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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. August 2017 um 8:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. EZB-Geldpolitik: “Nächster Crash kündigt sich an”
  2. In 1939, I didn’t hear war coming. Now its thundering approach can’t be ignored
  3. Hartz-IV-Aufstocker: Staat subventioniert Niedrigeinkommen jährlich mit Milliarden Euro
  4. Anteil atypischer Beschäftigung unverändert bei 21 %
  5. Mindestlohn bringt Sachsen mehr Vor- als Nachteile
  6. Karlsruhe klagt Schweizer wegen Spionage an
  7. Neoliberaler Prototyp
  8. »Sicherste Lösung wäre die Stillegung der Anlage«
  9. Kampf um Alternativen zur Rüstung
  10. Illegale Exporte Deutscher Elektroschrott verseucht Nigeria
  11. Europäische Werte (II)
  12. Grund- und Menschenrechte zur Disposition gestellt
  13. Abgasskandal: Vier Maßnahmen, die Verflechtungen von Autoindustrie und Politik künftig verhindern
  14. Ausnahmezustand in deutschen Gefängnissen
  15. Merkel und die YouTuber bei „#DeineWahl“: die schöne neue Werbewelt für die Kanzlerin

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EZB-Geldpolitik: “Nächster Crash kündigt sich an”
    Büüsker: Frau Wagenknecht, Sie waren immer eine Kritikerin des Anleihekaufprogramms der EZB. Sehen Sie sich jetzt durch das Verfassungsgericht bestätigt?
    Wagenknecht: Ja, das Urteil ist auf jeden Fall eine klare Rüge an die Bundesregierung, die ja diesen Kurs immer gedeckt hat, und ich finde auch wichtig, dass in dem Urteil noch mal deutlich gemacht wurde, die EZB überschreitet ihr Mandat, sie mischt sich in die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder ein. Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie macht ja Auflagen dafür, dass sie Anleihen kauft. Ich würde allerdings die Akzente etwas anders setzen natürlich als die Kläger das getan haben. Mein Problem ist mehr, dass es sich eigentlich gar nicht um Staatsfinanzierung, sondern weit mehr um Bankenfinanzierung handelt. […]
    Also man sollte ja nicht so tun, als sei das nur Draghi, der das macht, sondern das ist ja durchaus mit dem Wohlwollen, mit der Unterstützung der Bundesregierung. Auch die Bundesrepublik übrigens profitiert ja davon. Also auch Bundesanleihen werden gekauft. Deswegen sind die Zinsen ja so extrem niedrig, und wenn Schäuble jedes Jahr jetzt seinen ausgeglichenen Haushalt präsentiert, dann kann er immer gleich einen Dankesbrief an Herrn Draghi mit verfassen, weil das ist der wesentliche Grund, dass die Zinsen so niedrig sind. Für den deutschen Sparer, gerade für deutsche Kleinsparer ist es aber genau das Problem, dass sie faktisch enteignet werden, weil die Zinsen unter der Inflation liegen, die wir zurzeit in Deutschland haben, und das Hauptproblem ist, es löst nichts. Also wir haben durch dieses Kaufprogramm eine unglaubliche Geldflut. Wir haben Blasen auf vielen Vermögensmärkten, insbesondere auch auf den Immobilienmärkten. Die EZB kauft ja auch nicht nur Staatsanleihen, sie kauft auch Unternehmensanleihen. Also sie kauft inzwischen alles, was nicht wind- und wetterfest ist, und das heißt natürlich, dass unglaublich viel Geld in den Finanzkreislauf gepumpt wird, aber es gibt keine entsprechende Wertschöpfung, und damit kündigt sich der nächste Crash und die nächste Finanzkrise an. Also das ist die direkte Konsequenz.
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu: Karlsruhe zur EZB: Was hinter der spektakulären Entscheidung steckt
    Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst: Die Europäische Zentralbank dürfe viel, aber nicht alles. Mit seiner Entscheidung will das Gericht die Kollegen in Luxemburg auf Trab bringen. […]
    Die Karlsruher Richter machen das geschickt, sie locken die Kollegen in Luxemburg mit deren eigenen Worten. Bei seiner Entscheidung zum sogenannten OMT-Programm Draghis, also dem Programm zur Euro-Rettung, formulierte der EuGH seinerzeit allerlei Voraussetzungen und Einschränkungen. Diese von Luxemburg formulierten Voraussetzungen machte dann Karlsruhe in seinem finalen Urteil zum OMT-Programm zum verbindlichen Katalog. Diesen Katalog hat Karlsruhe jetzt in seiner Beurteilung des Anleihenprogramms angewandt – und festgestellt, dass das Anleihenprogramm diesem Katalog nicht entspricht. Mit diesem Zeugnis schickt Karlsruhe die ganze Chose wieder nach Luxemburg. Die Richter dort werden einige Schwierigkeiten haben, sich da wieder herauszuwinden.
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen

  2. In 1939, I didn’t hear war coming. Now its thundering approach can’t be ignored
    A chill of remembrance has come over me during this August month. It feels as if the 2017 summer breeze is being scattered by the winds of war blowing from across our world towards Britain, just like they were in 1939.
    In the Middle East, Saudi Arabia eviscerates Yemen with the same ferocity as Mussolini did to Ethiopia when I was child in 1935. The hypocrisy of Britain’s government and elite class ensures that innocent blood still flows in Syria, Iraq and Afghanistan. Theresa May’s government insists that peace can only be achieved through the proliferation of weapons of war in conflict zones. Venezuela teeters towards anarchy and foreign intervention while in the Philippines, Rodrigo Duterte – protected by his alliance with Britain and the US – murders the vulnerable for the crime of trying to escape their poverty through drug addiction.
    Because I am old, now 94, I recognise these omens of doom. Chilling signs are everywhere, perhaps the biggest being that the US allows itself to be led by Donald Trump, a man deficient in honour, wisdom and just simple human kindness. It is as foolish for Americans to believe that their generals will save them from Trump as it was for liberal Germans to believe the military would protect the nation from Hitler’s excesses.
    Quelle: The Guardian
  3. Hartz-IV-Aufstocker: Staat subventioniert Niedrigeinkommen jährlich mit Milliarden Euro
    2016 erhielten Erwerbstätige vom Staat Hartz-IV-Leistungen in Höhe von 10,78 Milliarden Euro. Die Zahlungen an Hartz-IV-Aufstocker sind gegenüber dem Vorjahr somit um rund 250 Millionen Euro gestiegen, wie aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Nach Einführung des Mindestlohns müssen nun vor allem sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken.
    Im Jahr 2016 zahlte der Staat insgesamt knapp 10,78 Milliarden Euro, um Aufstocker-Haushalte auf Hartz-IV-Niveau zu heben. Das sind rund 250 Millionen Euro mehr als noch im Vorjahr – obwohl die Zahl der Haushalte mit mindestens einem Aufstocker abgenommen hatte. Im ersten Mindestlohnjahr 2015 waren die Zahlungen an Aufstocker nach Jahren erstmals wieder zurückgegangen (O-Ton berichtete).
    Der Anstieg der Zahlungen an Aufstocker lässt sich nicht allein mit den Erhöhungen der Hartz-IV-Sätze erklären. So erhielten Aufstocker-Haushalte in 2016 durchschnittlich 831 Euro pro Monat – 49 Euro mehr als im Vorjahr. Seit 2015 wurde der monatliche Hartz-IV-Regelsatz jährlich jedoch nur um jeweils fünf Euro angehoben. (…)
    Seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 wird deutlich: Immer weniger Aufstocker haben einen Minijob. Im Dezember 2014 war noch fast jeder zweite Aufstocker geringfügig beschäftigt. Bis Januar 2017 ging ihre Zahl jedoch von rund 570.000 auf knapp 383.000 zurück. Anteilig sind nun deutlich mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte abhängig von Hartz-IV-Leistungen. Obwohl die Zahl der Aufstocker insgesamt im gleichen Zeitraum immer weiter gesunken war, mussten im Januar 2017 immer noch rund 570.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ihr Gehalt mit Leistungen aus der Grundsicherung aufstocken.
    Der Mindestlohn scheint also nachhaltig zu einer Verschiebung der Arbeitszeit und der Einkommen geführt zu haben. Aus Minijobbern sind möglicherweise sozialversicherungspflichtig-beschäftigte Aufstocker geworden, aus sozialversicherungspflichtig-beschäftigten Aufstockern Erwerbstätige, die nun ganz ohne Hartz-IV-Leistungen auskommen. Möglich ist aber auch, dass vor allem geringfügige Jobs komplett gestrichen wurden – und die Menschen nun (wieder) vollständig abhängig von Hartz-IV-Leistungen sind.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

    Anmerkung Christian Reimann: Hier hat insbesondere die SPD auf ganzer Linie versagt. Wenn es ihr in den letzten etwa 18 Jahren ernsthaft um soziale Gerechtigkeit gehen würde, hätte sie nicht während der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung “einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt“, so Kanzler Gerhard Schröder in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum 2005. Und der nachträglich, von der jetzigen schwarz-roten Merkel-Regierung eingeführte gesetzliche Mindestlohn enthält nicht lediglich viele Ausnahmen: Er ist außerdem viel zu niedrig.
    Mit diesem Milliarden-Betrag fördert der Staat Arbeitgeber. Muss das sein? Können sie keine Gehälter und Löhne bezahlen, die das Aufstocker-Prinzip überflüssig machen?

  4. Anteil atypischer Beschäftigung unverändert bei 21 %
    Jeder fünfte Erwerbstätige zwischen 15 bis 64 Jahren ging 2016 einer atypischen Beschäftigung nach (20,7 %). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis von Ergebnissen des Mikrozensus mitteilt, blieb der Anteil der atypisch Beschäftigten in den letzten drei Jahren damit nahezu unverändert (2015: 20,8 %, 2014: 20,9 %). Der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse lag 2016 mit 69,2 % ebenso in etwa auf dem Vorjahresniveau (2015: 68,7 %). Auf Selbstständige entfielen 9,9 % und auf unbezahlt mithelfende Familienangehörige 0,3 %.
    Zu den Erwerbsformen der atypischen Beschäftigung zählen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ihrer Haupttätigkeit eine geringfügige oder befristete Beschäftigung ausüben, in Teilzeit mit bis zu 20 Wochenstunden arbeiten oder bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt sind.
    Die absolute Zahl der atypisch Beschäftigten vergrößerte sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 121 000 Personen auf 7,7 Millionen. Durch den gleichzeitigen Anstieg um 808 000 Personen auf 25,6 Millionen Erwerbstätige in Normalarbeitsverhältnissen blieb der Anteil der atypisch Beschäftigten an allen Erwerbstätigen jedoch konstant.
    Innerhalb der atypischen Beschäftigung entwickelten sich die einzelnen Erwerbsformen unterschiedlich: Der Anteil der befristeten Beschäftigung nahm leicht zu auf 7,2 %. Der Anteil der in Zeitarbeit tätigen Personen stieg etwas an auf 2,0 %. Bei der geringfügigen Beschäftigung gab es hingegen einen Rückgang auf 5,9 %. Zudem sank der Anteil der Teilzeitbeschäftigten bis zu 20 Wochenstunden auf 13,0 %.
    Betrachtet werden hierbei Erwerbstätige, die 15 bis 64 Jahre alt sind und sich nicht in Bildung, Ausbildung oder einem Freiwilligendienst befinden. Die Zahl dieser sogenannten Kernerwerbstätigen stieg 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 % auf 37,1 Millionen Personen.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    dazu: Prekäre Beschäftigung: Wenn der Lohn nicht reicht
    Die 5-jährige Ella träumt von neuen Kleidern, ihre Mutter wäre schon dankbar für einen Job, mit dem sie sich und ihre Tochter ernähren kann. Ella und ihre Mutter sind kein Einzelfall. Viele Menschen können von Teilzeitstelle oder Mini-Job nicht mehr leben.
    Wenn ich groß bin, dann werde ich Prinzessin, sagt Ella. Gemeinsam mit ihrer Mutter Dörte Riem steht die Fünfjährige vor der Potsdamer Arbeitsagentur. Die eine träumt von einem Schloss und schönen Kleidern, die andere einfach von einer Arbeit, von der sie und ihre Tochter leben können. Mehrere Jahre jobbte Dörte Riem im Callcenter. Viel Geld verdiente sie dort nie, musste immer aufstocken. Jetzt ist sie alleinerziehend – ein neuer Job muss her.

    “Als ich alleinstehend war, noch kein Kind hatte, da war das alles o.k. Aber mit ihr jetzt geht das nicht. Man verdient auch mit 40 Stunden kein Geld in der Call-Center-Branche. Das ist ja so wenig Geld, was man da kriegt.”

    900 Euro netto, allein 700 gingen für die Miete weg, erzählt die 44-Jährige.
    Um genügend Geld zu verdienen und trotzdem noch Zeit für ihre Tochter zu haben, will Dörte Riem neu anfangen: Sie hat eine Trainerausbildung gemacht und will in die Erwachsenenbildung wechseln. Wenn auch nicht gleich in Vollzeit.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    dazu auch: Normalarbeitsverhältnis wieder stärken
    Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, bilanziert: „20 Jahre Reformen am Arbeitsmarkt haben für mehr Beschäftigung gar nichts gebracht.“ Das Arbeitsvolumen sei gleich geblieben, sagt Jutta Krellmann: „Es gibt heute genau so viel Arbeit wie 1994, doch mehr Menschen teilen sich den gleichen Umfang – aber zu deutlich schlechteren Bedingungen.“ Heute leiden, sagt Krellmann, viele Beschäftigte und besonders Berufseinsteiger, unter erzwungener Teilzeit, Minijobs, Befristungen, Leiharbeit: „Reguläre Vollzeit-Jobs kennen viele junge Leute nur noch aus Erzählungen. Wir müssen mit dieser Entwicklung brechen und gute Arbeit reorganisieren: Arbeit muss sicher, tariflich bezahlt und mitbestimmt sein.“
    Quelle: Die Linke im Bundestag

  5. Mindestlohn bringt Sachsen mehr Vor- als Nachteile
    Sachsen ist besonders stark von den Auswirkungen des Mindestlohns betroffen – und die sind überwiegend positiv. Das zumindest besagt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
    Der Mindestlohn hat in Sachsen nicht die negativen Effekte ausgelöst wie befürchtet. Wie eine Studie zeigt, sind mit der Einführung keine Arbeitsplätze vernichtet worden. „Für die Beschäftigten gab es reale Lohnzuwächse. Die Unternehmen reagierten mit geringfügigen Preiserhöhungen sowie mehr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung statt Mini-Jobs.“ So fasst der DGB eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zusammen.
    Das sei vor allem von Arbeitgeberseite so nicht erwartet worden, sagt Sachsens DGB-Vize Markus Schlimbach. Antje Weyh vom IAB bestätigt: „In der öffentlichen Diskussion um die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns galt Sachsen als besonders stark von den Auswirkungen betroffenes Bundesland.“ Laut Studie gaben 44 Prozent der befragten sächsischen Betriebe an, dass sie 2015 wegen der Einführung des Mindestlohnes die Vergütung in ihrem Unternehmen auf 8,50 Euro pro Stunde erhöht haben. Im restlichen Ostdeutschland waren das nur 36 Prozent.
    Quelle: Leipziger Volkszeitung

    dazu: Mindestlohn rauf auf 12 Euro
    „Die positive Auswirkung des Mindestlohns auf die Tarifgehälter im Niedriglohnbereich begrüße ich“, sagt Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. „Das zeigt, wie überfällig die Einführung des Mindestlohns war. Leider ist der Mindestlohn noch immer deutlich zu gering. Trotz Mindestlohn müssen gerade in Ballungszentren viele Beschäftigte aufstocken. Menschen, die ihr Leben lang zum aktuellen Mindestlohn arbeiten würden, landen selbst bei Vollzeitarbeit in Altersarmut. Ein Mindestlohn muss für das Mindeste im Leben reichen. Das tut nur ein Mindestlohn von 12 Euro, wie ihn DIE LINKE fordert.“
    Quelle: Die Linke im Bundestag

  6. Karlsruhe klagt Schweizer wegen Spionage an
    In der Schweizer Spionage-Affäre hat der Generalbundesanwalt Daniel M. angeklagt. Er soll deutsche Steuerfahnder ausgekundschaftet haben, die mit dem Ankauf von Steuer-CDs zu tun hatten.
    Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen einen 54-jährigen Schweizer wegen der Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit erhoben. Daniel M. soll im Auftrag des Schweizer Geheimdiensts die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung und einige ihrer Mitarbeiter ausgespäht haben, wie die Karlsruher Behörde mitteilte.
    Hintergrund der Anklage ist der Kauf sogenannter Steuer-CDs. Die Informationen darauf waren zuvor Schweizer Banken entwendet worden. Bis zum Frühjahr hatten allein Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen für insgesamt elf Datenträger 17,9 Millionen Euro an Informanten gezahlt. Im Gegenzug hätten sie dem Fiskus aber bis zu sieben Milliarden Euro zusätzlich durch Nachforderungen und Selbstanzeigen gesichert, hieß es damals aus dem Finanzministerium in Düsseldorf.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: Fabio De Masi via Facebook
    “Die Anklage ist richtig. Es darf null Toleranz gegenüber Spionage im Auftrag der Schweizer Steuermafia geben. Die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Spion Daniel M. offenbaren auch, dass im politischen Establishment der Schweiz kein Umdenken stattgefunden hat. Noch wichtiger als die Strafverfolgung von Spionen ist es jedoch, die Schlupflöcher im Schweizer Käse des Doppelbesteuerungsabkommen mit den Eidgenossen zu schließen.
    Der Bankdatenaustausch hält die Schweiz nicht von schmutzigen Tricks ab. In der Schweiz werden seit der Unternehmenssteuerreform II unter dem Stichwort Kapitalrückzahlungsreserven Dividenden in erheblichen Umfang von der Steuer befreit. Reiche Deutsche nutzen dieses Schlupfloch offenbar erheblich, wie die Statistik nahelegt.
    Das Bundesministerium der Finanzen verneint jedoch bislang Handlungsbedarf. Damit deckt Finanzminister Schäuble die verlotterte Praxis eines Landes, dass unsere Steuerfahnder bespitzelt.”
    Quelle: Facebook

  7. Neoliberaler Prototyp
    Entgegen den Verheißungen seiner Verfechter hat NAFTA vielleicht den Konzernen, aber ganz sicher nicht den betroffenen Bevölkerungen eine Verbesserung ihrer Lage gebracht. Jetzt soll das nordamerikansiche Freihandelsabkommen neu verhandelt werden
    Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA¹, das jahrelang – zumindest hierzulande – kaum bekannt war bzw. wenig beachtet wurde, ist durch US-Präsident Donald Trump in den letzten Monaten wieder ins Gespräch gekommen. Seine Drohung, die Vereinbarung aufzukündigen und zwischen den Vereinigten Staaten und deren südlichen Nachbarn eine Mauer zu errichten, haben auch Mexiko und Kanada veranlasst, über ­NAFTA erneut nachzudenken. Dort war seither ebenfalls häufiger zu vernehmen, das Abkommen sei überholt und müsse modifiziert werden. In dieser Woche finden nun in Washington Neuverhandlungen über die Freihandelsvereinbarung zwischen den drei Ländern statt.
    Quelle: junge Welt
  8. »Sicherste Lösung wäre die Stillegung der Anlage«
    In Gronau werden 20.000 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid gelagert. Gespräch mit Matthias Eickhoff
    Das Aktionsbündnis »Münsterland gegen Atomanlagen« setzt sich für die Schließung der Urananreicherungsanlage Gronau ein. Auch eine Lagerhalle für Uranmüll wollen Sie dichtmachen. Was genau wird dort aufbewahrt?
    Über 20.000 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid werden dort unter freiem Himmel in ­Containern gelagert. Das sind unvorstellbare Mengen. Dazu kommt Uran, das noch angereichert werden soll – denn die Anlage ist weiterhin in Betrieb und produziert jährlich rund 6.000 Tonnen Uranmüll. Neben dem Freilager steht eine leere Lagerhalle. Eigentlich sollte diese schon 2014 in den Betrieb gehen. Doch vom Betreiber Urenco hieß es vor zwei Wochen, das werde »nicht prioritär angegangen«.
    Dabei gehörte diese Halle zum Lagerungskonzept der letzten 15 Jahre. Dort sollte eigentlich abgereichertes Uran – Uranoxid – gelagert werden. Jetzt hat Urenco für uns überraschend, aber mit Zustimmung der Bundesregierung das bestehende Lagerungskonzept aufgekündigt. Das Uranoxid, das bislang aus Gronau nach Frankreich ausgelagert wurde, wurde nun an das Urenco-Schwesterunternehmen in Großbritannien weitergegeben. […]
    Für die Schließung der Anlage haben Sie am 6. August, dem 72. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima, demonstriert. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Ereignis und Ihrem Kampf in Gronau?
    Bei der Urananreicherung lässt sich auch atomwaffenfähiges Material herstellen. Im Gründungsdokument der Urenco wurde festgehalten, dass Uran nicht für militärische Zwecke angereichert werden soll, sondern »nur« für zivile. Die Bundesregierung hat diese ursprüngliche Vorgabe aufgeweicht: Urenco soll sich als Zulieferer am Atomwaffenprogramm der USA beteiligen. Das ist absolut unverantwortlich, gerade angesichts der weltweiten Krisen.
    Quelle: junge Welt
  9. Kampf um Alternativen zur Rüstung
    Die Rüstungsbranche verdient zum Teil gutes Geld – und die Aussichten sind glänzend angesichts der wachsenden Verteidigungsanstrengungen weltweit. Dennoch hofft die IG Metall, mehr Unternehmen für eine Konversion in zivile Produktion zu gewinnen.
    Stuttgart – Vielfach verwoben sei die Industrie im Land mit dem Waffengeschäft, hat jüngst Andreas Seifert, Autor des Rüstungsatlas Baden-Württemberg, festgestellt. Der von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung herausgegebene und nach zehn Jahren runderneuerte Atlas zeigt auf, dass mehr als 120 Firmen an gut 70 Standorten an Rüstung beteiligt sind. Eine Branche im Wandel: Früher waren es vor allem Firmen der metallverarbeitenden Industrie, heute wird die Innovationskraft eher in elektronische oder optronische Bauteile investiert. Künftig werde die Softwareentwicklung immer wichtiger.
    Wachsende Rüstungsausgaben weltweit füllen den Unternehmen die Kassen, sichern aber auch Arbeitsplätze. So steckt die IG Metall mehr denn je in der Zwickmühle, all ihren Ansprüchen gerecht zu werden. Denn politisch ist sie gegen das Kriegsgeschäft. „Das Kernproblem der deutschen Wehrindustrie ist, dass sie zugleich zu klein und zu groß ist: Zu groß, um ausschließlich die Bundeswehr zu bestücken und zu klein, um zugleich die Bündnispartner mit auszustatten“, sagt der Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Weil es auf europäischer Ebene keine richtige Koordinierung gebe, werde verschiedentlich das Heil im Export gesucht. Die IG Metall sei aber klar gegen den Export zumal in politisch kritische Länder. Er dürfe nur in europäische Länder und Nato-Staaten gehen. Und selbst da müsse man genau hinschauen.
    Quelle: Stuttgarter Nachrichten
  10. Illegale Exporte Deutscher Elektroschrott verseucht Nigeria
    Tausende Tonnen gebrauchter Kühlschränke und Elektronik werden aus Deutschland nach Nigeria verschifft, illegal. Mehr als 500.000 Nigerianer leben von einem Handel, der ihre Heimat vergiftet.
    Die Billstraße, ungefähr fünf Kilometer vom Hamburger Hafen entfernt gelegen, ist Knotenpunkte eines weltweiten Milliardenhandels. Vor den Geschäften werden täglich alte Stereoanlagen und vergilbte Kühlschränke in Minivans verladen. Aus seinem Lager verkauft Muhammad Aziz seit elf Jahren gebrauchte Elektrogeräte. Die meisten seiner Kunden fliegen aus Westafrika ein. “Die Afrikaner kaufen vor allem Kühlschränke. Es ist heiß dort unten”, sagt er.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Oh ha, mal etwas kritischer Journalismus auf SPON und darüber wie der “Westen” auch hier Afrika ausbeutet. Durchaus möglich, dass sich Menschen, deren Heimat verseucht ist, auf den Weg nach Europa machen, um dort ein besseres Leben zu finden. Es könnte auch Anlass sein über die kapitalistische Konsum- und Wegwerfökonomie mit ihrem horrenden Ressourcenverbrauch nachzudenken.

    Anmerkung Jens Berger: Nigerianer stellen übrigens bei den Flüchtlingen, die über das Mittelmeer gen Norden nach Europa kommen, die mit Abstand größte Nationalität dar.

  11. Europäische Werte (II)
    Eine steigende Zahl an Todesopfern in der nordafrikanischen Wüste und gravierende Verstöße gegen internationales Recht begleiten die Bemühungen der Bundesregierung um die Abschottung der EU gegen Flüchtlinge aus Afrika. Die Bestrebungen Berlins, die Grenze zwischen Libyen und Niger abzuriegeln, führen zu einer Verlagerung der Fluchtrouten auf gefährlichere Wege und zur Zunahme des Flüchtlingssterbens in der Sahara. Ein weiterer Anstieg der Todesopfer wird auch im Mittelmeer befürchtet, seit Italien und die libysche Marionettenregierung in Tripolis begonnen haben, Seenotretter an ihrer Tätigkeit vor der libyschen Küste zu hindern. Parallel unterstützt die Bundesregierung die Internierung von Flüchtlingen in Libyens Haftlagern, die für brutale Gewalt bis hin zum Mord an Gefangenen berüchtigt sind. Man müsse in den Lagern “humanitäre Standards” durchsetzen, äußert Bundeskanzlerin Angela Merkel und greift dazu auf die Dienste der International Organization for Migration (IOM) und des UNHCR zurück. Die Aktivitäten laufen auf ein mehrgliedriges Flüchtlingsabwehrsystem mit zwei Abschottungsringen und einem Netzwerk von Lagern hinaus.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: Ein menschenverachtender Pakt
    Die EU toleriert das Sterben im Mittelmeer nicht nur – sie provoziert es. Und lässt Libyen die Drecksarbeit erledigen
    Für den libyschen General Chalifa Haftar dürfte es einer der größten Deals seiner Karriere sein: Der Militär verlangte am Wochenende 20 Milliarden Euro von der Europäischen Union, damit die libysche Küstenwache weiterhin Migranten daran hindert nach Europa zu gelangen. Über 100 Millionen zahlt die EU dem desolaten Staat bereits für die Grenzsicherung zu Wasser. Vergangenen Donnerstag hat die international anerkannte libysche Regierung in der Hauptstadt Tripolis öffentlich die Ausdehnung ihres Seenotrettungszone angekündigt. Diese umfasst nun wohl ein Gebiet von bis zu 70 Meilen vor der libyschen Küste, weit mehr als die zuvor geltende 12-Meilen-Zone. Die allermeisten Seenotrettungen fallen in dieses nun libyscher Hoheit unterstellte Areal. Dass Libyen das Gebiet über seine Seegrenzen hinaus auf internationale Gewässer zur sogenannten Search-and-Rescue-Zone ausdehnt, ist nicht unüblich. Mehr als ungewöhnlich ist jedoch, dass der Kommandeur der Küstenwache in Tripolis verlauten ließ, kein fremdes Schiff dürfe in diese eindringen.
    Quelle: der Freitag

  12. Grund- und Menschenrechte zur Disposition gestellt
    In den vergangenen Wochen gab es zwei Entwicklungen, die sich weitab voneinander abspielten und scheinbar wenig miteinander zu tun haben: Die Rede ist einerseits vom G20-Gipfel in Hamburg, den Demonstrationen dort und dem Vorgehen der Polizei. Und andererseits von Flüchtlingen, die sich von Libyen aus aufmachen (wollen) nach Europa.
    Was den beiden Ereignissträngen gemein ist?! Es geht bei beiden Ereignissen um die legitime Wahrnehmung fundamentaler Rechte. Um die berechtigte Kritik an bestehenden Umständen. Um die Tatsache, dass Politik und Sicherheitsbehörden die Ursachen der kritisierten Probleme ignorieren. Und gemeinsam mit Meinungsmachern aus einflussreichen Medien die Kritiker (z.B. Demonstranten) und andere Beteiligte (z.B. Seenotrettungsorganisationen) diffamieren und als angeblich eigentliche Schuldige für die Probleme diskreditieren.
    Quelle: Cives
  13. Abgasskandal: Vier Maßnahmen, die Verflechtungen von Autoindustrie und Politik künftig verhindern
    Beim Abgasskandal ist deutlich geworden, dass die Politik immer wieder ihre schützende Hand über die Hersteller gehalten hat. Eine Ursache des Abgasskandals sind die engen Verflechtungen zwischen Politik und Autolobby.
    Wir zeigen in unserem Video, wie Lobbyregulierung dem entgegenwirken kann.
    In unserem LobbyCheck lesen Sie mehr zu unserem Vier-Punkte-Planen gegen die Verflechtungen von Autoindustrie und Politik.
    Quelle: LobbyControl

    dazu: Die Zombie-Technologie
    Die aktuelle Debatte über manipulierte Abgaswerte und die Folgen zeigt: Die Autoindustrie steuerte von Anfang an in eine Sackgasse.
    Abgaswerte, Dieselmotoren und kriminelle Manipulationen der deutschen Automobilkonzerne sind – entgegen dem lauten medialen Echo – nicht das Problem. Das Problem heißt „Personenkraftwagen“, euphemistisch lackiert „Automobil“. So langsam merkt jeder, dass es mit dem „Selbstbeweglichen“ so eine Sache ist. Von Schnellstraßen durchpflügte Städte werden ebenso unbewohnbar wie Orte entlang der Autobahnen. Das Problemvolumen, das der Autoverkehr verursacht, wächst so dynamisch wie die Kollateralschäden – von volkswirtschaftlichen Kosten bis zu privaten Gesundheitsschäden und ökologischen Folgen.
    Es wird deutlich, dass die Pkw-Technologie von Anfang an in eine wirtschaftliche, technische und soziale Sackgasse steuerte, was man in der anfänglichen Euphorie lange nicht merken wollte oder durfte. Die Sackgasse ist das erst verkannte, dann verleugnete und zuletzt mit allerlei Palliativmittelchen und halbgaren „Lösungsvorschlägen“ für noch abwendbar gehaltene Endziel aller Zombie-Technologien. Das gilt ebenso für die Energieerzeugung mit Kernkraftwerken, die Gentechnologie oder das industrielle Agrar-Business.
    Quelle: taz

  14. Ausnahmezustand in deutschen Gefängnissen
    An die Öffentlichkeit dringt nur etwas, wenn Drastisches passiert: Suizide, Hungerstreiks, Schmuggelskandale. Aber auch der Alltag in Deutschlands Gefängnissen ist oft Ausnahmezustand: Personalnot, Drogen, Gewalt, mangelnde medizinische Versorgung. Auch Antifolterkommissionen mahnen immer wieder. Der Podcast blickt hinter die Mauern deutscher Gefängnisse.
    Quelle: BR Online
  15. Merkel und die YouTuber bei „#DeineWahl“: die schöne neue Werbewelt für die Kanzlerin
    In der Spitze verfolgten etwas über 57.000 Menschen das Live-Interview, das Bundeskanzlerin Angela Merkel vier YouTubern gab. Die jeweils zehnminütigen Gespräche der Kanzlerin mit Itscoleslaw, Alexi Bexi, Ischtar Iksi und MrWissen2go waren unspektakulär. Es ist das Event an sich, das den Gesprächswert schuf und von dem sich alle Beteiligten einen Werbe-Effekt versprechen dürften.
    Produziert wurde das Format „#DeineWahl“ von Studio71, dem Multiplattform-Netzwerk von ProSiebenSat.1 (P7S1). Hinter der Interview-Aktion stehen also keine „kleinen YouTuber“, sondern ein großer TV-Konzern, der durchaus auch handfeste eigene Interessen verfolgt. Zuletzt sorgte das P7S1-Vorstandsmitglied Conrad Alberti für Schlagzeilen, als er einen Anteil an den öffentlichen Rundfunkbeiträgen auch für Privatsender forderte. Ein Format wie „#DeineWahl“ könnte insofern auch medienpolitisch irgendwann in die Waagschale geworfen werden.
    Dann wäre da noch YouTube, bzw. der dahinter stehende Google-Konzern Alphabet. Am Tag des Interviews platzierte Google auf seiner Startseite direkt unter dem Sucheingabefeld einen „Programmhinweis“ auf das Interview. Vermutlich wäre das der begehrteste Werbeplatz im Internet. Wenn er denn zu buchen wäre. Der Such-Konzern präsentiert sich hier wie selbstverständlich als die Plattform der Wahl (pun intended) für den politischen Diskurs mit der jungen Zielgruppe.
    Und die Kanzlerin selbst profitiert mitten im Wahlkampf natürlich auch. Zwar konnten die YouTuber formal die Bedingungen des Interviews diktieren. Es dürfte Merkel und ihren Beratern aber nicht schwergefallen sein, hier einen Blankoscheck auszustellen. Ganz anders als beim „TV Duell“ übrigens, bei dem jeder noch so kleine Änderungswunsch der Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 von Merkel abgeschmettert wurde, um ja eine möglichst große Kontrolle zu behalten.
    Quelle: meedia


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