brasilianische VW-Tochter Volkswagen do Brasil hat Mitarbeiter ausgespäht und sie aufgrund ihrer politischen Gesinnung der brasilianischen Militärdiktatur, die von 1964 bis 1985 herrschte, übergeben. Das ist das Ergebnis von Recherchen. Den Opfern drohte Folter – VW hat sich bis heute dafür nicht entschuldigt.
    Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Die Globalisierung des Wolfsburger Autokonzerns. 1959 wurde das Werk in der Nähe von Sao Paulo eröffnet, fünfzehn Jahre später konnte auch der NDR nur Erfolgsmeldungen senden.
    “VW do Brasil, zurzeit das gewinnbringendste Werk des Wolfsburger Konzern, ist der größte Autohersteller des Landes. Täglich laufen 1.750 Fahrzeuge vom Band. Von Absatzkrise keine Spur.” (NDR Nordschau Magazin, 18.3.1975)
    Die Nachfrage nach deutschen Autos in Südamerika war riesig, ganz vorne: der Käfer und der VW-Bus. Volkswagen wurde zum größten Privatunternehmen des Kontinents. Carl Hahn, heute 91, war in den Sechzigern Aufsichtsrat bei VW Brasilien und ab 1982 Konzernchef in Wolfsburg.
    “Deutschland hatte einen sehr guten Ruf in der ganzen Welt. Da brauchte man keine Werbekampagnen. Wir hatten das richtige Produkt, das hatte eben seine Persönlichkeit, um genau in die dortigen Verhältnisse zu passen.”
    Auch Lúcio Bellentani erinnert sich noch an seine Zeit bei Volkswagen. Doch er hat das Unternehmen anders in Erinnerung als der Manager Carl Hahn.
    “Hier war ich drin. Zelle Nummer 2.”
    Acht Monate Folterhaft. Elektroschocks, er war aufgehängt an einer Stange. Unvorstellbare Schmerzen.
    “Um die Schmerzen noch zu verstärken, haben sie Wasser über mich geschüttet. Elektroschocks, Schläge auf den Kopf, ins Gesicht, Fußtritte, alles gleichzeitig.”
    Aktive Beteiligung an der Verfolgung von Regimegegnern
    Bellentani hatte Flugblätter verteilt – für die Kommunistische Partei. Auf dem Werksgelände von Volkswagen nahe Sao Paulo. Dort sei er auch festgenommen worden, sagt er.
    Quelle: Deutschlandfunk
  12. Leben wir bald in einer Technokratie?
    Ob Mark Zuckerberg oder Reid Hoffmann: Diverse Tech-Entrepreneure streben nach Macht in der Politik. Angeblich könnten sie die Prozesse beschleunigen – durch gezielte Alleingänge.
    Im März 2014 richtete die Occupy-Gründerin und Google-Ingenieurin Justine Tunney eine Petition ans Weiße Haus. Sie enthielt drei Forderungen. Erstens: Alle Regierungsmitarbeiter sollen in den Ruhestand geschickt werden. Zweitens: Alle administrative Autorität soll an die Tech-Industrie transferiert werden. Drittens: Google-CEO Eric Schmidt soll zum CEO von Amerika ernannt werden. Sie scheiterte mit ihrem Vorhaben; die Petition erhielt nur ein paar Unterstützerunterschriften. Doch die Idee einer Technokratie, in der man algorithmisch durchregieren kann, lebt weiter. Die Unternehmer Mark Pincus und Reid Hoffman haben am 4. Juli, dem Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten, eine politische Plattform namens „Win the Future“ (WTF) gegründet, mit der sie, wie der Tech-Blog „The Verge“ berichtet, die Demokratische Partei „hacken“ wollen.
    Auch Reid Hoffman, der Gründer der Karriereplattform Linkedin, spielt schon länger mit dem Gedanken, eine eigene politische Organisation respektive Partei zu gründen. Er war es, der zusammen mit Pincus und dem Wagniskapitalgeber Sam Altman mit „Track Trump“ ein Gegenprogramm zur Einwanderungspolitik von Donald Trump initiierte. Zuletzt sorgte Hoffman mit einer Aussage für Aufsehen, nach der die Hälfte der Internet-Milliardäre eine „Apokalypse-Versicherung“ in Form eines Bunkers oder einer Insel abgeschlossen hätte.
    Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der mit seinem Manifest („Building Global Community“) eine Art Wahlprogramm für eine Weltregierung vorgelegt hat und gerade durch Amerika tourt, werden Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur nachgesagt. Für die Entrepreneure im Silicon Valley sind Staaten etwas Gestriges. Der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler Parag Khanna plädiert in seinem Buch „Technocracy in America: Rise of the Info-State“ für einen superschlanken Informationsstaat nach dem Vorbild Singapurs und der Schweiz, der mit Infrastrukturdaten gefüttert wird und in Echtzeit auf die politischen Herausforderungen reagiert. Khanna will einen Aufsichtsrat an die Spitze des Staates stellen, der den Staat wie eine Aktiengesellschaft verwaltet. Anstelle eines Präsidenten sollen sieben Präsidenten nach dem Konkordanzmodell der Schweiz das Land regieren. Das kann als Vorlage für die politischen Ambitionen im Silicon Valley gelesen werden.
    Quelle: FAZ
  13. Darum ist Microsoft Office 365 ein Fall für den Betriebsrat
    Mehr Effizienz durch umfassende Leistungskontrolle im Job? Mit einem neuen Add-on für die Bürosoftware Microsoft Office 365 können Arbeitgeber die Leistung ihrer MitarbeiterInnen detailliert analysieren. Aus Sicht des DGB ist der Einsatz der Software im Betrieb zwingend mitbestimmungspflichtig.
    Der Betrieb in der Cloud hat viele Vorteile: Texte, Tabellen, Projekte können von allen Beschäftigten bearbeitet werden. Es braucht keinen Schreibtisch mehr, denn durch die Cloud-Anbindung sind alle Dateien, E-Mails, Termine und Kontakte jederzeit und überall verfügbar. Außerdem sind die Anwendungen auf jedem Endgerät nutzbar, ob mobil oder am stationären PC.
    Doch Datenschützer warnen: Die Software erlaubt auch, dass Arbeitsprozesse überwacht werden. Wie lange wurde am Dokument X gearbeitet, wer hat wem eine E-Mail geschrieben, wann wurde geantwortet? Für viele Arbeitgeber sind das interessante Daten.
    Mit dem neuen Add-on Workplace Analytics will Microsoft die Analyse der Daten noch einfacher für Arbeitgeber machen. Microsoft bewirbt das Add-on mit den Worten: „Entfesseln Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter mit Workplace Analytics.“ Für Ralf-Peter Hayen, DGB-Rechtsexperte für betriebliche Mitbestimmung, muss der Einsatz von Office 365 vom Betriebsrat „abgesegnet“ werden: „Betriebsräte müssen vor Einführung oder gar Anwendung der Software im Betrieb mitbestimmen. Der Arbeitgeber muss vor der Installation detailliert Auskunft geben, ob und wie er die erfassten Daten nutzen will. Die Mitbestimmung dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“
    Marc-Oliver Schulze ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei „AfA Rechtsanwälte“ und berät Betriebsräte unter anderem zum Umgang mit Office 365. Er warnt: „Workplace Analytics ist nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht höchst bedenklich.“ Der Arbeitgeber könne zwar ein berechtigtes Interesse daran haben, die Leistung seiner Arbeitnehmer zu beurteilen – die weitreichenden Möglichkeiten, die das Tool bietet, dürften jedoch in den allermeisten Fällen unzulässig sein, meint Schulze. Kritisch sei vor allem die Möglichkeit, Kennziffern über Leistung und Verhalten nicht nur abstrakt – also ohne Personenbezug – einzusehen, sondern eine detaillierte, dauerhafte und nahezu lückenlose Auswertung des Verhaltens Einzelner zu ermöglichen. Durch die Möglichkeit, Daten miteinander abzugleichen und in Beziehung zueinander zu setzen, sei es etwa möglich, Bewegungsprotokolle der Mitarbeiter zu erstellen. So kann unter anderem erfasst werden, wie lange ein Mitarbeiter für das Schreiben einer E-Mail benötigt, ob er während eines im Kalender eingetragenen Meetings E-Mails versendet hat und wie oft Terminkollisionen aufgetreten sind. Anhand dieser Werte kann der produktivste Mitarbeiter herausgefiltert und als Maßstab für die Kollegen festlegt werden. Oder vermeintliche „Low-Performer“ können so vom Arbeitgeber „aussortiert“ werden, warnt Schulze.
    Quelle: DGB
  14. Die israelische Administrativhaft
    Unter der Bezeichnung „Administrativhaft“ haben israelische Sicherheitskräfte die gesetzlich legitimierte Möglichkeit, Menschen zu verhaften und teils über Jahre festzuhalten, ohne dass die Häftlinge ihr Recht auf ein Gerichtsverfahren wahrnehmen können.
    Die Praxis, Menschen ohne entsprechenden richterlichen Beschluss festzuhalten, um somit rechtsstaatliche Verfahren umgehen zu können, wurde und wird von Staaten auf der ganzen Welt verwendet. Administrativhaft fand bzw. findet unter anderem Verwendung in Nordirland, Südafrika (während der Apartheid), den USA (Guantanamo Bay) und Israel. Demnach ist Israel nicht der einzige Staat, in dem Administrativhaft angewendet wird, stellt jedoch den einzigen Staat dar, in dem Administrativhaft einen integralen Bestandteil des nationalen Rechtssystems bildet und darüber hinaus immer noch gängige Praxis ist.
    Die von Israel praktizierte Administrativhaft ist dabei ein Relikt aus der britischen Kolonialzeit über das Mandatsgebiet des historischen Palästinas. Die Implementierung der Administrativhaft im nationalen israelischen Recht erfolgt sowohl im binnenländischen Gesetzesrecht in Israel sowie auch in der Militärlegislative der besetzten palästinensischen Gebiete.i PalästinenserInnen werden im Rahmen dieser Haft ohne Anklage, ohne Prozess und Urteil zunächst für bis zu sechs Monate inhaftiert. Anstatt eines Gerichtsverfahrens findet lediglich nachträglich eine „richterliche Überprüfung“ des von Sicherheitskräften bereits erlassenen Haftbefehls statt.
    Quelle: Handala e.V.

    Anmerkung JK: Jetzt auch in Bayern.

    dazu auch auf den NachDenkSeiten: Das bayerische Gefährder-Gesetz. Wegsperren – diese Möglichkeit zielt auch auf aufmüpfige Menschen, auf den fortschrittlichen Teil unserer Gesellschaft insgesamt

  15. Und ewig grüßt der Freiherr zu Guttenberg
    Es war so sicher wie das Amen in der Kirche: Kaum hatte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer entschieden, dass es für ihn keinen besseren Nachfolger gibt als ihn selbst, spielt er nun wieder die „KTG“-Karte. Der in die USA ab- und ausgewanderte Ex-Bundesverteidigungsminister, Ex-Hoffnungsträger und Ex-Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg wird von Seehofer sehnlichst wieder in Bayern erwartet. Und in dem Zusammenhang war auch von Kabinettsumbildung die Rede. Des bayerischen Kabinetts, versteht sich. Denn da könnte demnächst durch den Wechsel von Innenminister Joachim Herrmann nach Berlin ein Platz frei werden.
    Das neuerliche Vorzeigen der „KTG“-­Karte hat zwei Funktionen: Zum einen soll es die CSU für bestimmte Wählergruppen interessanter machen, wenn die Option besteht, dass der oberfränkische Adel wieder dabei ist. Zum anderen soll damit der ewige Kronprinz Markus Söder in Schach gehalten werden.
    Substanz hat das Gerede über eine Wiederkunft von „KTG“ wenig. Zumindest wenn man sich an dessen eigene Worte hält. Erst vor wenigen Tagen stellte er klar, dass ihm eine Rückkehr in die bayerischen Politik-Niederungen fernliegt. Er helfe seiner Partei gerne mit einigen Wahlkampfterminen, sagte zu Guttenberg, „das isses aber“. Angesichts seiner heutigen Distanz zur Tagespolitik und sechsjähriger politischer Entwöhnung sei er eher „ein kurzzeitig auftretender Ackergaul“. Gefragt nach seinen Interessen im Wahlkampf antwortete der 45-Jährige: „Einen Beitrag zur Wiederwahl der Bundeskanzlerin zu leisten und fünf Kilo Gewicht zu verlieren in der Hitze bayerischer Bierzelte.“ Wer glaube, dass er lechzend nach Ämtern im September wieder präsent sei, der täusche sich. Das ist doch eigentlich klar genug, oder?
    Freilich – in der Politik gilt nach wie vor die Adenauer-Devise „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“. Das gilt im Übrigen auch für Seehofers lautes Nachdenken über eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene, die er noch vor nicht allzu langer Zeit kategorisch ausgeschlossen hat. Kurzum: Nichts ist unmöglich, aber wahrscheinlich ist es nun wirklich nicht, dass „KTG“ dem nächsten Kabinett – sei es in München oder Berlin – wieder angehört. Übrigens gibt es nicht nur Fans des Freiherrn aus Oberfranken. Nicht wenige würden sich gehörig darüber ärgern, wenn der „Blender“ wieder über die Bildschirme flimmert.
    Quelle: Saarbrücker Zeitung

    Anmerkung JK: Vielleicht besteht ja 2021 doch noch die Chance auf einen deutschen Emmanuel Macron zur weiteren forcierten Durchsetzung der neoliberalen Agenda? Denn, Guttenberg als eitlen Blender darzustellen greift zu kurz, da sich hier eine andere politische Dimension zeigt. Interessant, wie die “Qualitätsmedien” dabei wieder Hand in Hand arbeiten. Die SZ hatte bereits in ihrer Freitagsausgabe auf Seite Drei einen großen Bericht über Guttenberg. Auch im Spiegel findet sich ein ausführlicher Beitrag zu Guttenberg: “Der gefallene Freiherr kehrt zurück“.

  16. Nachhilfe in Euphorie
    Emmanuel Macron hat gezeigt, wie man als Außenseiter eine Wahl gewinnt – nun hat ihn Martin Schulz besucht. Von Frankreichs Präsident lernen heißt: auf Europa setzen. Klappt das auch in Deutschland?
    Martin Schulz in Paris – Von Macron siegen lernen?
    Martin Schulz ist an diesem Donnerstag nach Paris gereist, um Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu besuchen. Aber zunächst mal macht er an der Sciences Po Station, um den vornehmlich jungen Leuten und einigen Professoren von seinen Plänen für Europa zu berichten. Im Kern will er: mehr Europa. Und da ist man dann schon bei Macron, der mit diesem Motto französischer Präsident geworden ist – mit Sicherheit unterstützt von vielen hier im Raum. Kein Wunder also, dass Schulz’ Auftritt bestens ankommt. Natürlich sind die Zuhörer auch von seinem geschliffenen Französisch beeindruckt.
    Am Ende hat Schulz noch eine Bitte an seine neuen Fans: “Engagiert euch für Europa – es ist eure Sache!”
    Macron hat das geschafft, was auch Schulz vor Augen hatte: Eine Woge der Euphorie zu verstetigen – und sie am Ende in einen Wahlsieg zu verwandeln. Schulz ist gewissermaßen auf der Suche, seine Kampagne zu reeuphorisieren, dabei könnte ihm Macron nun ein bisschen helfen.
    Quelle: spiegel

    Anmerkung JK: Mehr Europa, für Europa, diese nebulöse Phrasen, die alles und nichts bedeutet, sind die Lieblingsphrasen der extremen Mitte. Damit lässt sich jeder nach Belieben als “Europa-Gegner” desavouieren, der Kritik an den bestehenden Verhältnissen und der Durchsetzung der neoliberalen Agenda durch die Politelite in Brüssel und Berlin übt. Dabei darf nicht vergessen werden Schulz war und ist Teil dieser Politelite. Die Botschaft seines Treffens mit Macron ist deutlich. Dieser und dessen neoliberale Politik (Agenda 2010 auf Französisch) sollen das Vorbild für Schulz sein. Nicht etwa ein Jeremy Corbyn, der die Bedürfnisse und Wünsche der einfachen Bürger in den Mittelpunkt seiner Politik stellt und damit ganz nebenbei Erfolg hat (Labour: 40 %, SPD: 25 %). Sollte Schulz nicht eher Jeremy Corbyn besuchen? Die Agenda 2010 ist nach wie vor das politische Leitmotiv der SPD. Allerdings hat die Durchsetzung der neoliberalen Ideologie durch Macron eine neue Dimension, die Durchsetzung über den Ausnahmezustand. Auch daran scheint sich Schulz nicht zu stören. Sieht er dies gar als Vorbild?

    Dazu: In Großbritannien schüttelt man auch über die SPD den Kopf
    Es wird peinlich. Während Martin Schulz im finanzindustrieprotegierten Gewerkschaftsfeind und Arbeitsmarktflexibilisierer Macron seinen besten Freund und zugleich sein Vorbild sieht, ist in UK zunehmend Kopfschütteln darüber zu vernehmen, warum die scheiternde Sozialdemokratie in Europa sich nicht am Erfolgsmodell Labour unter Corbyn orientiert. Owen Jones, britischer Journalist und Labour-Unterstützer retweetet den Verweis eines britischen Politikwissenschaftlers, der auf die “düsteren” Zahlen für die SPD und Schulz persönlich verweist.
    Zur Erinnerung: Die SPD ist nach dem kurz aufflackernden “Schulz-Effekt”, der durch die Entkoffeinierung aller Hoffnungen gegen das bleierne “Weiter so” schnell wieder in sich zusammenfiel, nun wieder bei unter 25, teils 22% angelangt. In UK hingegen liegt die Labour Partei bei 45% (Konservative: 40%) und hat dabei seit Ende April einen stabilen, sagenhaften Hinzugewinn von 20%-Punkten, nachdem viele viele Labour-Unterstützer aufgrund klassisch linker Inhalte sich aktiv in den Kampf um die öffentliche Meinung einbringen und ihre Zeit und Kreativität hergeben, um dem jahrzehntelangen Alternativlos endlich den Garaus zu machen.
    Quelle: Maskenfall auf FB

  17. Die überregionalen Medien haben die Bevölkerung vergessen
    Während der Flüchtlingskrise sei zu unkritisch über die Zuwanderung berichtet worden – das ist das Ergebnis einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Die Medien hätten sich mit den Ansichten der politischen Eliten gemein gemacht, sagte der Leiter der Studie, Michael Haller, im Deutschlandfunk.
    Viele Medien hätten ihren Qualitätsanspruch während der Flüchtlingskrise über Bord geworfen – das ist das Fazit einer Studie, die die Berichterstattung deutscher Tageszeitungen wie SZ, FAZ, Welt, BILD und mehrerer Regionalzeitungen untersucht hat.
    Die von der Universität Leipzig und der Hamburg Media School ausgewerteten Artikel stammen aus dem Zeitraum zwischen Februar 2015 bis März 2016.
    Michael Haller, Medienwissenschaftler und Leiter der Studie, sagte im Deutschlandfunk, dass die Studie zeige, dass sich die etablierten Medien während der Flüchtlingskrise mit den Ansichten der politischen Eliten gemein gemacht hätten.
    Er sieht darüber hinaus auch abseits der Flüchtlingsthematik wenig Prespektivwechsel in der Berichterstattung – die Ansichten der Machthabenden seien dominant.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Alles richtig und durch die NachDenkSeiten seit langem kritisiert, nur hat sich die Otto-Brenner-Stiftung mit ihrer unsäglichen Querfront-Studie nicht selbst schon mit den politischen Eliten gemein gemacht?

  18. Warum informieren Sie sich im Internet?
    Dieser Frage geht eine Studentin des Sozial- und Gesundheitsjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal nach. Im Rahmen ihrer Masterarbeit beschäftigt sie sich mit alternativem Journalismus im Internet und würde auch gerne die Leser der NachDenkSeiten befragen. Da wir im Rahmen unserer Möglichkeiten Studentinnen und Studenten gerne helfen, geben wir diese Bitte an Sie weiter. Hier ist der Link zur Umfrage.


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